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From: "Achim Mueller"  - To: <palaestina_forum(at)yahoogroups.de> Sent: Saturday, November 13, 2004 12:31 AM

 Hanan's Reise nach Ramallah

 

Hallo,
hier mal wieder eine Nachricht von mir!! Ich moechte Euch einmal erzaehlen, wie eine Reise durch Palaestina auch aussehen kann...

Vorgestern stand wieder einmal das monatliche meeting von ISM in Ramallah auf dem Programm, zu dem wir- die drei palaestinensischen Koordinatoren und drei
Internationale - um 8 Uhr in der Altstadt von Nablus aufbrachen. Nach Ramallah sind es ca. 50 Kilometer, es kann sich jeder ausrechnen, wie lange man normalerweise - das ist wirklich ein passendes Wort hier... - fuer diese Strecke braucht.

Tatsache ist, dass wir 11 Stunden brauchten, um in Ramallah anzukommen, womit wir den ISM-Rekord von! 6 Stunden geschlagen haben. Worauf wir wirklich stolz
sind...

Als kleine Hintergrundsinformation ist vorab wichtig zu wissen, das seit drei Tagen etwas in und um Nablus im Gange ist. Das hat zum einen mit dem 16-jaehrigen
Mann aus dem Askarcamp in Nablus zu tun, der sich vor  ein paar Tagen in Tel Aviv in die Luft gesprengt hat, woraufhin am Montag die Armee dort auftauchte, im
Laufe des Nachmittags einen 12-jaehrigen Jungen erschoss, am Abend dann in die Altstadt von Nablus eindrang, wo als Frauen verkleidete Mitglieder der israelischen special forces drei gesuchte Personen toeteten, als sie aus der Moschee kamen, einen vierten Mann verletzten, so dass er spaeter starb, ausserdem zwei andere gesuchte Personen schwer verletzten, so dass diese im Krankenhaus behandelt werden mussten. ( Aus dem sie am naechsten Tag flohen, bevor sich ihre Ahnung bestaetigte, dass die Israelis mit einem Grossaufgebot ins Krankenhaus eidringen wuerden, um nach ihnen zu suchen...). !

Zum anderen planen die Militaers hoechstwahrscheinlich eine neue In vasion in Nablus, jede Nacht sind spie-planes und Hubschrauber am Himmel, jede Nacht dringen Jeeps in die Altstadt und die camps ein, ausserdem war die ganze Stadt die letzten 2,5 Tage komplett abgeriegelt, die checkpoints so gut wie geschlossen, alle Zufahrtsstrassen mit  Militaerfahrzeugen gespickt...

Unter diesen Voraussetzungen machten wir uns also am Mittwoch um 8 Uhr morgens auf den Weg. An der Taxistation in Nablus angekommen, hiess es, es sei so gut wie unmoeglich, aus der Stadt rauszukommen, es gaebe eigentlich nur eine Strasse, die man probieren koenne...Wir nahmen also das erste Taxi, und fuhren in Richtung aus der Stadt heraus, dann nach Westen den einen die Stadt umgebenden Berg hoch, durch dorfaehnliche Gegend. Nach ca. 15 Minuten machte der Fahrer ploetzlich hinter einer Kurve eine Vollbremsung, es standen ca. 100 Meter vor uns 4 Soldaten auf der Strasse. Das war fast das erste Mal, dass ich hier in Nablus Soldaten zu Fuss unterwegs sah, ein Zeichen,! wie sicher sie sich fuehlten. Der Fahrer machte hektisch kehrt und brauste davon.

In einiger Entfernung warteten wir, machten dann nach 10 Minuten einen zweiten Versuch auf einer nahe gelegenen anderen Strasse, doch auch hier tauchten bald 2 Militaerfahrzeuge auf, also zurueck... Wir fuhren den Berg wieder runter, unten wartete ein Traktor mit Anhaenger auf uns...DAs sollte lustig werden, wurde es auch!! Wir 6 und fuenf andere aeltere Maenner, die auf dem Weg nach Mekka waren(!), kletterten auf dem Anhaenger und machten es uns auf dem durftig mit Planan ausgelegten Boden bequem, wenn man das denn so nennen kann...Was nun folgte, war die herrlichste Fahrt, die ich je in meinem Leben gemacht habe...Fuer 60 Minuten unter heisser Sonne ging es nun am Boden kauernd - man wollte ja nicht zu sichtbar sein fuer die Fernglaeser der Soldaten... - Sand- Stein- und Geroellwege rauf und runter, unter
Olivenbaeumen hindurch, ueber roadblockreste hinweg, mal rutschend, mal ausschere! nd, mal huepfend und springend, aber immer begleitet von dem unglaublich coolen, rauchenden telefonierenden, singenden, auf seinem Sitz hin und her balancierenden einfach grossartigem jungen Fahrer, der die Gegend kannte wie seine Hosentasche. Er fuhr uns im Endeffekt praktisch den Berg rauf, dann ein Stueck durch Doerfer nach
Norden, dann den Berg wieder runter, nicht ohne zuvor eine andere Strecke probiert zu haben, auf dem wieder mitten in der Pampa ein Jeep auftauchte und uns zum
Umkehren zwang...

