Göttinger
Friedenspreis 2019
Der Verein „Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost“
erhält den Göttinger
Friedenspreis 2019.
Deutsches Theater Göttingen - Antisemitismus oder berechtigte
Kritik an Israel? Wo verläuft die Grenze?
Als die Jury des Göttinger Friedenspreises im Frühjahr 2019 den Preis an die
»Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« vergab, löste dies bundesweit
heftige Reaktionen aus, weil die ausgezeichnete Organisation offen mit der
Kampagne »Boykott, Divestment and Sanctions« (BDS) sympathisiert. Iris Hefets,
Mitglied des Vorstands der »Jüdischen Stimme«, hatte sich offen hinter den
»BDS-Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft« gestellt.
Die FDP in Göttingen, wie auch der Zentralrat der Juden in Deutschland haben die
Stadt, die Universität und die Sparkasse aufgefordert, sich von der Verleihung
des Preises zu distanzieren. Aufgrund dieser Intervention haben die Stadt
Göttingen und die Georg-August-Universität Göttingen beschlossen, die
Preisverleihung nicht in ihren Räumen stattfinden zu lassen. Sie fand dann in
der Galerie Alte Feuerwache statt.
Zurück blieb der Eindruck, der durch die jüngsten Ereignisse in Halle verstärkt
wurde, dass es dringenden Gesprächsbedarf darüber gibt, wo die Grenze zwischen
Kritik an Israels Politik und Antisemitismus verläuft. Unserem Selbstverständnis
folgend, dass das Deutsche Theater Göttingen ein Ort ist, an dem aktuelle
gesellschaftliche Themen differenziert diskutiert und Haltungen nachvollziehbar
erläutert werden können, laden wir zu einer Podiumsdiskussion zu dieser Frage
ein.
Es diskutierten:
Iris Hefets, Mitglied des Vorstands »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in
Nahost« und Psychoanalytikerin
Konstantin Kuhle, MdB (FDP)
Dr. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main
Prof. Dr. Rita Süssmuth, Präsidentin des Deutschen Bundestages a.D.
Jürgen Trittin, MdB (Bündnis 90/Die Grünen) und Mitglied im Auswärtigen
Ausschuss
Moderation Dr. Daniel Alexander Schacht, Journalist
Quelle
Reaktionen:
Prof. em. Dr. Georg Meggle Jan
19, 2020 - z.Zt. Philosophy Department -
American University in Cairo (AUC)
An Herrn Intendanten Erich Sidler
- Deutsches Theater - Theaterplatz 11 -
37073 Göttingen
Sehr geehrter Herr Sidler, als
Mitinitiator der an die deutsche
Hochschulrektorenkonferenz (HRK)
gerichteten Petition EINSPRUCH (s.
unteren LINK) verfolge ich derzeit,
wenngleich in Kairo, das intellektuelle
Geschehen in Deutschland – speziell im
Kontext Antisemitismus vs. Antizionismus
vs. Israelkritik – sehr sorgfältig. Und
freue mich zu hören, dass es in unserem
Land immerhin noch Aufrechte gibt, die
dem inzwischen ja fast schon offiziellen
semantischen Mind-Hacking mit dem ihm
eigenen starken
anti-Differenzierungs-Druck standhalten
und eine öffentliche Diskussion auch zum
Thema Israel-Kritik nicht nur zulassen,
sondern sogar den Mut haben, eine solche
Diskussion erst zu ermöglichen. Dafür
möchte ich Ihnen als jemand, der die auf
solchen Mut folgenden Vorwürfe und
Angriffe aus eigener Erfahrung recht gut
kennt, schlicht und einfach „DANKE“
sagen.
Bisher hatte ich bei „Göttingen“ immer
an die Göttinger Sieben der dortigen
Universität gedacht. Mit deren Namen
werde ich – und sicher auch viele
anderen Mitmenschen, die auch heute noch
auf die Freiheit des Wortes Wert legen –
nunmehr in Dankbarkeit auch den Ihren
verbinden. Dass für die durch Sie
ermöglichte Veranstaltung weder
städtische noch universitäre Räume zur
Verfügung gestanden haben sollen, höre
ich mit Entsetzen – und, was die
Göttinger Universität angeht, auch
voller Scham. Was für eine Schande für
diese früher einmal so zurecht gerühmte
Institution. Ob diese überhaupt merkt,
wie sehr sie mit solchen Raum-Verboten
ihrem eigenen Image als einem Ort „einer
liberalen Öffentlichkeit in Deutschland“
widerspricht?
Sollten Sie Ihre Einleitungsrede auch
schriftlich haben, würde ich mich sehr
freuen, wenn Sie mir eine Kopie
derselben zur Verfügung stellen könnten.
Am besten als Anhang einer Mail an meine
untere Uni-Heimat-Adresse. So könnten im
Kontext unserer genannten Petition
vielleicht auch einige meiner bislang
mehrheitlich schweigenden Uni-Kollegen
über den ansonsten derzeit anscheinend
nicht sonderlich hoch angesetzten
Stellenwert einer freien
Meinungsäußerung für eine demokratisch
Gesellschaft etwas Nachhilfe erfahren.
Voller Hochachtung grüßt Sie von den
Ufern des Nils Ihr GM
https://www.openpetition.de/petition/online/einspruch-gegen-sprachregelungen-fuer-hochschulen
Von: Hartmut
Niemann
Datum: 19. Januar
2020 um 12:37:50 MEZ
An:
presse@dt-goettingen.de
Betreff:
Veranstaltung im DT am
17.01. zum Thema
Antisemitismus
Sehr geehrte Frau
Mathes, sehr geehrter
Herr Sidler,
anläßlich der genannten
Veranstaltung, an der
ich selbst teilnehmen
durfte, möchte ich Ihnen
von ganzem Herzen
danken, hat sie doch,
angesichts des
überwältigenden
Zuschauerzusspruchs
gezeigt, wie groß das
öffentliche Interesse an
der Frage der Grenze
zwischen der Kritik an
Israel und dem
Antisemitismus ist. Wenn
auch die Diskussion
teilweise an mangelnder
Zuspitzung litt
(Bundestagsentschließung
zur BDS-Iniative bzw.
Übernahme dieser
Entschließung durch die
HRK, Verweigerung von
öffentlichen Räumen an
Palästina-Solidaritätsinitiativen),
stellt sie doch
insgesamt einen großen
Fortschritt dar. Als
Göttinger macht es mich
nicht wenig stolz, dass
nach der
Friedenspreisverleihung
an die "Jüdische Stimme"
vergangenes Jahr dies
die bemerkenswerteste
Manifestation
zivilgesellschaftlichen
Engagements in dieser
Frage war. In anderen
deutschen Städten bleibt
Menschen und
Vereinigungen, die
öffentliche Debatte über
Menschenrechte auch für
Palästinenser*innen
führen möchten und dafür
Versammlungsorte suchen,
oft nur der Weg zum
Gericht. Hier einen Weg
gewiesen zu haben, der
eine Debatte nicht nur
zuläßt sondern auch
befördert, wird als Ihr
bleibendes Verdienst
gezählt werden. Umso
überzeugender wurde das
Unternehmen noch durch
die anschließende
Aufführung von "Vögel",
die so den Bogen zum
Thema des Abends schloß.
Ihnen persönlich, sehr
geehrte Frau Mathes,
sehr geehrter Herr
Sidler, aber auch allen
anderen
Mitarbeiter*innen Ihres
Hauses danke ich, nicht
zuletzt für den Imbiß
nach Diskussion mit der
Möglichkeit der
Vertiefung der
asngesprochenen Themen
und beglückwunsche Sie
zum außerordentlichen
Erfolg der Veranstaltung
herzlichst Hartmut
Niemann
BDS-Diskussion in Göttingen - „Angebracht und
möglich“
18. 01 2020
Ist die BDS-Bewegung antisemitisch? Das Deutsche
Theater in Göttingen hat versucht, von
Politiker*innen und Zivilgesellschaft eine
Antwort zu bekommen. Wo verläuft die Grenze
zwischen Antisemitismus und berechtigter Kritik
an der israelischen Regierungspolitik? Klar
beantworten ließ sich die in den vergangenen
Monaten hitzig debattierte Frage auch am
Freitagabend in Göttingen nicht. Dennoch
erreichte das Deutsche Theater mit seiner
Podiumsdiskussion einen differenzierten
Austausch über das kontroverse Thema. Vor voll
besetzten Rängen diskutierten Iris Hefets,
Vorstandsmitglied des Vereins „Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost“, und Meron
Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank
in Frankfurt, mit drei Bundespolitikern.
Die „Jüdische Stimme“ war im vergangenen Jahr
mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet
worden. Doch der Zentralrat der Juden und andere
kritisierten den Verein als antisemitisch, wegen
seiner Nähe zur Kampagne „Boykott, Divestment,
Sanctions“ (BDS). Diese will Israel wegen der
Besetzung großer Teile Palästinas politisch,
wirtschaftlich und kulturell isolieren. Die
Stadt und die Universität Göttingen entzogen der
„Jüdische Stimme“ die Unterstützung für die
Verleihfeier, die Auszeichnung wurde stattdessen
in einer privaten Galerie vergeben.
Anzeige
Hefets bekräftigte am Freitag ihre scharfe
Kritik an der Politik ihres Heimatlandes. Israel
sei der „Besatzer“, unterdrücke die
Palästinenser, „Israel ist Täter, ich schäme
mich für Israel.“ Gleichzeitig behaupte die
israelische Regierung, für alle Juden zu
sprechen, Staat und viele Medien arbeiteten an
einer „Identität von Israel und Judentum“. Dies
sei der „Trick“, um Kritik an der Politik mit
Antisemitismus gleichsetzen und >>>
17. 3. 2019
Illiberale
Zensur wird uns nicht besiegen
- 15. März 2019 - Shir
Hever - Die ewige Debatte über
die Grenzen der Meinungs- und
Redefreiheit hat sich mit dem
Erstarken der populistischen,
rechtsgerichteten politischen
Gruppen verändert.
Interessanterweise neigen rechte
Populisten dazu, die Meinungs-
und Redefreiheit für einen
wesentlichen Bestandteil der
liberalen Demokratie zu halten,
und argumentieren deshalb mit
brutaler Ehrlichkeit, dass sie
glauben, es gebe „zu viel
Demokratie“.
Illiberale Zensur wird uns nicht
besiegen
Drei Gruppierungen unterstützen
die Zensur in Deutschland -
Die ewige Debatte über die
Grenzen der Meinungs- und
Redefreiheit hat sich mit dem
Erstarken der populistischen,
rechtsgerichteten politischen
Gruppen verändert.
Interessanterweise neigen rechte
Populisten dazu, die Meinungs-
und Redefreiheit für einen
wesentlichen Bestandteil der
liberalen Demokratie zu halten,
und argumentieren deshalb mit
brutaler Ehrlichkeit, dass sie
glauben, es gebe „zu viel
Demokratie“.
In Deutschland hat sich mit dem
Aufkommen der rechtsgerichteten
AfD eine beispiellose
Diffamierung der
palästinensischen
Solidaritätsbewegung
eingestellt. In den letzten 8
Jahren wurden über 100
Solidaritätsveranstaltungen
(meistens Vorträge) verhindert,
mussten an andere Orte verlegt
werden oder wurden öffentlich
diffamiert. Pro-Israel Gruppen
bildeten sich um die
konservativen Evangelikalen, um
sogenannte „Antideutsche“ (die
eine linke Ideologie mit einem
extremen deutschen Nationalismus
verbinden) und die zionistischen
pro-israelischen Lobbygruppen
wie die DIG (Deutsch-Israelische
Gesellschaft), der Zentralrat
der Juden und verschiedene
neugegründete „Junge Forum“
Gruppen, die mit der DIG
verbunden sind, aber anonym
operieren.
Diese drei Gruppen sind in ihrer
politischen und religiösen
Identität sehr verschieden und
doch arbeiten sie alle in
ähnlicher Weise. Alle drei
Gruppen publizieren kritische
Texte gegen die AfD,
unterstützen aber die
israelische Politik aus einem
Gefühl der „gemeinsamen Werte“
heraus, genau wie es die AfD
macht. Diese „gemeinsamen Werte“
sind im Wesentlichen der Hass
auf Minderheiten. Diese drei
Gruppen scheinen alle ihre
Bemühungen darauf zu
fokussieren, die BDS (Boykott,
Desinvestment,
Sanktionen)-Bewegung zu
bekämpfen (siehe unten) und jede
Gelegenheit zu benutzen,
fälschlicherweise zu behaupten,
die BDS-Bewegung sei
antisemitisch. >>>
12. 3. 2019
«Israels
Regierung spricht nicht in unserem Namen»
- Christian Müller / 11. Mär 2019 - Trotz aller
Verhinderungsversuche konnte der «Göttinger
Friedenspreis» am Samstag feierlich übergeben
werden. Was wurde erreicht?
Infosperber hat darüber berichtet – hier und
hier – und hätte fast drei Wochen lang jeden Tag
darüber berichten können. Der von der Dr. Roland
Röhl Stiftung gestiftete «Göttinger
Friedenspreis», der seit 1999 jedes Jahr an eine
Organisation oder an eine einzelne Person
verliehen wird, sollte in diesem Jahr, so hat es
die dafür zuständige Jury der Stiftung
beschlossen, an die Vereinigung «Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost e.V.» gehen. Das
aber sollte verhindert werden, so die Meinung
des Präsidenten des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Josef Schuster, und so die Meinung
des Bundesbeauftragten gegen Antisemitismus
Felix Klein. Und dies mit aktiver Unterstützung
aus Göttingen selbst: Der Göttinger
Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler sperrte alle
stadteigenen Lokalitäten für die Preisübergabe,
die Georg-August-Universität sperrte ihre
Räumlichkeiten für die bisher in ihren Räumen
durchgeführten Preisübergaben ebenfalls, die
Sparkasse Göttingen annullierte die der
Veranstaltung jeweils zugesicherten 2000 Euros.
Zum Glück alles vergeblich. Dank eines privaten
Spendenaufrufs kamen anstelle der 2000 Euro der
Sparkasse 28'000 Euro zusammen. Und dank der
Zivilcourage von Gisela Hyllow und Jörg
Dreykluft, die ihre Kunstgalerie Alte Feuerwache
für die Feierlichkeiten zur Verfügung stellten,
konnte am Samstag auch die Preisübergabe
zeitgerecht stattfinden – sogar mit deutlich
höherer Beachtung als in den vergangenen Jahren.
Einen Widerspruch aushalten müssen - Alle
Versuche, die Übergabe des Göttinger
Friedenspreises an die «Jüdische Stimme für
gerechten Frieden in Nahost» zu verhindern,
basierten auf derselben Argumentation: die
Unterstützung der Bewegung BDS sei
antisemitisch. Aber können Jüdinnen und Juden,
die sich gegen die Besatzungspolitik der
israelischen Regierung wehren, antisemitisch
sein?
Iris Hefets, die Vorsitzende der «Jüdischen
Stimme», ging in ihrer Rede auf diese Frage ein.
Schon gleich zu Beginn des Referats sagte sie
wörtlich >>>
|
Festakt der Verleihung des
Göttinger Friedenspreises an die 'Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost'
am 9. März 2019 in der Galerie Alte Feuerwache,
Göttingen
12. 3. 2019
Nicht
in unserem Namen! - Friedensengagierte Juden werden in Deutschland
als Nestbeschmutzer und Verräter beschimpft. - Nirit
Sommerfeld – Laudatio bei Verleihung des Göttinger Friedenspreises
2019 - Wie sind „die Juden“? Vor allem sehr verschieden,
meint Nirit Sommerfeld. Weder herabwürdigende noch auch
gut gemeinte Verallgemeinerungen sind angebracht. Niemand
hat das Recht, zu bestimmen, wer ein „guter Jude“ ist und
„dazugehört“. Leider maßen sich Israels Regierung und der
ihr treue Zentralrat der Juden in Deutschland gerade dies
oft an. Die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“
wurde wegen ihres Einsatzes für eine Aussöhnung mit den
Palästinensern als „Nestbeschmutzerin“ abgekanzelt. Man
versuchte, die Verleihung des Göttinger Friedenspreises
an die Organisation mit allen Mitteln zu verhindern, und
Göttingens Honoratioren kuschten reihenweise. Dabei berufen
sich gerade die aufrechten Preisträger auf ein reiches humanes
Erbe des Judentums. Laudatio von Nirit Sommerfeld anlässlich
der Preisverleihung, die am heutigen Samstag dennoch stattfinden
konnte. (...)
Ich möchte Ihnen etwas erzählen über deren Ursprünge, Geschichte,
Ziele und Visionen, über die Menschen, die hinter dieser
Stimme stecken, und vor allem sollen Sie etwas über die
Arbeit erfahren, die die JS in den vergangenen 16 Jahren
ihres Bestehens geleistet hat und für die sie hier – zu
Recht – gewürdigt wird.
Menschen erkennt man an ihren Taten, ihren Handlungen, hat
Hannah Arendt gesagt. Handeln und sprechen – Tätigkeiten,
die im öffentlichen Raum stattfinden – gehören laut Hannah
Arendt zusammen, und wenn Menschen sich sprechend und handelnd
in die Welt einschalten, sagt sie, dann offenbaren sie,
wer sie sind. Lassen Sie uns also gemeinsam sehen und vor
allem hören, was die ‚Jüdische Stimme’ öffentlich und in
der Welt zu sagen hat.
Im Jahre 2003 wählte eine Gruppe von in Deutschland lebenden
Jüdinnen und Juden den schicksalhaften 9. November zum Gründungstag
einer neuen Organisation. Unter dem Namen ‚Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost’ riefen sie die deutsche
Sektion einer Vereinigung jüdischer Organisationen ins Leben,
die sich ein Jahr zuvor in Amsterdam formiert hatte und
die sich ‚European Jews for a Just Peace’, kurz EJJP’ nannte:
Europäische Juden für einen gerechten Frieden. Aus Schweden,
Dänemark, den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Großbritannien,
Italien, Österreich und der Schweiz waren Jüdinnen und Juden
zusammen gekommen, die bei aller Unterschiedlichkeit eines
einte: die Überzeugung, dass die gewaltvolle Besatzungspolitik
Israels zum Wohl des palästinensischen Volkes beendet werden
müsse – und dass dies auch dem Wohle Israels dienen würde.
Unter der Überschrift „Don’t say you didn’t know“ – „sage
nicht, Du habest nichts gewusst“ – forderten sie die Beendigung
der israelischen Besatzung der Westbank, Gazas und Ostjerusalems,
die Anerkennung der Grenzen von 1967, die Räumung der illegalen
Siedlungen, Jerusalem als gemeinsame Hauptstadt für Israelis
und Palästinenser sowie eine faire und gerechte Lösung der
Flüchtlingsfrage, zu der Israel beitragen sollte.
Der 9. November war für die Gründung der deutschen Sektion
der EJJP nicht zufällig gewählt. Der 9. November 1938, die
Reichspogromnacht, ist für immer in unser Gedächtnis eingebrannt
und mahnt uns, die Zeichen von Ausgrenzung, Erniedrigung
und Entrechtung von jüdischen Menschen in Deutschland niemals
zu vergessen. Am 9. November 1938 wurde aller Welt, zumindest
in Deutschland klar, dass der systematischen und massenhaften
Vernichtung von Jüdinnen und Juden Tür und Tor geöffnet
wurde, indem sie endgültig ihrer Selbstbestimmung beraubt
wurden.
Es darf daher symbolisch verstanden werden, dass die kleine
Gruppe von Frauen und Männern der JS ausgerechnet den 9.
November 65 Jahre später wählte, um sich ihr Recht auf Selbstbestimmung
als Jüdinnen und Juden hier in Deutschland zurückzuholen.
Sie unterschrieben zu zehnt – auch diese Zahl war nicht
zufällig gewählt – ein Papier, in dem sie ihr Selbstverständnis
als Jüdinnen und Juden ausdrückten – ein Selbstverständnis,
das sich aus dem selbst Erlebten in der jüdischen Erfahrungswelt
hierzulande und in Israel speist. Die Zahl zehn steht für
den Minjan, also die Mindestanzahl an mündigen Menschen,
die nach jüdischer Lehre anwesend sein müssen, um einen
vollständigen Gottesdienst abhalten zu können.
Ich zitiere aus dem Gründungspapier, das sich im Wesentlichen
an den Grundsätzen der European Jews for a Just Peace orientiert:
„Die Jüdische Stimme verurteilt die seit 1967 andauernde
Besetzung der Westbank einschließlich Ostjerusalems sowie
die Abtrennung des Gazastreifens von den übrigen Gebieten
Palästinas >>>
Rede
unserer Vorsitzenden anlässlich der Verleihung des
Göttinger Friedenspreises - 9. März 2019 - Die
Vorgeschichte dieser Veranstaltung zeigt auch, dass,
wenn von israelischer Politik gesprochen wird, dann wird
vor allem in Deutschland oft nicht über Politik
gesprochen, sondern vielmehr über Identität. Nicht
wenige jüdische und nichtjüdische Deutsche versuchen,
ihre Schwierigkeiten mit ihrer Identität durch eine
kritiklose Identifizierung mit dem Staat Israel zu
lösen. Egal welche Politik die israelische Regierung
betreibt, sie sind dabei.
Sehr geehrte Frau Barann, sehr geehrter Herr Röhl,
verehrte Vertreter von Stiftung und Jury, sehr geehrte
Damen und Herren, liebe Mitstreiter und natürlich liebe
Mitglieder der Jüdischen Stimme!
Es ist eine große Ehre, einen Friedenspreis zu erhalten,
und eine noch größere, in die ehrwürdige Liste der
Träger des Göttinger Friedenspreises aufgenommen zu
werden.
Nach diesen turbulenten Tagen sage ich dazu auch: es ist
eine große Errungenschaft. Wir sind wahrscheinlich der
einzige Preisträger, der sich bei der Benachrichtigung
über die Preisverleihung sehr freute, gleichzeitig aber
schon wusste, dass er sich warm anziehen muss. Mit den
Angriffen und Verleumdungen war zu rechnen.
Wir bedanken uns von ganzem Herzen bei den Mitgliedern
der Jury und der Stiftung Dr. Roland Röhl, die durch
sein Testament ins Leben gerufen wurde. Es bedeutet
neben der Ehre auch eine große Verantwortung, dem Namen
und Engagement von Roland Röhl gerecht zu werden. Roland
Röhl war längere Zeit krank und gründete diese
hoffnungsvolle Stiftung in seinen letzten Tagen. Während
er den Kräfteverfall seines Körpers erlebte, hinterließ
er ein Lebenszeichen. Wir hoffen, seinem Vorbild, auch
in schwierigen Zeiten bei sich zu bleiben und um
zukünftiges Leben und den Frieden zu kämpfen, folgen zu
können. Und ich kann nur hoffen, dass er, wenn er
wüsste, wie lebendig und emanzipatorisch der Prozess bis
zur dieser Preisverleihung verlief, es so für gut
befunden hätte.
Ich kann nicht verschweigen, dass das Erlebnis, als
Juden und Jüdinnen unerwünscht zu sein, sehr unangenehm
ist. Während die Stiftung nach einer Herberge suchte,
wurden wir aber gleichzeitig mit so viel Unterstützung,
Anerkennung und Dank bedacht, dass wir sehr berührt sind
und uns gut aufgehoben fühlen. Wir wurden nicht allein
gelassen und wissen das sehr zu schätzen. Unser großer
Dank geht daher nicht nur an die Stiftung und die Jury,
sondern an all die Menschen, die sich nicht scheuen,
sich politisch zu engagieren, dem sozialen Druck der
Konformität nicht nachgeben und nicht die Angst
herrschen lassen. Ihre >>>
Kontroverse um Friedenspreis
- Drei Juden, drei Meinungen - Der
Göttinger Friedenspreis löst Streit aus. Es gibt
Antisemitismusvorwürfe – und es geht mal wieder
um den Boykott Israels.
Wo verläuft der Grat zwischen Antisemitismus und
nötiger Kritik an dem Besatzungsregime Israels und
Unterdrückung der Palästinenser? Wer darf für Juden
in Deutschland sprechen, wer nicht? Die Aufsätze,
Studien, Analysen dazu füllen Bücherwände. Aber
die Reflexionen dämpfen die Affekte nicht. Die scheinen
immer mobilisierbar. Es geht sofort immer um alles.
Um Gut und Böse. Wie jetzt in Göttingen.
Eine Jury, angeführt von dem taz-Korrespondenten
Andreas Zumach, hat den Göttinger Friedenspreis
an eine kleine Gruppe Berliner Juden verliehen –
die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden
in Nahost“. Die unterstützt die BDS-Bewegung (Boykott,
Desinvestitionen, Sanktionen), die Israel boykottieren
will: wirtschaftlich, kulturell, politisch. So wie
früher Südafrika zu Zeiten der Apartheid. Es gab
Proteste.
Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der
Juden, schrieb einen empörten Brief an den Göttinger
Oberbürgermeister. „Die Stoßrichtung der BDS-Bewegung
ist unzweifelhaft antisemitisch.“ Das A-Wort treibt
jedem tüchtigen Sparkassendirektor, jeder Universitätspräsidentin
und jedem braven Bürgermeister Schweißperlen auf
die Stirn. Stadt, Universität und Sparkasse zogen
sich von dem Preis zurück. „Feige“ nennt Zumach
diese Stressvermeidungstaktik. Der Preis wurde trotzdem
vergeben – in einer privaten Galerie. Finanziert
durch spontane Spenden.
Iris Hefets ist das Gesicht der „Jüdischen Stimme“.
Graue Haare, grauer Rock, lässige Eleganz, Sie sitzt
in einem Sessel in einer Neuköllner Altbauwohnung
und sagt: „Wir enttabuisieren die Kritik an Israel.
Wenn wir als Juden das sagen, haben andere das Gefühl:
Das dürfen wir auch. So nehmen wir denen die Angst.“
>>>
|
Prof. Irene Schneider von der
Universität Göttingen an die
Uni-Präsidentin - 8. März
2019 - Als Professorin für
Arabistik/Islamwissenschaft mit
einem Forschungs- und
Lehrschwerpunkt auf Palästina
erlaube ich mir, mich ebenfalls
zu Wort zu melden. Ich schließe
mich ausdrücklich dem Schreiben
meines Kollegen Prof. Kai Ambos
und den vielen anderen Schreiben
an und kann nicht verstehen,
dass Sie sich von der Verleihung
des Göttinger Friedenspreises an
die „Jüdischen Stimmen“
zurückziehen. Mit welcher
Begründung sollte dies
geschehen?
Prof. Dr. Irene Schneider
Universitätsprofessorin der
Georg-August-Universität
Göttingen - Seminar für
Arabistik/Islamwissenschaft Derz.
Wissenschaftskolleg
An den Oberbürgermeister der
Stadt Göttingen - die
Präsidentin der Universität
Göttingen - den
Vorstandsvorsitzenden der
Sparkasse Göttingen - cc
Stiftung Dr. Roland Röhl und
Herrn Zumach alle per e-mail
Berlin, den 6.3.2019
Sehr geehrter Herr Köhler, sehr
geehrte Frau Beisiegel, sehr
geehrter Herr Hald, Als
Professorin für
Arabistik/Islamwissenschaft mit
einem Forschungs- und
Lehrschwerpunkt auf Palästina
erlaube ich mir, mich ebenfalls
zu Wort zu melden. Ich schließe
mich ausdrücklich dem Schreiben
meines Kollegen Prof. Kai Ambos
und den vielen anderen Schreiben
an und kann nicht verstehen,
dass Sie sich von der Verleihung
des Göttinger Friedenspreises an
die „Jüdischen Stimmen“
zurückziehen. Mit welcher
Begründung sollte dies
geschehen? In einer sehr
lapidaren Mail an alle
Universitätmitarbeiter_innen vom
28.2.2019 schreiben Sie, sehr
geehrte Frau Präsidentin, sie
wollten sich nicht „einseitig
positionieren“ und die
„Neutralität wahren“. Ihr
Rückzug ist doch aber eine klare
Positionierung eben gerade gegen
die „Jüdische Stimme für einen
gerechten Frieden im Nahen
Osten“. Es ist zugleich eine
Positionierung gegen die Chance,
in einer schwierigen politischen
Situation im Nahen Osten ein
Zeichen für eine friedliche
Lösung zu setzen. Wie Ihnen ja
allen bekannt ist, stehen in
Israel Wahlen an (9.4.19), es
gibt Parteien, die offen von der
Annexion der C-Gebiete der West
Bank sprechen (s. Bericht in
Haaretz am 4.3.2019 über die neu
gegründete Partei Hayamin
Hehadash, geführt von zwei
Ministern der gegenwärtigen
Regierung). Eine friedliche
Zwei-Staaten-Lösung scheint in
immer weitere Ferne zu rücken.
