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Alfred Grosser: Von Auschwitz nach Jerusalem. Über Deutschland und Israel.

Ein „Weites Feld“: Deutschland und Israel

Über einen erneuten Versuch von Alfred Grosser, uns Deutsche „zurechtzubringen“

Von Rupert Neudeck

26.09.09

Durch jedes neue Buch von Alfred Grosser erfahre ich mehr über mich als Deutschen mit meinen verschiedenen Identitäten. Er hat als seinen Beruf erkannt: „Moralpädagoge“.

Das Buch gibt ihm die Stimme zurück, die er als Moralist bester französischer Herkunft in Deutschland ein wenig verloren hatte. Warum? Er hat die politische Korrektheit nicht mitgemacht, mit der wir Deutschen uns gegenüber Israel salvieren wollen, in dem wir aus purer Bequemlichkeit nicht Kritik üben an Israel. Dass diese Bequemlichkeit leicht in Feigheit einmündet, wissen wir alle. In Deutschland wird jeder harsch in die Schranken verwiesen. Töne der Kritik an Israel werden dabei meist sofort gleich als antisemitisch oder als „an der Grenze zum Antisemitismus“ eingestuft.

Grosser bekennt im Nachwort vom 1. April 2009, dass er als etwas Älterer (geboren 1925!!) uns Deutschen weniger über die deutsch-französischen Streitthemen  zu sagen hat. Seit 2003 sieht es Grosser als seine Aufgabe an, seinen „Einsatz mehr der Tragik Israels und der Palästinenser“ zuzuwenden. Das verbindet er mit dem Versuch, in Deutschland die Öffentlichkeit zu beeinflussen, „um dem Fortschritt der warmen Vernunft beizustehen in der Betrachtung und der Behandlung dieser Tragödie.“

 

Er hat noch einmal und dramatisch die Erinnerung an seine eigenen Identitäten im ersten Kapitel herausgearbeitet, der als Sohn eines deutsch-jüdischen Kinderarztes in Frankfurt aufwuchs und mit der Familie schon im 2. Oktober 1937 die französische Staatsbürgerschaft annahm. Er hat der Versuchung standgehalten und hat niemals „Die Deutschen“ gesagt, so wie er auch nicht DIE Palästinenser, DIE Israelis sagt.

Er macht Klammerbemerkungen, die auf etwas hinweisen, was ganz wichtig ist. Also, Muslim sei, wer einen muslimischen Vater hat. Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat. „Das arme Kind mit einem jüdischen Vater und einer muslimischen Mutter ist also weder Muslim noch Jude!“

Die Nationalisten, die es auch in den Religionen gibt, halten es für unmöglich, dass man zwei Identitäten mit sich führen kann. Edith Stein aber habe sich auch als katholische Nonne, als Karmelitin weiter auf ihr Judentum berufen. Johannes Paul II, bei dem Grosser nie verschweigen kann, wie heftig er ihn verehrt, habe bei der Heiligsprechung diese Zugehörigkeit betont. Das gelte auch für den ehemaligen Kardinal-Erzbischof von Paris, Jean-Marie- Lustiger, der sich bis zu seinem Tod als Jude erklärt hat. Heißsporne, die es leider  auch im Judentum gibt, wollten ihm verbieten, an einer Gedächtnisfeier in Jerusalem teilzunehmen, „obwohl seine Mutter in Auschwitz umgekommen war“.

Wertvoll das Kapitel über den gegenwärtigen Weltfeind, den Islam: „Der vereinfachte Feind: der Islam“, so stellt er die Weltreligion vor. Und beginnt mit dem herrlichen Satz: „Wie gut lässt es sich mit Samuel Huntington leben!“ Er zitiert die Hassorgien der italienischen Journalisten Oriana Fallaci: Die arabisch-islamischen Arbeiter in unseren Ländern seien heimtückisch, zu gut organisiert. Sie pflanzen sich unaufhörlich  fort. Die Italiener bekommen keine Kinder mehr, „unsere ausländischen Arbeiter vermehren sich wie die Ratten!“ Und diese Söhne Allahs verbrächten ihre Zeit damit, anstatt zur Verbesserung der Menschheit beizutragen, „ihre Zeit damit zu verbringen, mit dem Hintern in der Luft fünfmal am Tag zu beten!“

 

Wie verlogen dieser Kampf gegen den ‚gefährlichen’ Islam vom Westen und den USA geführt wird, konnte man an dem Krieg gegen Saddam Hussein sehen, wo der Irak doch laizistisch war. Saddams von den USA unterstützter 10jähriger Krieg gegen den Iran war ein „mörderischer Einsatz gegen einen islamischen Staat. Gerade deshalb habe ja die US-Regierung dem grausamen Herrscher in Bagdad Waffen geliefert, „darunter sogar das Gas, mit dem er Tausende Kurden ermorden konnte“.

