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COHRE-Stellungnahme, 19.1.09

 Zusammenbruch auf dem Trinkwasser- und Abwasser-Sektor in Gaza – Schwere Missachtungen des internationalen humanitären Gesetzes und schwere Verletzungen des internationalen Menschenrechtsgesetzes

 

Nach 22 Tagen israelischer Angriffen auf den Gazastreifen ist die Wasserversorgung und die Abwasser-Entsorgung am Zusammenbrechen. Der Trinkwasser- und Abwassersektor war nach den 18 Monaten Blockade von Gaza immer schon eine sensible Frage, denn die Einfuhr von Baumaterial zum Neubau und zur Reparatur von Anlagen auf dem Wasser- und Abwassersektor, ebenso wie die notwendige Lieferung von Brennstoff und Elektrizität für den Antrieb der Pumpen der Kläranlagen und Wasserbrunnen wurde verhindert. Das Bombardement aus der Luft durch Israel ab dem 27. Dezember 2008 sowie die Bodeninvasion seit dem 3. Januar machte aus einer verzweifelten humanitären Situation die    Katastrophe schlechthin.

 

Zur Zeit der Stellungnahme hatten  mehr als eine halbe Million Bewohner des Gazastreifens (ein Drittel der Bevölkerung) keinen Zugang zu Trinkwasser. Einige hatten mehr als 10 Tage lang überhaupt kein Wasser. Die CMWU (Costal Municipalities Water Utility), der Wasserversorgungsbetrieb in Gaza kündigte an, dass sie die Dienste im  Wasser- und Abwassersektor wegen der Sicherheit des Personals und dem akuten Mangel an Ersatzteilen, Material, Werkzeug, Elektrizität und Brennstoff, der für die Wiederherstellung der Anlagen nötig war, nicht leisten können.

 

Israelische Armeeangriffe haben in der Infrastruktur der Wasser- und Abwasserversorgung enorme Schäden angerichtet. Wegen der Zerstörung der Rohrleitungen erhalten mehr als 30.000 Einwohner von Nussierate und mehr als 200.000 Einwohner von Gaza City kein Wasser. Die Zerstörung des Brunnens von El-Edara ließ 25.000 Bewohner von Jabalia ohne Wasserversorgung. Die Beschädigung eines Umspannwerkes für  einen Wasserbrunnen verhinderte die Wasserversorgung von 40.000 Bewohnern des südlichen Tal Al Hawa. Über die Zerstörung von Wasserleitungen/Wasserhähnen  wurde berichtet, lange Warteschlangen warten an den  Wasserlieferstellen und es werden verzweifelt Tankwagen benötigt, um die Menschen zu versorgen, die keinen Zugang zu Wasser haben. Drei Mitarbeiter der Palestinian Water Authority wurden während Angriffs durch das israelische Militär auf Gaza getötet, zwei davon, während sie bei Reparaturarbeiten an Kläranlagen arbeiteten, einer, der zu der Zeit am Wasserbrunnen beschäftigt war.

 

Abwasser überflutet zurzeit Wohnbereiche und stellt eine extreme Bedrohung der Gesundheit der Menschen und der Umwelt dar. Der Hauptkanal in Beit Hanoun wurde zerstört und das Haupt-Kraftwerk  der Kläranlage in Beit Lahia wurde angegriffen. Aufgrund der Invasion durch  israelische Truppen im Gebiet von Netzarim konnte die Kläranlage von Gaza nicht repariert werden und ist in Gefahr zu kollabieren. Es wird berichtet, dass das Abwasser von dieser Kläranlage zurzeit das Gebiet bis zu 1 km Entfernung von der Kläranlage überflutet. Der Abwasserstand des Hauptteiches in Beit Lahia steigt, weil das Wasser nicht abgepumpt werden kann, da kein Strom für den Betrieb der Pumpe vorhanden ist; durch den Ausfall könnten Millionen Kubikmeter Abwasser in die umgebenden Bereiche auslaufen und Leben und Eigentum gefährden. Bisher wurden Appelle an die israelischen Autoritären um  Material zur Reparatur der verwüsteten Infrastruktur und  Zugang von technischem Personal zu dem Gebiet verweigert.