Gerade deshalb hätte Ihre
Beteiligung an der
Preisverleihung für Universität,
Stadt und Sparkasse einen Akzent
für eine humane und tolerante
Welt gesetzt.
Bedauerlicherweise sind Sie,
sehr geehrte Frau Präsidentin,
meinem damaligen Vorschlag (WS
2016/17) nicht gefolgt, eine
Begriffsdiskussion zum
„Antisemitismus“ an unserer
Universität zu führen. Das hat
zur Folge, dass
„Antisemitismus“, der
absurderweise den „Jüdischen
Stimmen“ untergeschoben wird,
immer mehr zu einer Worthülse
mutiert. Es ist offensichtlich,
dass damit Kritik an der Politik
der israelischen Regierung und
Kritik an der
vö
lkerrechtswidrigen Besetzung
Palästinas durch Israel erstickt
wird. Dabei ist die
Unterscheidung sehr einfach: die
Verunglimpfung >>>
Die Aulatür der Universität am
9. 3. 2019
Dokumentation - Die Apartheid + Kolonialpolitik
Israels muss beendet werden - durch Boykott, Desinvestment
und Sanktionen (BDS) - Eine Form des friedlichen
Widerstandes >>>
Dokumentation - Nein zum Antisemitismus
- Nein zu seiner Instrumentalisierung >>>
Dokumentation - Zionismus + Antizionismus
>>>
Dokumentation Verleumdungsaktion
- Der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden
in Nahost“ erhält den Göttinger Friedenspreis 2019.
>>>
|
11. 3. 2019
Nicht
in unserem Namen! - Friedensengagierte Juden werden in Deutschland
als Nestbeschmutzer und Verräter beschimpft. - Nirit
Sommerfeld – Laudatio bei Verleihung des Göttinger Friedenspreises
2019 - Wie sind „die Juden“? Vor allem sehr verschieden,
meint Nirit Sommerfeld. Weder herabwürdigende noch auch
gut gemeinte Verallgemeinerungen sind angebracht. Niemand
hat das Recht, zu bestimmen, wer ein „guter Jude“ ist und
„dazugehört“. Leider maßen sich Israels Regierung und der
ihr treue Zentralrat der Juden in Deutschland gerade dies
oft an. Die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“
wurde wegen ihres Einsatzes für eine Aussöhnung mit den
Palästinensern als „Nestbeschmutzerin“ abgekanzelt. Man
versuchte, die Verleihung des Göttinger Friedenspreises
an die Organisation mit allen Mitteln zu verhindern, und
Göttingens Honoratioren kuschten reihenweise. Dabei berufen
sich gerade die aufrechten Preisträger auf ein reiches humanes
Erbe des Judentums. Laudatio von Nirit Sommerfeld anlässlich
der Preisverleihung, die am heutigen Samstag dennoch stattfinden
konnte. (...)
Ich möchte Ihnen etwas erzählen über deren Ursprünge, Geschichte,
Ziele und Visionen, über die Menschen, die hinter dieser
Stimme stecken, und vor allem sollen Sie etwas über die
Arbeit erfahren, die die JS in den vergangenen 16 Jahren
ihres Bestehens geleistet hat und für die sie hier – zu
Recht – gewürdigt wird.
Menschen erkennt man an ihren Taten, ihren Handlungen, hat
Hannah Arendt gesagt. Handeln und sprechen – Tätigkeiten,
die im öffentlichen Raum stattfinden – gehören laut Hannah
Arendt zusammen, und wenn Menschen sich sprechend und handelnd
in die Welt einschalten, sagt sie, dann offenbaren sie,
wer sie sind. Lassen Sie uns also gemeinsam sehen und vor
allem hören, was die ‚Jüdische Stimme’ öffentlich und in
der Welt zu sagen hat.
Im Jahre 2003 wählte eine Gruppe von in Deutschland lebenden
Jüdinnen und Juden den schicksalhaften 9. November zum Gründungstag
einer neuen Organisation. Unter dem Namen ‚Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost’ riefen sie die deutsche
Sektion einer Vereinigung jüdischer Organisationen ins Leben,
die sich ein Jahr zuvor in Amsterdam formiert hatte und
die sich ‚European Jews for a Just Peace’, kurz EJJP’ nannte:
Europäische Juden für einen gerechten Frieden. Aus Schweden,
Dänemark, den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Großbritannien,
Italien, Österreich und der Schweiz waren Jüdinnen und Juden
zusammen gekommen, die bei aller Unterschiedlichkeit eines
einte: die Überzeugung, dass die gewaltvolle Besatzungspolitik
Israels zum Wohl des palästinensischen Volkes beendet werden
müsse – und dass dies auch dem Wohle Israels dienen würde.
Unter der Überschrift „Don’t say you didn’t know“ – „sage
nicht, Du habest nichts gewusst“ – forderten sie die Beendigung
der israelischen Besatzung der Westbank, Gazas und Ostjerusalems,
die Anerkennung der Grenzen von 1967, die Räumung der illegalen
Siedlungen, Jerusalem als gemeinsame Hauptstadt für Israelis
und Palästinenser sowie eine faire und gerechte Lösung der
Flüchtlingsfrage, zu der Israel beitragen sollte.
Der 9. November war für die Gründung der deutschen Sektion
der EJJP nicht zufällig gewählt. Der 9. November 1938, die
Reichspogromnacht, ist für immer in unser Gedächtnis eingebrannt
und mahnt uns, die Zeichen von Ausgrenzung, Erniedrigung
und Entrechtung von jüdischen Menschen in Deutschland niemals
zu vergessen. Am 9. November 1938 wurde aller Welt, zumindest
in Deutschland klar, dass der systematischen und massenhaften
Vernichtung von Jüdinnen und Juden Tür und Tor geöffnet
wurde, indem sie endgültig ihrer Selbstbestimmung beraubt
wurden.
Es darf daher symbolisch verstanden werden, dass die kleine
Gruppe von Frauen und Männern der JS ausgerechnet den 9.
November 65 Jahre später wählte, um sich ihr Recht auf Selbstbestimmung
als Jüdinnen und Juden hier in Deutschland zurückzuholen.
Sie unterschrieben zu zehnt – auch diese Zahl war nicht
zufällig gewählt – ein Papier, in dem sie ihr Selbstverständnis
als Jüdinnen und Juden ausdrückten – ein Selbstverständnis,
das sich aus dem selbst Erlebten in der jüdischen Erfahrungswelt
hierzulande und in Israel speist. Die Zahl zehn steht für
den Minjan, also die Mindestanzahl an mündigen Menschen,
die nach jüdischer Lehre anwesend sein müssen, um einen
vollständigen Gottesdienst abhalten zu können.
Ich zitiere aus dem Gründungspapier, das sich im Wesentlichen
an den Grundsätzen der European Jews for a Just Peace orientiert:
„Die Jüdische Stimme verurteilt die seit 1967 andauernde
Besetzung der Westbank einschließlich Ostjerusalems sowie
die Abtrennung des Gazastreifens von den übrigen Gebieten
Palästinas >>>
Rede
unserer Vorsitzenden anlässlich der Verleihung des
Göttinger Friedenspreises - 9. März 2019 - Die
Vorgeschichte dieser Veranstaltung zeigt auch, dass,
wenn von israelischer Politik gesprochen wird, dann wird
vor allem in Deutschland oft nicht über Politik
gesprochen, sondern vielmehr über Identität. Nicht
wenige jüdische und nichtjüdische Deutsche versuchen,
ihre Schwierigkeiten mit ihrer Identität durch eine
kritiklose Identifizierung mit dem Staat Israel zu
lösen. Egal welche Politik die israelische Regierung
betreibt, sie sind dabei.
Sehr geehrte Frau Barann, sehr geehrter Herr Röhl,
verehrte Vertreter von Stiftung und Jury, sehr geehrte
Damen und Herren, liebe Mitstreiter und natürlich liebe
Mitglieder der Jüdischen Stimme!
Es ist eine große Ehre, einen Friedenspreis zu erhalten,
und eine noch größere, in die ehrwürdige Liste der
Träger des Göttinger Friedenspreises aufgenommen zu
werden.
Nach diesen turbulenten Tagen sage ich dazu auch: es ist
eine große Errungenschaft. Wir sind wahrscheinlich der
einzige Preisträger, der sich bei der Benachrichtigung
über die Preisverleihung sehr freute, gleichzeitig aber
schon wusste, dass er sich warm anziehen muss. Mit den
Angriffen und Verleumdungen war zu rechnen.
Wir bedanken uns von ganzem Herzen bei den Mitgliedern
der Jury und der Stiftung Dr. Roland Röhl, die durch
sein Testament ins Leben gerufen wurde. Es bedeutet
neben der Ehre auch eine große Verantwortung, dem Namen
und Engagement von Roland Röhl gerecht zu werden. Roland
Röhl war längere Zeit krank und gründete diese
hoffnungsvolle Stiftung in seinen letzten Tagen. Während
er den Kräfteverfall seines Körpers erlebte, hinterließ
er ein Lebenszeichen. Wir hoffen, seinem Vorbild, auch
in schwierigen Zeiten bei sich zu bleiben und um
zukünftiges Leben und den Frieden zu kämpfen, folgen zu
können. Und ich kann nur hoffen, dass er, wenn er
wüsste, wie lebendig und emanzipatorisch der Prozess bis
zur dieser Preisverleihung verlief, es so für gut
befunden hätte.
Ich kann nicht verschweigen, dass das Erlebnis, als
Juden und Jüdinnen unerwünscht zu sein, sehr unangenehm
ist. Während die Stiftung nach einer Herberge suchte,
wurden wir aber gleichzeitig mit so viel Unterstützung,
Anerkennung und Dank bedacht, dass wir sehr berührt sind
und uns gut aufgehoben fühlen. Wir wurden nicht allein
gelassen und wissen das sehr zu schätzen. Unser großer
Dank geht daher nicht nur an die Stiftung und die Jury,
sondern an all die Menschen, die sich nicht scheuen,
sich politisch zu engagieren, dem sozialen Druck der
Konformität nicht nachgeben und nicht die Angst
herrschen lassen. Ihre >>>
Kontroverse um Friedenspreis
- Drei Juden, drei Meinungen - Der
Göttinger Friedenspreis löst Streit aus. Es gibt
Antisemitismusvorwürfe – und es geht mal wieder
um den Boykott Israels.
Wo verläuft der Grat zwischen Antisemitismus und
nötiger Kritik an dem Besatzungsregime Israels und
Unterdrückung der Palästinenser? Wer darf für Juden
in Deutschland sprechen, wer nicht? Die Aufsätze,
Studien, Analysen dazu füllen Bücherwände. Aber
die Reflexionen dämpfen die Affekte nicht. Die scheinen
immer mobilisierbar. Es geht sofort immer um alles.
Um Gut und Böse. Wie jetzt in Göttingen.
Eine Jury, angeführt von dem taz-Korrespondenten
Andreas Zumach, hat den Göttinger Friedenspreis
an eine kleine Gruppe Berliner Juden verliehen –
die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden
in Nahost“. Die unterstützt die BDS-Bewegung (Boykott,
Desinvestitionen, Sanktionen), die Israel boykottieren
will: wirtschaftlich, kulturell, politisch. So wie
früher Südafrika zu Zeiten der Apartheid. Es gab
Proteste.
Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der
Juden, schrieb einen empörten Brief an den Göttinger
Oberbürgermeister. „Die Stoßrichtung der BDS-Bewegung
ist unzweifelhaft antisemitisch.“ Das A-Wort treibt
jedem tüchtigen Sparkassendirektor, jeder Universitätspräsidentin
und jedem braven Bürgermeister Schweißperlen auf
die Stirn. Stadt, Universität und Sparkasse zogen
sich von dem Preis zurück. „Feige“ nennt Zumach
diese Stressvermeidungstaktik. Der Preis wurde trotzdem
vergeben – in einer privaten Galerie. Finanziert
durch spontane Spenden.
Iris Hefets ist das Gesicht der „Jüdischen Stimme“.
Graue Haare, grauer Rock, lässige Eleganz, Sie sitzt
in einem Sessel in einer Neuköllner Altbauwohnung
und sagt: „Wir enttabuisieren die Kritik an Israel.
Wenn wir als Juden das sagen, haben andere das Gefühl:
Das dürfen wir auch. So nehmen wir denen die Angst.“
>>>
|
Prof. Irene Schneider von der
Universität Göttingen an die
Uni-Präsidentin - 8. März
2019 - Als Professorin für
Arabistik/Islamwissenschaft mit
einem Forschungs- und
Lehrschwerpunkt auf Palästina
erlaube ich mir, mich ebenfalls
zu Wort zu melden. Ich schließe
mich ausdrücklich dem Schreiben
meines Kollegen Prof. Kai Ambos
und den vielen anderen Schreiben
an und kann nicht verstehen,
dass Sie sich von der Verleihung
des Göttinger Friedenspreises an
die „Jüdischen Stimmen“
zurückziehen. Mit welcher
Begründung sollte dies
geschehen?
Prof. Dr. Irene Schneider
Universitätsprofessorin der
Georg-August-Universität
Göttingen - Seminar für
Arabistik/Islamwissenschaft Derz.
Wissenschaftskolleg
An den Oberbürgermeister der
Stadt Göttingen - die
Präsidentin der Universität
Göttingen - den
Vorstandsvorsitzenden der
Sparkasse Göttingen - cc
Stiftung Dr. Roland Röhl und
Herrn Zumach alle per e-mail
Berlin, den 6.3.2019
Sehr geehrter Herr Köhler, sehr
geehrte Frau Beisiegel, sehr
geehrter Herr Hald, Als
Professorin für
Arabistik/Islamwissenschaft mit
einem Forschungs- und
Lehrschwerpunkt auf Palästina
erlaube ich mir, mich ebenfalls
zu Wort zu melden. Ich schließe
mich ausdrücklich dem Schreiben
meines Kollegen Prof. Kai Ambos
und den vielen anderen Schreiben
an und kann nicht verstehen,
dass Sie sich von der Verleihung
des Göttinger Friedenspreises an
die „Jüdischen Stimmen“
zurückziehen. Mit welcher
Begründung sollte dies
geschehen? In einer sehr
lapidaren Mail an alle
Universitätmitarbeiter_innen vom
28.2.2019 schreiben Sie, sehr
geehrte Frau Präsidentin, sie
wollten sich nicht „einseitig
positionieren“ und die
„Neutralität wahren“. Ihr
Rückzug ist doch aber eine klare
Positionierung eben gerade gegen
die „Jüdische Stimme für einen
gerechten Frieden im Nahen
Osten“. Es ist zugleich eine
Positionierung gegen die Chance,
in einer schwierigen politischen
Situation im Nahen Osten ein
Zeichen für eine friedliche
Lösung zu setzen. Wie Ihnen ja
allen bekannt ist, stehen in
Israel Wahlen an (9.4.19), es
gibt Parteien, die offen von der
Annexion der C-Gebiete der West
Bank sprechen (s. Bericht in
Haaretz am 4.3.2019 über die neu
gegründete Partei Hayamin
Hehadash, geführt von zwei
Ministern der gegenwärtigen
Regierung). Eine friedliche
Zwei-Staaten-Lösung scheint in
immer weitere Ferne zu rücken.
Gerade deshalb hätte Ihre
Beteiligung an der
Preisverleihung für Universität,
Stadt und Sparkasse einen Akzent
für eine humane und tolerante
Welt gesetzt.
Bedauerlicherweise sind Sie,
sehr geehrte Frau Präsidentin,
meinem damaligen Vorschlag (WS
2016/17) nicht gefolgt, eine
Begriffsdiskussion zum
„Antisemitismus“ an unserer
Universität zu führen. Das hat
zur Folge, dass
„Antisemitismus“, der
absurderweise den „Jüdischen
Stimmen“ untergeschoben wird,
immer mehr zu einer Worthülse
mutiert. Es ist offensichtlich,
dass damit Kritik an der Politik
der israelischen Regierung und
Kritik an der
vö
lkerrechtswidrigen Besetzung
Palästinas durch Israel erstickt
wird. Dabei ist die
Unterscheidung sehr einfach: die
Verunglimpfung >>>
Die Aulatür der Universität am
9. 3. 2019
|
10. 3. 2019
Nicht
in unserem Namen! - Friedensengagierte Juden werden in Deutschland
als Nestbeschmutzer und Verräter beschimpft. - Nirit
Sommerfeld – Laudatio bei Verleihung des Göttinger Friedenspreises
2019 - Wie sind „die Juden“? Vor allem sehr verschieden,
meint Nirit Sommerfeld. Weder herabwürdigende noch auch
gut gemeinte Verallgemeinerungen sind angebracht. Niemand
hat das Recht, zu bestimmen, wer ein „guter Jude“ ist und
„dazugehört“. Leider maßen sich Israels Regierung und der
ihr treue Zentralrat der Juden in Deutschland gerade dies
oft an. Die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“
wurde wegen ihres Einsatzes für eine Aussöhnung mit den
Palästinensern als „Nestbeschmutzerin“ abgekanzelt. Man
versuchte, die Verleihung des Göttinger Friedenspreises
an die Organisation mit allen Mitteln zu verhindern, und
Göttingens Honoratioren kuschten reihenweise. Dabei berufen
sich gerade die aufrechten Preisträger auf ein reiches humanes
Erbe des Judentums. Laudatio von Nirit Sommerfeld anlässlich
der Preisverleihung, die am heutigen Samstag dennoch stattfinden
konnte. (...)
Ich möchte Ihnen etwas erzählen über deren Ursprünge, Geschichte,
Ziele und Visionen, über die Menschen, die hinter dieser
Stimme stecken, und vor allem sollen Sie etwas über die
Arbeit erfahren, die die JS in den vergangenen 16 Jahren
ihres Bestehens geleistet hat und für die sie hier – zu
Recht – gewürdigt wird.
Menschen erkennt man an ihren Taten, ihren Handlungen, hat
Hannah Arendt gesagt. Handeln und sprechen – Tätigkeiten,
die im öffentlichen Raum stattfinden – gehören laut Hannah
Arendt zusammen, und wenn Menschen sich sprechend und handelnd
in die Welt einschalten, sagt sie, dann offenbaren sie,
wer sie sind. Lassen Sie uns also gemeinsam sehen und vor
allem hören, was die ‚Jüdische Stimme’ öffentlich und in
der Welt zu sagen hat.
Im Jahre 2003 wählte eine Gruppe von in Deutschland lebenden
Jüdinnen und Juden den schicksalhaften 9. November zum Gründungstag
einer neuen Organisation. Unter dem Namen ‚Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost’ riefen sie die deutsche
Sektion einer Vereinigung jüdischer Organisationen ins Leben,
die sich ein Jahr zuvor in Amsterdam formiert hatte und
die sich ‚European Jews for a Just Peace’, kurz EJJP’ nannte:
Europäische Juden für einen gerechten Frieden. Aus Schweden,
Dänemark, den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Großbritannien,
Italien, Österreich und der Schweiz waren Jüdinnen und Juden
zusammen gekommen, die bei aller Unterschiedlichkeit eines
einte: die Überzeugung, dass die gewaltvolle Besatzungspolitik
Israels zum Wohl des palästinensischen Volkes beendet werden
müsse – und dass dies auch dem Wohle Israels dienen würde.
Unter der Überschrift „Don’t say you didn’t know“ – „sage
nicht, Du habest nichts gewusst“ – forderten sie die Beendigung
der israelischen Besatzung der Westbank, Gazas und Ostjerusalems,
die Anerkennung der Grenzen von 1967, die Räumung der illegalen
Siedlungen, Jerusalem als gemeinsame Hauptstadt für Israelis
und Palästinenser sowie eine faire und gerechte Lösung der
Flüchtlingsfrage, zu der Israel beitragen sollte.
Der 9. November war für die Gründung der deutschen Sektion
der EJJP nicht zufällig gewählt. Der 9. November 1938, die
Reichspogromnacht, ist für immer in unser Gedächtnis eingebrannt
und mahnt uns, die Zeichen von Ausgrenzung, Erniedrigung
und Entrechtung von jüdischen Menschen in Deutschland niemals
zu vergessen. Am 9. November 1938 wurde aller Welt, zumindest
in Deutschland klar, dass der systematischen und massenhaften
Vernichtung von Jüdinnen und Juden Tür und Tor geöffnet
wurde, indem sie endgültig ihrer Selbstbestimmung beraubt
wurden.
Es darf daher symbolisch verstanden werden, dass die kleine
Gruppe von Frauen und Männern der JS ausgerechnet den 9.
November 65 Jahre später wählte, um sich ihr Recht auf Selbstbestimmung
als Jüdinnen und Juden hier in Deutschland zurückzuholen.
Sie unterschrieben zu zehnt – auch diese Zahl war nicht
zufällig gewählt – ein Papier, in dem sie ihr Selbstverständnis
als Jüdinnen und Juden ausdrückten – ein Selbstverständnis,
das sich aus dem selbst Erlebten in der jüdischen Erfahrungswelt
hierzulande und in Israel speist. Die Zahl zehn steht für
den Minjan, also die Mindestanzahl an mündigen Menschen,
die nach jüdischer Lehre anwesend sein müssen, um einen
vollständigen Gottesdienst abhalten zu können.
Ich zitiere aus dem Gründungspapier, das sich im Wesentlichen
an den Grundsätzen der European Jews for a Just Peace orientiert:
„Die Jüdische Stimme verurteilt die seit 1967 andauernde
Besetzung der Westbank einschließlich Ostjerusalems sowie
die Abtrennung des Gazastreifens von den übrigen Gebieten
Palästinas >>>
Rede
unserer Vorsitzenden anlässlich der Verleihung des
Göttinger Friedenspreises - 9. März 2019 - Die
Vorgeschichte dieser Veranstaltung zeigt auch, dass,
wenn von israelischer Politik gesprochen wird, dann wird
vor allem in Deutschland oft nicht über Politik
gesprochen, sondern vielmehr über Identität. Nicht
wenige jüdische und nichtjüdische Deutsche versuchen,
ihre Schwierigkeiten mit ihrer Identität durch eine
kritiklose Identifizierung mit dem Staat Israel zu
lösen. Egal welche Politik die israelische Regierung
betreibt, sie sind dabei.
Sehr geehrte Frau Barann, sehr geehrter Herr Röhl,
verehrte Vertreter von Stiftung und Jury, sehr geehrte
Damen und Herren, liebe Mitstreiter und natürlich liebe
Mitglieder der Jüdischen Stimme!
Es ist eine große Ehre, einen Friedenspreis zu erhalten,
und eine noch größere, in die ehrwürdige Liste der
Träger des Göttinger Friedenspreises aufgenommen zu
werden.
Nach diesen turbulenten Tagen sage ich dazu auch: es ist
eine große Errungenschaft. Wir sind wahrscheinlich der
einzige Preisträger, der sich bei der Benachrichtigung
über die Preisverleihung sehr freute, gleichzeitig aber
schon wusste, dass er sich warm anziehen muss. Mit den
Angriffen und Verleumdungen war zu rechnen.
Wir bedanken uns von ganzem Herzen bei den Mitgliedern
der Jury und der Stiftung Dr. Roland Röhl, die durch
sein Testament ins Leben gerufen wurde. Es bedeutet
neben der Ehre auch eine große Verantwortung, dem Namen
und Engagement von Roland Röhl gerecht zu werden. Roland
Röhl war längere Zeit krank und gründete diese
hoffnungsvolle Stiftung in seinen letzten Tagen. Während
er den Kräfteverfall seines Körpers erlebte, hinterließ
er ein Lebenszeichen. Wir hoffen, seinem Vorbild, auch
in schwierigen Zeiten bei sich zu bleiben und um
zukünftiges Leben und den Frieden zu kämpfen, folgen zu
können. Und ich kann nur hoffen, dass er, wenn er
wüsste, wie lebendig und emanzipatorisch der Prozess bis
zur dieser Preisverleihung verlief, es so für gut
befunden hätte.
Ich kann nicht verschweigen, dass das Erlebnis, als
Juden und Jüdinnen unerwünscht zu sein, sehr unangenehm
ist. Während die Stiftung nach einer Herberge suchte,
wurden wir aber gleichzeitig mit so viel Unterstützung,
Anerkennung und Dank bedacht, dass wir sehr berührt sind
und uns gut aufgehoben fühlen. Wir wurden nicht allein
gelassen und wissen das sehr zu schätzen. Unser großer
Dank geht daher nicht nur an die Stiftung und die Jury,
sondern an all die Menschen, die sich nicht scheuen,
sich politisch zu engagieren, dem sozialen Druck der
Konformität nicht nachgeben und nicht die Angst
herrschen lassen. Ihre >>>
Kontroverse um Friedenspreis
- Drei Juden, drei Meinungen - Der
Göttinger Friedenspreis löst Streit aus. Es gibt
Antisemitismusvorwürfe – und es geht mal wieder
um den Boykott Israels.
Wo verläuft der Grat zwischen Antisemitismus und
nötiger Kritik an dem Besatzungsregime Israels und
Unterdrückung der Palästinenser? Wer darf für Juden
in Deutschland sprechen, wer nicht? Die Aufsätze,
Studien, Analysen dazu füllen Bücherwände. Aber
die Reflexionen dämpfen die Affekte nicht. Die scheinen
immer mobilisierbar. Es geht sofort immer um alles.
Um Gut und Böse. Wie jetzt in Göttingen.
Eine Jury, angeführt von dem taz-Korrespondenten
Andreas Zumach, hat den Göttinger Friedenspreis
an eine kleine Gruppe Berliner Juden verliehen –
die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden
in Nahost“. Die unterstützt die BDS-Bewegung (Boykott,
Desinvestitionen, Sanktionen), die Israel boykottieren
will: wirtschaftlich, kulturell, politisch. So wie
früher Südafrika zu Zeiten der Apartheid. Es gab
Proteste.
Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der
Juden, schrieb einen empörten Brief an den Göttinger
Oberbürgermeister. „Die Stoßrichtung der BDS-Bewegung
ist unzweifelhaft antisemitisch.“ Das A-Wort treibt
jedem tüchtigen Sparkassendirektor, jeder Universitätspräsidentin
und jedem braven Bürgermeister Schweißperlen auf
die Stirn. Stadt, Universität und Sparkasse zogen
sich von dem Preis zurück. „Feige“ nennt Zumach
diese Stressvermeidungstaktik. Der Preis wurde trotzdem
vergeben – in einer privaten Galerie. Finanziert
durch spontane Spenden.
Iris Hefets ist das Gesicht der „Jüdischen Stimme“.
Graue Haare, grauer Rock, lässige Eleganz, Sie sitzt
in einem Sessel in einer Neuköllner Altbauwohnung
und sagt: „Wir enttabuisieren die Kritik an Israel.
Wenn wir als Juden das sagen, haben andere das Gefühl:
Das dürfen wir auch. So nehmen wir denen die Angst.“
>>>
|
Prof. Irene Schneider von der
Universität Göttingen an die
Uni-Präsidentin - 8. März
2019 - Als Professorin für
Arabistik/Islamwissenschaft mit
einem Forschungs- und
Lehrschwerpunkt auf Palästina
erlaube ich mir, mich ebenfalls
zu Wort zu melden. Ich schließe
mich ausdrücklich dem Schreiben
meines Kollegen Prof. Kai Ambos
und den vielen anderen Schreiben
an und kann nicht verstehen,
dass Sie sich von der Verleihung
des Göttinger Friedenspreises an
die „Jüdischen Stimmen“
zurückziehen. Mit welcher
Begründung sollte dies
geschehen?