Mit dieser Tour umgingen wir unten im Tal einen checkpoint, durch den wir sicherlich nicht rausgelassen worden waeren.
Nach ca. einer Stunde, nun hinter dem Vorort Beit Iba und vor dem Doerfchen Der Scharaf, stiegen wir wieder in Taxi, konnten kaum fassen, wie bequem man reisen
kann...Doch diese Fahrt war nach 5 Minuten ersteinmal beendet, hinter dem Dorf war ein sogenannter flying checkpoint errichtet worden, von dem wohl alle mehr oder weniger ueberrascht waren, zuminderst der Taxifahrer. Diese checkpoints bestehen aus nichts ausser! zwei am Strassenrand stehenden Jeeps oder groesseren Militaerfahrzeugen und einer Handvoll Soldaten, die sich wichtig tun koennen.

Kurzum- wir wurden also angehalten, die Paesse wureden kontrolliert, wir drei Auslaender bekamen sie wieder, durften weiterfahren. Taten wir natuerlich nicht. Die
ID's der drei Palaestinemser behielten sie erst einmal. Sie behielten sie fuer die naechsten 60 Minuten, in denen sie uns anhielten, im Taxi zu warten - war natuerlich schoen kuehl darin, stand ja auch gar nicht in der Sonne...-. In der naechsten Stunden
hielten sie auf diese Art noch ca. 25 weitere palaestinensische Maenner fest, auf unbestimmte Zeit " detained". Nach ca. 45 Minuten rief ich Hamoket an , eine palaestinensisch-israelische Menschenrechtsorganisation an, die sich solchen
Kollektivbestrafungen und checkpointproblemen annimmt. Die nahmen dann auch Kontakt zum oertlichen commander auf, und nach 10 Minuten bekamen alle ihre ID's
zurueck und konnten weiterfahrern - ode! r wurden zurueckgeschickt. So wie unsere drei. Sie holten also ihre Pa esse von dem Soldaten ab, bekamen die Order, zurueck mnach Nablus zu fahren, kamen dann zum Taxi zurueck, in dem wir sassen, sprangen hinein, blickten auf die von der Maennertraube umgebenden Soldaten zurueck und riefen dem Fahrer zu, dass sie zwar nicht duerften, er aber einfach Gas geben und Richtung stadtauswaerts davonbrausen solle...Was dieser auch prompt tat, und tatsaechlich unbemerkt von den Soldaten. Puuh!!

Nach ca. 15 Minuten mussten wir wieder den Fahrer wechseln, dieser sollte uns nun endgueltig nach Ramallah fahren...Wir wussten von checkpoints zwischen der Stelle wo wir waren und Ramallah und sprachen mit dem Fahrer. Er moege diese doch bitte umfahren, was ja moeglich sei. Er meinte aber, man koenne es ja wenigstens mal probieren, notfalls wuerden wir halt umkehren und ihn dann umfahren...

Es kam, wie es kommen musste, wir wurden am checkpoint Zatara gestoppt, die Paesse wurden kontrolliert, wohin, woher, warum. 5 von uns bekamen die Paesse zur!
ueck, aber dann bekamen wir die naechste Stufe des Apartheidssystems hier zu spueren. Einer unserer Koordinatoren, Mohammad, ist aus Balata, dem Fluechtlingslager in Nablus, was auch so in seinem Pass steht. Er braucht deswegen eine spezielle Erlaubnis, um Nablus auf regulaerem - checkpoint- Weg  zu verlassen, die er nicht hat, weil er sie nicht will. Darauf machten ihn die Soldaten aufmerksam, er
erzaehlte ihnen, dass er das wisse, das er eine braueche, er aber schon so oft probiert haette, eine zu bekommen, dies ihm aber verweigert wurde.

Damit waren die natuerlich gar nicht zufrieden. Was nun folgte waren 3,5 Stunden "Detainment". Ich wartete mit ihm, der Rest der Gruppe 200 Meter hinter dem
checkpoint. In dieser Zeit versuchte ich zweimal- am Anfang, und nach Schichtwechsel - mit den Soldaten zu verhandeln, redete mir den Mund ziemlich fusselig, verlangte den commander, sprach auch mit ihm, musste mir solche Sachen anhoeren wie Warnung, Bestrafung, Lektion fuer ihn! usw., war im Endeffekt nicht erfolgreich. Von Anfangs 6,7 angedrohten Stunden Wartezeit reduzierten sie diese dann aber auf 3,5.

