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Videobotschaft von Mathias Döpfner, 20 Oktober 2021
 

Der Mann, der durch BILD die deutsche Vorstellung von Israel maßgeblich mit prägt:

Das irrationale und absurde Weltbild des Chefs des Springer-Konzerns Mathias Döpfner

Arn Strohmeyer - 23.10.2021

Der Mann hat publizistische Macht wie vermutlich kein anderer in Deutschland und er bestimmt mit dieser Macht maßgeblich mit, wie die Deutschen über Israel und den Nahen Osten denken sollen: der Chef des Springer-Konzerns Mathias Döpfner. In den sogenannten „Essentials“, die der Verlagsgründer Axel Springer bereits 1967 formuliert hat und die jeder Redakteur und jede Redakteurin des Hauses akzeptieren muss, heißt es: „Wir unterstützen die Lebensrechte Israels.“ Aus dieser Formulierung ergeben sich natürlich Fragen: Wer ist das israelische Volk? Gehören auch die Palästinenser dazu, die immerhin 20 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmachen? Werden hier nicht Israelis ganz allgemein mit Juden verwechselt? Wird mit einer solchen Formel nicht das Lebensrecht eines ganzen Volkes – der Palästinenser – völlig negiert?

Wenn man die einseitige Berichterstattung und Kommentierung von BILD (und auch anderer Springer-Produkte) über Israel und seinen Konflikt mit den Palästinensern betrachtet, kann man das nur so zusammenfassen: Die Fakten werden zwar wahrgenommen, aber im Sinne der Springer-Ideologie völlig verzerrt und zurechtgebogen. Ein Meister dieser Methode der realitätsverformenden Darstellung ist der Konzernchef selbst, der auch bisweilen zur Feder greift und mit seinen Artikeln dem Haus so die Leitlinien vorgibt.

Als jetzt die skandalösen Sex-Eskapaden des BILD-Chefredakteurs Julian Reichelt mit von ihm abhängigen Frauen in der Redaktion bekannt wurden und Döpfner ihn deswegen feuern musste, verloren selbst der SPIEGEL und SPIEGEL-online den Respekt vor Deutschlands mächtigsten Verleger (und Präsidenten des deutschen Verlegerverbandes) und bezeichneten ihn als „irrlichternden“ politischen „Wirrkopf“, der von Islamophobie und der Angst erfüllt sei, dass das christliche Abendland vom Islam übernommen werde. Kurz gesagt: Dass Döpfner mit seinen Texten ins Reich der Verschwörung abdrifte.

Seine Sicht auf das Abendland, den Islam und in diesem Zusammenhang auch Israel hat Döpfner schon vor Jahren in einem Artikel mit dem Titel „Der Westen und das höhnische Lachen der Islamisten“ (Die Welt, 23.11.2010) dargestellt. Es lohnt sich, diesen Text noch einmal in Erinnerung zu rufen, da er von Irrationalität, Absurdität und „Abschweifen ins Reich der Verschwörung“ nur so strotzt und immer noch von höchster Aktualität ist. Döpfner will in diesem Artikel die Frage beantworten, ob Israel wirklich bedroht und welches seine Rolle in der Strategie des Westens ist. Dass Israel gerade wieder angekündigt hat, dass es zum Militärschlag gegen den Iran rüste und zum Angriff bereit sei, unterstreicht die Aktualität von Döpfners Ausführungen.

Döpfner teilt die Welt in Gut und Böse ein. Da ist auf der einen Seite die „kollektivistische, autoritäre, religiöse und vormoderne Gesellschaft“, nach deren Menschenbild „der Einzelne eine höchst unvollkommene, in seinen Trieben dunkle, für die Gemeinschaft gefährliche Erscheinung ist, die des Schutzes einer höheren Instanz bedarf.“ In dieser Gesellschaft traut man dem Menschen nicht. Auf der anderen Seite steht dagegen die „individualistische, moderne, säkulare, offene Gesellschaft“, die ein Menschenbild pflegt, „nach dem der Einzelne ziemlich gut selbst zurechtkommt und dank seines freien Willens weitgehend selbst dafür verantwortlich ist, was er aus seinem Leben macht.“ Diese individualistische Gesellschaft traut dem Menschen. Sie ist ein „Insel der Seligen“, die von Rechtsstaat, Meinungsfreiheit, Demokratie, freien Wahlen sowie sexueller und religiöser Liberalität bestimmt ist. Das kollektivistische Ideal haben einst der Kommunismus und der Faschismus vertreten, heute ist es die Ideologie und die Lebensform des Islamismus und ist – so Döpfner – vor allem im Osten und Mittleren Osten verbreitet. In diesem Reich des Bösen gelten westliches Freiheitsverständnis, freie Marktwirtschaft [Neoliberalismus], freie Sexualität, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau als „dekadent, degeneriert, gefährlich, verachtenswert und gottlos.“