Prof. Dr. Irene Schneider
Universitätsprofessorin der
Georg-August-Universität
Göttingen - Seminar für
Arabistik/Islamwissenschaft Derz.
Wissenschaftskolleg
An den Oberbürgermeister der
Stadt Göttingen - die
Präsidentin der Universität
Göttingen - den
Vorstandsvorsitzenden der
Sparkasse Göttingen - cc
Stiftung Dr. Roland Röhl und
Herrn Zumach alle per e-mail
Berlin, den 6.3.2019
Sehr geehrter Herr Köhler, sehr
geehrte Frau Beisiegel, sehr
geehrter Herr Hald, Als
Professorin für
Arabistik/Islamwissenschaft mit
einem Forschungs- und
Lehrschwerpunkt auf Palästina
erlaube ich mir, mich ebenfalls
zu Wort zu melden. Ich schließe
mich ausdrücklich dem Schreiben
meines Kollegen Prof. Kai Ambos
und den vielen anderen Schreiben
an und kann nicht verstehen,
dass Sie sich von der Verleihung
des Göttinger Friedenspreises an
die „Jüdischen Stimmen“
zurückziehen. Mit welcher
Begründung sollte dies
geschehen? In einer sehr
lapidaren Mail an alle
Universitätmitarbeiter_innen vom
28.2.2019 schreiben Sie, sehr
geehrte Frau Präsidentin, sie
wollten sich nicht „einseitig
positionieren“ und die
„Neutralität wahren“. Ihr
Rückzug ist doch aber eine klare
Positionierung eben gerade gegen
die „Jüdische Stimme für einen
gerechten Frieden im Nahen
Osten“. Es ist zugleich eine
Positionierung gegen die Chance,
in einer schwierigen politischen
Situation im Nahen Osten ein
Zeichen für eine friedliche
Lösung zu setzen. Wie Ihnen ja
allen bekannt ist, stehen in
Israel Wahlen an (9.4.19), es
gibt Parteien, die offen von der
Annexion der C-Gebiete der West
Bank sprechen (s. Bericht in
Haaretz am 4.3.2019 über die neu
gegründete Partei Hayamin
Hehadash, geführt von zwei
Ministern der gegenwärtigen
Regierung). Eine friedliche
Zwei-Staaten-Lösung scheint in
immer weitere Ferne zu rücken.
Gerade deshalb hätte Ihre
Beteiligung an der
Preisverleihung für Universität,
Stadt und Sparkasse einen Akzent
für eine humane und tolerante
Welt gesetzt.
Bedauerlicherweise sind Sie,
sehr geehrte Frau Präsidentin,
meinem damaligen Vorschlag (WS
2016/17) nicht gefolgt, eine
Begriffsdiskussion zum
„Antisemitismus“ an unserer
Universität zu führen. Das hat
zur Folge, dass
„Antisemitismus“, der
absurderweise den „Jüdischen
Stimmen“ untergeschoben wird,
immer mehr zu einer Worthülse
mutiert. Es ist offensichtlich,
dass damit Kritik an der Politik
der israelischen Regierung und
Kritik an der
vö
lkerrechtswidrigen Besetzung
Palästinas durch Israel erstickt
wird. Dabei ist die
Unterscheidung sehr einfach: die
Verunglimpfung >>>
Die Aulatür der Universität am
9. 3. 2019
|
8. 3. 2019
Der
Bundesarbeitskreis Nahost der Partei DIE LINKE hat eine
Erklärung zum Göttinger Friedenspreis heraus gegeben.
Der Bundesarbeitskreis „Gerechter Frieden
in Nahost“ ist bei der „Bundesarbeitsgemeinschaft
Frieden und Internationale Politik“ angesiedelt. Er hat
sich Mitte Januar 2011 bundesweit aus Mitgliedern der
LINKEN sowie Sympathisant*innen formiert.
Erklärung zur Verleihung
des Göttinger Friedenspreises an die „Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost“
7. März 2019
Der
Sprecherinnenkreis des Bundesarbeitskreises Gerechter
Frieden in Nahost der Partei DIE LINKE begrüßt die
vorgesehene Verleihung des Göttinger Friedenspreises an
die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost"
und erklärt sich mit der Jüdischen Stimme und der Jury
solidarisch.
Wir sind entsetzt über die Falschbehauptungen,
Verleumdungen und Rufmordversuche gegen die Jüdische
Stimme und darüber dass der Friedenspreis für die
Jüdische Stimme nicht in städtischen oder universitären
Räumen verliehen werden darf.[1] Wir begrüßen, dass die
Galerie Alte Feuerwache ihre Räumlichkeiten zur
Verfügung stellt und die Preisverleihung somit wie
geplant am 9. März in Göttingen stattfinden kann.
Die Jüdischen Stimme wurde als antisemitisch verleumdet.
Begründet wurde dies mit ihrer Unterstützung der
BDS-Kampagne, obwohl es sich dabei um eine
menschenrechtsorientierte Kampagne handelt.
Bereits am 9. Juli 2005 unterzeichneten über 170
Gruppierungen und Organisationen der palästinensischen
Zivilgesellschaft den Aufruf „Boykott, Desinvestment und
Sanktionen (BDS)“. Der Aufruf fordert Boykott, Abzug von
Investitionen und Sanktionen gegen den Staat Israel, bis
Israel seinen Verpflichtungen nach internationalem Recht
Folge leistet.
Diese gewaltlosen Maßnahmen sollen solange aufrecht
erhalten bleiben, bis der Staat Israel seinen
Verpflichtungen gemäß internationalem Recht nachkommt
und, wie in zahlreichen UN-Resolutionen gefordert, die
Besetzung palästinensischer und syrischer Gebiete
beendet, die systematische Diskriminierung der
Palästinenser*innen im besetzten palästinensischen
Gebiet und in Israel selbst einstellt und die Rückkehr
der palästinensischen Flüchtlinge gemäß UN-Resolution
194 zulässt.
Daraus ist ganz klar ersichtlich, dass sich die
BDS-Bewegung gegen die völkerrechtswidrige israelische
Politik richtet und nicht gegen Juden*. Der Vorwurf des
Antisemitismus ist also völlig unangebracht.
Das Recht zum Boykott Israels, ist bereits vielfach
anerkannt worden: so 2016 von 358
Menschenrechtsorganisationen, Kirchen, Gewerkschaften
und politischen Parteien[2], von der Europäischen Union
– vertreten durch Frederica Mogherini, der Hohen
Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik –
auf Anfrage von 30 Mitgliedern des Europäischen
Parlaments[3], von über 40 weltweit vertretenen
jüdischen Organisationen[4], von 200 europäischen
Rechtsgelehrten[5], vom Verwaltungsgericht Oldenburg am
27. September 2018[6] und von vielen Einzelpersonen.
Deren Entstehen und Wirken steht in untrennbarem
Zusammenhang mit der seit einem halben Jahrhundert
anhaltenden israelischen Okkupation des völkerrechtlich
definierten palästinensischen Territoriums und mithin
zielstrebigen Unterlaufens der Zwei-Staaten-Lösung.
Woran auch westliche Politik insofern entscheidende
Mitverantwortung trägt, als sie – abgesehen von stets
folgenlosen Statements – jahrzehntelang die Augen davor
verschlossen hat, dass Israel mittels seiner stabsmäßig
betriebenen Siedlungspolitik die territorialen
Grundlagen für die Realisierung auch des Existenzrechts
eines Palästina-Staates an seiner Seite systematisch
untergraben hat. Solange dieser Okkupationszustand
fortbesteht und das legitime Selbstbestimmungsrecht der
Palästinenser*innen missachtet wird, werden auch
Initiativen, wie die als Mittel gewaltlosen Widerstandes
konzipierte BDS-Bewegung, weder durch Verbote noch
andere Formen der Diskriminierung zu unterbinden sein.
Die BDS-Bewegung kann nur ihren Sinn verlieren, wenn
Israel seine Okkupationspolitik gegenüber den
Palästinenser*innen beendet und sich endlich zur
Einhaltung des Völkerrechts bei der Lösung der
Palästinafrage bereit zeigte. Das heißt insbesondere zur
Respektierung eines lebensfähigen, souveränen
Palästina-Staates in den Grenzen von 1967 und mit
Ost-Jerusalem an der Seite Israels.
Die Verleumdungskampagne der Jüdischen Stimme und des
Göttinger Friedenspreises reiht sich ein in die Front
jener in Deutschland ein, die jegliche Affinität zu
dieser Bewegung als Vorwand nutzen, um berechtigte
Kritik an der israelischen Palästina-Politik aus dem
öffentlichen Diskurs zu verbannen. Indem unter dem
Slogan „Gegen Antisemitismus! Gegen BDS!“
Auftrittsverbote von Personen ausgesprochen, die
Bereitstellung von Räumlichkeiten verweigert oder auch
diesbezügliche Fachveranstaltungen an Hochschulen
inquisitorisch beleuchtet werden.[7]
Sprecherinnenkreis des Bundesarbeitskreises Gerechter
Frieden in Nahost der Partei Die Linke
Der Bundesarbeitskreis „Gerechter Frieden in Nahost“ ist
bei der „Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und
Internationale Politik“ angesiedelt. Er hat sich Mitte
Januar 2011 bundesweit aus Mitgliedern der LINKEN sowie
Sympathisant*innen formiert. Quelle Gabi
Bieberstein |
7. 3. 2019
Jüdischer
Dissens - Die Affäre um den Göttinger
Friedenspreis handelt von Meinungsfreiheit und
Repräsentanz. Der Zentralrat spricht nicht für
alle - Charlotte Wiedemann - Kein
anderes Milieu in Deutschland hat sich durch
Einwanderung so sehr verändert wie das Judentum.
Mehr als 90 Prozent der 200.000 Juden und
Jüdinnen sind Migranten der ersten oder zweiten
Generation. Und nur die Hälfte ist Mitglied
einer Gemeinde. Nur für diese Hälfte kann also
der Zentralrat der Juden sprechen in seiner
Rolle als das zeremonielle Gegenüber von Politik
und Mehrheitsgesellschaft.
Es scheint mir sinnvoll, die Kontroverse um den
Göttinger Friedenspreis, der am Samstag an die
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
vergeben wird, unter dem Aspekt der Repräsentanz
zu betrachten. Es geht ja keineswegs nur darum,
welche Strategie gegen die israelische Besatzung
legitim ist. Sondern es geht um
Meinungsfreiheit: Wie abweichend dürfen Juden
und Jüdinnen denken? Und kann im Land der Schoah
eine Vertretung jüdischer Belange nur so
aussehen, dass eine offizielle Stimme spricht
und dabei den Rahmen des Sagbaren absteckt?
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats,
nannte die geplante Auszeichnung „einen Schlag
ins Gesicht der gesamten jüdischen Gemeinschaft
in Deutschland und Israel“. Die Formulierung
wirft ein logisches Problem auf, denn auch die
Preisträger gehören als Juden zu dieser
Gemeinschaft; einige sind sogar Mitglieder von
Gemeinden. Doch sie werden von Schuster nicht
als Juden gedacht (neudeutsch „gelesen“),
sondern nur als Gegner. Auch die Opponenten aus
der Mehrheitsgesellschaft taten seltsamerweise
so, als ginge es hier gar nicht um Juden (teils
zugleich Israelis) – als seien dies also keine
Menschen, für welche die Schoah und aller
Antisemitismus eine existenzielle Bedeutung hat.
Eine Mitbegründerin der Jüdischen Stimme, die
Schriftstellerin Ruth Fruchtman, eingetragen bei
der Jüdischen Gemeinde Berlin, beschreibt in
ihrem Roman „Jerusalemtag“, was es für eine
Jüdin ihrer Generation (sie ist über 70)
bedeutet, gegen die Okkupation zu kämpfen.
Welche inneren Kämpfe es mit sich bringt,
womöglich lebenslang >>>
Dokumentation Verleumdungsaktion
- Der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden
in Nahost“ erhält den Göttinger Friedenspreis 2019.
>>> |
6. 3. 2019
Streit um Göttinger
Friedenspreis - „Jüdische Stimme setzt sich für
friedliches Miteinander-Leben ein“ - Im Streit um die
Vergabe des Göttinger Friedenspreises an die
Organisation „Jüdische Stimme“ hat sich nun auch der
Liedermacher Konstantin Wecker zu Wort gemeldet.
Den Vorwurf, es handele sich dabei um eine
antisemitische Bewegung, nannte der Vorjahrespreisträger
im Dlf „völlig unbegreiflich“. - Konstantin Wecker im
Gespräch mit Änne Seidel
Änne Seidel: Einen gerechten Frieden in Nahost – den
wünscht sich der Verein „Jüdische Stimme“, ein jüdischer
Verein mit Sitz in Berlin. Die Organisation fordert auf
ihrer Homepage einen souveränen Staat Palästina und
möchte sich einsetzen für einen dauerhaften und für
beide Nationen – also Israel und Palästina –
lebensfähigen Frieden. Für sein Engagement soll der
Verein am kommenden Samstag mit dem Göttinger
Friedenspreis ausgezeichnet werden. Doch an dieser
Entscheidung der Preisjury gab es in den vergangenen
Wochen heftige Kritik: Der Zentralrat der Juden hatte
dem Verein Antisemitismus vorgeworfen, daraufhin hatten
sich die Stadt Göttingen und die Universität Göttingen
von der Preisverleihung zurückgezogen, außerdem war ein
Geldgeber abgesprungen.
Es gab in den vergangenen Tagen aber auch prominente
Stimmen, die den Verein verteidigt haben, und heute
kommt noch ein weiterer Unterstützer hinzu: Der
Liedermacher Konstantin Wecker, der im vergangenen Jahr
mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet worden
war, hat einen offenen Brief verfasst, in dem er sich
unter anderem an den Göttinger Oberbürgermeister wendet.
Ich habe Konstantin Wecker vor der Sendung zunächst mal
gefragt, warum der Verein „Jüdische Stimme“ den
Friedenspreis aus seiner Sicht verdient hat.
Konstantin Wecker: Ich bin der Meinung, dass der Verein
„Jüdische Stimme – für gerechten Frieden in Nahost“ seit
vielen Jahren sich für ein friedliches Miteinander-Leben
einsetzt und auf eine zutiefst menschliche und – was für
mich als bekennenden Pazifisten wichtig ist – auf eine
friedliche Weise. Die Vorwürfe, dass da hier
Antisemitismus mit im Spiel sei, sind mir ehrlich gesagt
völlig unbegreiflich, denn das sind Menschen, das sind
ja jüdische Demokraten, die sich hier für einen Frieden
einsetzen, die vielleicht nicht politisch einverstanden
sind oder auf keinen Fall politisch einverstanden sind
mit dem, was derzeit in Israel passiert, aber das ist ja
in einer Demokratie möglich, dass man Kritik an einer
Politik übt. >>>
Audio - Konstantin Wecker
im Gespräch mit Änne Seidel -
www.deutschlandfunk.de, Kultur heute - Hören bis:
19.01.2038 >>>
Der Brief von Konstantin
Wecker >>>
Göttinger Friedenspreis -
Antisemitismus ist mehr als ein Label - Wann ist Kritik
an israelischer Politik antisemitisch? Eine nicht
ganz neue Frage und jüngste Antworten aus Göttingen.
Eine Kolumne. Von Andrea Dernbach -
Am kommenden Samstag wird wie jedes Jahr seit 1999 der
Göttinger Friedenspreis verliehen. Das lief 20 Jahre
lang in der Regel so friedlich ab, wie von einem Preis
dieses Namens zu erwarten. Nicht so dieses Jahr: Die
Jury unter Vorsitz des UN-Korrespondenten der taz,
Andreas Zumach, entschied sich im letzten Jahr, den
Preis 2019 an die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden
in Nahost“ zu vergeben. Die „Jüdische Stimme“ gibt es
seit 2003 als deutsche Sektion der ein Jahr zuvor
gegründeten „European Jews for a Just Peace“. Sie tritt
für die Zwei-Staaten-Lösung und das Recht von Israelis
und Palästinensern auf Jerusalem als Hauptstadt ein,
fordert den Rückzug Israels auf seine Grenzen von 1967
und somit den Abzug aus den seither besetzten Gebieten.
Die Jury-Entscheidung wurde schon im September
öffentlich. Aber erst seit einem Monat löste das einen
Entrüstungssturm aus, in dessen Folge sich die Stadt und
die Universität Göttingen von der diesjährigen
Preisverleihung zurückzogen und die örtliche Sparkasse
ihren finanziellen Beitrag für dieses Jahr sperrte.
Zentraler Vorwurf derer, die dies in Mails und Briefen
an diese drei und die Stiftung hinter dem Preis
forderten: Antisemitismus. Antisemitisch nämlich sei die
BDS-Bewegung (englisch für Boykott, Nicht-Investition
und Sanktionen), und hinter deren Forderungen steht die
Jüdische Stimme.
Immer erbittertere Kontroversen - Die Kontroverse zeigt
das Muster ähnlicher Auseinandersetzungen, die in den
letzten Jahren immer erbitterter geführt zu werden
scheinen. Was sie von anderen unterscheidet: Diesmal
endete die Sache nicht, wie so oft, mit dem
Antisemitismus-Vorwurf, der nichtjüdische Institutionen
und Behörden nicht nur in Deutschland sofort und ohne
Prüfung zum Schweigen und zum Rückzug bringt. Die Jury
blieb stattdessen bei ihrer Entscheidung und sammelt das
für die Preisverleihung nötige Geld inzwischen mit einem
Spendenaufruf ein. Nach der Ausladung aus dem Göttinger
Rathaus hat sie einen neuen Ort für den Festakt
gefunden. Vor allem aber macht sich ihr Vorsitzender
Andreas Zumach die nicht kleine Mühe, sich mit den
Vorwürfen inhaltlich auseinanderzusetzen, wobei ihm
neben einem breiten Kreuz auch seine Berufs- und
Lebenserfahrung zugute kommen. Er widerlegt
Falschbehauptungen wie die, die „Jüdische Stimme“ sei
ein Teil von BDS. Er erinnert daran, dass es Belege für
deren angeblichen antisemitischen Charakter nicht gebe
und argumentiert gegen den verbreiteten Kurzschluss
„Boykott gleich antijüdischer NS-Boykott 1938“.
Wo bleiben die Gegenargumente? - Den hatte auch
Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der
Juden in Deutschland, in seinem Protestbrief an den
Göttinger Oberbürgermeister genutzt. Boykotte, so
Zumach, hätten sich seit der Kampagne der Quäker im 17.
Jahrhundert gegen von Sklaven hergestellte Waren stets
gegen Unrecht, Unterdrückung, Ausbeutung und Rassismus
gerichtet. Einer der erfolgreichsten sei der der
jüdischen Anti Defamation League in den 20er Jahren
gegen den Automobilhersteller Ford gewesen, die Henry
Ford zwang, seine antisemitischen Hetzschriften
aufzugeben. Es sei „infam“, den Nazi-Boykott, den
einzigen, der eine Minderheit diskriminierte und
schließlich nach Auschwitz führte, gleichzusetzen mit
Aufrufen, die der „Überwindung einer völker- und
menschenrechtswidrigen Politik einer Regierung“ dienen
wollten. >>>
Die Propaganda-Waffe -
Fragwürdige Antisemitismus-Vorwürfe sollten die
Preisverleihung an eine jüdische Menschenrechtsgruppe
verhindern. - Nirit Sommerfeld - Einer jüdischen
Friedensorganisation Antisemitismus vorzuwerfen, ist
nicht unbedingt ein naheliegendes Verhalten. Dennoch ist
dergleichen im Zusammenhang mit der geplanten Verleihung
des Göttinger Friedenspreises an die „Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost“ geschehen. Warum und zu
welchem Zweck? Wie Prof. Fanny-Michaela Reisin,
Mitbegründerin der deutschen Sektion der Organisation,
vermutet, handelt es sich leider tatsächlich um ein
Manöver, das die unmenschliche Palästina-Politik der
rechten israelischen Regierung gegen berechtigte Kritik
– auch von Jüdinnen und Juden — abschirmen soll.
>>>
Leserbriefe an die Taz -
Die Hauptschuldliegt bei Europa - Rolf Verleger-
betr. „Empathie für die Feinde Israels“ vom
28.2.19 (Kommentar zum
Kommentar
von Micha Brumlik) -
- Dieser Beitrag ist nicht lösungsorientiert, sondern
fragt: Wer ist schuld? Und antwortet: Israel sei nicht
schuld, die Hamas sei schuld.Nun, wenn man schon so
fragt: Die Hauptschuld liegt bei keinem von beiden.
Schuld war vielmehr Europa: Schuld war 1881-1915 das
Zarenreich, das seiner jüdischen Minderheit die
Gleichbehandlung verweigerte, sie damit zu Millionen in
die Auswanderung und Rebellion trieb, schuld war 1917
Großbritannien, das für seine imperialen Pläne und aus
Angst vor Flüchtlingen und Bolschewismus die Auswanderer
aus dem Zarenreich weit weg in Palästina haben wollte,
und schuld war 1933-1945 Deutschland, das alles jüdische
Leben in Europa ausmerzen wollte. Leider war Palästina
aber kein leeres Land. Nicht lösungsorientiert ist es,
wie der taz-Kommentar es tut, den palästinensischen
Opfern dieser Unfähigkeit Europas, mit seiner jüdischen
Minderheit umzugehen, auch noch die Schuld zu geben.
Lösungsorientiert ist es, wie die Jüdische Stimme für
gerechten Frieden (JS) es tut, Israel als das
Exportprodukt dieser europäischen Fehler und Verbrechen
zu einer Politik des Ausgleichs, des Kompromisses und
der Kompensation für Enteignungen und Vertreibungen
aufzufordern. Rolf Verleger, Lübeck, Mitglied der JS
>>> |
4. 3.
2019
Konstantin Wecker - Sehr
geehrte Frau Prof. Dr. Beisiegel,
sehr geehrter Herr Köhler, sehr
geehrter Herr Hald, für mich als
Preisträger des Göttinger
Friedenspreises sind die
Vorwürfe, dass es sich bei der
Organisation „Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost“
um eine antisemitische Bewegung
handeln solle, nicht
nachvollziehbar.
Wie könnte ich, ein Künstler,
der sich in vielen Texten und
Liedern gegen Antisemitismus
schon immer engagiert hat, es
wagen, eine engagierte Gruppe
jüdischer(!) Menschen des
Antisemitismus anzuklagen? Einen
Verein, in dessen Satzung unter
Paragraph 2 ausdrücklich
aufgeführt ist, dass sich die
„Jüdische Stimme uneingeschränkt
jeder Form von Antisemitismus,
Antiislamismus sowie allen
anderen Spielarten des Rassismus
oder der Diskriminierung von
Menschen aufgrund von Merkmalen
wie Hautfarbe, Herkunft und
Religion widersetzt“. Einen
Verein, in dessen Satzung ebenso
eindeutig steht, dass
„Positionen, hinter denen sich
antisemitische Einstellungen
verbergen, mit dem Anliegen der
jüdischen Stimme unvereinbar
sind“!
Eine Bewegung, die sich auf
derart großartige und
menschliche Weise um eine
Beendigung der entsetzlichen
Konflikte zwischen Juden und
Palästinensern bemüht, straft
derart abstruse
Antisemitismus-Unterstellungen
von Grund auf Lügen. Und für
mich, der sich seit vielen
Jahrzehnten mit einsetzt für den
Frieden auf diesem Planeten, ist
es schwer zu verstehen, dass
eine Bewegung, die weit über die
eigenen engen Nationalgrenzen
hinaus Frieden zu schaffen und
vorbildlich Mitmenschlichkeit zu
leben versucht, auf solchermaßen
unzutreffende Weise mit dem
Antisemitismus-Vorwurf überzogen
wird.
Was – ich erwähne es nur am
Rande – geeignet ist, unsäglich
zu verharmlosen, was tatsächlich
Antisemitismus ist. Ich kann und
will mir nicht vorstellen, dass
Sie allen Ernstes der
Gleichsetzung etwa einer Nirit
Sommerfeld, dieser großartigen
israelisch-jüdischen und
deutschen Künstlerin, oder eines
Rolf Verleger, der sogar einmal
Vorsitzender war beim Zentralrat
der Juden in Deutschland,
zustimmen wollen mit den Hitlers
und Goebbels von einst. Und was
sind das eigentlich für
Deutsche, die in ungeheurer
Anmaßung unsere jüdischen
MitbürgerInnen belehren wollen,
was Antisemitismus sei und dass
sie, diese (und andere) Juden,
sogar selber Antisemiten seien?
Für mich ist das unfassbar!!
Seit Jahrzehnten setze ich mich
für Pazifismus ein, und meine
Sympathie und meine Solidarität
gilt auch deshalb dieser
wichtigen Bewegung, die – so
hoffe ich – noch für viele,
viele andere Menschen zum
Vorbild werden wird: für die
unsäglich-leidenden Opfer des
Nahost-Konfliktes – auf beiden
Seiten! –, aber auch für uns,
die wir nicht unmittelbar von
diesen grausamen Konflikten
betroffen sind.
Mein Herz schlägt nun mal für
die Menschen, die über ihren
eigenen Schatten zu springen
vermögen – wie es diese zu Recht
mit dem Göttinger Friedenspreis
ausgezeichnete Organisation
„Jüdische Stimme für gerechten
Frieden in Nahost“ tut.
Verbundenheit der Menschen zeigt
sich gerade über trennende
Gräben hinweg, und ich bin
dankbar dafür, dass es eine
Organisation wie die „Jüdische
Stimme für gerechten Frieden in
Nahost“ gibt, die eine solche
zutiefst menschliche
Verbundenheit – vorbildlich für
uns alle – zu leben und für sie
einzutreten versucht. Und bitte
übersehen Sie auch dieses nicht:
Hier soll nicht die
Boykottbewegung BDS mit dem
Friedenspreis ausgezeichnet
werden, sondern eben diese auf
Frieden und Verständigung
setzende
Menschenrechtsorganisation, die
ein Ende all dieser furchtbaren
Auseinandersetzungen will!
Und in deren Satzung - notabene
- kein Wort der Unterstützung
des BDS zu lesen ist.
Meine große Bitte an Sie ist:
Unterstützen auch Sie den
Versuch, dass in Göttingen ein
solches Zeichen der
Mitmenschlichkeit gesetzt werden
kann – mit all Ihrer
Unterstützung wie in den Jahren
zuvor! Bitte sorgen Sie mit
aller Kraft dafür, dass es
wieder zum Frieden kommt um die
Verleihung dieses
Friedenspreises – auch von Ihrer
Seite aus!
Mit freundlichen Grüßen
Konstantin Wecker -
www.wecker.de -
www.hinter-den-schlagzeilen.de
3.
3. 2019
Sehr
geehrte Damen und Herren, liebe FreundInnen und
Freunde
" Die Stadt Göttingen selbst ist schön, und
gefällt einem am besten, wenn man sie mit dem
Rücken ansieht. "
Fast hätten wir dieser Empfehlung von Heinrich
Heine aus seiner 1824 veröffentlichten
"Harzreise" (siehe Anhang) folgen müssen, und
die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an
die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in
Nahost am 9.März auf einer Wiese vor den Toren
der Stadt veranstalten müssen. Denn nachdem
Oberbürgermeister Köhler und
Universitätspräsidentin Beisiegel am 19. Februar
ihre Unterstützung für die Preisverleihung unter
dem Druck der Antisemitismusverleumdungen gegen
die Jüdische Stimme zurückgezogen und die Aula
sowie alle anderen Räume und öffentlichen Plätze
der Universität und der Stadt für die
Verleihfeier gesperrt hatten,erhielten wir bei
der Suche nach Alternativen fast nur Absagen
(Details im Anhang). Zum Teil wurden diese
Absagen wortgleich begründet wie der Rückzug von
Stadt und Universität. Als einzige bereit, ihre
Räume für die Verleihfeier zur Verfügung zu
stellen, waren eine Göttinger Tanzschule ( die
sich aber als viel zu klein erwies) sowie die
Galerie Alte Feuerwache
Ritterplan 4
37075 Göttingen
(Einlass über Burgstraße)
(www.galerie-alte-feuerwache.de)
Hier wird die Verleihfeier ab 12 Uhr
stattfinden.
