Nablus, 11.10.04
Die letzen drei Tage habe ich mit den anderen
in den Olivenhainen des Dörfchens Salem verbracht, welches direkt
vor den Toren Nablus' liegt. Die Fahrt dorthin dauert ca. 12
Minuten, 4 davon führen auf abenteuerlichem Schleichweg, der jedes
Taxi an den Rand seiner Leistungsfähigkeit bringt, über
Sand-Schotter-Feldwege, Bodenwellen, Steigungen kurzer aber
knackiger Art...Wir umgehen so die nervigen roadblocks, von denen
jeden Morgen mehr zu finden sind und den Checkpoint, an dem uns die
Soldaten die Weiterreise verweigern würden. Bei all dem Spaß, den
wir jedes Mal bei der Fahrt haben: wie verquer ist das bloß, dass
man nicht einfach in sein Nachbardorf fahren kann, ohne diese
Unannehmlichkeiten auf sich nehmen zu müssen und ohne, dass jeder
nach Jeeps o.ä. Ausschau halten muss?? (Anmerkung: Erst vor kurzem
ist ein palästinensischer Taxifahrer aus Salem von einem Siedler
erschossen worden)
Im Dorf angekommen erklimmen wir dann zu Fuß
einen Hügel, überqueren flott die Siedlerstrasse - bis jetzt immer
erfolgreich - und schließen uns dann in Grüppchen den Familien an,
die entweder nahe dieser Strasse oder in der Nähe der Siedlungen
etwas weiter oben pflücken. Diese sind insofern gefährdet, als dass
es ihnen von den israelischen Behörden nicht gestattet ist, jenseits
der Strasse überhaupt zu pflücken und außerdem, weil sie sich
definitiv in Sichtweite der Siedlungen befinden und durch ihre
Tätigkeit den Zorn der Siedler auf sich ziehen.
Ich habe die drei Tage einer Familie geholfen,
die weit oben am Berg pflückt, wir können von da so schön die
Gegend, Nablus, aber auch die Siedlerstrasse und die Siedlungen
überblicken. Wir haben dort oben drei richtig schöne ruhige Tage
verbracht. Ich erfreue mich an der körperlichen Ertüchtigungen,
klettere wie ein Affe durch die Bäume und finde mein Leben in diesen
Momenten, wo dann auch noch die Sonne auf mich nieder scheint
einfach nur prima und sinnvoll. Mittags essen wir dann mit ihnen
unter den Bäumen und nachmittags gegen 4 brechen wir auf. Wir
begleiten sie mit ihrer Ernte auf dem Rücken des Esels über die
Strasse und bis in ihr Dorf, wie gesagt bis jetzt Gott sei Dank
unbehelligt und friedlich. Morgen werden wir die Ernte in Salem wohl
beenden können, die gefährlichen Gebiete sind dann leer gepflückt.
Weiter unten an den Strasse gab es gestern und
vorgestern Probleme mit Soldaten, Siedler sind bis jetzt noch nicht
aufgetaucht. Die Soldaten haben den sofortigen Aufbruch befohlen,
auch konnte es die Gruppe nicht verhindern, dass ein junger
Palästinenser festgenommen wurde. Sein Verbrechen: er hat seine
Olivenbäume leergepflückt ... Er wurde am Abend wieder freigelassen.
Zwei aus unserer Gruppe durften fast 30
Minuten mit den Soldaten des Jeeps verhandeln, einer von ihnen
entpuppte sich sofort als Siedler aus der benachbarten Siedlung Alon
More. Laut Erzählungen der beiden war der "total abgedreht". Hat
während des Gesprächs todernst die Überlegenheit der jüdischen Rasse
über alle anderen beschworen und unter anderem von sich
gegeben: "Of course this is all jewish land
here! As soon as we killed them all it is all jewish again." Es
kamen noch einige bittere Sachen aus ihm heraus, ich habe die beiden
gebeten, das Gespräch als Bericht zu verfassen. Sobald der vorliegt,
sende ich ihn rum. Unsere Gruppe ist übrigens etwas gewachsen, heute
waren 11 in den Olivenhainen und 5 in Balata, wo es den ganzen Tag
Probleme mit Soldaten gab. 4 Kinder sind angeschossen worden,
mehrere Häuser stundenlang besetzt worden.
Hanan