Faten Mukarker
Auf dem
Weg zum Frieden
Schussbereite israelische Soldaten an den zahlreichen Kontrollpunkten,
Ausgangssperren für alle arabischen Einwohner und überall von
Panzertreffern und Bulldozern zerstörte Straßen und Häuser. „Der Alltag in
den Städten und Dörfern des Autonomiegebiets ist ein permanenter
Ausnahmezustand. Die Spuren der Gewalt sind überall zu sehen“. Nazih
Musharbash macht die von Feindschaft und Angst geprägte Situation in
seiner Heimat traurig. „Das müsste nicht so sein. Noch vor zwei Jahren
haben sich die Israelis und Araber gegenseitig Blumen geschenkt. Heute ist
das fast undenkbar“. Von dem einst hoffnungsvollen Friedensprozess sei
nichts mehr zu spüren.
Dass die Gewaltspirale gestoppt und etwas gegen das Elend der Menschen
getan werden muss, sei auch die Überzeugung von Ministerpräsident Gabriel.
In einem Gespräch mit den Spitzen der Palästinensischen Autonomieregierung
sei immerhin klar geworden, wie sich Jassir Arafat den Weg zum Frieden
vorstellt. Die UNO sollte demnach Beobachter in die Krisenregion schicken,
damit deutlich werde, wer gegen die Resolutionen der internationalen
Staatengemeinschaft verstößt. Der sichtlich übermüdete und schwer krank
wirkende Palästinenserführer habe auch gegenüber den Gästen aus
Niedersachsen seinen Friedenswillen bekundet und gleichzeitig vor dem
Erstarken der Extremisten in seinem Volk gewarnt. Anders als der
Friedensnobelpreisträger Arafat hätten diese Kräfte vor allem Hass und
Rache im Sinn. Und was kann das Land Niedersachsen für den Frieden in
Palästina tun? „Es ist schon einmal gut, dass wir mit dieser hochrangigen
Gruppe dort waren. Das macht vielen Menschen Mut und zeigt ihnen, dass sie
von der Welt nicht vergessen werden“, betont Musharbash. Und konkrete
Ergebnisse habe es auch gegeben. So hätten niedersächsische Unternehmen
aus der Wasser- und Abwasserbranche erste Geschäftsbeziehungen geknüpft.
Auch sei eine Zusammenarbeit zwischen der Uni Osnabrück und der
Palästinenser-Universität Birzeit vereinbart worden. Zudem habe Arafat mit
großer Freude das Angebot angenommen, dass die niedersächsische Polizei
Kollegen aus Palästina in der Terrorbekämpfung ausbildet. Dass es dazu in
naher Zukunft wirklich kommt, ist nach Einschätzung von Musharbash aber
eher ungewiss: „Ich denke, das ist etwas für bessere Zeiten.“ Der
gebürtige Jordanier Musharbash hatte die Region vor vier Jahren schon
einmal privat zusammen mit Sigmar Gabriel besucht. „Damals waren wir beide
noch Landtagsabgeordnete und haben uns gleich gut verstanden.“ Als nun die
offizielle Reise der Niedersachsen-Gruppe anstand, erinnerte sich der Ministerpräsident
an die guten Kontakte seines Bad Iburger Parteifreundes und bat Musharbash,
an dem Programm in Jordanien und Palästina teilzunehmen. „Das habe ich
gern gemacht“, sagt der inzwischen nur noch in der Kommunalpolitik aktive
Sozialdemokrat: „Die Reisekosten haben ich aber natürlich komplett aus
eigener Tasche bezahlt.“
Und was ist mit dem friedlichen Zusammenleben? Nazih Musharbash glaubt
fest daran, dass die Gewaltspirale auch wieder zurückgedreht werden kann,
wenn die Extremisten sowohl in Palästina als auch in Israel an Einfluss
verlieren. Entscheidend dazu beitragen könnte seiner Meinung nach die
Weltöffentlichkeit. Musharbash: „Nach den schrecklichen Anschlägen vom 11.
September werden die Palästinenser vielerorts für potenzielle Terroristen
gehalten. Ich hoffe, dass sich die Stimmung in den westlichen Ländern
wieder entspannt“.
Überhaupt Hoffnung. Nazih Musharbash kommt bei seinem Bericht vom
Palästina-Besuch immer wieder darauf zurück. „Ohne Frieden gibt es für
niemand eine Zukunft“, sagt er. Doch dafür müssten beide Seiten umdenken.
Vor allem müsse den Palästinensern wirklich die Kontrolle über das
Autonomiegebiet gewährt werden. Derzeit funktioniere das nur in den
Städten und Dörfern. Das Gebiet rundherum werde von israelischen Soldaten
kontrolliert.
Ein Beispiel aus dem Alltag: Wer von der Palästinenserhauptstadt
Ramallah zur Universität Birzeit möchte, muss für die etwa 20 Kilometer
lange Strecke einen stundenlangen Fußmarsch und mehrere Kontrollen durch
israelische Soldaten einplanen. Eine ungehinderte Fahrt von Ort zu Ort ist
unmöglich. Die Verbindungsstraßen sind durch Bulldozer zerstört worden.
Autos müssen an der Stadtgrenze abgestellt werden. Für die Israelis und
ausländische Touristengruppen sei die Fahrt durchs Land dagegen kein
Problem: „Für sie gibt es eigene Straßen, die die einheimischen Araber
nicht benutzen dürfen“.
Ein Weg zum Frieden ist das sicher nicht, betont Musharbash: „In Israel
sind die Extremisten derzeit in der Regierung. In Palästina versucht
Arafat diese Kräfte von der Macht fernzuhalten“. Gleichzeitig betont er,
dass Kritik an der aktuellen Politik der Israelis und der USA nichts mit
Anti-Amerikanismus oder gar Antisemitismus zu tun hat. Musharbash: „Auf
dem Weg zum Frieden müssen sich alle bewegen. Aber es kann funktionieren.“
Bad Iburg (hil) Quelle - Neue
Osnabrücker Zeitung - 20.11.2002 |