ALLERDINGS ist auch hier die Zahl der Plätze
leider begrenzt und wahrscheinlich zu gering.
Geplant ist bereits die Übertragung per Video
aus dem Hauptgebäude der Alten Feierwache in ein
Nebengebäude.
Wer plant, an der Verleihfeier teilzunehmen,
sollte bitte umgehend eine E-Mail senden an das
Organisationskommittee schicken mit Kopie an
mich:
anmeldung@goettinger-friedenspreis.de
zumach@taz.de
Auch das ist keine Garantie für einen freien
Platz. Je früher Sie an der Alten Feuerwache
eintreffen, desto größer die Chance.
Die Verleihfeier wird vollständig per Video
aufgenommen und wird am Sonntag, 10.3. im
Internet auf Youtube eingestellt unter dem
Stichwort "Göttinger Friedenspreis für Jüdische
Stimme"
Die Finanzierung der Verleihfeier ist gesichert
dank der großartigen Resonanz auf den
Spendenapell in meiner Rundmail vom
20.Februar.Dafür an dieser Stelle schon einmal
einen ersten ganz herzlichen Dank an die bislang
über 260 SpenderInnen. Über Details, die genaue
Verwendung der Spenden und des Überschusses für
Friedens- und Menschenrechtsorganisationen in
Israel und Palästina werde ich, wie in meiner
Rundmail vom 20.2. angekündigt, unmittelbar nach
der Preisverleihung vom 9. März detailliert
informieren.
Eine zweckgebundene Spende ermöglichte die
Herstellung eines Symbols und von Ansteckbuttons
für die Preisverleihung (im Anhang einmal zur
Ansicht und einmal als Druckvorlage). Die
Ansteckknöpfe werden bei der Preisverleihung am
9.3. vorrätig sein und können auch per E-Mail
bei mir bestellt werden.
Ds Symbol kann und soll auch gerne beliebig
verwendet werden zum Nachdruck auf Flugblättern,
Plakaten etc., zur Weiterverbreitung im
Internet, über Facebook etc. Das Copyright
liegt bei mir. Herzliche Grüße aus
Genf Andreas Zumach
Dokumentation
Verleumdungsaktion - Der Verein „Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost“ erhält den
Göttinger Friedenspreis 2019. >>>
28. 2. 2019
Cui bono - Wem nützt es?
Offener Brief an die
Präsidentin der
Georg-August-Universität
Göttingen Frau Prof. Dr. Ulrike
Beisiegel
Fanny-Michaela Reisin
Sehr
geehrte Präsidentin, liebe
Ulrike,
mein Name ist Fanny-Michaela
Reisin, Sie und ich wirkten
während der 80er und 90er Jahre
gemeinsam - vielleicht erinnern
Sie es noch - in der
wissenschaftlichen
Friedensbewegung. Sie als
Biochemikerin, ich als
Informatikerin. Anfang der 90er
konzipierten wir den
internationalen Friedens- und
Kulturkongress "CHALLENGES –
Science and Peace in a Rapidly
Changing Environment" und
brachten mit internationalen
Teilnehmenden die Vereinigung
INES (International Network of
Engineers and Scientists for
Global Responsibility) auf den
Weg. Ich kehrte danach ins FIFF
(Forum InformatikerInnen für
Frieden und gesellschaftliche
Verantwortung e. V.) zurück, Sie
wahrscheinlich zu NatWiss (NaturwissenschaftlerInnen
- Verantwortung für Frieden und
Zukunftsfähigkeit e. V.).
Ich erinnere zwar noch ein
Gespräch mit Ihnen über Israel,
bin aber sicher, dass meine
Herkunft zwischen uns nie zur
Sprache kam. Ich wurde in
Jerusalem geboren. Nach dem
Abitur an einem Berliner
Gymnasium nahm ich mein Studium
an der Hebräischen Universität
Jerusalem auf und erlebte im
zweiten Studienjahr 1967 den
sog. Junikrieg als Teil der
Zivilverteidigung im Bunker der
großen Zentralbibliothek. Nach
Bombardements auf zivile Stätten
zogen wir aus, um die Menschen
zu versorgen.
Der aktuelle Anlass für den
vorliegenden Brief ist - Sie
ahnen es sicher - die
Auszeichnung der von mir im
Jahre 2003 mit ins Leben
gerufenen "Jüdischen Stimme für
gerechten Frieden in Nahost" (JS)
mit dem diesjährigen Göttinger
Friedenspreis. Der Grund ist die
im Namen des Präsidiums der
Georg-AugustUniversität
publizierte Presserklärung in
diesem Zusammenhang. Hier heißt
es u. a.: "In der aktuellen
Situation hat die Entscheidung
zu einer Kontroverse geführt,
bei der sich die Universität
keiner der kontrovers geäußerten
Meinungen anschließen kann.
Daher wird die Universität in
diesem Jahr die Preisverleihung
nicht unterstützen und die
Verleihungsfeier kann nicht in
Räumen der Universität
stattfinden. /.../"
Ich bevorzuge die Anrede in der
dritten Person, da ich Sie in
erster Linie als
Universitätspräsidentin anrufe.
Überdies sehe ich uns in
Kenntnis der Entscheidung Ihres
Hauses auf verschiedenen Seiten.
Gleichwohl habe ich, da die
online einsehbaren Angaben zu
Ihrer Vita besagen, dass Sie
sich der wissenschaftlichen
Friedensbewegung weiterhin
verbunden fühlen, Grund zur
Hoffnung, dass Sie meine
Äußerungen, wenn schon nicht
teilen, so doch zumindest
verstehen werden. Die Erklärung
verstört mich. Nicht nur wegen
meiner Mitgliedschaft in der JS.
Mindestens ebenso bedrückend
ist, dass eine so lapidar
formulierte Abweisung, die zudem
vom Präsidium einer Universität
allein mit der Unfähigkeit
begründet ist, sich einer
Meinung anzuschließen (sic!),
ein bezeichnendes Licht auch auf
die wissenschaftliche
Gemeinschaft in Deutschland
wirft, der auch ich angehöre.
Im 70. Jubiläumsjahr des
Grundgesetzes mag auch mein
langjähriges friedens- und
menschenrechtspolitisches
Engagement in Deutschland der
Grund für meine Verzagtheit beim
Lesen solcher Einlassungen sein.
Ich werde im letzten Abschnitt
meines Briefs darauf
zurückkommen und einen größeren
Zusammenhang jenseits der
aktuellen Auseinandersetzung um
die Auszeichnung der Jüdischen
Stimme für gerechten Frieden in
Nahost aufspannen, der sich mit
einem Vorschlag zu einem
friedenspolitischen Beitrag
Ihrer Universität verbindet, aus
dem mein Verständnis für ein
glaubwürdiges Interesse an der
langfristig verlässlichen
Sicherheit Israels und seiner
Bevölkerung hervorgeht.
Es ist schon bitter, wenn die
Repräsentanten einer
Universität, die weltweit als
Leuchtturm der Zivilcourage und
gesellschaftspolitischen
Verantwortung hochgeschätzt
wird, sich in der Weise
unbeteiligt aus der Affäre
ziehen. Ich frage mich, ob Sie
sich des kostbaren Erbes der
Göttinger Sieben von 1837 sowie
der Göttinger Achtzehn von 1957
unbedingt und durchgängig
verpflichtet sehen oder nur von
Fall zu Fall, etwa, wenn
Zuspruch und nicht Unbill zu
erwarten ist?
Es stehe dahin, ob der gute Ruf
der Göttinger Universität durch
Ihre dem Schein nach um (Wert-)
Neutralität bemühte, in der
Sache jedoch - wie banal
formuliert auch immer -
unmissverständlich auf der Seite
der Herren Verleumder und
Rufmörder positionierte
Einlassung Schaden genommen hat.
Als Mitglied der JS schreibe ich
diesen Brief, weil ich Ihnen in
aller Ausführlichkeit
zurückspiegeln möchte, wie eine
Erklärung wirkt, in der das
Präsidium einer doch gestandenen
Georg-August-Universität
Göttingen wegen der Auszeichnung
unserer kleinen Vereinigung
seine seit 1998 jährlich der
Stiftung Dr. Roland Röhl
zugehende Einladung zur
Ausrichtung der Verleihungsfeier
in der Universitätsaula ohne
Angabe triftiger Gründe
zurückzieht. Eine Ausladung
eigentlich, die mehr noch durch
den Nachsatz, dass die
Preisverleihung in diesem Jahr
von der Universität nicht
unterstützt werde und in keinem
der Universitätsräume
stattfinden dürfe, als
nachdrückliche Aussperrung
verstanden werden soll. Die
diesjährigen Laureaten sind samt
der ehrenden Stiftung an Ihrer
Universität unerwünscht. Soviel
zum Tatbeständigen und wie es
auf mich wirkt.
Ich kann mir beim besten Willen
nicht vorstellen, das die am
Zustandekommen der genannten
Entscheidung beteiligten
Präsidiumsmitglieder sich bei
der Prüfung und Würdigung der
für den vorliegenden Vorgang
relevanten Faktoren von der
Umsicht, Sorgfalt und Akribie
haben leiten lassen, die an
einem wissenschaftlichen
Standort üblich sind. Vielmehr
unterstelle ich - wofür in
erster Näherung die offenkundig
bewusste Abschmelzung eines in
der Bundesrepublik Deutschland
nun seit langem virulenten
gesellschaftspolitischen
Konflikts auf eine "Kontroverse"
(sic!) als Rechtfertigung
herhalten mag -, dass die
verwickelten, zweifellos
komplexen Zusammenhänge vom
Präsidium nicht überblickt
wurden.
Folglich können Sie bei Ihrer
vermeintlich unverfänglichen
Entscheidung auch nicht genau
gewusst haben, auf welcher Seite
des Konflikts Sie mit dem
publizierten Beschluss
unweigerlich Position ergriffen
und zu wessen Gunsten und
Interessen Sie sich zu verwenden
entschieden haben.
Die folgenden Fakten und
Argumente wollen Ihnen eine
andere Seite des Konflikts (es
gibt ja, wer wollte dies
bestreiten, unzählig viele) zu
bedenken geben. Keine Anklage.
Eine bescheidene Zusammenschau
wesentlicher Gesichtspunkte, in
der Absicht, Ihnen und den
übrigen Präsidiumsmitgliedern
die Wirkung und Reichweite Ihrer
Entscheidung aus anderem
Blickwinkel zu vermitteln.
mehr (pdf) >>>
Pressemitteilung
- Minden, 27.2.2019 - Versöhnungsbund begrüßt
Friedens-Preisvergabe an die „Jüdische Stimme für
gerechten Frieden in Nahost" und spricht der Jury,
insbesondere dem Vorsitzenden Andreas Zumach, sein
Vertrauen aus.
Minden. Der Vorstand des deutschen Zweiges des
Internationalen Versöhnungsbundes begrüßt die
Entscheidung zur Preisvergabe des Göttinger
Friedenspreises an die "Jüdische Stimme für gerechten
Frieden in Nahost“ und spricht der Jury, insbesondere
dem Vorsitzenden Andreas Zumach, ausdrücklich sein
Vertrauen aus.
Dies ist nötig geworden, weil ein Konflikt um die
Preisverleihung entstanden war: Die Präsidentin der
Universität hatte den sonst zur Verfügung gestellten
Raum verweigert, der Bürgermeister wollte kein Grußwort
sprechen und der Sparkassenvorstand verweigerte seine
sonst übliche finanzielle Unterstützung in Höhe von 2000
Euro für die Veranstaltung.
Als Begründung dieser Haltung wurde genannt, dass
Mitglieder der „Jüdische Stimme für einen gerechten
Frieden“ sich u.a. auch für BDS (Boykott, Desinvestment,
Sanktionen) aussprechen würden.
Es gibt im deutschen Zweig des Internationalen
Versöhnungsbundes bezüglich der verschiedenen Produkte
aus den besetzten Gebieten durchaus sehr
unterschiedliche Positionen zum Thema BDS (Boykott,
Desinvestment, Sanktionen). Dennoch hält der Vorstand
die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“
für eine würdige Preisträgerin, die den Göttinger
Friedenspreis sehr wohl verdient habe, denn sie sei eine
Organisation, die das Existenzrecht Israels immer wieder
betont, die Gewalt in allen ihren Formen ablehnt und die
mit gewaltfreien Mitteln die völkerrechtswidrige
Besatzung kritisiert.
Der Vorstand bedauert die Entscheidung von Universität,
Stadt und Sparkasse, die durch ihre Vertretungen eine
eindeutige Positionierung vorgenommen und dadurch einen
Schatten auf die Preisverleihung geworfen haben.
Dass die Preisverleihung dennoch an einem anderen Ort in
Göttingen stattfinden kann, begrüßt der Vorstand, ebenso
die Idee des Jury-Vorsitzenden Andreas Zumach, der mit
einem Spendenaufruf den finanziellen Ausfall durch die
Sparkasse kompensieren möchte.
Quelle
26. 2. 2019
Prinzip Kontaktschuld -
Wie hältst du's mit der
Boykott-Bewegung? In Göttingen
ist die Vergabe des
Friedenspreises an die „Jüdische
Stimme für gerechten Frieden in
Nahost“ in Gefahr. Stadt, Uni
und Sparkasse haben wegen der
Jury-Entscheidung ihre
Unterstützung zurückgezogen.
Aber warum, fragt sich unser
Gastautor, machen
niedersächsische Institutionen
eigentlich israelischen
Wahlkampf mit? - Micha Brumlik
Nein, es gibt keinen
vernünftigen Grund, der
„Jüdischen Stimme für gerechten
Frieden in Nahost“ den ihr
zugesprochenenen Preis zu
verweigern beziehungsweise den
Festlichkeiten der
Preisverleihung fernzubleiben
oder sich von ihnen zu
distanzieren.
Gewiss: Unbestritten ist, dass
die „Jüdische Stimme“ die
Organisation „Boycott,
Divestment and Sanctions“ (BDS)
unterstützt. Und diese wird
trotz ihrer erklärten und bisher
auch durchgehaltenen
Gewaltfreiheit von vielen, die
dazu von der Sache berufen oder
eben auch nicht berufen sind,
für antisemitisch erklärt.
(...)
Aber
auf all das
kommt es von
der Sache
her auch gar
nicht an:
Schließlich
soll der
infrage
stehende
Preis, der
Göttinger
Friedenspreis,
nicht der
Organisation
BDS
verliehen
werden –
sondern der
„Jüdischen
Stimme“. Und
die hat
wieder und
wieder
erklärt,
zwar
einerseits
BDS in
menschenrechtlichen
Angelegenheiten
zu
unterstützen,
aber
andererseits
mindestens
ebenso oft
und nicht
minder
deutlich,
dass sie an
der
Existenzberechtigung
des Staates
Israel nicht
rüttelt.
An dieser
Stelle kommt
ein
politisch-demagogisches
Prinzip ins
Spiel, das
in den
1950er-Jahren
in den USA
und auch in
den
1970er-Jahren
in der
Bundesrepublik
Deutschland,
der Epoche
der
„Berufsverbote“
den
liberalen
Diskurs
zerstört
hat: das
Prinzip der
„Kontaktschuld“.
Hat jemand
oder eine
Gruppe auch
nur den
geringsten
persönlichen
Kontakt zu
einer als
feindlich
definierten
Gruppe
beziehungsweise
ihr
nahestehenden
Personen,
dann gilt
als
ausgemacht,
dass die
Person oder
Gruppe
selbst eins
zu eins
identisch
mit der
kritisierten
und
abgelehnten
Person oder
Gruppe ist.
Es ist
erstaunlich,
dass
liberale
Persönlichkeiten
wie
Göttingens
Oberbürgermeister
Rolf-Georg
Köhler (SPD)
oder auch
Ulrike
Beisiegel,
die
Präsidentin
der
Universität,
immerhin
einer
historischen
Hochburg der
Aufklärung,
sich von
derlei
demagogischen
Einwürfen
beeindrucken
lassen >>>
Wolfgang
Pfannekuch -
Rechtsanwalt und Notar
a.D. - Ein Brief an
Herrn Tibor Pézsa
- 24.02.2019 -
HNA-Blickpunkt /
Kommentar vom 23.02.2019
zum Göttinger
Friedenspreis /
Stellungnahme zur
Jüdischen Stimme
Sehr geehrter Herr Pézsa!!
Der beigefügte
Leserbrief-ENTWURF ist
auch an Sie persönlich
gerichtet.
Ihnen, Herr Herr Pézsa,
sei besonders der im
Anhang als Datei
beigefügte „Mahnruf“ von
über neunzig honorigen
Wissenschaftlern und
anderen politisch
erfahrenen
Intellektuellen,
darunter zahlreichen
international
anerkannten jüdischen
Menschen, ans Herz
gelegt. Auch eine
Stellungnahme des
Jury-Präsidenten A.
Zumach, den Sie wie
auch andere frühere
Preisträger indirekt mit
Ihrem vernichtenden
„Urteil“ über den
„bizarren Preis“
unsachlich angreifen,
finden Sie im
Anhang.
Vielleicht können diese
beiden Stellungnahmen
dazu beitragen, Ihr
eigenes, sehr hartes,
nicht nur m. E.
bedauerlich
unausgewogenes Urteil
etwas positiver in
Richtung Fairness oder
gar
völkerrechtskonformer
Ausgewogenheit zu
revidieren?
Selbstverständlich steht
es Ihnen frei, in einem
Kommentar eine
einseitige Auffassung zu
vertreten. Diese sollte
jedoch auf der Basis von
Fakten, statt
böswilligen
Unterstellungen und
Verleumdungen gebildet
worden sein. Ich habe
begründete Zweifel, dass
Sie umfassend über die
idealistischen Motive
und Grundsätze der
Jüdischen Stimme
informiert sind. Denn
Böswilligkeit möchte ich
Ihnen nicht
unterstellen. Mit
freundlichen Grüßen
Wolfgang Pfannekuch |
HNA -
Leserbrief-Redaktion -
24.02.2019 -
HNA-Blickpunkt /
Kommentar vom 23.02.2019
- >>
Stellungnahme zur
Jüdischen Stimme - Sehr
geehrte Damen und
Herren, Ich hoffe, die
HNA hat den Mut, ff
Leserbrief abzudrucken,
wenn ggf. gekürzt, dann
doch bitte fair und
ausgewogen!
Sehr geehreter Herr
Pézsa!
Erster Eindruck von
Ihrem Kommentar:
Höchst einseitig
eingefärbt,
offensichtlich bei Ihrer
Beurteilung, die eher
einer Verurteilung
gleichkommt, bewusst
oder aus Unwissenheit
(?) Gegenstimmen
auslassend, ....
insofern erschreckend,
eines Herrn Tibor Pésza
unwürdig!
„Zynische
Polititdialektik,
Rosstäuscherei“!?
Wo bleibt bei Ihrer
obigen Wortwahl die
Würdigung der Ihnen
inzwischen sicherlich
bekannten positiven
Stellungnahme (offener
Brief) zugunsten der
„Jüdischen Stimme für
gerechten Frieden in
Nahost“ seitens der über
neunzig international
anerkannten jüdischen
Wissenschaftler und
Menschenrechtsverfechter
aus Deutschland, Israel
und den USA, darunter
Prof. em. Micha Brumlik
(Frankfurt), Prof. em.
Moshe Zimmermann
(Jerusalem), Prof. Eva
Illouz (Jerusalem) sowie
Prof. em. Noam Chomsky
(Arizona), vom 18.
Januar 2019 - ("Der
Einsatz für
Menschenrechte ist nicht
antisemitisch") - , wo
bleibt der Hinweis auf
die individuellen Briefe
mit Gegenstimmen von
Professoren, u.a. aus
der Schweiz, aus
Freiburg, Bielefeld, aus
Göttingen, von Juden,
Jüdinnen und jüdischen
Organisationen aus
Israel, Deutschland,
Großbritannien,
Frankreich, der Schweiz
und den USA, zugunsten
der designierten
Preisträgerin:
z. B. Prof. Dr. Wilhelm
Heitmeyer, Bielefeld vom
19. 02.2018.
Prof. Dr. Kai Ambos,
Freiburg vom 21.02.2019,
einem der
renommiertesten
Völker(straf)rechtler in
Deutschland,
Prof. Dr. Christian
Jooss, Göttingen, vom
23.02.2019?
Was ist Journalismus,
wenn er im Konflikt
zwischen zwei Meinungen
nur die eine Seite
vertritt, die seit
Monaten bundesweit eine
Diffamierungs-,
Einschüchterungs- und
Unterdrückungskampagne
gegen die freie
Meinungsäußerung, ein
fundamentales
Grundrecht, betreibt,
und zwar gerichtet gegen
deutsche und israelische
Juden, die zum
erheblichen Teil
Abkömmlinge von
Holocaust-Opfern sind,
also über den Verdacht
des tumben und
verabscheuungswürdigen
Antisemitismus erhaben
sein dürften, ... denen
jedoch infolge massiver
Verleumdungen regelmäßig
öffentliche Auftritte
durch Verweigerung der
Vermietung öffentlicher
Räume verwehrt werden?
Sie dagegen schreiben
von einem „bizarren
Preis“ und verunglimpfen
damit auch bisherige
Preisträger, welche die
diesjährige geplante
Preisverleihung
befürworten!?
Ich wünschte, die HNA
würde dem Beispiel des
Göttinger Tageblattes
folgen. Ein Göttinger
Vertreter von EAPPI
(eines christlichen,
ökumenischen
Begleitprogramms in
Palästina und Israel zur
Unterstützung lokaler
und internationaler
Anstrengungen zur
Beendigung der
israelischen Besatzung)
schreibt dazu : „Ich
empfehle die Lektüre des
Artikels des Göttinger
Journalisten Peter
Krüger-Lenz im G.
Tageblatt vom
19.02.2019, - ein
wohltuendes Beispiel für
Lokaljournalismus: Eine
Welle der Unterstützung
für kritisierten
Preisträger.“
Dort zitiert der
Journalist fairerweise
Gegenstimmen wie Manfred
Budzinski, Sprecher der
Nahost-Kommission der
Deutschen Sektion von
„pax christi“: „Der
diesjährige Göttinger
Friedenspreis ist einer
honorigen Organisation
von jüdischen
Mitbürgerinnen und
Mitbürgern zuerkannt
worden – und so sollte
es auch bleiben.“ Prof.
Eva Senghaas-Knobloch
von der Universität
Bremen Forschungszentrum
Nachhaltigkeit teilt
mit: „Ich finde es
erschreckend, wenn
Kritik an israelischer
Regierungspolitik von
Menschen, die sich
selbst durch den
Konflikt existenziell
betroffen sehen und mit
der Zwei Staaten-Lösung
für diejenige
Konfliktlösung
gewaltfrei und
dialogorientiert
einstehen, die die
erklärte Position der
EU, der Vereinten
Nationen und nicht
zuletzt auch
Deutschlands ist, durch
Falschmeldungen
desavouiert wird.“
Durch die Ignoranz der
Gegner und des Göttinger
OB gegenüber dem Angebot
des Jurypräsidenten
Andreas Zumach zu einer
Podiumsdiskussion werden
ein sinnvoller
demokratischer Dialog
und damit die
Möglichkeit zum
Ausräumen von
Missverständnissen
unterbunden!
Die angegriffene
Preisträgerin wendet
sich eindeutig nicht
gegen Juden und auch
nicht gegen das
Existenzrecht Israels,
sondern - konform mit
vielen mutigen
israelischen Bürgern
-„gegen Landraub und
(völkerrechtswidrige)
Siedlungspolitik, die
Trennmauer auf besetztem
palästinensischen
Territorium“ im
widerrechtlich seit über
50 Jahren besetzten
Westjordanland, ...
„gegen ungleiche
Rechtssysteme für
jüdische und
palästinensische
Bürger/innen, bis hin
zur Versagung jeglicher
Staatsbürgerschaft für
unzählige Palästinenser
....“, also Praktiken,
die von den Vereinten
Nationen (ohne
praktisches Ergebnis) in
zahlreichen Resolutionen
verurteilt, vom
Internationalen
Gerichtshof und von
weiteren wichtigen
Organen und
Organisationen der
internationalen
Völkergemeinschaft seit
langem ausdrücklich als
Verletzungen
internationalen Rechts
angemahnt werden. - Die
Sympathie für BDS ist
dabei ausdrücklich
nebensächlich, und die
Unterstellung, diese
käme der NAZI-Parole
„Kauft nicht bei Juden“
gleich, verniedlicht
NAZI-Horror und verhöhnt
die Opfer damals wie
heute
menschenrechtsfeindlicher
Politik! - Nebenbei:
Boykottaufrufe zum Zweck
des Widerstandes gegen
Apartheidspolitik sind
gegen staatliches
Unrecht in Südafrika
durchaus in der
internationalen
Völkergemeinschaft
anerkannt gewesen. Mit
freundlichen Grüßen
Wolfgang Pfannekuch |
Unterdrückte Kritik an
Israels
Besatzungspolitik – Im
Widerspruch zu
Grundrecht auf
Meinungsfreiheit
- 25. Februar 2019 - Die
Stadt München weigert
sich, städtische
Räumlichkeiten für
Veranstaltungen zur
Verfügung stellen, in
denen Kritik an der
israelischen
Besatzungspolitik geübt
wird. Mittlerweile geht
der Streit durch die
Instanzen. Darf eine
Stadt für eine
Diskussion über einen
stark umstrittenen
Stadtratsbeschluss einen
städtischen Raum
verweigern? Während das
Verwaltungsgericht der
Stadt München dieses
Recht im Dezember in
einem Urteil zubilligte,
hält der Münchner
Rechtsanwalt Tobias
Kumpf diese Auffassung
aus verschiedenen
Gründen für klar
rechtswidrig. Von
Rolf-Henning Hintze.
Im Auftrag des
unterlegenen Klägers
reichte Kumpf beim
Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof
einen sehr ausführlichen
Antrag auf Zulassung
einer Berufung ein. Auf
16 Seiten argumentiert
er, Staat und Gemeinden
seien als Träger
öffentlicher Gewalt an
das Grundrecht der
Meinungsfreiheit (Art. 5
GG) gebunden und wirft
dem Münchner Gericht
vor, höheres Recht
missachtet zu haben.
Kumpf vertritt den
Kläger Klaus Ried, dem
das Stadtmuseum einen
Saal für eine Diskussion
zum Thema “Wie sehr
schränkt München die
Meinungsfreiheit ein?
Der Stadtratsbeschluss
vom 13. Dezember 2017
und seine Folgen“
verweigert hatte. Die
Ablehnung wurde u.a. mit
dem Stadtratsbeschluss
selbst begründet, der
sich gegen
„Antisemitismus“ richtet
und in städtischen oder
städtisch geförderten
Räumen jegliches
„Befassen“ mit der
internationalen
Boykottkampagne BDS
(Boycott, Divestment,
Sanctions) unterbindet.
(Die BDS-Kampagne will
durch wirtschaftlichen
Druck erreichen, dass
die israelische
Regierung die Besatzung
aufgibt und den
Palästinensern die
universell gültigen
Menschenrechte gewährt.)
Während das
Verwaltungsgericht der
Stadt einen weiten
Ermessensspielraum bei
der Entscheidung über
Saalüberlassungen
zuerkennt und die
Entscheidung für
zulässig hält, sieht
Anwalt Kumpf einen
Rechtsanspruch des
Klägers auf die
Anmietung eines
städtischen Saals. Nach
einem Grundsatzurteil
des
Bundesverfassungsgerichts
von 1958, bekannt als
„Lüth-Urteil“, liege ein
Eingriff in das Recht
auf freie
Meinungsäußerung „nicht
nur dann vor, wenn eine
Meinungsäußerung
ausdrücklich verboten
wird, sondern auch dann,
wenn eine
Grundrechtswahrnehmung
behindert wird“. >>> |
25. 2. 2019
„Universität, Stadt und
Sparkasse ziehen ihre
Unterstützung für Friedenspreis
zurück“, titelte das GT
am 21. Februar auf Seite 14. Die
Präsidentin wird darin mit den
Worten zitiert, die Universität
habe sich „keiner der kontrovers
geäußerten Meinungen anschließen
können“. Ekkehart Drost
Abgesehen von der Tatsache, dass
dies die Präsidentin durch ihren
Rückzug eben doch getan hat,
handelt es sich bei ihrem
Verhalten um ein Déja-vu aus dem
Wintersemester 2016/17 bei ihrer
unrühmlichen Absage der
Nakba-Ausstellung. Das gleiche
Muster zeigt sich jetzt: Das
Angebot einer Podiumsdiskussion
mit den Beteiligten durch den
Jury-Vorsitzenden Andreas Zumach
wird nicht einmal in Erwägung
gezogen.