Dieses Reich des Bösen strebt mit dem „Heiligen Krieg“ das „Weltkalifat“ an und um dieses Ziel zu erreichen, ist den fundamentalistischen Moslems jedes Mittel recht. Es strebt danach, „zuerst Israel, dann Amerika und schließlich den gesamten libertären Westen von innen zu unterminieren und von außen zu zerstören – mit Parallelgesellschaften, Selbstmordattentaten und Atomwaffen.“ Meint Döpfner in diesem Zusammenhang nur die Islamisten oder alle Moslems? Man erfährt es nicht so genau. Der freie Westen will diese Ziele der aggressiven Mohammed-Anhänger partout nicht verstehen, reagiert aus einem wegen der Verbrechen des Nationalsozialismus und des Kolonialismus heraus falsch verstandenem Schuldbewusstsein mit Dialogbereitschaft, interkultureller Verständigung, westlicher Sehnsucht nach Harmonie – eben mit schlechtem Gewissen und Büßermanier. Oder politisch ausgedrückt: mit Beschwichtigung und Appeasement. Und was ist die Antwort der Strategen des Kalifats darauf? Ein höhnisches Lachen!

Dabei ist der „Heilige Krieg“ schon längst im Gange: „Zum finalen atomaren Endschlag rüstet sich derweil der Iran.“ Da sich die Freiheitsfeinde zum Ziel gesetzt haben, die Welt von den Ungläubigen zu befreien, steht als erstes die Vernichtung Israels auf ihrer Todesliste. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der Iran zu einem Atomerstschlag bereit und nimmt es dabei auch in Kauf, dass durch den nuklearen Gegenschlag Israels das eigene Volk vernichtet wird, denn er „wird den Heldentod seiner Landsleute im Heiligen Krieg nicht als Opfer, sondern als schnelleren Weg ins Paradies sehen und begrüßen. Die Psychologie des Selbstmordattentäters liegt im erlösendenden Knall des Sprenggürtels.“

Um die Vernichtungsabsichten des Iran gegen Israel zu belegen, stellt Döpfner dann den damaligen iranischen Präsidenten Ahmadinedschad [der später sein Amt durch eine für iranische Verhältnisse relativ demokratische Wahl längst verloren hat] mit solchen blutrünstigen Diktatoren wie Stalin und Mao in eine Reihe. Im einzelnen zählt er auf, wie viele Menschen sie auf dem Gewissen haben, um dann auf einen anderen Feind der Israelis zu kommen, der auch nur Vernichtungs- und Mordabsichten gegen die Überlebenden des Holocaust hegt: die Palästinenser. Sie sind die Aggressoren und wollen die Atommacht Israel mit Selbstmordattentaten in die Knie zwingen.

Döpfner weiß auch, wie das Problem zu lösen ist: nur mit Gewalt: „Die einzig richtige Haltung Deutschlands und Europas wäre in der Israel-Frage ein klares Bündnis mit Israel – an der Seite der Vereinigten Staaten. Nur das, verbunden mit klaren Sanktionen und militärischen Reaktionen, sobald die Spielregeln von irgendjemandem missachtet werden, könnte in der Region Stabilität bewirken. Von Frieden wage ich nicht zu sprechen. Aber zumindest Stabilität, das wären wir dem kleinen Land am Meer schon schuldig. Wenn es also auch keine altruistischen Motive sein dürfen, dann bleiben nur noch blank egoistische Gründe, und die gibt es genug: Es ist im Interesse Deutschlands an der Seite Israels zu stehen. Wenn Israel fällt, fällt langfristig auch der Westen, Europa, Deutschland.“

Und weiter: „Solange Europa und Amerika sich in ihrer Haltung gegenüber Israel und fundamentalistischen Nachbarregimes gegeneinander ausspielen lassen, besorgen sie die Arbeit ihrer gemeinsamen Feinde. In Israel, in Afghanistan, im Iran, im Irak, in Pakistan, aber auch in Berlin, London und Paris, also überall, wo die westliche Welt mit den Terrorkommandos der Freiheitsfeinde konfrontiert wird, hilft nur eine Politik der Geschlossenheit und Stärke. Jedes andere Signal wird falsch verstanden. Wir haben es mit einer anderen Kultur, mit einer anderen Mentalität, mit einem anderen Werterahmen zu tun. Wir stehen hier im Konflikt mit Terroristen, die von Vernichtungs- und Allmachtsphantasien getrieben werden, nicht mit Demokraten, die ihr Handeln im Rahmen von Humanismus und Rechtsstaat abwägen. Nur Gegenwehr, Geschlossenheit und Stärke wird die Angriffe auf unsere freiheitliche Ordnung verlangsamen und schwächen.“

