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Während die Welt schweigend steht und dem Raub und der Zerstörung Palästinas zusieht, gehen meine Gedanken immer wieder zurück zu einem anderen Ort, einer anderen Zeit. Auch noch heute, als ich die Nachricht erhielt, dass mein geliebtes Dorf ummauert und seine Ländereien gestohlen werden.

 

Erste Liebe

Von Mike Odetalla

Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, wann es passierte, noch kann ich sagen, wie es passierte, aber seid versichert, dass es gewiss geschah.

Ich habe mich verliebt in diese, meine erste Liebe. Ich war vernarrt, könnte aber nicht erklären wie oder warum. Ich war nur ein Kind, das die Gefühle, die ich für dieses schöne Mädchen hatte nicht in Worte fassen konnte, deren wahre Reichweite sich erst viel später zeigten, erst nachdem ich von ihr getrennt war. Die immense Entfernung zwischen uns hat meine Sehnsucht nur ständig erhöht. Sie war in meinem Blut und es gab nichts auf dieser Erde, dass sie entfernen konnte. Ihr Name heißt Palästina. Das erste mal, dass ich sie erblickte war

am 1.Dezember 1960. Das war der Tag and dem ich auf ihrer Erde geboren wurde und meinen ersten, lebensspendende Atemzug aus ihrer heiligen Luft zog.

Sie nährte mich mit auf ihrer Erde gewachsener Nahrung, von ihrem Tau gewassert, und die mischte sich und formte mein Fleisch und Blut. Erst 1965 begann ich, ihre Schönheit und Wärme zu spuren und zu sehen. Ich war ein neugieriges und abenteuerlustiges Kind, im Dorf Beit Hanina aufgewachsen, ein Vorort Jerusalems. Ich verbrachte Tage auf Tage mit der Erforschung der Hügel und Bäume, die das Dorf meiner Jugend umgaben. Ich rannte von den Obst- und Olivengärten meiner Familie zu den Höhlen in den Hügeln. Mir fehlte es nie an Abenteuern. Eine Schleuder, handgemacht aus Olivenholz und Gummi von einem Autoschlauch, war mein ständiger Begleiter. Alle Kinder des Dorfes hatten Schleuder, die ihnen aus der hinteren Hosentasche hingen. Geschicklichkeit und Zielgenauigkeit mit einer Schleuder war eine Quelle des Stolzes für die Jugend unseres Dorfes.

Wie kann ich solch eine Liebe zwischen einem Mann und seinem Land beschreiben? Der Frühlingsmorgen, reich gefärbte Hügel wimmelnd vor Blumen, Pflanzen und blühenden Bäumen, die durch den liebensspendenden Frühjahrsregen gewässert werden. Auf dem Balkon stehend - hoch, über das Tal und hinaus zu den Bergen blickend - den mein Großvater gebaut hatte, sah ich was er gesehen, bewundert und geliebt hatte: eine alte Weinrebe, Anfang des Jahrhunderts gepflanzt, das sich die Treppe hoch windet, den Balkon bedeckt und Schutz vor der heißen Sommersonne lieferte, sein reiches, smaragdgrünes Dach eine Zuflucht, seine Blätter von meiner Mutter, meiner Großmutter und meinen Schwestern mit zärtlichen, liebevollen Händen zu einem Hauptnahrungsmittel gerollt - wie es auch die goldenen Trauben waren, die direkt über meinem Kopf in der leichten Brise hingen.

Ich kletterte auf die Hügel, wo mein anderer Großvater lebte und betrachtete das Tal unter mir, mein Dorf und das Minaret der Moschee - mein Kompass von jeder Stelle. Im Westen, die Obstgärten meiner Familie, ein lebendiger Teppich aus grün, rosa und weißen Blüten, die Felder, Hügel und Täler voller Dorfbewohner, die ihre Saat und ihr Obst pflegten.