Erschüttert und entsetzt bin ich
über das undemokratische
Verhalten unseres
sozialdemokratischen
Oberbürgermeisters. Gäbe es
nicht die Beispiele von
Amtskollegen in Hannover und
Jena, könnte man meinen, OBs
müssten sich aus den
Fallstricken der „großen
Politik“ heraushalten. Die
Hannoveraner Herbert
Schmalstieg, Stefan Weil als
vormaliger OB und jetzt Stefan
Schostock haben trotz großer
Anfeindungen durch die
israelische Botschaft und die
Deutsch-Israelische Gesellschaft
diesem Druck standgehalten und
alle zwei Jahre bei der von der
Hannoverschen
Palästina-Initiative
organisierten
Veranstaltungsreihe die
Schirmherrschaft übernommen. Und
Jenas langjähriger
SPD-Oberbürgermeister Dr.
Albrecht Schröter erhielt 2011
den Preis für Zivilcourage gegen
Rechtsradikalismus,
Antisemitismus und Rassismus in
Berlin. Er setzte sich in seiner
Amtszeit gleichermaßen für die
Interessen seiner israelischen
und palästinensischen
Partnerstädte ein.
OB Köhler begründet seine
ablehnende Haltung mit der
Positionierung der Preisträger
zu BDS, einer weltweiten,
gewaltfreien Boykottbewegung mit
dem ausschließlichen Ziel, die
seit über 50 Jahren bestehende
völkerrechtswidrige Besatzung zu
beenden. Bei BDS, so der OB,
seien bekanntlich Antisemiten am
Werk, und damit wolle er nichts
zu tun haben.
Wenn OB Köhler also nicht einmal
die Stellungnahme der über 90
israelischen Wissenschaftler und
Intellektuellen vom 18.2.2109
für die Jüdische Stimme als
verdientem Preisträger zum
Nachdenken bringt, sollte er
doch einmal lesen, was Federica
Mogherini, Hohe Vertreterin der
EU für Außen- und
Sicherheitspolitik auf eine
entsprechende Anfrage erklärte:
“Die EU schützt die Meinungs-
und Versammlungsfreiheit in
Übereinstimmung mit der Charta
der Grundrechte der Europäischen
Union, die auf dem Gebiet aller
EU-Mitgliedsstaaten anwendbar
ist, auch im Hinblick auf die in
diesem Gebiet durchgeführten
BDS-Maßnahmen.”
Avraham Burg, ehemaliger
Knesset-Präsident und Mitglied
der Arbeitspartei, fragte in
einem Artikel in der Haaretz „What´s
wrong with BDS – after all?“
provokativ: „Was würden Sie an
Stelle der Palästinenser tun?
Eine gewaltsame palästinensische
Rebellion? Niemals! Sollen sie
nur Danke sagen und den Mund
halten? Würden WIR ruhig bleiben
und bedingungslos kapitulieren,
wären wir an ihrer Stelle?“
Und der renommierte israelische
Historiker Avi Shlaim
(University of Oxford) stellte
im Oktober 2017 klar, „dass die
Palästinenser nicht auf die
Hilfe der westlichen Regierungen
hoffen können, um die Besatzung
zu beenden, auch nicht auf die
EU. Die einzige Hoffnung der
Palästinenser besteht in der
BDS-Bewegung.“
Unsere besondere deutsche
Verantwortung gilt natürlich
Israel, aber das Grundgesetz
lehrt uns in Art. 1, dass die
Menschenwürde unteilbar ist und
für alle Menschen überall auf
der Welt gilt. Ich zitiere
Alfred Grosser, französischer
Jude und Preisträger des
Friedenspreises des Deutschen
Buchhandels: „Es kann und darf
nicht sein, dass die
Palästinenser die letzten Opfer
des Holocaust sind.“
(Ekkehart Drost „Göttinger
Bündnis für Gerechtigkeit
zwischen Israelis und
Palästinensern“)
Brief
von Ekkehart Drost - Sehr
geehrter Herr Oberbürgermeister,
lieber Rolf, Du hast in
den vergangenen Tagen vermutlich
Hunderte von Protestschreiben
erhalten. Die allermeisten
werden wohl gleich in Deinem
Spam-Ordner gelandet sein.
Vielleicht bleibt meinem
Schreiben dieses Schicksal
erspart - zumindest habe ich
eine Reihe von Personen in CC
gesetzt, die Dich kennen, mit
denen Du verbunden bist und die
Dich möglicherweise darauf
ansprechen.
Ich habe einen Leserbrief an das
GT geschrieben, der wohl kaum -
schon wegen seiner Länge -
abgedruckt werden wird. Deshalb
möchte ich ihn Dir hier zur
Kenntnis bringen, denn Dein
Verhalten ist der Hauptgrund für
meinen Brief.
Bei Deinen beiden Kandidaturen
zum OB habe ich - obwohl schon
lange kein Parteimitglied mehr,
aber der Partei zumindest of
lokaler Ebene verbunden -
zusammen mit anderen, die ich
aus Niki Lehmanns
Freitagabend-Gesellschaft gut
kenne, auf dem Marktplatz und
auch in meinem Bekanntenkreis
für Dich geworben. Ich brauche
jetzt nicht mehr zu betonen,
dass ich dieses Engagement heute
nicht wiederholen würde.
Unvorstellbar ist für mich, dass
sich ein Sozialdemokrat einer
Preisverleihung in Schröderscher
"Basta-Methode" massiv
widersetzt mit dem auch im
privaten Kreis geäußerten
Argument, bei der BDS-Bewegung
seien Antisemiten am Werk. Das
mag leider so sein, lässt sich
aber bei einer internationalen
Massenbewegung kaum vermeiden.
Deswegen aber die ehrenwerten,
ausschließlich jüdischen
Mitglieder der Jüdischen Stimme
unter Generalverdacht zu
stellen, wäre in etwa so, als
würde ich davon abraten, die SPD
zu wählen, weil es ja in der
Partei verwirrte Geister wie
Sarrazin und Kompagnons gibt.
Eine Freundin - sie ist Quäkerin
und hat als Erste beim
Friedensdienst des
Weltkirchenrates in den
besetzten Gebieten im Jahr 2002
ihren dreimonatigen Dienst
abgeleistet, schrieb mir heute:
"Wenn jemand an jenem Samstag
ein Schild an der Aula-Tür
anbrächte JUDEN SIND HIER
UNERWÜNSCHT, er hätte nicht
einmal unrecht. Welch
unerträglicher Gedanke! - Und
wenn dann jemand anders meint,
man müsste doch differenzieren?
- Ja, das wäre von Anfang an
notwendig gewesen und dann hätte
es jenes unselige Schild wohl
nicht gegeben."
Ich bin Jahrgang 1944, Sohn
eines im Krieg erschossenen
SS-Offiziers. Bis zum Jahr 2009
habe ich ("als Deutscher") die
israelische Politik unterstützt.
Als ich dann 2011 ebenfalls für
den Weltkirchenrat für drei
Monate in der Westbank als
Menschenrechtsbeobachter
gearbeitet hatte, war diese
Sympathie nach drei Wochen wie
ausgeblasen. Seitdem bin ich
2013 noch einmal für drei Monate
dort gewesen, und dann jedes
Jahr wieder für ein paar Wochen.
Ich bin Zeuge von
Militärgerichtsprozessen gegen
14jährige palästinensische
Kinder gewesen, die in Hand- und
Fußfesseln und in Begleitung
zweier bewaffneter Soldaten vor
einem Militärrichter in Uniform
vorgeführt wurden.
Ich wünsche Dir, dass Du
zusammen mit Josef Schuster, mit
Vertretern der DIG und deren
studentischen Ablegern,
vielleicht auch mit Frau
Beisiegel, eine Bustour durch
die besetzten Gebiete machst,
Dich wie die palästinensischen
Arbeiter durch die Checkpoints
quälst, am besten auch nach Gaza
fährst, falls Netanjahu Euch
reinlässt und Dich selbst von
den Menschenrechtsverbrechen der
israelischen Regierung
überzeugst, wenn Du schon den
Aufruf der 90 israelischen
Wissenschaftler und
Intellektuellen offenbar für
irrelevant hältst. Vielleicht
hast Du dann einen Rat, wie man
sich verhalten soll, wenn man
der Meinung ist, die
Menschenrechte gelten
universell. Mit großer
Enttäuschung Ekkehart Drost
Prof. Christian Jooss an die
Göttingen Uni-Präsidentin
- 24. Februar 2019 - Scheinbar
ist es heute möglich, dass
reaktionäre und ultrarechte
Kreise in Israel mit der Keule
des angeblichen Antisemitismus
die Möglichkeit der Kritik an
ihrer Politik innerhalb der
Universität Göttingen im Rahmen
einer solchen Preisverleihung
zum Verstummen bringen. Warum
lässt sich das Präsidium einer
Universität derart unter Druck
setzen? Hier soll doch nur
erreicht werden, dass jede Form
der Kritik an der
Regierungspolitik in Israel mit
Antisemitismus gleichgesetzt und
diffamiert wird.
Sehr geehrte Frau Beisiegel,
sehr geehrte Mitglieder des Uni
Präsidiums, als Hochschullehrer
an der Universität Göttingen
möchte ich meinen Einspruch und
Protest zum Ausdruck bringen,
dass sich die Universität
Göttingen derart in die
Entscheidung des Preiskomitees
der Röhl Stiftung einmischt und
sogar laut mir bekannten
Presseinformationen die
Bereitstellung eines Raumes für
die Preisverleihung an die
“Jüdische Stimme für Frieden in
Nahost” verweigert.
Damit fällt sie den vielen
jüdischen und arabischen
Menschen in den Rücken, die sich
in Kritik an der ultrarechten
Regierungspolitik in Israel für
Frieden und Völkerverständigung
einsetzen.
Das widerspricht dem Leitbild
der Universität Göttingen, in
dem es heißt:
„Die Georg-August-Universität
will zur Verwirklichung der
Gleichberechtigung und zur
Überwindung aller dem
entgegenstehenden
geschlechtsbedingten,
ethnischen, kulturellen,
sozialen und religiösen
Benachteiligungen beitragen;“
und
„…definiert die Georgia Augusta
heute ihr Selbstverständnis und
ihren Auftrag. In Erinnerung an
das dunkelste Kapitel ihrer
Geschichte in der Zeit des
Nationalsozialismus fühlt sie
sich verpflichtet, ihre Kräfte
für die Gestaltung einer
humanen, toleranten und
friedlichen Welt einzusetzen.“
Scheinbar ist es heute möglich,
dass reaktionäre und ultrarechte
Kreise in Israel mit der Keule
des angeblichen Antisemitismus
die Möglichkeit der Kritik an
ihrer Politik innerhalb der
Universität Göttingen im Rahmen
einer solchen Preisverleihung
zum Verstummen bringen. Warum
lässt sich das Präsidium einer
Universität derart unter Druck
setzen? Hier soll doch nur
erreicht werden, dass jede Form
der Kritik an der
Regierungspolitik in Israel mit
Antisemitismus gleichgesetzt und
diffamiert wird.
Ich möchte Sie bitten, Ihre
Entscheidung zu überdenken und
werde meinen Widerspruch hiermit
auch öffentlich machen.
Mit freundlichen Grüßen Prof.
Dr. Christian Jooss
Hochschullehrer am Institut für
Materialphysik, Universität
Göttingen
Quellle
24. 2. 2019
Prof.
Kai Ambos: zum Verhalten der
Göttingen-Universitätsleitung
- 22. Februar 2019 - Wie
viele andere jüdische und
nicht-jüdische Organisationen
versucht diese Organisation
zwischen den Extrempositionen zu
vermitteln. Frieden aber ist in
Nahost und anderswo nur durch
Vermittlung und
Kompromissbereitschaft möglich.
Dies als „antisemitisch“ zu
diffamieren ist – ganz im Sinne
der Stellungnahme der mehr als
90 jüdischen Wissenschaftler und
Intellektuelle vom 18.2.2019 –
zurückzuweisen.
An den Oberbürgermeister der
Stadt Göttingen - die
Präsidentin der Uni Göttingen -
den Vorstandsvorsitzenden der
Sparkasse Göttingen - cc
Stiftung Dr. Roland Röhl und
Herrn Zumach - 21.2.2019
Sehr geehrter Herr Köhler, sehr
geehrte Frau Kollegin Beisiegel,
sehr geehrter Herr Hald,
Ich kann Ihren Boykott bezüglich
der Verleihung des Göttinger
Friedenspreise an die „Jüdische
Stimme“ nicht nachvollziehen.
Das Verhalten der
Universitätsleitung erinnert
mich fatal an die Vorgänge um
die Nakba-Ausstellung im WiSe
2016/17.
Allerdings ist der Sachverhalt
diesmal noch gravierender: Die
Verleihung eines Preises an eine
jüdische Organisation wird wegen
deren angeblichen Antisemitismus
boykottiert.
Die „Jüdische Stimme“ ist Teil
eines Verbunds europäischer
Juden, die sich für einen
gerechten Frieden in Nahost
einsetzen. Wie viele andere
jüdische und nicht-jüdische
Organisationen versucht diese
Organisation zwischen den
Extrempositionen zu vermitteln.
Frieden aber ist in Nahost und
anderswo nur durch Vermittlung
und Kompromissbereitschaft
möglich. Dies als
„antisemitisch“ zu diffamieren
ist – ganz im Sinne der
Stellungnahme der mehr als 90
jüdischen Wissenschaftler und
Intellektuelle vom 18.2.2019 –
zurückzuweisen.
Wenn Sie sich nun von der
Preisverleihung zurückziehen, so
machen sie sich die Position
derjenigen zu eigen, die die
„Jüdische Stimme“ als
antisemitisch bezeichnen. Sie
schließen sich damit, entgegen
der Stellungnahme von Frau
Präsidentin Beisiegel vom
19.2.2019, einer „der kontrovers
geäußerten Meinungen“ an. Leider
nennt die Präsidentin keine
Gründe für diese Entscheidung,
außer auf die aktuelle
„Kontroverse“ zu verweisen. Das
ist einer der Aufklärung
verpflichteten
Traditionsuniversität wie
Göttingen unwürdig. Und es
schädigt die Reputation des
Göttinger Friedenspreises,
dessen „prinzipielle
Unterstützung“ von der
Präsidentin aber zugleich – ein
weiterer Widerspruch –
zugesichert wird.
Kritik an der israelischen
Politik – oder der jedes anderen
Staates – muss in einem
freiheitlichen Rechtsstaat wie
der Bundesrepublik Deutschland
erlaubt sein. Wer eine solche
Kritik als antisemitisch oder
anders diffamiert, erweist der
Sache des Friedens und der
Freiheit einen Bärendienst.
Ich werde die Preisverleihung
mit einer Spende unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Ambos
Professur für Strafrecht,
Strafprozessrecht,
Rechtsvergleichung und
internationales Strafrecht,
Göttingen
Richter am Kosovo
Sondertribunal, Den Haag
Berater (amicus curiae)
kolumbianische
Sondergerichtsbarkeit für den
Frieden, Bogota Quelle
„Ungeheuerlich und
ehrverletzend“ - 21.
Februar 2019 - Nirit Sommerfeld
- Die „Jüdische Stimme für
gerechten Frieden in Nahost“
unter Antisemitismus-Verdacht zu
stellen, ist ein durchsichtiges
Manöver, um Kritik an der
Politik der israelischen
Regierung mundtot zu machen. Der
„Göttinger Friedenspreis“, der
im letzten Jahr noch an
Konstantin Wecker verliehen
wurde, sollte in diesem Jahr an
eine jüdische Organisation
gehen, die sich für
Gerechtigkeit und einen
menschlichen Umgang mit
Palästinenser*innen einsetzt.
Nachdem u.a. der Zentralrat der
Juden dagegen protestiert hatte,
plädierten Göttingens
Oberbürgermeister Rolf-Georg
Köhler, Ulrike Beisiegel,
Präsidentin der Göttinger
Universität, und Rainer Hald,
Vorstandsvorsitzender der
Sparkasse Göttingen dafür, die
Preisverleihung auszusetzen. Der
Vorwurf – an Jüdinnen und Juden
wohlgemerkt: Antisemitismus. Für
Nirit Sommerfeld, Laudatorin bei
der Preisverleihung, eine
absurde und kränkende Verdrehung
der Tatsachen. (Siehe auf
Artikel aus dem Göttinger
Tageblatt unten.) Offener Brief
von Nirit Sommerfeld
Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister Köhler, sehr
geehrte Frau Beisiegel, sehr
geehrter Herr Hald,
Sie wollen den
Antisemitismus-Verdacht, der
gegen die „Jüdische Stimme“
erhoben wurde, eindeutig
ausräumen? Gut so — wenn Sie
Ihre Augen, Ihren Verstand und
Ihr Herz öffnen, tief durchatmen
und genau hinsehen, sollte das
keine fünf Minuten dauern.
Merken Sie gar nicht, dass Sie
Leuten auf den Leim gehen, die
ganz anderes im Schilde führen,
als wirklichen Antisemitismus zu
bekämpfen?! Merken Sie nicht,
dass alle Anstrengungen, die in
die Richtung gehen, die
‘Jüdische Stimme’ unter
Antisemitismus-Verdacht zu
stellen, in Wirklichkeit
verhindern wollen, dass Kritik
an der israelischen (nicht
jüdischen!) Besatzungspolitik
stumm gehalten wird? >>>
BIB Aktuell #54:
Gilt in Deutschland
Meinungsfreiheit? Auch
in München? -
Berufung gegen Urteil
des Verwaltungsgerichts
München beantragt - Der
Münchner Bürger Klaus
Ried hat Berufung gegen
ein Urteil des
Verwaltungsgerichts
München vom 12. Dezember
2018 (Az. M 7 K 18.3672)
beantragt. Er und seine
MitstreiterInnen sind
wegen der
grundsätzlichen
Bedeutung bereit,
notfalls durch die
Instanzen bis zum
Bundesverfassungsgericht
zu gehen, auch wenn dies
erhebliche Kosten
verursacht und künftig
verursachen könnte.
Klaus Ried hatte am 19.
April 2018 bei der Stadt
München die Überlassung
eines Raumes im Münchner
Stadtmuseum für eine
Diskussionsveranstaltung
beantragt zum Thema:
„Wie sehr schränkt
München die
Meinungsfreiheit ein? –
Der Stadtratsbeschluss
vom 13. Dezember 2017
und seine Folgen“.
Das Stadtmuseum lehnte
die Vermietung mit
Verweis auf diesen
Stadtratsbeschluss ab.
Dieser legt fest, dass
„Organisationen und
Personen, die
Veranstaltung in
städtischen
Einrichtungen
durchführen wollen,
welche sich mit den
Themen, Inhalten und
Zielen der BDS-Kampagne
befassen [!!], diese
unterstützen, diese
verfolgen oder für diese
werben, von der
Raumüberlassung bzw.
Vermietung von
Räumlichkeiten
ausgeschlossen“ sind.
Kurioserweise verbietet
der Stadtrat schon
allein die Befassung mit
diesem
Stadtratsbeschluss. Kann
ein Stadtrat einen
Beschluss fassen, der
dazu führt, dass man
nicht mehr über dessen
Beschlüsse öffentlich
diskutieren darf? Solche
Beschlüsse von Gremien
kennt man sonst nur aus
totalitären Systemen.
Die Fraktion der Grünen
wollte deshalb in einem
Änderungsantrag das
Verbot streichen, sich
mit BDS auch nur
befassen zu dürfen. Denn
dann könnte nicht einmal
eine Veranstaltung gegen
BDS stattfinden. Obwohl
der Änderungsantrag
abgelehnt wurde,
stimmten die Grünen am
Ende dem
Stadtratsbeschluss zu.
Das Bayerische
Verwaltungsgericht
München urteilte nun am
12. Dezember 2018, dass
Klaus Ried für diese
Diskussionsveranstaltung
keinen Anspruch auf
einen städtischen Raum
habe.
Rechtsanwalt Dr. Kumpf
aus München hat nun für
Klaus Ried am 16.1.2019
beantragt, die Berufung
gegen dieses
unverständliche Urteil
des Verwaltungsgerichts
zuzulassen:
Sein Antrag beruft sich
in seiner Begründung (S.
6ff) neben Art. 8 des
Grundgesetzes, das die
Versammlungsfreiheit
garantiert, vor allem
auf Art. 5 GG: „Das
Grundrecht auf freie
Meinungsäußerung ist als
unmittelbarster Ausdruck
der menschlichen
Persönlichkeit in der
Gesellschaft eines der
vornehmsten
Menschenrechte
überhaupt. Es ist nicht
nur ein Abwehrrecht
gegenüber dem Staat,
sondern schlechthin
konstituierend für eine
freiheitlich-demokratische
Staatsordnung.“ Das
bedeutet, dass eine
„Diskussionsveranstaltung
zum Thema
Meinungsfreiheit zum
Kernbereich unserer
Verfassungsordnung“
gehört (S. 6f). Darum
ist eine Kommune wie die
Stadt München nicht
befugt, dieses
verfassungsmäßige
Grundrecht willkürlich
einzuschränken.
Der Antrag beruft sich
auf das sog. Lüth-Urteil
des
Bundesverfassungsgerichts
von 1958, in dem es
bereits damals um das
Thema von Boykottaufruf
und Antisemitismus ging:
Das
Bundesverfassungsgericht
erklärte, dass „ein
Boykottaufruf, dem eine
bestimmte
Meinungskundgabe
zugrunde liegt, (…)
durch Art. 5 Abs. 1 Satz
1 GG (…) geschützt
(wird), wenn er als
Mittel des geistigen
Meinungskampfes in einer
die Öffentlichkeit
wesentlich berührenden
Frage eingesetzt wird,
wenn ihm also keine
private
Auseinandersetzung,
sondern die Sorge um
politische,
wirtschaftliche, soziale
oder kulturelle Belange
der Allgemeinheit zu
Grunde liegt“ (BVerfGE
7, 198 Quelle und mehr
>>> |
Analysis For U.S. Jewry,
Kahanist Caper Casts Netanyahu
as Prince of Darkness and Trump
on Steroids - Even AIPAC
broke its usual silence after
Netanyahu legitimized followers
of the infamous Rabbi Kahane,
who was a household name in
America before setting foot in
Israel - Chemi Shalev - Feb 23,
2019 - The stench from Prime
Minister Benjamin Netanyahu’s
foul deal with admirers of Meir
Kahane’s rancid racism was so
strong that it crossed the
oceans and compelled even the
normally obedient and
circumspect organization AIPAC
to break their silence. The
extraordinary condemnation
issued by AIPAC, flimsy as it
was, is a symptom of the nausea
that swept through American
Jewry in the wake of Netanyahu’s
unabashed efforts to legitimize
the Kahane-inspired Otzma
Yehudit party in order to ensure
his re-election.
The AIPAC statement could also
confound Netanyahu’s plan to use
his scheduled appearance next
month at the group’s annual
conference and turn it from a
sure-fire platform for political
propaganda to a risky gamble
that could do him more harm than
good. The thousands of delegates
who will come to Washington on
March 24 will undoubtedly try to
maintain a semblance of business
as usual and will likely accord
Netanyahu the standing ovations
he’s used to, but what was
supposed to be a victory march
on Netanyahu’s triumphant way to
the White House has now turned
into a tense arena with hidden
dangers lurking in every corner.
>>>
23. 2. 2019
Göttingen
(D) soll
sich
schämen!
- Christian
Müller - 20.
Feb 2019 -
Die
Friedenspreis-Übergabe
an die
«Jüdische
Stimme» wird
von Stadt,
Universität
und
Sparkasse
boykottiert.
Seit 20
Jahren wird
in der
deutschen
Stadt
Göttingen
mit Geld der
privaten
Stiftung Dr.
Roland Röhl
ein
Friedenspreis
an Menschen
oder
Institutionen
vergeben,
die sich
aktiv und
öffentlich
für den
Frieden
engagieren.
Diesmal hat
die Jury
beschlossen,
den Preis an
die
«Jüdische
Stimme für
gerechten
Frieden in
Nahost» zu
vergeben,
eine
Vereinigung,
die sich
aktiv für
eine
friedliche
Lösung des
Konflikts
zwischen
Israel und
Palästina
einsetzt.
Gegen diesen
Entscheid
ist aber von
jenen
jüdischen
Kreisen, die
im Sinne der
Israel-Lobby
jede
öffentliche
Kritik an
der
israelischen
Besatzungspolitik
gegenüber
Palästina zu
verhindern
versuchen,
protestiert
worden. Nun
steht fest:
mit Erfolg.
Infosperber
hat darüber
ausführlich
berichtet.
Kein Geld
mehr von der
örtlichen
Bank -
Zu den
Geldgebern
der
Friedenspreis-Übergabe
gehörte
bisher auch
die
Sparkasse
Göttingen.
Sie spendete
jeweils 2000
Euro an die
Preisübergabe
(Reise- und
Übernachtungskosten,
Apéro, etc).
Die Bank hat
nun
entschieden,
zugunsten
der
diesjährigen
Preisübergabe
kein Geld zu
geben.
Friedenspreis-Übergabe
darf nicht
in der
Universität
stattfinden
- Auch die
Georg-August-Universität
Göttingen
hat die
Veranstalter
der
Friedenspreis-Übergabe
wissen
lassen, dass
für diese
Übergabe des
Friedenspreises
keine
Räumlichkeiten
der
Universität
zur
Verfügung
stehen, wie
das bisher
üblich und
auch für
dieses Mal
vorgesehen
war. Thomas
Richter, der
Pressesprecher
der
Universität,
teilte der
Stiftung
gleichzeitig
mit, dass er
persönlich
seine
Mitgliedschaft
im Beirat
der Stiftung
«ruhen
lasse».
Die
Rufmord-Kampagne
gegen die
zuständige
Jury und
insbesondere
gegen deren
Vorsitzenden
Andreas
Zumach geht
offensichtlich
unaufhaltsam
weiter.
an die
Vorstände
der Stiftung
und des
Kuratoriums,
(Hans-Jörg
Röhl und
Goetz
Neuendeck) -
roehl@goettinger-friedenspreis.de
-
neuneck@ifsh.de
Am
Donnerstag,
21. Februar
2019, 19:47
-
Hans-Jürgen
Hahn - Sehr
geehrter
Herr
Oberbürgermeister!
Sehr geehrte
Frau
Präsidentin!
Sehr
geehrter
Herr Hald!
Ich erlaube mir, in diesem Konflikt Stellung zu beziehen. Damit Sie diese würdigen können, kurze Angaben zu meiner Person (Jg. 1936):
- Ich gehöre mit zu den ersten Gedenkstättenpädagogen in Niedersachsen, die sich seit mehr als vierzig Jahren bemühen, jungen Menschen an Einzelschicksalen jüdischer Mitbürger (hier in Hildesheim) den Stellenwert der Shoah zu vermitteln. Seit 1981 sind viele ehemalige Hildesheimer aufgrund meiner Projekte auf Einladung der Stadt zu Besuch gekommen. Wir retteten ein Gebäude der jüd. Gemeinde. Die entsprechenden Projekte mit Jugendlichen laufen immer noch.
- Ich initiierte mit Israelis einen der ersten deutschen Schüleraustauschprogramme mit Kfar Galim bzw. mit Haifa und habe bis heute Kontakt zu fünf jüdisch-israelischen Familien sowie zwei arabischen Familien im Westjordan. In Sachen Israel/Palästina kann mir niemand etwas vormachen.
- Ich bin Herausgeber der ersten deutschen Veröffentlichung des sog. Auschwitz-Albums (Vlg. Das Arsenal, Bln. / 192/205 Fotos vom Mai 1944 durch die SS). Das Original liegt seit 1980 in Yad Vashem, das die 2. deutsche Ausgabe verantwortet; es hat dort eine eigene Abteilung.