An einer einzigen Stelle schlüpft Grosser in die Rolle des mutigen Prognostikers: Er prophezeit, dass „in einer unbestimmten Zukunft das Herrschaftssystem Saudi Arabien hinweggefegt werden könnte, wie es unerwartet vor 30 Jahre im Iran geschehen sei“.

Die nächsten Kapitel widmet er dem „Schwierigen Israel“ und „Deutschland, Israel, Juden und Muslimen“. Wenn alle in das gleiche Horn blasen, muss das noch nicht stimmen. So verteidigt er gegen alle Hauptströmungen deutscher Politik den Martin Walser, der den Friedenspreis des deutschen Buchhandels bekam, und seine “skandalöse Rede“ am 11.Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche. Was Israelkritik angeht, „so möchte ich mit Martin Walser behaupten, dass es eine Moralkeule gibt, die ständig geschwungen wird“. Grosser findet es schade, dass Walser Rede nicht mehr gelesen worden ist und nur auf vier Worte reduziert wurde, von denen das eine bei ihm gar nicht vorkam: „Schlussstrich“. Walser habe einen verworrenen Text vorgetragen, aber eben auch Richtiges gesagt. Walser: „Kein ernstzunehmender Mensch leugnet Auschwitz, kein zurechnungsfähiger Mensch deutet an der Grauenhaftigkeit von Auschwitz herum...“ Um dann fortzufahren: „Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohmaschine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung“.

 

Der israelische Botschafter hat am Tage nach der Rede gefragt, was mit der „Keule“ gemeint sei. Grosser hatte ihm damals in einem TV Sender geantwortet: Diese Keule werde ständig von Israel geschwungen. Auf jede Kritik an Israel komme die fast automatische Reaktion: „Denkt doch an Auschwitz!“. Das Resultat sei, dass Grosser ständig von deutschen Zuhörern erfährt: „SIE dürfen das sagen“. Die Keule wird jetzt geschwungen gegen Wolfgang Benz, der wissenschaftlich gewagt hat, Judenfeindschaft und Islamphobie auch nur zu vergleichen.

Grosser kennt die inneren Verhältnisse im Zentralrat der Juden. Den jüngsten Herauswurf des Mitglieds Prof. Rolf Verleger konnte er in das Buch noch nicht aufnehmen.

Nicht einverstanden ist er mit dem 2700 unterschiedlich hohen Stelen des Architekten Peter Eisenmann: „Kein Text erklärt dem unwissenden Besucher, was die Bedeutung dieser 19.000 qm sein soll, und nur die, die schon genügend wissen, fühlen sich beklemmt, wenn sie durch die Alleen laufen“. Dagegen hält Grosser das Jüdische Museum von Daniel Libeskind für ein anrührendes Beispiel an Holocaust Pädagogik.

Das Buch ist am 18. September herausgekommen. Ein deutscher Versuch, Argwohn in Bezug auf die Shoah geltend zu machen, hat dann nicht Erfolg gehabt. Auch mit Grossers Hilfe. Sechs Tage vor dem Erscheinen des Buches – 12. September - haben die deutschen Vietnamesen sich nach 30 Jahren in Hamburg zusammengefunden. Sie wollten der deutschen Bevölkerung einfach nur danken. Die Bevölkerung war bereit, sie zu retten, die Regierungen, sie aufzunehmen. Es wurde ein Dank-Gedenkstein enthüllt im Beisein des Bundesinnenministers Schäuble und des SPD Vorsitzenden Müntefering. Den Brief, in dem das verhindert werden sollte, hat Grosser mit diesem Buch öffentlich gemacht, um zu erklären, wie viel „Argwohn und Vorsicht in Deutschland herrschen beim Umgang mit der Shoa“. Als Antwort auf die Anfrage, diese Gedenktafel an den Landungsbrücken anzubringen, bekamen die deutschen Vietnamesen zu hören, was sie nicht verstanden. Dürfen die Deutschen sich nicht auch an etwas erinnern, was sie gut gemacht haben?

Der Text soll hier stehen, weil er deutlich macht, wie wertvoll der Kampf des Pariser Professors Grosser um den Ausgang der Deutschen aus ihrer selbst und fremd-verschuldeten Unmündigkeit geworden ist:

Da es schon Gedenksteine an den Landungsbrücken gäbe, die „mit ihrem Bezug zu jüdischen Flüchtlingen einen Anknüpfungspunkt zur Deutschen Geschichte haben und damit auch deutsche Schuld reflektieren“, würde  „das Anbringen weiterer Tafeln, die sich auf Flüchtlinge in anderen Weltgegenden beziehen, als Versuch einer Relativierung der Judenverfolgung in Deutschland  und des Holocaust empfunden werden und damit zu nicht unerheblichen Irritationen führen“.

 

Alfred Grosser: Von Auschwitz nach Jerusalem. Über Deutschland und Israel. Rowohlt Reinbek 2009 205 Seiten

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

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