Der
23. arabische Polizeistaat
Ein Polizeistaat
ohne Staat
Khalid Amayreh
Eine
Regierung, die ihre
politischen Gegner entweder
durch Folter oder Mord
umbringt und dann versucht,
dieses Verbrechen zu
vertuschen oder seine
Schwere zu verringern, ist
schlicht und einfach eine
kriminelle Regierung.
Als
palästinensische Bürger sind
wir sehr beunruhigt, dass
die in Ramallah sitzende
Regierung tatsächlich ein
weiterer arabischer
Polizeistaat wird wie die
anderen 22 Polizeistaaten in
der arabischen Welt. Es gibt
allerdings einen deutlichen
Unterschied, da in unserm
Fall, der palästinensische
„Staat“ offensichtlich ein
Polizeistaat ohne Staat ist.
Vor zwei
Wochen hat der
palästinensische
Geheimdienst, Mukhabarat,
wie berichtet wurde, in
brutaler Weise acht Leute
aus dem Dorf Kober ( Qubeibe?)
bei Ramallah verhaftet.
Unter den Verhafteten war
der Iman der lokalen Moschee
Majd al-Bargouthi, 45, und
Vater von acht Kindern. Man
legte ihm zur Last, dass er
angeblich eine Waffe
irgendwo versteckt halte.
Al-Barghouti leugnete, dass
er je eine Waffe besessen
habe oder etwas von so einer
wüsste.
Acht Tage
lang wurde Barghouti
physisch schwer gefoltert,
geschlagen, Brandwunden
zugefügt, der Schlaf
entzogen und die sog.
Hooding-Technik (Sack über
dem Kopf) angewandt,
tatsächlich dieselben
Foltermethoden, die Israels
Geheimdienstapparat, der
Shin Bet gegen
palästinensische Gefangene
anwendet .
Am
Mittwoch, den 20.Februar
verlor Al-Barghouti das
Bewusstsein und wurde
überstürzt in ein
Krankenhaus in Ramallah
gebracht. Der behandelnde
Arzt sagte den
Mukhabarat-Agenten, dass der
Mann sich in einem
kritischen Zustand befände
und dass er dringend
Behandlung im Krankenhaus
benötige.
Doch die
Mukhabarat-Agenten ließen
den Rat des Arztes beiseite
und entschieden sich, ihn in
die Folterkammer
zurückzunehmen.
Am
Freitag (22.2.) starb
Al-Barghouti nach einer
ausgedehnten Foltersitzung -
wie berichtet wurde. Nach
Mitgefangenen, die im
Nebenraum festgehalten
wurden, schrie er
stundenlang vergeblich um
Hilfe. Dann wurde seine
Stimme immer schwächer,
bis er starb.
Nach
seinem Tod flüchteten die
Agenten als auch die PA und
Fatahsprecher auf die
„Schadenbegrenzungs-Schiene“
und behaupteten, dass der
Mann schon krank gewesen
sei, dass er ein Herzproblem
gehabt habe, was seine
Familie vehement leugnet: er
habe keine ernsten
Gesundheitsprobleme gehabt.
Sie bestehen darauf, dass
ihr Sohn vom Mukhabarat
einfach umgebracht worden
sei.
Der
Autor dieses Berichtes
hatte die Gelegenheit, den
Körper des Opfers zu sehen
und kann bezeugen, dass der
Mann äußerst brutaler
Behandlung, Schlägen,
Strangulierung und
Verabreichung von
Elektroschock ausgesetzt
worden war.
Dutzende
von Ärzten, Journalisten,
Juristen und gewöhnliche
Leute haben mit ihren
eigenen Augen das Ausmaß an
Folter gesehen, die das
Opfer durchmachen musste.
Das sind keine Vermutungen
sondern Fakten.
Nun ist
der Ball zweifellos in
Mahmoud Abbas Hof. Als
Präsident der
palästinensischen Behörde
ist er rechtlich und
moralisch dafür
verantwortlich, was dort
geschehen ist.
Das
palästinensische Volk
erwartet von ihm, sich
verantwortungsbewusst zu
verhalten und zu handeln,
nicht wie der Chef der
Fatahorganisation, sondern
als der Präsident aller
Palästinenser. Dies ist
tatsächlich der letzte Test
der Glaubwürdigkeit von
Herrn Abbas und falls er –
Gott bewahre – diesen Test
nicht besteht, würde er
danach nicht mehr ernst
genommen werden.