- Ich vertrete seit 2016 eine von der HAWK zu Unrecht geschasste Dozentin, die mit ihrem Lehrauftrag ("Zur sozialen Lage Jugendlicher in Palästina") keine Chance hatte, nicht auch regierungskritische Stimmen in das Lehrprogramm aufzunehmen. Das auf politischen Druck der LT - Opposition veranlasste sehr schwache Gutachten des ZfA an der TU Berlin kann selbst auf 26 Ss. den antisemitischen Vorwurf gerade nicht erhärten. Die Dozentin hatte ausdrücklich jüdisch-israelische Kritiker der Politik der israelischen Regierung nach der 2. Intifada und vor dem Hintergrund des gescheiterten Friedensprozesses von 1993 - 1995 in ihre Literaturliste aufgenommen.
- Wider Willen bin auch ich so in eine bundesrepublikanische Szenerie geraten, in der zum einen deutsche Juden anderen deutschen Juden "Antisemitismus" vorwerfen, weil letztere - als Juden - sich differenzierter zur Lage in Israel heute äußern, zum andern weil sie sich gegen die Abflachung des Antisemitismus-Vorwurfs wehren wollen. In jedem Einzelfall muss es sich - abgesehen von der unklaren Begrifflichkeit - auch tatsächlich um einen solchen handeln.
Wie ich erkenne, weigern Sie sich, der Preisverleihung Räume der Universität zu öffnen.
Sie sollten wissen, dass Sie damit in eine seit Jahren (verstärkt seit 2014) breit angelegte Aktion gehören. Sie haben sich unter politischem Druck darein begeben. Möglicherweise, ohne die Motive der Kritiker, erst recht nicht die Folgen zu kennen oder zu bedenken. Nahezu einhundert Veranstaltungen an verschiedenen Orten sind seitdem von einer bestimmten jüdischen Seite, die im ZJD zur Zeit die Mehrheit haben, be- oder verhindert worden. Von dem Druck, der von der Botschaft Israel aus auf die Bundesregierung ausgeübt wird, ganz zu schweigen.
Nun sind auch Sie in diese Szenerie geraten. Sie ist geprägt von der Vorstellung, argumentative und faktenorientierte Kritik an der Situation vor Ort fördere antisemitische Haltungen hier bei uns. Das Gegenteil ist aus meiner Sicht der Fall. Sie sollten wissen: auf diese Weise wird der Antisemitismus in den Köpfen der Zeitgenossen, den wir doch alle hoffentlich bekämpfen wollen, geradezu befördert.
Dies gilt auch für die Pädagogik heute. Nur durch faktenorientierte und größtmögliche Transparenz wird es uns auch in Zukunft gelingen, Jugendliche zu einem selbständigen differenzierenden Urteil zu befähigen, sowohl im Rückblick auf die Shoah als auch für die Zukunft in Nahost.
Geradezu absurd erscheint es mir, das Folgende zu übersehen:
1) A. Zumach als Mitglied der Jury ist ein Gewährsmann für sachgerechte Vermittlung über Israel und Nahost, und dies seit geraumer Zeit.
2) Gerade die "Jüdische Stimme für Frieden in Nahost" ist in der Perspektive ausgewogener Information, Transparenz und konkreter Friedensbemühungen aus meiner Fachsicht ein würdiger Preisträger.
3) Als Sohn eines ehem. Wehrmachtoffiziers habe ich zu diesem Statement nicht nur das Recht, eine konkrete Politik gleich welchen Landes nach den Grundsätzen der Menschenrechte und des Völkerrechts zu kennzeichnen. Ich habe sogar die Pflicht darauf hinzuweisen, wenn die Regierung eines Landes wie Israel - diese einstmalige Hoffnung aller Verfolgten - glaubt, sich um seiner selbst willen nicht daran orientieren zu müssen.
Ihre eigene Haltung und Entscheidung - als Verantwortliche wie als Sponsoren - erscheint mutlos und desorientiert. Sie verstärkt wie gesagt das, was sie offenbar zu bekämpfen meinen. Geben Sie allen friedensaktiven Kräften - und dazu zählt nach profunder Kenntnis auch der Preisträger - buchstäblich Raum!
Wir alle sind den Grundrechten der Menschenwürde, die unteilbar sein sollte, wie denen der Freiheit von Forschung und Lehre weiter verpflichtet. Dies gilt auch für die Kommune Göttingen wie für Ihre Universität im Besonderen. Hans-Jürgen Hahn
21. 2. 2019
Stadt, Uni und Sparkasse steigen beim Göttinger Friedenspreis aus - 20.02.2019 - Eklat vor der diesjährigen Vergabe des Göttinger Friedenspreises: Universität, Stadt und Sparkasse ziehen sich als institutionelle und finanzielle Unterstützer zurück. Auslöser ist die Kontroverse um den als Preisträger vorgesehenen Verein. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte ihn als antisemitisch kritisiert. Es gibt jedoch auch prominente Unterstützer.
Die Kontroverse um die Verleihung des Göttinger Friedenspreises hat zu einem offenen Eklat geführt. Nach Antisemitismusvorwürfen gegen den als Preisträger vorgesehenen Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ haben sich am Mittwoch die Stadt Göttingen, die Universität sowie die städtische Sparkasse als Unterstützer des Preises zurückgezogen. Er soll eigentlich am 9. März an den Verein übergeben werden. >>>
Fördert Josef Schuster vom Zentralrat der Juden Antisemitismus? - 20. Februar 2019 - Abi Melzer - Mit ihrer Rückzugsentscheidung hat sich die Universität einer der „kontrovers geäußerten Meinungen“ angeschlossen. Sie hat die Falschbehauptungen, Verleumdungen und Rufmordersuche gegen die Jüdische Stimme, mit denen die Göttinger FDP-Fraktionsvorsitzende Felicitas Oldenburg und der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, letzte Woche die Absage der Preisverleihung gefordert haben, höher gewichtet als sämtliche dazu geäußerten kontroversen Meinungen, Argumente und Beweise. >>>
Thomas Allen Crozier - Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. - An die Stiftung Dr. Roland Röhl z. Hd. Frau Carmen Barann Marienstraße 22 37073 Göttingen - 16. Februar 2019 - Sehr geehrte Frau Barann, als ich die Einladung zur diesjährigen Preisverleihung öffnete, war ich zunächst unentschlossen, ob ich daran teilnehmen würde, weil mir der Preisträger nicht bekannt war. Ich habe mich mittlerweile informiert und bin davon überzeugt, dass die Dr. Roland Röhl Stiftung mit ihrer Entscheidung für den Verein "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost'' eine sehr gute Wahl getroffen hat.
Umso entsetzter bin ich nun ob der Versuche des Zentralrats der Juden Deutschland, die Preisverleihung zu verhindern. Mit dem Vorwurf, dieser Verein sei anti-semitisch, entpuppt sich der Zentralrat als Apologet der gegenwärtigen Politik Israels und als Sprachrohr des Netanjahu Regimes.
Die kritiklose und geradezu unterwürfige Übernahme der Argumentation des Zentralrates durch Oberbürgermeister Köhler und Universitätspräsidentin Beisiegel ist unheilvoll; sie offenbart deren Unvermögen, zwischen der offiziellen Politik des Staates Israel, die auch in Israel unter Kritik steht, und der dort lebenden jüdischen Bevölkerung zu unterscheiden.
Die Absage der Preisverleihung wäre ein Sieg für die gegenwärtige Politik Netanjahus, die darauf ausgerichtet ist, eine Zweistaatenlösung unmöglich zu machen. Die Absage wäre eine bittere Niederlage für alle Kräfte, die für einen Nahostfrieden auf der Grundlage des Völkerrechts und aller internationalen Vereinbarungen einstehen.
Verleihen Sie den Preis - ich werde dabei sein. Mit freundlichen Grüßen Prof. Dr. Thomas Crozier
Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer - An den Vorstand des Kuratoriums Göttinger Friedenspreis Herrn Prof. Dr. Götz Neuneck - Bielefeld, 19.02.2019 - Sehr geehrter Herr Professor Neuneck, dieses Schreiben verfasse ich als Preisträger des Göttinger Friedenspreises, da ich mich über die Auseinandersetzungen um den diesjährigen Preisträger "Jüdische Stimme" informiert habe und informiert worden bin.
Zweifellos sind die politischen Konflikte in und zwischen den palästinensischen Gebieten, politischen Organisationen der Palästinenser und dem Staat Israel äußerst kompliziert und unübersichtlich. Gerade deshalb ist es notwendig, die Kernpunkte zu betonen.
Für mich sind es zwei:
Erstens ist es die Position "Der Einsatz für Menschenrechte ist nicht antisemitisch", die im Offenen Brief der mehr als 90 jüdischen Wissenschaftler und Intellektuellen vom 18. Januar zum Ausdruck gebracht wird.
Ich unterstütze diese Position und damit auch den Preisträger "Jüdische Stimme", denn Menschenrechte sind universell. Es geht um die Gleichwertigkeit und psychische wie physische Unversehrtheit aller Menschen.
Meine eigenen Forschungen und Publikationen zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, zu der u.a. Antisemitismus und Islam- bzw. Muslimfeindlichkeit gehören, machen eine solche Positionierung notwendig.
Zweitens ist das Verhältnis von "Jüdischer Stimme" und BDS anzusprechen. Dass ich selbst BDS in keiner Hinsicht unterstütze, ist zweifelsfrei klar.
Wie auch immer im Detail eine Unterstützung von "Jüdischer Stimme" gegenüber BDS ausfallen mag, so ist nach meinen Informationen an keiner Stelle dokumentiert, dass sich die "Jüdische Stimme" gegen das Existenzrecht des Staates Israel ausspricht - im Gegenteil. Das ist der für mich entscheidende Punkt, um auch in diesem Punkt die "Jüdische Stimme" als Preisträgerin zu unterstützen.
Deshalb wäre es in vielerlei Hinsicht ein unbegründeter Affront, wenn die Preisverleihung an die „Jüdische Stimme" gestoppt, verzögert oder gar verhindert würde.
Meine persönliche Position ist ohnehin klar. Ich werde auch weiterhin Einladungen von israelischen Kolleginnen und Kollegen folgen, wie zuletzt zu einem Vortrag im Mai 2018 an der Universität Haifa zu "Parallel Societies".
Mit gelassener Hochachtung und freundlichen Grüßen Wilhelm Heitmeyer
Göttingen, 19.2.2019 - Sehr geehrte Damen und Herren, im Auftrag unserer Präsidentin Ulrike Beisiegel übersende ich Ihnen folgendes Statement von ihr:
"Die Universität Göttingen anerkennt die in der Satzung der Göttinger Friedenspreis Stiftung Dr. Roland Röhl festgehaltene Unanfechtbarkeit einer satzungsgemäßen Wahl der Preisträger(in/innen) durch die Jury. In der aktuellen Situation hat die Entscheidung zu einer Kontroverse geführt, bei der sich die Universität keiner der kontrovers geäußerten Meinungen anschließen kann. Daher wird kann die Universität in diesem Jahr die Preisverleihung nicht unterstützen und die Verleihungsfeier kann nicht in Räumen der Universität stattfinden. Die prinzipielle Unterstützung der Universität für den Göttinger Friedenspreis ist hiervon nicht betroffen."
Wir senden dieses Statement heute nur an die Mitglieder der Stiftung. Ab dem morgigen Tag würden wir es auch auf Presseanfragen hin verteilen-
Gleichzeitig bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich ab sofort meine Mitgliedschaft im Beirat für Öffentlichkeitsarbeit und meine Tätigkeit als Pressesprecher der Stiftung ruhen lassen werde. Presseanfragen an die Stiftung zur Fragen der Juryentscheidung werde ich an Herrn Zumach, Presseanfragen zur Organisation der Verleihung oder generelle Fragen zur Stiftung an Herrn Röhl weiterleiten. Freundliche Grüße Thomas Richter Pressesprecher & Leiter Öffentlichkeitsarbeit
Göttingen, 19.2.2019 - Sehr geehrte Damen und Herren, zu Ihrer Information übersende ich Ihnen folgendes Statement der Sparkasse Göttingen zur diesjährigen Verleihung des Göttinger Friedenspreises:
"Als regionales Kreditinstitut unterstützt die Sparkasse Göttingen die Stiftung Dr. Roland Röhl bei der jährlichen Organisation der Preisverleihung des Göttinger Friedenspreises seit Jahren mit einer Förderung in Höhe von circa 2.000 Euro.
Gemäß Satzung der Stiftung Dr. Roland Röhl obliegt die Auswahl der Preisträger einzig und ausschließlich der Jury des Göttinger Friedenspreises. Die Sparkasse Göttingen konnte und kann an keiner Stelle auf die Entscheidung der Jury einwirken.
Die Wahl des diesjährigen Preisträgers hat in Politik, Medien und Öffentlichkeit eine intensive Diskussion ausgelöst. Vor diesem Hintergrund hat die Sparkasse Göttingen entschieden, die Preisverleihung 2019 nicht weiter zu unterstützen.
Die Sparkasse Göttingen fühlt sich als regionales öffentliches Kreditinstitut zur politischen Neutralität verpflichtet und demzufolge steht der Sparkasse eine inhaltliche Bewertung der Antisemitismusvorwürfe nicht zu.
Die Sparkasse Göttingen distanziert sich ausdrücklich von jeglicher Form des Antisemitismus."
Das obige Statement erhalten Sie als Mitglieder der Stiftung vorab. Dieses werden wir ab morgen in der Pressekommunikation einsetzen. Freundliche Grüße! Frank Sickora Sparkasse Göttingen - Abteilungsleiter Kommunikation - OE 1520 |
19. 2. 2019
Clemens Messerschmid - 18.2.2019 - Offener Brief an Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler
An: OB H.-G. Köhler, <oberbuergermeister@goettingen.de>
Neues Rathaus
Hiroshimaplatz 1-4
37083 Göttingen
(zur Kenntnis: Frau Prof. Beisiegel, <praesidentin@uni-goettingen.de>;
Herr Hald, < rainer.hald@spk-goettingen.de>)
Betrifft: Friedenspreisverleihung an die Jüdische Stimme
Sehr geehrter Herr OB Köhler, Sie kennen mich nicht, ich Sie nicht.
Zu meiner Person: Ich bin von Beruf Hydrogeologe und seit über 20 Jahren wohnhaft in Ramallah und dort in den besetzten Gebieten der West Bank in deutschen und internationalen Wasserprojekten tätig (und gegenwärtig auch mit Ihrer Uni im Rahmen meiner Doktorarbeit verbunden).
Ich kenne einige der in Deutschland lebenden deutschen und israelischen Mitglieder der Jüdischen Stimme seit Jahren persönlich. Vor allem kenne ich jedoch vor Ort, in Israel, die leider kleine, aufs Engste mit der Jüdischen Stimme verbundene Gruppe aufrechter Aktivisten gegen die Besatzung und Advokaten eines tatsächlich gerechten Friedens. Sie zählen, wie Sie vielleicht wissen, zu einer zunehmend angegriffenen und immer weiter ausgegrenzten Minderheit in Israel, v.a. unter der Rechts- und Siedlerregierung Benyamin Netanyahus. Es gehören leider zunehmend Mut und Zivilcourage sowie tiefe rechtspolitische Überzeugungen und Ausdauer dazu, in dieser gegenwärtigen Phase rasanten Rechtsrucks in Israel, weiterhin das Fähnlein einer echten Aussöhnung mit den Palästinensern und einer Beendigung der schwerwiegenden und mannigfaltigen Unterdrückungs-formen durch Israels Regierung, Militärrichter und Militäradministration hochzuhalten.
Die israelischen Mitglieder der Jüdischen Stimme nehmen diese Anfeindungen durch Siedler und andere israelische Besatzungsfanatiker klaglos auf sich. Wirklich unerträglich finden sie hingegen, wenn sich deutsche zivilgesellschaftliche und Regierungsstellen an der Kampagne zur Vertiefung und Unumkehrbarmachung der Besatzung auch noch aktiv beteiligen – insbesondere unter dem infamen Vorwurf des Antisemitismus, und ausgerechnet aus dem Land der Täter, und ausgerechnet an die Adresse genau der jüdischen Streiterinnen, die den Buchenwaldschwur Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! begriffen haben, beherzigen und heute aktiv leben. Nichts weniger tut die Jüdische Stimme, die vor vielen Jahren gegründet wurde, mit dem einzigen Zweck um ihr Scherflein dazu beizutragen, der unerträglichen Besatzung ein rasches und wohlverdientes Ende zu setzen. Alle meine politisch aktiven israelischen Freunde beteuern mir gegenüber und sehen mit größter Sorge die fortschreitende Delegitimierung von Besatzungsgegnern in Deutschland, und sie betrachten diese als Angriff auf ihre ureigensten Bemühungen in Israel!
Ich kenne und wertschätze die European Jews for a Just Peace für genau jene erfrischend klare und laute, aber nicht heisere, sondern tonsichere und vor allem unverfälschte, unverdruckste Stimme und Sprache, wie sie in der Erwiderung an die Helden der Stadtrats-FDP zum Ausdruck kommt.
Frau Oldenburg möchte, zusammen mit nicht wenigen ihrer FDP-Parteifreunde der israelischen Besatzung den Rücken freihalten. Die Jüdische Stimme möchte das glatte Gegenteil. Der Konflikt zwischen beiden ist kein Missverständnis, sondern folgerichtig. Aber es gibt hier keinen neutralen Mittelweg, genauso wenig wie seinerzeit beim Gefangenen Nr. 466/64 auf Robben Island, Nelson Mandela.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Sie werden durch polemische Hetzer wie die mir weiter nicht bekannte FDP-Stadtratsfrau Oldenburg unter Druck gesetzt – das ist mir völlig klar. Und klar ist mir sehr wohl auch, dass (nicht nur für einen Politiker) allein der Gedanke, in die Nähe einer Duldung und Tolerierung von Antisemitismus, dieser Geisel des 20 Jahrhunderts, gerückt zu werden, unerträglich ist. Für Sie persönlich unerträglich, und malen Sie sich nur aus, wie es den Mitgliedern der Jüdischen Stimme damit geht! Umso wichtiger ist daher, dass Sie eine klare, gut sichtbare und vor allem eindeutige Entscheidung treffen. Sie darin zu bestärken ist Absicht und Anliegen dieses Briefes.
Sie werden in den letzten Tagen viele Argumente pro und kontra ungefragt zugesandt bekommen haben. Erlauben Sie mir daher, nur ein einziges Argument aus meiner eigenen Anschauung vor Ort in Palästina und Israel hinzuzufügen. Lassen sie die wenigen übrigen und mutigen Streiterinnen gegen Besatzung und für Gerechtigkeit in Israel nicht im Stich!
Bedenken Sie für einen Augenblick die Alternative:
Wenn diesen wirklich letzten in Israel verbliebenen ehrlichen Partnern der besetzten Palästinenserinnen nun auch noch international die Legitimität abgesprochen und das Maul gestopft wird: Wer, bitteschön, bleibt dann überhaupt noch auf jüdischer, israelischer Seite übrig, um für Gerechtigkeit, für einen gerechten Frieden die Stimme zu erheben? (Und umgekehrt, sozusagen aus palästinensischer Sicht bedeutet das: Mit wem in Israel soll denn bitteschön Frieden geschlossen werden, wenn nicht mit genau solchen Menschen wie den Vertreterinnen der Jüdischen Stimme?!)
Wollen Sie als Oberbürgermeister der Stadt Göttingen wirklich dereinst von sich sagen müssen, sie hätten zum Verstummen dieser letzten Stimme beigetragen?
Ich weiß, ich habe leicht reden und Rat aus der Ferne ist wohlfeil, aber ich schreibe Ihnen trotzdem dieses: Es bleibt Ihnen aus meiner Überzeugung gar nichts anderes übrig, als den infamen Verleumdungen gegen die Jüdische Stimme energisch und eindeutig entgegenzutreten und im Gegenteil voll Stolz herauszukehren, dass sich die Stadt Göttingen geehrt fühlen darf, diesen Gerechten einen wohlverdienten Preis zukommen zu lassen.
Ich wünsche Ihnen (und uns) den Mut und die Kraft, diese einzig richtige, langfristig tragbare Entscheidung zu treffen.
Mit freundlichen Grüßen, Clemens Messerschmid
Abi Melzer - Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Köhler, Sehr geehrter Frau Uni-Präsidentin Beisiegel, Sehr geehrter Herr Sparkassendirektor Rainer Hald, glauben Sie wirklich, dass die Mitglieder der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden Antisemiten sind? Wenn Sie das glauben oder auch nur in Erwägung ziehen, dann unterwerfen Sie sich offensichtlich Dr. Josef Schuster vom Zentralrat der Juden oder Frau Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Gemeinde in München, die das selbstverständlich nicht glauben, aber den Vorwurf bzw. diese Verleumdung als politische Waffe benutzen.
Die Jüdische Stimme in Deutschland ist assoziiertes Mitglied der Föderation “EUROPEAN JEWS FOR A JUST PEACE” (EJJP), die 2002 von 18 jüdischen Organisationen aus 9 europäischen Ländern gegründet wurde und über die Notwendigkeit und Möglichkeit eines gerechten Friedens zwischen Palästina und Israel informieren will. Ihr gehören mehrere Tausend Jüdinnen und Juden an, welche wiederum mit der amerikanischen Bewegung Jewish Voice for Peace verbunden sind, die mehr als hunderttausend jüdische Mitglieder hat. Die rechtsnationalistische israelische Regierung fühlt sich mit Recht diesen Juden in Frage gestellt und benutzt den Vorwurf bzw. die Verleumdung des Antisemitismus, um sie zum Schweigen zu bringen.
Ich fürchte, dass Sie die Preisverleihung rückgängig machen wollen, weil Sie alle Angst haben, als Antisemiten verleumdet zu werden, weil Sie wissen, dass dies ein Todschlagsargument ist und Ihre Karriere gefährden könnte, wie es schon so manche Politikerkarriere beendet hat. Ich glaube, dass Sie gegen ihre eigene Überzeugung handeln. Sie wissen, dass die Jüdische Stimme nicht antisemitisch ist, ja nicht antisemitisch sein kann. Es ist immer wieder derselbe Mechanismus, der schon seinerzeit im Fall Möllemann gewirkt hat. Sie werden erpresst, bedroht und wenn Sie nicht einknicken, als Unterstützer von „Antisemiten“ verunglimpft. Sie wissen augenscheinlich nicht, wie Sie sich aus dieser Falle befreien sollen und wählen den Weg des geringsten Widerstandes. Und, ob Sie es glauben oder nicht, ich kann das nachvollziehen.
Wenn Jüdinnen und Juden sich für BDS einsetzen und zusammen mit inzwischen hunderttausenden Aktivisten und Sympathisanten für einen gerechten Frieden im Nahen Osten kämpfen, dann ist es ungeheuerlich, sie als Antisemiten zu diffamieren, denn genau das erzeugt am Ende einen Antisemitismus*, der den Verantwortlichen in Israel keineswegs unangenehm ist, weil er, wie es Ariel Sharon einmal ausdrückte, „Juden nach Israel spült“.
Wenn Sie aber bei diesem erbärmlichen und beschämenden Spiel mitmachen, dann darf es Sie nicht wundern, wenn ich an Ihrer Integrität zu zweifeln beginne und mich frage, ob es Ihnen letztendlich nicht vielleicht doch darum geht, die Juden los zu werden. Wenn nicht, dann sollten Sie sich an die Artikel des Grundgesetzes halten und weder Israel noch Gegner der israelischen Politik anders behandeln, als es das Grundgesetz gebietet. Nicht die BDS-Kampagne bedroht den Frieden, sondern die menschen- und völkerrechtswidrige Politik Israels. Sie waschen aber Ihre Hände in Unschuld, wenn Juden andere Juden verleumden >>>
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18. 2. 2019
Hetz-Pamphlet der Göttinger Rechtsanwältin F. Oldenburg: Erwiderung - 17. Februar 2019 - Hetz-Pamphlet der Göttinger Rechtsanwältin F. Oldenburg gegen die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e. V. – EJJP anlässlich ihrer Auszeichnung mit dem Göttinger Friedenspreis
Erwiderung - Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost – EJJP Germany e. V. (JS) weist die diffamierenden Vorwürfe der Göttinger Fraktionsvorsitzenden und Stadtratsfrau der FDP, Rechtsanwältin F. Oldenburg, in aller Form zurück.
Wir freuen uns über die Auszeichnung mit dem diesjährigen Göttinger Friedenpreis der Stiftung Dr. Roehl und sehen darin eine Würdigung unseres Engagements für die universellen und unteilbaren Grund- und Menschenrechte.
Im Folgenden nehmen wir Stellung in Erwiderung auf ein Hetzpamphlet über unsere Organisation und Arbeit, in dem F. Oldenburg unter dem Motto “Kein Friedenspreis an BDS” die Präsidentin und die Mitglieder des Präsidiums der Georg-August-Universität Göttingen, den Oberbürgermeister von Göttingen sowie Mitglieder des Aufsichtsrats der Sparkasse in Göttingen auffordert, die Auszeichnung zu widerrufen und den Preis nicht an die JS zu verleihen.
Erschrocken und befremdet fragen wir uns, mit welcher Befugnis die Rechtsanwältin und Fraktionsvorsitzende der FDP es wagt, unsere jüdische Identität in Frage zu stellen? Wir werden selbstverständlich unsere Schwesterorganisationen in Europa, Nordamerika, Südafrika und Australien darüber informieren, dass Rechtsanwälte in Deutschland sich wieder aufschwingen zu entscheiden, wer jüdisch ist und wer nicht. So bezichtigt Oldenburg unsere eigenen Mitglieder ebenso wie die unserer europäischen Schwesterorganisationen – darunter noch Überlebende des Holocaust und viele direkte Nachkommen – “jüdisch” getarnt “unter falscher Flagge zu segeln”.
Da sind wir wieder: Eine deutsche Anwältin und Politikerin will entscheiden, wer als jüdisch gilt. “Segeln unter falscher Flagge”…? War nicht schon im Dritten Reich zu hören, dass Juden sich nach außen zwar als friedliebend und rechtschaffend zeigen, hinter ihren Bärten und unter ihrer Kopfbedeckung jedoch ihre angeblichen konspirativen Pläne und Machtansprüche verheimlichen? Unter welcher Flagge wäre die Jüdische Stimme der Fraktionsvorsitzenden der FDP genehm? Gibt es “den Juden”, wie von der Politikerin suggeriert, überhaupt? Sprechen alle Juden in derselben Art und Weise? Wie könnte anderenfalls eine “falsche” jüdische Stimme von einer “echten” unterschieden werden? Oder sind alle Juden gehalten, so zu sprechen, wie es der Göttinger Stadtratsfrau gefällt?
Auch werden wir international darüber informieren, dass Repräsentanten der Freien Demokratischen Partei in Deutschland dazu übergehen, den im Namen des Antisemitismus an den Juden verübten Genozid zu verharmlosen und den gegenwärtigen Rassismus der hiesigen Alt- und Neonazis zu vertuschen. Wer die Jüdische Stimme des Antisemitismus bezichtigt und diesen gar mit dem Judenhass der deutschen Nationalsozialisten vergleicht, instrumentalisiert den Holocaust bewusst für andere Zwecke, bagatellisiert das Geschehene und leistet aktuell demokratiefeindlichen und rassistischen Nationalisten Vorschub.
Wir finden es unsäglich, dass die FDP-Fraktion in Göttingen die Geschichte der jüdischen Mathematikerin Emmy Noether (1892-1935) missbraucht, um Druck auf die Georg-August-Universität auszuüben, den Friedenspreis nicht an die JS zu vergeben. Emmy Noether musste 1932 aus ihrer Wohnung ausziehen, weil die Turnerschaft Albertia das Haus erworben hatte und darin keine Jüdin mit linker Gesinnung duldete. 1933 gehörte sie zu den ersten, die aus der Universität verwiesen wurden. Emmy Noether war eine Jüdin, die sich über ihre geniale fachliche Tätigkeit hinaus für Gerechtigkeit einsetzte. Sie wäre uns heute als Mitglied sehr willkommen.