Von Maultieren und Pferden gezogen Pflüge, die die Obstgärten und die offenen Felder durchpflügten und lange gerade Furchen in der frischen Erde zogen. Schäfer und ihre Herden von Schafen und Ziegen, kleine Lämmer die in den frühen Fühlingsmonaten geboren wurden und auf dem neuen Gras, den Pflanzen und Blumen weideten, sprenkelten die Hügel. Im Osten, die Feigen- und Olivenhaine meiner Familie, Felder voller roter Mohn wogen sich im Wind.

Die Frauen des Dorfes wanderten über die Hügel und sammelten Kräuter und Pflanzen, um das Essen zu würzen und unsere Verletzungen und Krankheiten zu heilen. Was nicht sofort gebraucht wurde, wurde getrocknet und aufbewahrt. Meine Mutter teilte mir den Wachdienst zu am Rand einer unserer Haine, wo die Pflaumen und Aprikosen wuchsen: meine Aufgabe war es, die Mädchen von der benachbarten Mädchenschule von den Bäumen un d ihren Früchten fern zu halten. Die Mädchen liebten es, die kleinen, unreifen und noch grünen Früchte zu pflücken; sie sind meist sauer, und sie tunkten sie gerne in Salz und knabberte sie als Snack, auch die grünen Mandeln die es in Palästina im Überfluss gab. Meine Mutter, Gott segne sie, pflegte fast alles was es gab sauer einzulegen: grüne Pflaumen, Aprikosen und Mandeln neben den gewöhnlichen Dingen wie Gurken, Auberginen und grüne Tomaten. Unser ganzes Gemüse wuchs im eigenen Garten.

Die Hitze des Sommers ließ die goldenen Aprikosen, Pflaumen in jeder Farbe des Regenbogens, flaumige Pfirsische und andere Früchte im Überfluss.

Die frühen Sommermonate waren die Zeit der Aprikosenernte, später die Pflaumen und Pfirsische und schließlich die Trauben und Feigen, die erst im Spätsommer reif werden. Nichts ist mir stärker im Gedächtnis als de r frühe Morgen, bei Tagesanbruch wach zu werden und zu den Obstwiesen zu laufen, um die gefallenen Aprikosen aufzusammeln. Sie waren von Mutter Natur gereift und noch bedeckt vom kühlen Tau der Frühe, der das palästinensische Länd im Sommer, wo der Regen fehlt, bewässert. Ich wählt eine dieser Schönheiten, hob sie über meinen Mund und drückte die Tropfen süßen goldenen Nektars auf meine Zunge. Der Geschmack ist noch bei mir, 35 Jahre später, nie kopiert. Was wir nicht aufaßen hat meine Mutter zu Marmelade und Gelee bearbeitet, so dass wir die Früchte unseres Landes das ganze Jahr lang genießen konnten.

Im Herbst kam die Olivenernte, die berühmteste Ernte Palästinas. Olivenbäume können viele Jahrhunderte leben und sind ein wichtiger Teil palästinensischen Lebens. Gepflegt wie man ein Neugeborenes pflegt, sind Olivenbäume synonym mit Palästina und seinem Volk. Sie Haine und ihr Ertrag sind ein wesentlicher Teil palästinensischen Lebens Die Olivenernten war Feste, die Hügel und Täler wurden lebendig von Leuten, ganze Familie, Dutzende von Menschen tragen Leitern und Säcke auf dem Weg, ihren kostbaren Ertrag zu ernten. Die Olivenernte war bei Weitem

meine

liebst Jahreszeit. Ich liebte es, mit meinen Geschwister zusammen die Oliven zu pflücken und unsern Picknick zu essen unter den Bäumen, die meine Vorfahren gepflanzt und vor uns abgeerntet hatten, da wo sie, wie ich, unter denselben Bäumen vor Hunderten von Jahren gegessen hatten.