Das
heißt, er muss eine wirklich
neutrale und professionelle
Untersuchungskommission
anordnen, die innerhalb
eines vernünftigen
Zeitraumes genau untersucht,
was geschehen ist, und die
Wahrheit unter Beweis
stellen.
Dem
palästinensischen Volk muss
zugesichert werden, dass
hier kein regelwidriges
Spiel gespielt wird, keine
Augenwischerei und keine
Vertuschung. Schließlich
sind wir keine Gruppe von
Idioten und Einfaltspinsel,
die die sog. Regierung
leicht täuschen und
hineinlegen kann.
Schließlich müsste die
Raison d’etre jeder
Regierung sein, ihrem Volk
zu dienen und nicht es
umzubringen.
Wenn
tatsächlich herauskommen
sollte, dass Barghouti an
Folgen von Folter gestorben
ist, was sehr wahrscheinlich
ist, müsste der Chef der PA
und seine Regierung den Mut
haben, sich an das
palästinensische Volk zu
wenden, und ihm die
Wahrheit, die ganze Wahrheit
und nichts als die Wahrheit
über das zu sagen, was
geschehen ist.
Und dann
erwartet das Volk Palästinas
von seiner Excellenz, dass
er sofort den Chef des
Geheimdienstes, H. Tawfik al
Tirawi absetzt, weil er das
Gesetz verletzt hat, das die
Praxis der Folter verbietet
…
Wir
erwarten von ihm auch, dass
die Person oder Personen,
die direkt oder indirekt am
Tod von Bargouthi beteiligt
waren, strafrechtlich
belangt werden.
Aber da
gibt es gewisse Aufgaben,
die Abbas nicht erst nach
den Ergebnissen der
Untersuchung ausführen muss.
Präsident Abbas sollte
sofort alle seine
Geheimdienstagenturen dahin
instruieren, mit der
Anwendung von Folter in
ihren Folterkellern
aufzuhören. Es ist wirklich
eine Schande, dass während
wir uns über die
willkürliche Anwendung von
Folter durch Israel
beklagen, wir selbst Folter
gegen unsere eigenen Leute
anwenden, gegen uns selbst:
wir sollten uns schämen!
Außerdem
sollte Abbas bald ein Dekret
herausgeben, in dem alle
politischen Verhaftungen als
ungesetzlich festgelegt
werden, d.h. das Verhaften
von Leuten wegen ihrer
politischen Ansichten.
Dieses Dekret müsste all
diesen jungen und meist
ungebildeten
Sicherheitsleuten
ausreichend klar machen,
dass sie nicht über dem
Gesetz stehen und dass sie
schwer bestraft werden, wenn
sie noch einmal Folter
anwenden.
Ich weiß,
es ist unmöglich
Al-Barghouti ins Leben
zurück zu holen. Doch um
seiner Familie und seiner
Freunde und des
palästinensischen Volkes
willen, muss eine
Wiederholung dieses
Verbrechens verhindert
werden. Aber dies ist nur
möglich, wenn wir den Willen
haben, das zu tun was recht
ist.
Noch ein
Wort zur EU und andern
Geberstaaten, die die PA am
Leben erhalten.
Sie sind
nicht völlig unschuldig an
diesem Verbrechen. Sie
wissen genau, dass diese
Männer, die das Opfer
umgebracht haben, ihr Gehalt
von Ihnen bekommen. Sie sind
ihre Finanziers.
Und ich
bin sicher, dass die
Europäer, die sie vertreten,
nicht damit einverstanden
sind, dass ihre Steuergelder
dazu benützt werden, schwere
Menschenrechtsverletzungen
auszuführen, einschließlich
des Rechtes auf Leben.
Deshalb
ist es äußerst wichtig, dass
Sie ihre finanzielle Hilfe
für die PA davon abhängig
machen, wie weit die
Menschenrechte in den
besetzten Gebieten
eingehalten werden.
Ich bin
noch nicht auf die
amerikanische Rolle in
diesem makabren Sumpf in der
Westbank eingegangen. Es
sind offensichtliche Gründe,
denn die USA, die Folter
praktiziert, ist ein Teil
des Problems.
Ich wende
mich an die Europäer,
besonders an das
EU-Parlament, denn dieses
hat noch einen Anschein von
Höflichkeit und
Anständigkeit.
Aus
diesem Grund hege ich die
Hoffnung, dass die EU der
Regierung in Ramallah sagt,
mit der Folter sofort
aufzuhören.
Übersetzt von Ellen Rohlfs