Die Forderung, der Rechtsanwältin, wir mögen uns von der im Jahre 2002 in Amsterdam gegründeten Föderation “European Jews for a Just Peace” (EJJP) lossagen, deren Gründungserklärung, neben dem Selbstverständnis und der Satzung, erklärtermaßen zu den Grundlagen der Arbeit unseres Vereins zählt, ist übergriffig und haltlos. Sie grenzt zudem an politische Zensur und ist von Seiten einer Partei, die liberale Demokraten hinter sich scharen will, wiederum mehr als befremdlich. >>>
Wolfgang Behr - Ein Brief: Oberbürgermeister Köhler, sehr gehrte UNI-Präsidentin Beisiegel, sehr geehrter Sparkassenvertreter Hald.
Sehr geehrter Herr Röhl, sehr geehrter Herr Neuendeck. Mit Entsetzen habe ich vernommen, dass Sie die offizielle Vergabe des Friedenspreises an die Jüdische Stimme aussetzen wollen.
Und das auf Grund von Diffamierungen von altbekannter Seite: zionistisch orientierten jüdischen Vereinigungen, die voll und ganz hinter der mörderischen Besatzungspolitik Israels stehen, sowie ihren nichtjüdischen deutschen Unterstützern, die bereit sind, wie so oft in der deutschen Vergangenheit, alles Menschliche dem persönlichen Fortkommen zu opfern.
Ich möchte hiermit meine Solidarität mit der Jüdischen Stimme ausdrücken, die auf friedliche Weise Hervorragendes leistet, um zu einem gleichberechtigten Nebeneinander von Israelis und Palästinensern im Nahen Osten beizutragen.
Ich stehe ferner voll hinter dem Jury-Vorsitzenden Andreas Zumach, der die erhobenen Vorwürfe überzeugend entkräftet hat und bitte Sie darum, die Preisvergabe wie vorgesehen stattfinden zu lassen. Mit freundlichen Grüssen Wolfgang Behr
Es ist eine Schande. - Brief von Erica Fischer an Göttinger OB - 17. Februar 2019 - Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Ich protestiere gegen die Hetze, die derzeit gegen den Verein „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ in Gang gesetzt wurde. Sämtliche Mitglieder des Vereins sind Jüdinnen und Juden, viele sogar Israelis, die genau wissen, wovon sie reden, wenn sie die Regierungspolitik Israels kritisieren.
Ich selbst bin seit vielen Jahren Mitglied dieser Organisation. Ich bin Jüdin, meine Großeltern wurden in Treblinka ermordet, und es ist für mich unerträglich, dass in Deutschland einer Vereinigung von Jüdinnen und Juden die Stimme verboten werden soll. Ich bin Mitglied der Jüdischen Stimme, weil mir meine Familiengeschichte eine besondere Sensibilität für die Missachtung von Menschenrechten mit auf den Weg gegeben hat. Der Menschenrechte ALLER Menschen.
Dass der Jüdischen Stimme der Göttinger Friedenspreis verliehen wird, ist für uns Mitglieder eine Freude und Ehre. Es besteht keinerlei Grund, die Preisverleihung „auszusetzen“, wie Sie, Herr Oberbürgermeister, empfohlen haben. Der kenntnisreiche Jury-Vorsitzende Andreas Zumach hat in seiner Stellungnahme sämtliche Vorwürfe entkräftet.
Es ist in diesem Land nicht verboten, die Politik eines Landes zu kritisieren. Aber offensichtlich wird jedem/jeder, der/die Israel kritisiert, das Totschlag-Etikett „antisemitisch“ umgehängt, auch wenn es sich bei den KritikerInnen um Juden und Israelis handelt.
Nicht die Unterstützung von BDS ist antisemitisch, sondern die Maßregelung von Jüdinnen und Juden in einem Land, in dem man sich solcherlei genau überlegen sollte. Es ist eine Schande. Mit freundlichen Grüßen, Erica Fischer Schriftstellerin
16. 2. 2019
Hermann Dierkes - 14.02.2019
- Herrn Oberbuergermeister der Stadt Göttingen
Vorab per e-mail
Betr.: Göttinger Friedenspreis
hier: geplante Preisverleihung an die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost |
Sehr geehrter Herr Oberbuergermeister Köhler, ich habe davon Kenntnis erlangt, dass Sie die beabsichtigte Verleihung des renommierten Göttinger Friedenspreises an den Verein Juedische Stimme fuer gerechten Frieden in Nahost ”ueberpruefen” wollen. Leider haben sich die Präsidentin der Universität, Frau Prof. Dr. Beisiegel und Herr Hald fuer die Sparkasse ihrem Petitum angeschlossen. Der Vorgang ist schockierend, kommt fuer mich aber nicht unerwartet angesichts ähnlicher Vorfälle in Frankfurt, Muenchen, um nur einige zu nennen.
Nach meiner Ansicht zählt die Juedische Stimme zu dem Kreis von Persönlichkeiten und Akteuren, die den Preis vollauf verdient haben. Sie steht in der Tradition der bisherigen Preisträger. Die Stellungnahmen, Zielsetzungen und Aktivitäten der Juedischen Stimme, die ich seit langen Jahren verfolge, sind von hoher Qualität, moralisch einwandfrei, ehrlich und mutig. Sie basieren auf Völker- und Menschenrecht. Deshalb kann ich Ihre plötzlichen Ueberpruefungsanliegen (”Antisemitismus” ”BDS-Unterstuetzung”) in keiner Weise nachvollziehen und frage mich, auf wessen Anraten – um nicht zu sagen Druck - hin Sie diese jetzt ins Spiel bringen.
Erkennen Sie nicht, dass die Vorwuerfe und Verdächtigungen, die Sie und andere gegen die Juedische Stimme ins Feld fuehren, - ja es handelt sich um juedische Mitbuerger und Aktivisten! - geradezu aberwitzig sind? Sehen Sie nicht, dass es hier um politische Meinungsverschiedenheiten geht und nicht im Mindesten um angeblichen Antisemitismus? Gerade dieser Vorwurf ist sehr schwerwiegend und er wird seit Jahren von einer eindeutig völker- und menschenrechtswidrig agierenden israelischen Regierung und ihrer Lobby in Deutschland und anderswo unter grossem Aufwand und im In- und Ausland systematisch eingesetzt, um jede Kritik an ihrer Politik und die Unterstuetzung der unterdrueckten Palästinenser zu ersticken.
Ist Ihnen nicht klar, dass Ihr Vorgehen darauf hinauslaufen könnte, die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit massiv infrage zu stellen? Ist Ihnen nicht klar, dass Sie damit auch die Position der EU in den Wind schlagen wuerden, deren aussenpolitische Kommissarin Frau F. Mogherini 2016 Angriffe auf Menschenrechtsaktivisten zurueckgewiesen und das Recht der europäischen Buerger auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit verteidigt hat, auch wenn diese Umstrittenes thematisieren. Frau Mogherini stellte ausdruecklich fest, dass dies auch fuer eine Unterstuetzung der von der palästinensischen Zivilgesellschaft 2005 ins Leben gerufenen Kampagne Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) gelte.
Es geht dieser Kampagne erklärtermassen darum, mit friedlichen Mitteln solange Druck auf die israelische Regierung auszuueben, bis sie sich endlich an Völker- und Menschenrecht hält, die Besatzung und fortschreitende Annexion des Westjordanlands und die Abriegelung des Gaza-Streifens beendet. Weltweit haben sich inzwischen zahlreiche zivile, kirchliche oder wirtschaftliche Institutionen und Akteure der Kampagne angeschlossen, darunter auch viele juedische, die mit der Politik der Regierung Netanjahu nicht einverstanden sind. Haben Sie sich jemals Gedanken darueber gemacht, was den Palästinenern noch bleibt, wo Sie von den entscheidenden politischen Akteuren derart im Stich gelassen werden? Man mag diese Kampagne ablehnen, aber sie im Gefolge der Regierung Netanjahu als ”antisemitisch” zu verunglimpfen, ist völlig daneben. Will der Göttinger Friedenspreis sich auch noch den berechtigten Anliegen der Palästinenser, ihren mutigen Fuersprechern und israelischen Oppositionellen verweigern?
Mit Ihrem Vorgehen sind Sie leider dabei, sich in die inzwischen lange Reihe von Gremienentscheidungen auch in der Bundesrepublik einzureihen, die Kritik an der israelischen Regierung mundtot machen will. Dass sich unter den Betroffenen viele israelische und juedische Akademiker, Journalisten und Multiplikatoren befinden, ist ausgesprochen skandalös. Ist das Ihr Verständnis der Lehren aus dem Holocaust?
Mit dieser unsäglichen Auseinandersetzung schaden Sie dem Göttinger Friedenspreis. Sollten Sie und weitere massgebende Akteure sich nicht dazu durchringen können, die Preisverleihung an die Juedische Stimme stattfinden zu lassen, so wuerden Sie den Preis prinzipiell entwerten. Kommenden Preisträgern könnte man nur nachdruecklich raten, ihn unter Verweis auf diesen unsäglichen Vorgang abzulehnen. Vergangene Preisträger sollten aufgefordert werden, die Auszeichnung zurueckzugeben.
Herr Zumach hat als Jury-Vorsitzender die Anwuerfe gegen die Juedische Stimme ueberzeugend widerlegt. Lassen Sie es mich offen aussprechen: Sie laufen Gefahr, gegenueber einer rechtsautoritären israelischen Regierung und ihren hiesigen Fuersprechern willfährig zu agieren, sich undemokratisch, prinzipienlos und opportunistisch zu verhalten. Lassen Sie es nicht dazu kommen. Halten Sie ein auf Ihrem gefährlichen Kurs, beenden Sie diese Groteske und legen Sie der geplanten Preisverleihung keine Steine in den Weg!
(gez. Hermann Dierkes, ehem. Duisburger Ratsmitglied und Stadtältester)
z.K.
– Stiftungsvorstand Göttinger Friedenspreis, Herrn Roehl
– Stiftungskuratorium, Herrn Neuneck
– Präsidentin der Universität Göttingen, Frau Prof. Dr. U. Beisiegel
– Herrn R. Hald, Sparkasse Göttingen sowie an Vorstand und Aufsichtsgremien
– Fraktionen im Rat der Stadt Göttingen
– Juedische Stimme fuer Gerechten Frieden in Nahost
– Herrn Andreas Zumach
BITTE BALD LESEN! WEITERVERBREITEN ! UND REAGIEREN! - Andreas Zumach - Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, der Konflikt um die Vergabe des Göttinger Friedenspreises an die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“ ist in den letzten 48 Stunden erheblich eskaliert.
Alle Details stehen in der ausführlichen Stellungnahme, dic ich in meiner Funktion als Vorsitzender der Preisjury heute mittag (Stand 16 Uhr) verfaßt habe zu der Kritik, den Falschbehauptungen, Schmähungen und dem suggestivem Rufmord , die über die „Jüdische Stimme“ verbreitet werden sowie zu den Forderungen, die Preisvergabe an die „Jüdische Stimme“ rückgängig zu machen und/oder die für den 9.3. geplante Preisverleihung in der Aula der Göttinger Universität abzusagen . Der Göttinger Oberbürgermeister hat heute empfohlen , die Preisverleihung „auszusetzen“. Es sei zunächst „erforderlich den Antisemistismusvorwurf (gegen den Preisträger „Jüdische Stimme“ ,AZ) vor allem in Bezug auf Zusmmenarbeit mit der BDS-Bewegung eindeutig auszuräumen“.
Nach Abfassung meiner Stellungnahme hat sich auch die Präsidentin der Göttinger Universität dieser „Empfehlung“ des Oberbürgermeisters angeschlossen. Der OB und die UNI-Präsidentin gehören beide qua Funktion dem Kuratorium der Stiftung an,die den Göttinger Friedenspreis vergibt. Die Göttinger Sparkasse hat die Empfehlungen „begrüßt“ und angekündigt ihr finanzielles Sponsoring für den seit 21 Jahren vergebenen Preis „zu überprüfen“.
Jetzt lastet der Druck auf dem Vorstand der Stiftung, sich zu diesen „Empfehlungen“ zu verhalten. Ich werde einer Revision der Preisentscheidung für die „Jüdische Stimme“, einer Absage oder auch nur Aussetzung der für den 9.3. geplanten Preisverleihung unter keinen Umständen zustimmen.
Damit die „Jüdische Stimme" nicht bald allein im Regen steht,wäre es gut, wenn Oberbürgermeister Köhler, UNI-Präsidentin Beisiegel und der Sparkassenvertreter jetzt möglichst schnell möglichst viele E-Mails erhalten :
oberbuergermeister@goettingen.de
praesidentin@uni-goettingen.de
Rainer.Hald@Spk-Goettingen.de
Hauptargumentationslinie sollte m. E. sein:
„Der Jury-Vorsitzende Zumach hat die gegen die Jüdische Stimme erhobenen Vorwürfe - (antisemitisch, israelfeindlich, delegitmiert Israel etc.) überzeugend entkräftet.“
Diese Mails sollten auch an die Vorstände der Stiftung und des Kuratoriums, Hans-Jörg Röhl und Goetz Neuendeck gehen.
roehl@goettinger-friedenspreis.de
neuneck@ifsh.de
Und sämtliche Mails bitte immer in Kopie an die Medien und JournalistInnen, die bislang schon über den Konflikt berichten:
goettingen@ffn.de
c.boehm@goettinger-tageblatt.de
redaktion@stadtradio-goettingen.de
reimarpaul@web.de
und an mich.
Danke und mit besten Grüßen Andreas Zumach - Mail: zumach@taz.de
15. 2. 2019
Genf, 14.2.2019 - Andreas Zumach, Vorsitzender der Jury des Göttinger Friedenspreises
Stellungnahme zu der von Göttinger FDP-Politikern und dem Zentralrat der Juden in Deutschland vorgetragenen Kritik und ihren Falschbehauptungen über den diesjährigen Preisträger „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V“ sowie zur Forderung ,die Preisverleihung am 9. März in der Göttinger Universität abzusagen oder zumindest auszusetzen.
Am Montag ,4.Februar hat die „Stiftung Dr.Roland Röhl“, die den Göttinger Friedenspreis vergibt, die Öffentlichkeit in einer Pressemitteilung über die Vergabe des diesjährigen Preises an die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“ informiert. Die Preisverleihung findet am 9. März in der Aula der Universität Göttingen statt.
Am Dienstag, 5.2. berichtete das Göttinger Tagesblatt über die Pressemitteilung. Noch am gleichen Tag wurde auf diversen Internetseiten (z.B. Honestly Concerned) mit diffamierenden Antisemitismusvorwürfen und anderen Falschbehauptungen gegen die „Jüdische Stimme“ zum Protest gegen diese Preisvergabe aufgerufen. Dazu wurden die Namen,Photos und Kontaktdaten aller Mitglieder der Stiftungsorgane (Vorstand, Kuratorium, Beirat , Jury und Organisationskommittee) veröffentlicht.
Seitdem erhalten Mitglieder der Stiftungsorgane und des Präsidiums der Universität , der Göttinger Oberbürgermeister, Vertreter der Sparkasse sowie das Göttinger Tageblatt und das Stadtradio E-Mails und Briefe mit der Forderung, die Preisverleihung ganz abzusagen, vorläufig auszusetzen oder zu überdenken.
Der Stiftung selber liegen bislang (14.2.2019, 16 Uhr) E-Mails/Schreiben der Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Göttinger Stadtrat, Felicitas Oldenburg und des FDP-Bundestagsabgeordneten Konstantin Kuhle vor, eine gemeinsame Pressemitteilung von Oldenburg und Kuhle sowie ein Schreiben des Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Josef Schuster an OB Rolf-Georg Köhler.
Oberbürgermeister Köhler hat heute (14.2.) unter Berufung auf ihm vorliegende „Vorbehalte“ von nicht näher identifizierten „unterschiedlichen Seiten“ in einem Schreiben an die Mitglieder der Stiftung empfohlen „ die Preisverleihung zunächst auszusetzen“. Weiter schreibt der OB, es sei „aus seiner Sicht erforderlich, den Antisemistismusvorwurf (gegen den Preisträger „Jüdische Stimme“ ,AZ) vor allem in Bezug auf Zusammenarbeit mit der BDS-Bewegung eindeutig auszuräumen.“
Ich hoffe, daß meine nachfolgende Stellungnahme dazu beiträgt:
In ihrer E-Mail mit dem
Betreff: „Keine Friedenspreis an BDS“ ,
gerichtet an die beiden Kuratoriumsmitglieder der Stiftung, Oberbürgermeister Köhler und Universitäts-Präsidentin Ulrike Beisiegel sowie an die weiteren vier Mitglieder des Uni-Präsidiums und an den Vertreter der Sparkasse, Rainer Hald fordert die Vorsitzende der FDP-Fraktion im Göttinger Stadtrat, Felicitas Oldenburg die Absage der Veranstaltung. Oldenburg verweist ausdrücklich auf ihren Sitz im Verwaltungsrat der Sparkasse und droht mit der Einstellung der finanziellen Unterstützug der Stadtsparkasse für die alljährliche Preisverleihung. „Der Preis muss zurückgezogen werden oder Universitätspräsidentin und Stadtoberhaupt aus der Röhl-Stiftung austreten“, fordert Oldenburg.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle schrieb in einem Brief an UNI-Präsidentin Beisiegel und Oberbürgermeister Köhler es sei „aus seiner Sicht durchaus vertretbar, von einer Verleihung des Preises an die Organisation (Jüdische Stimme) Abstand zu nehmen.“ Gemeinsam veröffentlichten MdB Kuhle und Oldenburg im Namen der FDP-Ratsfraktion eine Pressemitteilung mit dem Titel "FDP fordert Umdenken beim Göttinger Friedenspreis – Liberale raten Köhler und Beisiegel zur Absage der Verleihung“
Der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster fordert OB Köhler in seinem Schreiben auf, sich von der Preisverleihung an die „Jüdische Stimme“ zu distanzieren „und dafür Sorge zu tragen, dass diese Entscheidung revidiert“ werde. „Die Auszeichnung einer Initiative, die eine gegen Juden gerichtete Boykott-Initiative unterstützt, ist nicht nur des Göttinger Friedenspreises unwürdig, es ist darüber hinaus ein Schlag ins Gesicht der gesamten jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und Israel“, so Schuster.
Ich stelle fest:
1) Die Satzung der „Stiftung Dr. Roland Roehl“ ist im Internet einsehbar ( www.goettinger-friedenspreis.de ).
Ausweislich dieser Satzung ist die Jury allein verantwortlich für die Entscheidung über den jährlichen Preisträger.
Die Entscheidung der Jury ist „unanfechtbar“.
Die Mitglieder von Vorstand, Kuratorium , Beirat oder Organisationskomitee der Stiftung sind nicht verantwortlich für die Auswahl des Preisträgers. Alle Versuche, sie - oder andere Personen- zu einer Revision der Jury-Entscheidung zu bewegen, sind daher zwecklos.
2) Die Mitglieder der Jury eint folgende Überzeugung:
a) Als Deutsche tragen wir eine besondere Verantwortung, jeglicher Form von Judenfeindlichkeit/Antisemitismus entschieden entgegen zu treten sowie eine besondere Verantwortung für eine gesicherte und auf Dauer unbedrohte Existenz Israels.
b) Eine gesicherte und auf Dauer unbedrohte Existenz Israels kann und wird es aber nur geben, wenn auch das seit der UNO-Resolution 181 vom November 1947 völkerrechtlich verbriefte Recht der PalästinenserInnen auf staatliche Selbstbestimmung umgesetzt wird, und die universell gültigen Menschenrechte auch für die PalästinenserInnen Realität werden.
c) Haupthindernis für die unter b) benannten Ziele ist ist die völkerrechts- und menschenrechtswidrige Besatzungs- und Besiedlungspolitik der israelischen Regierung. Diese Politik hat der UNO-Sicherheitsrat 1967 in seiner einstimmig verabschiedeten, völkerrechtlich verbindlichen Resolutionen 242 als völkerrechtswidrig eingestuft und die israelische Regierung zur Beendigung der Besatzung aufgefordert. Diese unverändert gültige Resolution hat der UNO-Sicherheitsrat 197 in seiner Resolution 338 sowie in nachfolgenden Beschlüssen mehrfach bekräftigt und - bis heute vergeblich - zu ihrer Umsetzung aufgerufen.
d) Kritik an der völkerrechts- und menschenrechtswidrigen Besatzungs-und Besiedelungspolitik der israelischen Regierung ist daher nicht nur legitim, sondern ein notwendiger Beitrag zu einer gerechten Friedenslösung, durch die auch die heute noch existierenden Bedrohungen für den Staat Israel und seine Bürgerinnen endlich überwunden werden.
e) Die Jury wendet sich entschieden gegen alle Versuche, legitime Kritik an der völkerrechts- und menschenrechtswidrigen Politik der israelischen Regierung zu stigmatisieren und zu diffamieren als „antisemitisch“, „"israelfeindlich“, „Delegitimierung von Israel“ u.ä. in der Absicht, diese legitime Kritik zu unterbinden. Diese Versuche sind auch ein Verstoß gegen die durch Artikel 5 Grundgesetz und Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Freiheit der Meinung sowie von Forschung und Lehre.
3) Auf Basis ihrer unter 2 benannten Überzeugungen hat die Jury entschieden,
den Göttinger Friedenspreis 2019 an die Organisation "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V." zu verleihen …
… für ihr unermüdliches Engagement, eine gerechte Friedenslösung zwischen zwei souveränen Nachbarstaaten, zwischen Israelis und PalästinenserInnen, anstreben und erreichen zu können.“
Weiter heißt es in der Jurybegründung: „Unter der Maßgabe des seit 1947 völkerrechtlich verbriefen Rechts der PalästinenserInnen auf Selbstbestimmung, setzt sich die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" für eine ausgleichende Friedenslösung ein, die auch eine Vorbedingung ist für die gesicherte und unbedrohte Existenz Israels. Die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" möchte darauf hinwirken, dass die Bundesregierung ihr außenpolitisches und ökonomisches Gewicht in der Europäischen Union, in den Vereinten Nationen sowie in Nahost nachdrücklich und unmissverständlich dafür einsetzt, einen lebensfähigen, souveränen Staat Palästina auf integriertem Hoheitsgebiet und innerhalb sicherer Grenzen zu schaffen und sich damit aktiv an der Verwirklichung eines dauerhaften und für beide Nationen lebensfähigen Friedens zu beteiligen.
Die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" wurde im November 2003 von in Deutschland lebenden Juden und Jüdinnen als deutsche Sektion des ein Jahr zuvor in Amsterdam gegründeten Verbands European Jews for a Just Peace (EJJP), ins Leben gerufen. Dieser Verband, 2002 von 18 jüdischen Organisationen aus 9 europäischen Ländern gegründet, hat seinen Sitz heute in London. Außer in Deutschland hat die EJJP Sektionen in Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz und Großbritannien.
Die Forderungen der „Amsterdamer Gründungserklärung“ der EJJP von 2002 sind Bestandteil des Selbstverständnisses der Jüdischen Stimme ebenso wie aller anderen EJJP-Sektionen:
. Vollständiger Abzug Israels aus den besetzten Gebieten und der Abbau aller dort befindlichen israelischen Siedlungen.
. Jede Gewalt gegen ZivilistInnen in dem Konflikt, egal von welcher Seite an wem begangen, wird verurteilt.
. Israel wird in den Grenzen von 1967 anerkannt.
. Das Recht der Palästinenser, im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ost-Jerusalem einen eigenen
Staat zu gründen, wird anerkannt.
. Das Recht beider Staaten, Jerusalem als ihre Hauptstadt zu haben, wird anerkannt.
Israel wird dazu aufgerufen, seinen Teil an der Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems beizutragen, und verpflichtet, eine gerechte, faire und praktische Lösung auszuhandeln.“
Haben Frau Oldenburg , Herr Kuhle und Herr Schuster diese Begründung zur Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die „Jüdische Stimme“ überhaupt zur Kenntnis genommen? Oder die auf der Webseite der „Jüdischen Stimme“ leicht zugängliche Satzung dieser Organisation und die Beschreibung ihrer Ziele gelesen?
Diese Frage stellt sich angesichts der zahlreichen Falschbehauptungen , Unterstellungen und Schmähungen über die „Jüdische Stimme“ und ihren Europäische Dachverband European
Jews for a Just Peace (EJJP), die Herr Schuster in seinem Schreiben und Frau Oldenburg in ihrer E-Mail und in ihrer gemeinsamen Pressemitteilung mit MdB Kuhle verbreiten. Damit diffamieren Oldenburg und Schuster die JüdInnen und Juden in Deutschland und neun anderen europäischen Staaten, die Mitglieder dieser Organisationen sind. Darunter sind, auch in der deutschen Sektion der „Stimme“, vielen deutsche und israelische Jüdinnen und Juden,deren Vorfahren von den Nazis ermordet wurden, und die heute betroffen sind von der Judenfeindlichkeit und dem Antisemitismus, die sich in Deutschland und anderen europäischen Staaten wieder stärker, aggressiver und unverhohlener artikulieren.
Nachfolgend von mir unterstrichen die Falschbehauptungen, Unterstellungen und Schmähungen in
a) der Mail von Frau Oldenburg:
Von: felicitas.oldenburg@gmx.de <felicitas.oldenburg@gmx.de>
Gesendet: Montag, 11. Februar 2019 23:30
An: Präsidentin Uni Goettingen <praesidentin@uni-goettingen.de>
Cc: rainer.hald@spk-goettingen.de; oberbuergermeister@goettingen.de
Betreff: Kein Friedenspreis an BDS
Sehr geehrte Frau Prof. Beisiegel, sehr geehrte Mitglieder des Präsidiums der Göttinger Universität, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Köhler, sehr geehrter Herr Hald, sehr geehrter Herr Horn,
angesichts der geplanten Preisverleihung am 9.3.2019 an eine BDS-Vereinigung „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ durch die Röhl-Stiftung (Göttinger Friedenspreis) muss ich als Mitglied des Stadtrates Göttingen, Alumna der Universität Göttingen und Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse dringend dazu auffordern, von der Verleihung des Preises abzusehen und die Preisverleihung nicht durch die Sparkasse, Stadt und Universität zu unterstützen.
Boykott, Divestment und Sanktionen gegenüber Israel sind eine einseitige, in höchstem Maße friedensfeindliche Bewegung mit mehr als nur antisemitischen Untertönen. Spätestens durch die Dachorganisation EJJP, auf die sich diese als „jüdisch“ unter falscher Flagge (es ist eine völlige Minderheitsmeinung) segelnde Vereinigung stützt und der sie angehört, ist die Sache klar: Man hat es hier mit einer extremen und keinesfalls gerechten Splittergruppe zu tun, der zu Recht in vielen Städten nicht einmal Veranstaltungsräume offenstehen.
Umso mehr verdienen diese Bads-Vertreter keinen Preis einer Universität oder Stadt (Kuratorium der Stiftung), zu der vermutlich das Präsidium der Universität nicht einmal gehört wurde, der Stadtrat jedenfalls nicht. Als Stadtratsmitglied muss ich mich auf das Schärfste gegen die Preisverleihung an egal welche BDS-Organisation verwahren und erwarte dies auch von allen anderen, denn es widerspricht aller menschenrechtlichen Orientierung, der wir uns zutiefst verpflichtet fühlen.
Die Sparkasse kann mit Sicherheit nicht etwas sponsern, das den Prinzipien der Menschenrechte und Völkerverständigung zuwiderläuft und das Existenzrecht Israels verneint. Die weichgewaschenen Bekundungen der konkreten Vereinigung lassen aufgrund der Zugehörigkeit zum BDS insgesamt und mangelnder Distanzierung zu den Leitsätzen des EJJP dennoch keinen anderen Schluss zu.
In einer Universität, die wissenschaftlichen Austausch mit israelischen Instituten boykottieren würde, wie der BDS möchte, in einer Stadt, die, solchen BDS- Irrläufern folgend, Orchester und Künstler aus Israel nicht einladen würde, sähe ich für freien Forschergeist und die Ausbildung der nächsten Generation in Freiheit und Demokratie keine Grundlage. Bedenken Sie, auf welcher mühsam geschaffenen rechtsstaatlichen Grundlage unsere offene Gesellschaft steht, nach dem Zivilisationsbruch der Nazizeit. Der Aufgabe menschenrechtlichen Engagements läuft eine Israel dämonisierende Pseudofriedensgruppe vollständig zuwider.