In dieser Zeit des stumpfsinnigen Wartens hatte ich die Moeglichkeit, mir ein Bild ueber das Leben an einem checkpoint zu machen, diese Gedanken werde ich mal in einer anderen Mail formulieren... Ausserdem habe ich mit Mohammad arabisch gelernt, die heisse Sonne genossen, und mein Telefon halbleertelefoniert. Das meeting in Ramallah ging exakt drei Minuten vor Mahammads Freilassung zu Ende, es war ausserdem die
Zeit des Fastenbrechens, was die ganze Sache noch frustrierender machte ... 1 Minute vor seiner Freilassung tauchte ausserdem einer der anderen beiden genervten Koordinatoren auf, und marschierte davon, zurueck in Richtung Nablus. Seine erneute
Passkontrolle dauerte ganze 10 Sekunden...Er kommt ja auch aus der Altstadt von Nablus...

Kurzum, Mohammed wurde also freigelassen, durfte aber nicht den Weg nach Ramallah fortsetzen. Wir wollten aber weiter, als Zeichen des Widerstandes gegen die Besatzung wollten wir dieses daemliche Ramallah erreichen...

Wir stiegen also wieder diesseits des checkpoints ins naechste Taxi, der Fahrer meinte, er kenne einen Weg ganz weit aussen herum nach Ramallah, auf dem keine checkpoints waeren. Wir vertrauten ihm und begannen, uns entspannt zurueckzulehnen. Dann im naechsten Dorf die erste Rechtskurve und was war da?? Ein flying checkpoint in 150 Metern Entfernung...Ich dachte, ich bin im Kino... Mohammed, immer noch total angespannt und wuetend, flippte aus, sprang aus dem Taxi und lief die Strasse zurueck. Wir waren alle ueberfordert und hochgradig angespannt, liessen ihn aber im Endeffekt
gehen. ( Dies passierte, nachdem er einen halben Kilometer zuvor schon einmal aus dem Auto gesprungen war, weil er nicht mit nach Ramallah, sondern zurueck nach Nablus wollte. Hier konnten Qusay und ich hinterherspringend ihn aber ueberzeugen, mit uns zu kommen.) Da aber die Soladaten dann schon wieder auf der Strasse waren -definitiv zuviel! fuer ihn.

 Er ging tatsaechlich zurueck nach Nablus, nicht ohne zuvor noch in einen anderen checkpoint zu geraten, durch den er aber relativ problemlos durchkam, dann aber am grossen Huwarra-checkpoint kurz vor Nablus fuer eine Stunde ein weiteres Mal
festgehalten zu werden. Dies zusammen mit unzaehligen anderen Frauen, Kindern und Maennern, die alle ihr Fasten auf der Strasse brechen mussten. Wir riefen wieder Hamoket an, vielleicht deswegen, vielleicht aus einem anderen Grund wurden nach besagter Stunde Mohammed und die anderen Bewohner Nablus' durchgelassen.-

Wir mussten uns dann recht intensiven Befragungen unterziehen, hatten aber eine ganz nette story für die Soldaten parat, wurden letzendlich - jetzt nur noch zu viert - durchgelassen. Wir brachen unser Fasten im Auto, ich hatte zum Glueck ein paar Datteln, Qusay organisierte eine Flasche Wasser am Strassenrand. Der Taxifahrer erwies sich als supernett und lud uns alle zum Essen eine halbe Stunde spaeter
in seinem Heimatdorf auf halber Strecke nach Ramallah ein. Dort! machten wir also 2 Stundne Pause, bekamen ein wahres Festmahl serviert, unterhielten uns sehr
nett und fuhren dann weiter. Er fuhr bis zum Kalandia-checkpoint bei Ramallah, durch den wor recht problemlos durchkamen, dann fuhren wir mit dem 6. Taxi des heutigen Tages zum Hotel...

Dort trafen wir noch den duennen Rest des Teams, es war inzwischen 9 Uhr abends, wir sassen noch todmuede 1,5 Stunden, dann goennte ich mir ein Hotelzimmer fur
18 Euro, genoss eine schoene Dusche, unterhielt mich dann noch bis 1 mit Rebeca, der anderen Langzeitaktivistin aus Nablus, die zur Zeit 2 Wochen Auszeit nimmt und fuer uns am meeting teilgenommen hatte...

Dann schlief ich aufgewuehlt und erschoepft, frustriert, wuetend und traurig ein.

Leider fehlt jetzt die Zeit fuer ein pompoeses Schlusswort, wie gesagt, meine Gedanken werde ich demnaechst einmal formulieren...

Freedom of movement - wo bist Du??

Machts gut,

Eure Wiebke/Hanan

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Hanan

 

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