 

Bewaffnete palästinensische Cliquen haben durch das Abfeuern von Raketen auf zivile Gebiete in Israel das internationale humanitäre Gesetz gebrochen, während  die wahllose und exzessive Anwendung von Gewalt durch israelisches Militär im Gazastreifen das internationale humanitäre Gesetz ebenso bricht. Als Besatzungsmacht in Gaza, die eine wirksame Kontrolle über das Territorium von Gaza ausübt, bleibt Israel verantwortlich für das Wohlergehen der Zivilbevölkerung und ist verpflichtet, das internationale Menschenrechtsgesetz und die Vierte Genfer Konvention einzuhalten. Der allgemeine Artikel 3 der Genfer Konventionen I – IV hält fest, dass „Personen, die nicht aktiv an Feindseligkeiten teilnehmen ..

unter allen Umständen human zu behandeln sind“. Das Zusatzprotokoll I zu den Genfer Konventionen macht klar, dass es „verboten ist, Objekte, die für das Überleben der Zivilpersonen notwendig sind, anzugreifen, zu zerstören, wegzuräumen oder unbrauchbar zu machen, als da sind, Nahrungsmittel, Ernteerträge, Vieh, Trinkwasseranlagen und --versorgung, und Entwässerungsanlagen“ (Artikel 54).  Willkürliche Angriffe auf Zivilisten, auf Eigentum von Zivilpersonen und auf Infrastruktur sind also streng verboten. Jedoch: Israel hat die Infrastruktur in Wasserversorgung und Abwasserentsorgung gezielt angegriffen und die CMWU berichtet, dass die ganze Basis-Infrastruktur für Wasser und Abwasser in den Gebieten zerstört wurde, die militärischen Angriffen ausgesetzt waren. Dazu gehört am 10.1. ein direkter Angriff auf die Kläranlage der Stadt Gaza. Am 18. Januar wurde im Gebiet Abu Ghazala von Beit Hanoun der Wasserbrunnen zerstört, wobei ein eineinhalbjähriges Kind getötet wurde, dessen Elternhaus sich nahe dem Brunnen befand.

 

Artikel 18 des Zusatzprotokolls I zur Genfer Konvention macht klar, dass „die Konfliktparteien zu jeder Zeit unterscheiden sollen zwischen der Zivilbevölkerung und Kämpfern und zwischen zivilen Objekten und militärischen Objekten und dementsprechend ihre Operationen nur gegen militärische Ziele richten dürfen“. Angriffe auf die Infrastruktur für  Wasser und Abwasser und auf technische Hilfskräfte, die ihre Pflichten der Instandsetzung von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ausführen, können diesen Forderungen nicht entsprechen. Sowohl Israel wie auch palästinensische Gruppierungen sind verpflichtet, sofort ihre ungesetzlichen Angriffe zu stoppen, und riskieren ansonsten, für Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Als Besatzungsmacht ist Israel unter dem internationalen humanitären und Menschenrechtsgesetz verantwortlich für das Wohlergehen der Zivilbevölkerung und muss   sicherstellen, dass die Palästinenser versorgt werden oder man ihnen erlaubt, sich zu versorgen mit dem Basisbedarf zum Überleben, wozu Nahrungsmittel, Wasser, Medikamente und Wohnung gehören. Kriegsgefangenen und/oder geschützten Personen muss der Zugang zu Trinkwasser, Wasser für Körperpflege und Abwasserentsorgung gemäß den Genfer Konventionen garantiert sein (III. G.K. Artikel 20, 26, 29, 46; IV. G.K. Artikel 56, 85, 89, 127). Die Vierte Genfer Konvention, die sich auf den Schutz von Zivilpersonen in der Zeit des  Krieges (1949) bezieht, hält fest, dass eine Besatzungsmacht verantwortlich ist für die Gewährleistung der öffentlichen Gesundheit und Hygiene in dem besetzten Territorium, was die Versorgung mit sauberem Trinkwasser und entsprechender Abwasserentsorgung notwendig macht (IV.G.K., Artikel 56). Sie hält ferner fest, „wenn die ganze oder ein Teil der Bevölkerung eines besetzten Landes nicht entsprechend versorgt wird, soll die Besatzungsmacht organisierte Hilfe für die genannte Bevölkerung zulassen, und diese durch alle ihr zur  Verfügung stehenden Hilfen unterstützen“ (IV. G.K., Artikel 59). Gemäß dem internationalen Dachvertrag für  wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and cultural Rights) hat der Staat Israel einen Menschenrechtsvertrag ratifiziert, dem gemäß allen Menschen das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und das Recht auf den höchst erreichbaren Standard von körperlicher und seelischer Gesundheit garantiert wird, worin auch das Recht auf sicheres und ausreichend Wasser, sowie  leistbarem und erreichbarem  Zugang zu Wasser- und Abwasserdiensten und Einrichtungen eingeschlossen ist.