Wo, wenn nicht hier wäre denn die Verpflichtung gegen Antisemitismus und Rassismus ernstzunehmen? Nötig ist ein Veto gegen einen Friedenspreis an eine Vereinigung der BDS-Bewegung, die Gerechtigkeit für Israelis und Palästinenser in gleichem Maße nicht einmal erstrebt. Die von den falschen Friedensfreunden vertretene Ansicht kann nur Machtspruch sein, um Radbruchs berühmten Grundsatz abzuwandeln, nie Recht, und gewiss nicht ein Weg zum Frieden. Der Preis muss zurückgezogen werden oder Universitätspräsidentin und Stadtoberhaupt aus der Röhl-Stiftung austreten.
(Radbruch schrieb zu gesetzlichem Unrecht und übergesetzlichem Recht : „Wo also […] Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, können die so geschaffenen Anordnungen nur Machtsprüche sein, niemals Rechtssätze.“)
Schauen Sie genau hin, was unter dem Firnis angeblicher Friedlichkeit gegen jeden fairen Diskurs vorgehen will und mit kämpferischen Gegnern Israels gemeinsam demonstriert. Wer für Menschenrechte und Verständigung eintritt, und dafür stehe ich ein und erwarte das von Ihnen, muss sich aus meiner Sicht entscheiden und Nein zu BDS sagen.
Als nur eine Stimme von vielen zur Frage, ob es hier „nur israelkritische“ Meinungen seien, oder strukturell antisemitische, ein Zitat des sehr bedachten und zurückhaltenden Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, in der Süddeutschen Zeitung (28.01.2019): „Wer wie BDS das Existenzrecht Israels abstreitet und die israelische Politik mit den Nazis gleichsetzt, der übt keine legitime Kritik an Israel mehr, sondern agiert im Kern antisemitisch.“ Man erinnere sich an die mit vielen bekannten antisemitischen Klischees des kriegslüsternen und mächtigen Juden gezeichnete Karikatur Netanjahus im Kleid der erfolgreichen Eurovisionssängerin aus Israel. Genau diesen Eurovisionscontest möchte BDS boykottieren, da er in Israel stattfinden wird. Das ist unter dem dünnen Firnis. das ist unter dem falschen Anstrich des geradezu Orwellschen Tarnnamens der BDS-Truppe „Jüdische Stimme“. Gegen sie sollten Sie genauso aufstehen wie gegen Antisemitismus von Rechtsaußen oder anderen. Mit freundlichem Gruß
b) in der gemeinsamen Pressemitteilung von Frau Oldenburg und Kuhle:
"FDP fordert Umdenken beim Göttinger Friedenspreis – Liberale raten Köhler und Beisiegel zur Absage der Verleihung
Die Göttinger Ratsfraktion der FDP und der Göttinger FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle kritisieren die geplante Verleihung des Friedenspreises an die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“.
Felicitas Oldenburg, Fraktionsvorsitzende der Liberalen, macht deutlich: „Die zu prämierende Organisation ist als Schachtelorganisation der BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) bekannt. Eine Gruppierung, die für uns nicht für Frieden und Völkerverständigung steht, sondern für eine unter Antisemitismusverdacht stehende Bewegung. Zahlreiche Städte verweigern der BDS-Bewegung und ihren zugehörigen Organisationen Veranstaltungsräume – zuletzt etwa München Ende 2018. Dass Göttingen im Gegenzug nun sogar den roten Teppich ausrollt, ist für uns gänzlich unverständlich."
Der Göttinger Bundestagsabgeordnete der FDP, Konstantin Kuhle, hat dazu am Montag gegenüber der Präsidentin der Georg-August-Universität, Prof. Dr. Ulrike Beisiegel und Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler in einem Brief seine Irritation zur Preisverleihung zum Ausdruck gebracht. Beisiegel und Köhler sind beide Mitglieder im Kuratorium der Dr. Roland Röhl Stiftung, die den Friedenspreis verleiht.
Kuhle erklärt: „Ich halte gerade angesichts der Tatsache, dass der Göttinger Friedenspreis in den Räumlichkeiten der Georg-August-Universität verliehen wird, ein erhöhtes Maß an Sensibilität für erforderlich. Zu der breiten Gruppe an Politikwissenschaftlern, die die BDS-Bewegung als klar antisemitisch eingruppieren, gehören auch Göttinger Wissenschaftler. Der ehemalige Göttinger Professor Samuel Salzborn, der als einer der renommiertesten Antisemitismusforscher des Landes gilt, hat in einem Interview Ende 2016 beispielsweise die auffälligen Parallelen in der Kommunikation der BDS-Bewegung und NS-Parolen beschrieben. Ich wünsche mir, dass die Universität unter Berücksichtigung dieser Umstände eine Neubewertung der Verleihung vornimmt.“
Oldenburg ergänzt: „Die ehemalige Alma Mater so vieler jüdischer Wissenschaftlerinnen, wie Dr. Emmy Noether, die nach 1933 aus Göttingen vertrieben wurden, kann keinesfalls Kampagnen mit antisemitischen Untertönen und aktive Gegner von internationaler wissenschaftlicher Kooperation feiern. Als Ratsfraktion bedauern wir die Entscheidung der Jury zum Göttinger Friedenspreis ausdrücklich und fordern der BDS-Bewegung kein Forum in Göttingen zu bieten. Wir erwarten insbesondere von Oberbürgermeister Köhler und Unipräsidentin Beisiegel hier ein klares Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und Toleranz. Die Preisverleihung sollte abgesagt werden. “"
Über eine Stellungnahme Ihrerseits würden wir uns sehr freuen. Vielen Dank schon einmal im Voraus! Mit freundlichen Grüßen
c) in der Pressemeldung über das Schreiben von Zentralratspräsident Schuster an OB Köhler:
Antisemitismus-Vorwürfe: Zentralrat der Juden protestiert gegen Verleihung des Göttinger Friedenspreises an jüdischen Verein
Der Zentralrat der Juden in Deutschland protestiert gegen die Verleihung des Göttinger Friedenspreises 2019 an den Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. „Der Verein ist ein aktiver Unterstützer von Veranstaltungen der gegen Israel gerichteten Boykottbewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen)“, begründet Zentralrats-Präsident Josef Schuster seinen Vorstoß in einem Brief an Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD). „Ich muss sicher nicht erläutern, welche historischen Vorläufer Boykotte gegen jüdische Einrichtungen oder Juden in Deutschland haben und welche Assoziationen mit derartigen Aktionen erzeugt werden.“
Der Präsident des Zentralrats der deutschen Juden wirft der BDS-Kampagne vor, zum Boykott israelischer Künstler, Wissenschaftler oder Unternehmer aufzurufen. „Sie ist damit keine Bewegung, deren Kritik sich an der Politik der israelischen Regierung entzündet“, schreibt Josef Schuster. „Die Boykotte richten sich vielmehr gegen alle in Israel lebenden Menschen.“ Die Stoßrichtung der BDS-Bewegung sei „unzweifelhaft antisemitisch“.
Schuster erwartet von einem „Oberbürgermeister einer mittelgroßen deutschen Stadt ein entschlossenes Vorgehen gegen jeden Antisemitismus“. Er fordert Köhler auf, sich von der Preisverleihung an den Verein zu distanzieren „und dafür Sorge zu tragen, dass diese Entscheidung revidiert“ werde. „Die Auszeichnung einer Initiative, die eine gegen Juden gerichtete Boykott-Initiative unterstützt, ist nicht nur des Göttinger Friedenspreises unwürdig, es ist darüber hinaus ein Schlag ins Gesicht der gesamten jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und Israel“, so Schuster.
Frau Oldenburg schreibt in Ihrer Mail:
„Man erinnere sich an die mit vielen bekannten antisemitischen Klischees des kriegslüsternen und mächtigen Juden gezeichnete Karikatur Netanjahus im Kleid der erfolgreichen Eurovisionssängerin aus Israel“
Mit diesem Satz bringt Frau Oldenburg die „Jüdische Stimme"in Verbindung mit einer Karikatur in der Süddeutschen Zeitung, deren Zeichner wegen dieser Karikatur von der Zeitung entlassen wurde. Das ist suggestiver Rufmord. Die „Jüdische Stimme“ hat mit dieser Karikatur nicht das Geringste zu tun. Sie hat diese Karikatur auf ihrer Facebook-Seite und in anderen Verlautbarungen scharf kritisiert.
Suggestiver Rufmord ist auch dieser Satz im Schreiben von Herrn Schuster:
„Ich muss sicher nicht erläutern, welche historischen Vorläufer Boykotte gegen jüdische Einrichtungen oder Juden in Deutschland haben und welche Assoziationen mit derartigen Aktionen erzeugt werden.“
Der Boykottaufruf von BDS richtet sich ausweislich aller hierzu vorliegenden Erklärungen und Dokumente nicht gegen „jüdische Einrichtungen und juden in Deutschland“ ,sondern ausschließlich gegen die völkerrechts- und menschenrechtswidrige Besatzungspolitik der israelischen Regierung.
Mit einer Ausnahme waren alle Initiativen für Boykotte seit der Kampagne der Quäker in den USA Mitte des 18. Jahrhunderts gegen den Kauf von durch Sklaven hergestellten Produkten und seit diese Handlungsform 1880 ihren heutigen Namen erhielt durch die gewaltfreien Widerstandsmassnahmen irischer Landarbeiter gegen den englischen Gundstücksverwalter Charles Cunningham Boycott, darauf ausgerichtet, Sklaverei, Unrecht, koloniale Unterdrückung, Ausbeutung, sowie rassistische und andere Formen der Diskriminierung zu überwinden.
Einen der erfolgreichsten Boykotte der Geschichte initiierte die jüdische Anti-Defamation League in den USA ab 1927 gegen die Ford Motor Company, weil deren Besitzer Henry Ford die wöchentliche Zeitung The Dearborn Independent finanzierte und über Ford-Vertragshändler landesweit in hoher Auflage vertrieb. Das Blatt hatte ab 1920 regelmäßig antisemitische Hetzartikel verbreitet, die als Broschüre „Der internationale Jude“ auch ihren Weg nach Deutschland fanden. Am Boykott beteiligten sich nicht nur jüdische, liberale christliche und konfessionslose Konsumenten, sondern auch Ladeninhaber, die sich weigerten, Waren aus Ford-Lieferwagen entgegenzunehmen. Angesichts massiver Umsatzeinbußen leistete Henry Ford 1929 Abbitte und entschuldigte sich öffentlich.
Die einzige Ausnahme , bei der ein Boykottaufruf nicht auf die Überwindung von Unrecht zielte, sondern zur Diskrimierung und wirtschaftlichen Schädigung einer schwachen, völlig unschuldigen Minderheit diente, war der Aufruf der Nazis „Kauft nicht bei Juden“ ab 1938. Dieser Aufruf war der Beginn der Entwicklung, die nach Auschwitz führte. Es ist infam, diesen Aufruf mit Boykottaufrufen gleichzusetzen, die auf die Überwindung der völkerrechts- und menschenrechtswidrigen Politik einer Regierung abzielt. Wer diesen infamen Vergleich zieht oder- wie Zentralratspräsident Schuster in seinem Brief - auch nur nahelegt, verharmlost den Holocaust und verhöhnt seine Opfer.
Die Behauptung von Frau Oldenburg, die „Jüdische Stimme“ sei eine „Schachtelorganisation der BDS-Bewegung“ und auch alle anderen Formulierungen, in denen sie die „Jüdische Stimme“ zu einer „BDS-Organisation „, „BDS-Truppe“ u.ä. stempelt , sind aus zwei Gründen völlig unsinnig:
1) BDS ist keine Organisation/Institution/Verein/Verband o.ä., bei der eine andere Organisation (oder auch eine Privatperson) Mitglied werden könnte. BDS ist ein 2005 ergangener Aufruf von 170 Organisationen der palästinensischen Zivilgesellschaft mit drei politischen Zielsetzungen sowie einem Handlungsvorschlag zu Boykott, Disinvestment und Sanktionen. Für diesen Aufruf gibt es inzwischen weltweit zahlreiche Unterstützer und Unterstützergruppen, die sich sämtlich zu den drei politischen Zielsetzungen bekennen und den Handlungsvorschlag ganz, teilweise oder gar nicht übernommen haben Aber auch weiterhin gibt eine keinerlei Organisationstruktur mit Mitgliedschaften.
2) Der Europäische Dachverband der „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ wurde bereits im Jahr 2002 gegründet, die deutsche Sektion 2003 - also drei beziehungsweise zwei Jahre bevor der BDS-Aufruf erfolgte und mit den oben erklärten Grundpositionen und Zielsetzungen.
An diesen vor 16 Jahren völlig unabhängig vom späteren BDS-Aufruf formulierten Grundpositionen und Zielsetzungen der „Jüdischen Stimme“ hat sich auch die Jury orientiert bei ihre Entscheidung für die Preisvergabe.
Daß die „Stimme“ inzwischen ihre Unterstützung für BDS erklärt hat, spielte für diese Entscheidung der Jury keine Rolle.
Zu den Gründen sowie zu den Behauptungen von Frau Oldenburg hat die Vorsitzende der „Jüdischen Stimme“, Iris Hefets auf Nachfrage der Jury Folgendes geschrieben:
„Wir solidarisieren uns mit dem BDS-Aufruf, weil er auf dem Völkerrecht und den universellen Menschenrechten basiert. Die drei politischen Zielsetzungen des Aufrufes decken sich mit unseren Grundpositionen und Zielsetzungen. Wir haben uns zur Unterstützung von BDS entschlossen, weil viele von uns Israelis sind, die im Rahmen der zweiten Intifada in Städten voller Terror lebten. Und wir begrüßen die mit dem BDS-Aufruf eingeleitete Wende im palästinensischen Befreiungskampf , weil wir einen gewaltfreien Widerstand wollen. Die Behauptung von Frau Oldenburg, die als Deutsche im friedlichen Göttingen lebt, wir würden Israel dämonisieren (wo hat sie das gesehen?) und nicht ein friedliches Leben für unserer Familien und Freunde in Israel wünschen, ist eine Unterstellung, die uns dämonisiert. Denkt Frau Oldenburg wirklich, dass wir unsere Kinder weniger lieben? Wir haben auch Kinder dort und wir haben Mitglieder in der „Jüdischen Stimme“, die ein Elternteil in einem Attentat verloren haben.“
Auch mit Blick auf die Handlungsvorschläge von BDS verbreitet Frau Oldenburg Falsches („... in einer Stadt, die, solchen BDS- Irrläufern folgend, Orchester und Künstler aus Israel nicht einladen würde“), Einen pauschalen Aufruf zum Boykott von israelischen Künstlern oder Wissenschaftlern sehen die BDS-Richtlinien ausdrücklich nicht vor. Das würde die „Jüdische Stimme“ nach eigener Bekundung auch nicht unterstützen. Sie hat bereits angeboten, das Preisgeld von Euro 3.000 zur Verfügung zu stellen für die Einladung an KünstlerInnen oder WissenschaftlerInnen aus Israel nach Göttingen.
Unter der Überschrift „ Der Einsatz für Menschenrechte ist nicht antisemitisch“ haben am 18. Januar mehr als 90 namhafte jüdische Wissenschaftler und Intellektuelle, Deutschland, Israel und anderen Ländern in einem gemeinsamen Offenen Brief die Angriffe gegen die „Jüdische Stimme“, sie sei „antisemitisch“, zurückgewiesen. Darunter sind auch erklärte Gegner und Kritiker von BDS wie Professor Micha Brumlik (Aufruf im Anhang).
Es gab auch keine Diskussion in der Jury über BDS und gibt daher bislang auch keine Position der Jury zu BDS. Ich kann hier daher nur meine persönliche Haltung zu BDS und zur Unterstützung von BDS durch die Jüdische Stimme darlegen:
Ich unterstütze BDS nicht, weil ich Kritik an Formulierungen der drei politischen Ziele des Gründungsaufrufes von 2005 habe sowie an einigen der Handlungsvorschlägen. Meine Position habe ich öffentlich und bestens dokumentiert in meiner Rede an der Universität München vom 7.11.2018 dargelegt.
Aber ich halte den weiterbreiteten pauschale Behauptung „BDS ist antisemitisch“ für falsch. Für diese Behauptung liegt bis heute kein belastbarer wissenschaftlicher Beweis vor. Diesen Beweis hat auch der ehemalige Göttinger Professor Samuel Salzborn, den MdB Kule als „einen der renommiertesten Antisemitismusforscher des Landes“ preist, bis heute nicht erbracht. Weder in dem von Kuhle angeführten Interview von 2016 noch in anderen Verlautbarungen und Veröffentlichungen.
Die pauschale Behauptung „BDS ist antisemitisch“ oder habe eine „unzweifelhaft antisemitische Stossrichtung“ (Schuster), wird auch dadurch. daß sie vom Antismemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Fritz Klein oder vom Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland ständig und ohne jede Beweisvorlage wiederholt wird, keinen Deut richtiger.
Richtig ist allerdings, daß es unter den vielen tausend Einzelpersonen und Gruppen, die BDS seit dem 2005 ergangenen Aufruf unterstützen, auch Antisemiten sind, die in ihrer Befürwortung von BDS auch öffentlich antisemitisch argumentieren, antisemitische Symbole und Stereotype benutzen, etc. Das rechtfertigt aber keineswegs die pauschale Behauptung, „BDS ist antisemitisch“.
Völlig unabhängig davon, ob man die Ziele von BDS ganz oder teilweise ablehnt oder unterstützt: auch der Aufruf zu BDS fällt unter die von Artikel 5 des Grundgesetzes und Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Freiheit der Meinung.
Die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" möchte darauf hinwirken, dass die Bundesregierung ihr außenpolitisches und ökonomisches Gewicht in der Europäischen Union, in den Vereinten Nationen sowie in Nahost nachdrücklich und unmissverständlich dafür einsetzt, einen lebensfähigen, souveränen Staat Palästina auf integriertem Hoheitsgebiet und innerhalb sicherer Grenzen zu schaffen und sich damit aktiv an der Verwirklichung eines dauerhaften und für beide Nationen lebensfähigen Friedens zu beteiligen.
Die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" wurde im November 2003 von in Deutschland lebenden Juden und Jüdinnen als deutsche Sektion des ein Jahr zuvor in Amsterdam gegründeten Verbands European Jews for a Just Peace (EJJP), ins Leben gerufen. Dieser Verband, 2002 von 18 jüdischen Organisationen aus 9 europäischen Ländern gegründet, hat seinen Sitz heute in London. Außer in Deutschland hat die EJJP Sektionen in Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz und Großbritannien.
Die Forderungen der „Amsterdamer Gründungserklärung“ der EJJP von 2002 sind Bestandteil des Selbstverständnisses der Jüdischen Stimme ebenso wie aller anderen EJJP-Sektionen:
. Vollständiger Abzug Israels aus den besetzten Gebieten und der Abbau aller dort befindlichen israelischen Siedlungen.
. Jede Gewalt gegen ZivilistInnen in dem Konflikt, egal von welcher Seite an wem begangen, wird verurteilt.
. Israel wird in den Grenzen von 1967 anerkannt.
. Das Recht der Palästinenser, im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ost-Jerusalem einen eigenen Staat zu gründen, wird anerkannt.
. Das Recht beider Staaten, Jerusalem als ihre Hauptstadt zu haben, wird anerkannt.
. Israel wird dazu aufgerufen, seinen Teil an der Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems beizutragen, und verpflichtet, eine gerechte, faire und praktische Lösung auszuhandeln.
Widerruf von Bärbel Illi
Betreff: AW: Ihre heutige Mail "Nakba-Ausstellung stoppen" - Datum: Fri, 1 Feb 2019 10:00:26 +0100 - Von: Bärbel Illi <baerbel.illi@t-online.de>- An: 'Andreas Zumach'
Sehr geehrter Herr Zumach,
ich widerrufe die von Ihnen in Ihrer Mail unten in den Punkten 1 bis 4 angesprochenen Aussagen von mir.
Ich verpflichte mich, sie zu unterlassen.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichte ich mich zu einer Vertragsstrafe von 200 €.
Mit freundlichen Grüßen Bärbel Illi
Deutsch-Israelische Gesellschaft Region Stuttgart e.V. - c/o Bärbel Illi, Keplerstr. 34, 73760 Ostfildern - Tel.: 0711-4411138 - mobil: 0151 14943690 - www.dig-stuttgart.net - https://de-de.facebook.com/DIGStuttgart
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Andreas Zumach [mailto:zumach@taz.de]
Gesendet: Donnerstag, 31. Januar 2019 18:48
An: baerbel.illi@t-online.de; finanzdezernat@reutlingen.de; verwaltungsdezernat@reutlingen.de; Michael.Blume@stm.bwl.de; Ulrich Bausch <ubausch@vhsrt.de>
Betreff: Ihre heutige Mail "Nakba-Ausstellung stoppen"
Sehr geehrte Frau Illi, in einer heute um 10.49h versandten Mail
An die Stadt Reutlingen Herrn Bürgermeister Alexander Kreher Rathaus, Marktplatz 22 - 72764 Reutlingen
In Kopie an
Herrn Bürgermeister Robert Hahn
Herrn Dr. Ulrich Bausch, Geschäftsführer vhs Reutlingen
Dr. Michael Blume, Beauftragter der Landesregierung BW gegen Antisemitismus
stellen Sie die folgenden Behauptungen auf über meine Person und meine Rede an der LMU-München vom 7.11.2018:
1) Sie behaupten: "Zumach ist ein antiisraelisch agierender Referent"
Diese Behauptung ist falsch.
Richtig ist: Ich habe noch nie antiisraelisch agitiert und werde das auch künftig nicht tun.
Seit meiner Freiwilligenzeit 1973-1975 mit der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste (über deren Engagement in Israel seit 1962 sowie für Holocaust-Überlebende in vielen Ländern Europas und den USA Sie ja sicher informiert sind, und deren hauptamtlicher Mitarbeiter ich von 1981 bis 1988 war) engagiere ich mich in Wahrnehmung meiner besonderen historischen Verantwortung als Deutscher für die gesicherte und dauerhaft unbedrohte Existenz des Staates Israel und gegen jegliche Form von Judenfeindlichkeit. Die Wahrnehmung dieser besonderen Verantwortung schließt allerdings Kritik an der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitk der israelischen Regierung nicht aus, sondern macht sie sogar notwendig.Denn eine gesicherte und dauerhaft unbedrohte Existenz des Staates Israel kann und wird es nach meiner Überzeugung erst geben, wenn auch das seit der UNO-Resolution 181 von 1947 völkerrechtlich verbriefte Recht der PalästinenserInnen auf staatliche Selbstbestimmung umgesetzt ist und die universell gültigen Menschenrechte auch für die PalästinenserInnen Wirklichkeit geworden sind.
(Anmerkung: Die völkerrechtswidrige Besatzung,die Sie in Ihrer Mail zu einer Behauptung meinerseits abzuwerten versuchen und mit einem Fragezeichen versehen, ist eine Tatsache, die der UNO-Sicherheitsrat nach dem Krieg von 1967 in seinen beiden einstimmig verabschiedeten Resolutionen 242 und 338 festgestellt hat - völkerrechtlich verbindlich und bis heute uneingeschränkt gültig.)
2) Sie behaupten über meine Rede an der LMU in München vom 7.11.2019: "Darin tischt Zumach wieder die Fremdkörper-Legende auf. 'Die Menschen arabischer Herkunft haben vorher in diesem Gebiet gelebt."
Diese Behauptung ist falsch.
Richtig ist
a) Ich habe keine Fremdkörper-Legende aufgetischt. Weder von Juden, Israelis, Arabern, Palästinensern, Muslimen oder von irgendeiner anderen ethnisch, religös, national, rassisch oder sonstwie definierbaren Gruppe habe ich behauptet, sie seien Fremde auf dem Territorium, das bis November 1947 das britische Mandatsgebiet Palästina war, gehörten nicht dorthin o.Ä.
b)Den Satz "Die Menschen arabischer Herkunft haben vorher in diesem Land gelebt" habe ich (völlig unabhängig davon,ob er richtig ist oder
nicht) in der Rede an der LMU nicht gesagt (ausweislich des vollständigen Videomitschnitts dieser Veranstaltung: https://www.youtube.com/watch?v=oTMKToXZr60)
3)Sie behaupten: "Daß die deutsche Politik erfreulicherweise seit geraumer Zeit auch in einigen Punkten gegen den israelbezogenen Antisemitismus vorgeht, kommentiert Andreas Zumach abfällig, indem er von `einigen Beauftragten gegen Antisemitismus von diversen Bundesländern als Mitläufer` einer kampagne der israelischen Regierung spricht."
Diese Behauptung ist falsch.
Richtig ist: ich habe das Vorgehen der deutschen Politik gegen israelbezogenen Antisemitismus nicht abfällig kommentiert. Ich habe das Vorgehen überhaupt nicht kommentiert.
Völlig unabhängig vom Stichwort "israelbezogener Antisemitismus" habe ich bei meiner mit zahlreichen Beispielen belegten Beschreibung der in Deutschland laufenden Kampagne, legitime Kritik an der israelischen Regierungspolitik als antisemitisch zu diffamieren und zu unterbinden, auch diverse Akteure dieser Kampagne benannt und gesagt: "Zu dieser Kampagne gehören zumindest als Mitläufer inzwischen auch einige der von diversen Bundesländern ernannten Beauftragten gegen Antisemitismus."
4)Sie behaupten ich hätte gesagt ,die Arbeitsdefinition Antisemitismus (IHRA – International Holocaust Remembrance Alliance), die sich die Bundesregierung am 20.9.17 zu Eigen gemacht hat, und auf die sich der Bundestag in ihrer ganzen Länge von zwei Seiten beruft (siehe Anhang), sei "nicht rechtsgültig".
Diese Ihre Behauptung ist zunächst richtig. Das habe ich gesagt. Und es trifft zu. Denn diese Arbeitsdefintion hat auch durch die von Ihnen beschriebenen Handlungen der Bundesregierung und des Bundestages keinerlei Rechtskraft, Gesetzeskraft o.Ä. erhalten. Sie ist durch diese Handlungen der Bundesregierung und des Bundestages weder rechtsgültig noch für irgendjemanden in Deutschland rechtsverbindlich geworden. Rechtsgültige und rechtsverbindliche Grundlagen zum Thema sind das deutsche Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Antirassimuskonvention der UNO.
Sie behaupten dann weiter: Zumach möchte nicht, dass die folgenden Beispiele der Arbeitsdefinition der Bundesregierung als antisemitisch benannt werden.
a) Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.
b) Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird.
c) Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben.
d) Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.
e)Das kollektive Verantwortlichmachen von Juden für Handlungen des Staates Israel.“
Diese Ihre Behauptung ist falsch.
Richtig ist: ich habe mich in meiner Rede an der LMU in München überhaupt nicht dazu geäußert, ob diese Beispiele als antisemitisch benannt werden sollen oder nicht. Ich habe lediglich die Entstehungsgeschichte der Arbeitsdefinition geschildert und auf die bestens Tatsache hingewiesen, daß diese Beispiele nie von der IHRA beschlossen wurde.
(Ich füge hier gerne hinzu: ich bin ausdrücklich dafür, daß die Verhaltensweisen in den von Ihnen aufgeführten Beispielen als judenfeindlich/antisemitisch bzw. als anti-israelisch eingestuft und politisch bekämpft werden. Ich wende mich allerdings entschieden dagegen, daß unter dem Vorwand, Antisemitismus (egal ob israelbezogen oder nicht) zu bekämpfen, versucht wird, legitime Kritik an israelischer Regierungspolitik als antisemitisch/antiisraelisch zu diffamieren und zu unterbinden. Dafür hat die von Ihnen geführte DIG Region Stuttgart e.V. und haben Sie persönlich, Fau Illi, in der Vergangenheit leider schon viele sehr üble Beispiele geliefert.)
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