Nach der Ernte werden Oliven entweder gewendet, geknackt und eingelegt oder zu den naheliegenden pressen geschickt, um zum besten kaltgepressten Olivenöl dieser Erde zu werden. Bis heute bekomme ich Olivenöl von meiner Mutter, das immer noch von den Oliven, die auf unserem Land gewachsen sind, gepresst wurde, von denselben Bäumen, die meine Vorfahren abgeerntet hatten, und auf denen ich als Junge geklettert war und gepflückt hatte.

Die Wintermonate wurden in relativer Ruhe im Haus verbracht. Es gab keinen Strom im Dorf meiner Jugend: wir verbrannten Holz um unser einfaches Heim zu heizen. Ein große metallenen Tonne mit beiden Enden abgeschnitten stellten wir auf den runden Ofen, häuften Holz hinein und zündeten das Feuer an. Nachdem das Holz zu Glut geworden war trugen wir es hinein, um die Wohnung zu heizen. Manche Leute hatte Petroleumöfen, aber die meisten benutzten die einfachen Holzöfen, die ich liebte.

Als Kinder haben wir ihr in der heißen Asche geröstet, nach wenigen Minuten waren sie fertig zum essen und schmeckten so viel besser als einfache gekochte Eier. Die Erwachsenen haben Kaffee und Tee am Rand der Glut gekocht.

Im Winter kam der notwendige Regen, auch hin und wieder Schnee. Wir Kinder waren verrückt wenn der Schnee fiel. Wir rannten hinaus um zu spielen, wissend,. dass es schmelzen würde, sobald es die Erde berührten Der Anblick schneebedeckter Hügel war selten und eine ehrfurchtgebietende Aussicht; schneebedeckte Olivenbäume sind ein ganz besonderer Anblick.

Familien saßen ums Feuer, tauschten Geschichten aus, die seit Generationen weiter gegeben worden waren. Wir hatten ein altes Radio, aber wir haben uns meist selber unterhalten, woraus ein unbeschreibbares Gefühl von Zusammengehörigkeit mit der Familie entwuchs. So war das Leben, dass verursachte, dass ich mich in mein schönes Palästina verliebte.

Seine Erde ist mit meinem Blut vermischt, seine Luft erfüllt meine Lungen, ihre Schönheit ist für immer ausgebreitet im Museum meines Geistes... Die erst Liebe vergisst man nie.

Heute ist mein Dorf kaum noch zu erkennen. Es ist jetzt umringt von jüdischen Siedlungen, die sie zu dominieren und zu ersticken scheinen. Es gibt eine Straße nur für Juden, die geradewegs durch den Herzen meines geliebten Dorfes führt, wie eine riesige Narbe auf einem sonst schönen Gesicht. Die meisten Olivenbäume sind zerstört und entwurzelt durch die Israelis in ihrem unersättlichen Durst nach Land. Das Dorf ist zerteilt, die Menschen dürfen nicht von einer Seite des Dorfes zur anderen gehen, auch nicht wenn sich ihre Ländereien dort befinden. Die Leute sind  von ihrem Land, ihre Feldfrüchten, ihren Obstgärten und, wichtiger noch, ihren Familien durch Straßensperren und Soldaten abgeschnitten.

Palästina ist heute ein Land, dass blutet und Schmerzen erträgt. Möge die Gnade Gottes die Wunden heilen und die gebrochenen Herzen flicken, so dass es den wahren Frieden kennen möge.

Wenn ich meine Augen schließen und angestrengt nachdenke, kann ich immer noch die Dinge sehen, die mich dazu brachten, mich wahnsinnig  in meine Heimat zu verlieben. Ja, es hat sich verändert, und ja, es hat ein paar Narben, einige Falten und Linien, aber sie binden mich nur noch fester daran, an meine erste und wahre Liebe.

Mike...."Ein Samenkorn in der Frucht Palästinas"
Mike Odetalla
Hanini(at)comcast.net
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