Wer versäumte den Zug?
Akiva Eldar, Haaretz 30.5.06
Die Komplimente, die
Olmert auf George Bush mit Blick auf die Krisis mit dem Iran und in den
besetzten Gebieten häufte, wird die Lage des US-Präsidenten in
Washington etwa so verbessern, wie eine Aspirintablette die eines
Krebskranken im Hungerstreik in Jerusalem.
Genau wie im
Irakkrieg, so auch im Konflikt mit dem Iran ist der Ruf der
Bush-Regierung nicht gerade himmelhoch. In einem Interview, das auf der
Website des renommierten Rates für ausländische Beziehungen
veröffentlicht wurde – der Direktor war vom Präsidenten ernannt worden –
wird Bush angeklagt, eine Gelegenheit verpasst zu haben, mit dem Iran
ein Abkommen zu schließen, nicht nur hinsichtlich der Entwicklung von
Massenvernichtungswaffen.
Die Berichte eines
neuen versöhnlichen iranischen Angebotes lässt diese Geschichte
glaubwürdig erscheinen. Flint Everett, bis vor drei Jahren ein ranghohes
Mitglied des Nationalsicherheitsrates, behauptet, dass am Vorabend
seines Ruhestands im Mai 2003 ihn ein Dokument erreicht hat, in dem
Teheran ausdrückt, dass es aufhören wolle, palästinensische
Terrororganisationen, einschließlich Hamas und Islamischen Jihad mit
Waffen zu unterstützen und sie dazu zu bewegen, keine Terroranschläge
mehr gegen Zivilisten innerhalb der Grünen Linie durchzuführen. Es wolle
auch Druck ausüben, dass die Hisbollah eine politische Körperschaft
werde.
In dem Dokument,
dass die Amerikaner durch den Botschafter der Schweiz ausgehändigt
bekamen, haben sich die Iraner sogar mit der Beirut-Resolution der
Arabischen Liga vom März 2002 einverstanden erklärt, die Beziehungen
mit Israel zu normalisieren, wenn es sich zu den Grenzen von 1967
zurückzieht. Als Gegenleistung für aufgehobene Sanktionen, dem Löschen
ihres Namens aus der Liste der „Achse der Bösen“ und ein Stoppen der
amerikanischen Unterstützung für anti-iranische Terrorgruppen war die
Regierung des relativ moderaten Präsidenten Mohammed Khatami bereit,
beschleunigte Verhandlungen über ein Abkommen für begrenzte nukleare
Entwicklung zu eröffnen, dass für nur friedliche Zwecke Verwendung
finden solle.
Everett, ein
ranghohes Mitglied im Saban-Zentrum für Nahostpolitik am
Brooking-Institut, sagte, dass in jenen guten Tagen nach der Eroberung
des Irak, der Iran bereit war, einen umfassenden strategischen Dialog
mit der USA zu führen. Leider zeigten die Neo-Kons und sogar Bush
selbst kein Interesse an solch einem Dialog und Abkommen mit dem Iran,
einschließlich eines Abkommens über das Nuklearproblem. Sie waren
entschlossen, das Regime in Teheran anzugreifen, sobald sie die neue
Ordnung in den Irak gebracht hatten, fügte Everett hinzu.
Statt den iranischen
Vorschlag ernsthaft zu prüfen und die Kontakte fortzusetzen, wurde
-nach Everett - der Botschafter der Schweiz von der US-Regierung scharf
getadelt, er versuche, seine Nase in die Angelegenheiten anderer zu
stecken. Funktionäre im Weißen Haus und Außenministerium sagen, kein
maßgeblicher iranischer Vorschlag, um direkte Verhandlungen zu beginnen,
wären je vor die US-Regierung gebracht worden. Dr. Hagai Ram von der
Ben-Gurion-Universität, einem Historiker, der sich auf den Iran
spezialisiert hat, sagt, dass angesichts des vorausgegangenen
Scheiterns, einen Dialog nach den Geschehnissen vom 11.9. zu beginnen,
man Everetts Version der Ereignisse genau ansehen sollte. Es ist nicht
klar, ob man mit Mahmoud Ahmadinejad nicht den rechten Zug versäumt
habe.
(dt. Ellen Rohlfs)
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