Döpfner hat kein Problem mit der von Kanzlerin Angela Merkel erhobenen Forderung, dass Israels Sicherheit deutsche „Staatsräson“ sei. Wenn Israel den Iran angreift, müssen die Deutschen dabei sein: „Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Zusammenhang mit der Atompolitik des Iran in absehbarer Zukunft zu einer militärischen Auseinandersetzung in der Region kommt, ist extrem hoch. Entweder werden die Amerikaner aktiv, oder Israel wird es aus Selbstschutz tun. Dass ein Volk, das durch den Holocaust beinahe vollständig vernichtet worden ist, geduldig wartet, dass es von den aggressivsten Antisemiten der Gegenwart in dem Land vernichtet wird, das ihm als sicherer Hafen, als ultimativer Fluchtpunkt alles bedeutet, ist unwahrscheinlich – und schwer zu erwarten. Israel wird also, insbesondere, wenn es sich allein gelassen fühlt, aktiv. Spätestens dann stellt sich die Frage: Helfen oder der Vernichtung Israels zusehen? Dies ist der Ausgangspunkt für die nächste große Auseinandersetzung um unsere Freiheit.“

Die Freiheit muss also unbedingt mit militärischen Mitteln verteidigt werden. Die Deutschen müssen endlich – so Döpfner – die richtigen Schlüsse aus ihrer Geschichte ziehen. Anstatt auf das Militär und den Krieg (natürlich immer im Kampf für die Freiheit) zu setzen, haben sie ihre Geschichte völlig falsch interpretiert: „Nie wieder Krieg, nie wieder militärische Involvierung, nie wieder sollte Deutschland irgendwo eine Führungsrolle übernehmen wollen. Der gute Deutsche als europäisches Wir ohne eigene Interessen, als Pazifist, der sich heraushält. Dass mit dieser Haltung Unfreiheit, Diktatur, Rassismus, Massenmord ermöglicht statt verhindert werden, ist bisher kaum aufgefallen. Lernen wir aus der Geschichte nur, dass wir aus der Geschichte nichts lernen? Oder wird es der freie Westen es diesmal besser machen.?“

Die „Analyse“ des mächtigen Springer-Chefs macht wegen ihrer Realitätsferne und Irrationalität zutiefst betroffen. Hier verteidigt einer die schlimmsten Traditionen der deutschen Geschichte: Unbelehrbare Großmannssucht und die Arroganz aus Gewalt resultierender Macht! Als ob Hitler ein Produkt des deutschen Pazifismus war! Mit missionarischem Eifer kämpft hier einer noch die ideologischen Schlachten der Vergangenheit. Der Kalte Krieg ist für ihn noch nicht vorbei, nur das Feindbild hat sich geändert. Döpfner teilt auch die Welt manichäisch in Gut und Böse ein und dämonisiert die ganze moslemische Kultur in schlimmster Weise – hätte er doch nur einmal Edward Saids großes Werk über den europäischen „Orientalismus gelesen! Oder Jürgen Todenhöfers Untersuchungen über das Verhältnis des Westens zum Orient.

Said macht da klar, wie sehr die Einstellungen des Westens zum Orient „durchsetzt sind mit europäischen Überlegenheitsphantasien, verschiedenen Formen von Rassismus, Imperialismus und Chauvinismus, dogmatischen Ansichten ‚des Orientalen‘ als gleichsam ideale, feststehende Abstraktion.“ Die abendländische Sicht auf den Orient beruht – so Said – „auf einem Bewusstsein der westlichen Souveränität, aus dessen unangefochten zentraler Stellung erst eine orientalische Welt resultierte – zunächst allgemeiner Prinzipien darüber, wer oder was als orientalisch zu gelten hatte, und dann nach einer speziellen Logik, die indes nicht einfach der empirischen Realität folgte, sondern einem ganzen Bündel von Bedürfnissen, Verdrängungen, Unterstellungen und Projektionen.“ Döpfner ist ein Musterbeispiel für einen Westler, der allen diesen Unterstellungen und Projektionen dem Orient gegenüber zum Opfer gefallen ist.