 

Anstatt diese Verpflichtungen gemäß internationaler Menschenrechte und dem humanitären Gesetz zu erfüllen haben israelische Angriffe den Zugang zu Wasser und die Entsorgung von Abwässern reduziert, und Israel hat nichts unternommen, um diese Einrichtungen wieder herzustellen. Der Zivilbevölkerung diese notwendigen Mittel zum Überleben zu verweigern oder die Behinderung der Bereitstellung von humanitärer Hilfe ist ein Kriegsverbrechen, und als solches anerkannt durch das Statut von Rom des Internationalen Gerichtshofes (1998) (Israel hat dieses Statut unterzeichnet aber nicht ratifiziert). Es macht klar, dass „im Sinne dieses Statuts „ Kriegsverbrechen“ bedeutet …

das absichtliche Verhungern lassen der Zivilbevölkerung als Methode der Kriegsführung, indem dem Volk zum Überleben unbedingt notwendige Dinge entzogen werden, einschließlich der willkürlichen Zurückhaltung von Hilfsgütern, welche nach  der Genfer Konvention (Artikel 8/2)  vorgesehen sind“.

 

 

 

 

COHRE appelliert:

 

  • an die Internationale Gemeinschaft, sicher zu stellen, dass die Resolution 1860 des Sicherheitsrates sofort angewendet wird, welche einen sofortigen, dauerhaften und voll respektierten Waffenstillstand fordert, der zu einem vollen Rückzug der israelischen Truppen aus Gaza und zur unbehinderten Versorgung und Verteilung von humanitärer Hilfe in ganz Gaza führt.

 

  • Hohe Vertragspartner der Genfer Konvention sollten sich sofort einigen und Israels

Befolgung der Genfer Konvention (Artikel 1) sicherstellen und Übertreter, die für die schweren Brüche verantwortlich sind (Artikel 146) zur Verantwortung ziehen.

 

  • Alle Staaten sollten Israel gezielte wirtschaftliche Sanktionen in dem Ausmaß auferlegen, wie sie im internationalen Gesetz der Menschenrechte vorgesehen sind. Solche Sanktionen sollen sich besonders auf Exporte israelischer Waren in ihre Länder  und auf die eigenen Exporte von militärischen Waffen und Ausrüstung nach Israel beziehen.

 

       *   Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sollten sofort das Freundschafts- 

            abkommen zwischen EU und Israel (EU-Israel Association Agreement) und alle

            wirtschaftlichen Verbindungen zu Israel aussetzen, die nicht    den „EU

            Guidelines über die Übereinstimmung mit dem internationalen humanitären Gesetz“ 

            entsprechen, welche  das Auferlegen von Sanktionen und anderen restriktiven

            Maßnahmen fordern und  die Justifizierung an den lokalen Gerichten oder

            an einem internationalen Verbrechenstribunal, z.B. dem Internationalen Gerichtshof

            vorsehen.

  • Mercosur sollte sein Freihandelsabkommen mit Israel suspendieren.

 

  • Ägypten sollte sofort alle Einschränkungen des Zuganges ziviler Einfuhr und Ausfuhr nach Gaza und von dort aufheben. Die Arabische Liga sollte Ägypten dringend auffordern, dieses zu tun.

 

Mehr Informationen erhalten Sie bei:

Lara El-Jazairi, Rechtsanwältin, Centre on Housing Rights and Evictions

     Tel.: +44 (0)79611908714

COHRE, gegründet 1992, ist eine unabhängige, internationale NGO, registriert in Holland, mit einem internationalen Sekretariat in Genf und regionalen Büros für Afrika, Nordamerika, Lateinamerika, und Asien/Pazifik. COHRE’s Programm „Wasserrechte“ arbeitet seit 2007 in Israel und den Besetzten Palästinensischen Gebieten.

 

(dt. Gerhild Merz)

 

 

 

 

 

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