Todenhöfer schreibt: „Nicht ein einziges Mal in den letzten zweihundert Jahren hat ein muslimisches Land den Westen angegriffen. Die europäischen Großmächte und die USA waren immer Aggressoren, nie Angegriffene. Seit Beginn der Kolonialisierung wurden Millionen arabische Zivilisten getötet. Der Westen führt in der traurigen Bilanz des Tötens mit weit über 10:1. Die aktuelle Diskussion über die angebliche Gewalttätigkeit der muslimischen Welt stellt die historischen Fakten völlig auf den Kopf. Der Westen war und ist viel gewalttätiger als die muslimische Welt. Nicht die Gewalttätigkeit der Muslime, sondern die Gewalttätigkeit einiger westlicher Länder ist das Problem unserer Zeit. Wer den muslimischen Extremismus verstehen will, muss versuchen, die Welt wenigstens einmal aus der Sicht eines Muslim zu betrachten. Unser Horizont ist nicht das Ende der Welt. Ein junger Muslim, der Fernsehnachrichten verfolgt, sieht Tag für Tag, wie im Irak, in Afghanistan, in Palästina, im Libanon, Somalia und anderswo muslimische Frauen, Kinder und Männer durch westliche Waffen, westliche Verbündete und westliche Soldaten sterben.“  

Döpfner fällt in alt-bekannte Hasskategorien zurück: Früher bedrohten die Juden die Welt. heute sind es die Islamisten oder die „Feinde aus dem Morgenland“. Der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz hat beschrieben, wie nahe sich hier Juden- und Islamhass sind: „Es geht nicht um die Terrorakte radikaler Islamisten oder um Modernisierungsdefizite in islamischen Staaten oder Gesellschaften. Gegenstand sind Ressentiments gegen Muslime in unserer Gesellschaft, die diskriminiert werden, weil sie Muslime sind. Gegen sie werden Feindbilder konstruiert, die in den Komplex gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gehören und deshalb aus der Perspektive der Vorurteilsforschung zu betrachten sind. Das Paradigma des Antisemitismus kann zur Erklärung des Gruppenverhaltens gegenüber Muslimen gute Dienste leisten. Die wütend vorgebrachte Abwehrreaktion, damit setze man Juden und Muslime gleich, marginalisiere den Holocaust und verrate Israel, beweist nur ebenso starke Emotionen wie dahinter zurückstehende intellektuelle Fähigkeiten.“   Benz argumentiert also genau umgekehrt – und sehr viel glaubhafter und realistischer als Döpfner: Dass der Hass und die Intoleranz gegenüber dieser Minderheit die Freiheit und letzten Endes die Demokratie bedrohen.

Was hat Döpfner von der Realität des Nahostkonflikts wahrgenommen? Nichts! Da gibt es keinen Zionismus, der das Land eines anderen Volkes seit Jahrzehnten in Besitz nimmt und die ursprünglichen Bewohner dieses Landes vertreibt, da gibt es keine Besatzungspolitik einschließlich Mord und Folter, keine Siedlungen auf fremden Boden, kein Wegsperren der Palästinenser hinter hohen Mauern, keine Angriffskriege des militärisch weit überlegenen Israel gegen seine Nachbarn mit unzähligen unschuldigen Opfern, keine permanenten Verstöße gegen Menschenrechte und Völkerrecht, keine von Israel alle abgelehnten bzw. völlig ignorierten Friedensvorschläge von arabischer Seite. Es gibt nur kulturlose Barbaren, die Israel vernichten wollen – aber keine Frage nach den Ursachen des Hasses: warum Menschen als letztem verzweifelten Mittel zum Sprengstoffgürtel gegriffen haben. Auch den Wirkungszusammenhang zwischen westlich hegemonialer Gewalt gerade im Nahen und Mittleren Osten und der Zunahme des islamischen Extremismus blendet Döpfner völlig aus.

Die Palästinenser haben der Gewalt mit Selbstmordattentaten inzwischen längst abgeschworen, weil sie eingesehen haben, dass dies ihrer Sache nur schadet. Sie setzen inzwischen – sieht man von Splittergruppen ab – längst auf Diplomatie und nicht mehr auf Gewalt. Die Terrorwelle mit Selbstmordattentaten begann übrigens im Jahr 1994, als ein jüdischer Extremist, Dr. Baruch Goldstein, in der Abraham-Moschee in Hebron 29 betende Moslems erschoss und 150 verletzte. Heute wird er von den Siedlern im Westjordanland wie ein Heiliger verehrt. Döpfner macht die Opfer zu Tätern und sieht in der westlichen „Wertegemeinschaft“ mit diesem angeblich unschuldigen Staat die Rettung des Abendlandes, andernfalls werde es von dem barbarischen Sturm aus dem Morgenland hinweggefegt werden.

SPIEGEL-Online merkt zu diesem Konzern und seiner politischen Linie, die maßgeblich von Döpfner geprägt wird, an, dass er nicht von digitalen Visionen geprägt sein, sondern fest im chauvinistischen Muff der 60er Jahre festsitze.

 

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