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Interview mit Felicia Langer

"Ich bin Jüdin und Israelin, ... und ich verurteile aufs schärfste diesen mörderischen Akt."
Ein Interview mit Frau Langer, Rechtsanwältin, Buchautorin und Alternativ-Nobelpreisträgerin.

Das Interview führte: Seyyed Hedayatollah Shahrokny - Quelle
Interview mit Felicia Langer



Interview, Frau Langer

Rundfunk: Frau Lager, hunderte Elitesoldaten der israelischen Marine stürmten am Montag vergangener Woche einen Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für den Gazastreifen. Medien zufolge kamen dabei neun Menschen ums Leben und Dutzende weitere wurden auch verletzt. Ich höre erst einmal Ihren Kommentar dazu.

Langer: Ich möchte mich zunächst präsentieren. Ich bin eine Jüdin, Israelin, aber auch Deutsche und mein Mann ist ein Holocaust-Überlebender.

Ich muss sagen, dass ich sehr schockiert war. Ich verurteile auf Schärfste diesen mörderischen Akt, wenn man Zivilisten in so einer Weise tötet, die eine humanitäre, politisch-humanitäre Aktion durchführen wollten und nicht mehr.

Rundfunk: Es gab danach weltweit Protestaktionen auch seitens verschiedener Regierungen. Hat die israelische Regierung diese weltweite Empörung und Wut in ihrer Aktion mitkalkuliert?

Langer: Das weiß ich nicht. Wissen Sie, mein man sagt, sie agierten wie nicht-normale Menschen. Man kann überhaupt nicht wissen, welchen Gedanken sie hatten, wenn sie so agierten. Aber das ist typisch für diejenigen, die den Glauben in Militär, Gewalt, Macht und Kraft haben. Das ist sehr schmerzhaft für mich als Jüdin so etwas zu erleben. Ich schäme mich, das muss ich sagen. Ich bin nur glücklich darüber, dass tausende Menschen auch in Israel demonstriert haben. Auch in Deutschland gab es Demonstrationen. Es gibt eine andere jüdische Stimme in Deutschland, die für Frieden ist, deshalb waren wir auf der Straße hier in Deutschland und haben gegen diesen schrecklichen Akt demonstriert.

Rundfunk: Nach Darstellung der israelischen Regierung handelten die Soldaten in "Notwehr". Teilen Sie diese Darstellung?


Langer: Nein, das kann man nicht "Notwehr" nennen, weil das nach dem Völkerrecht eine Piraterie war, oder ein Akt gegen das Völkerrecht, auf offener See Schiffe zu kapern. Menschen auf den Schiffen hatten sogar das Recht, sich zu wehren. So meinen unsere Menschenrechtler, unsere Sachverständigen und ich als Juristin auch. Ich zitiere an dieser Stelle Herrn Professor "Norman Paech": Nach dem Völkerrecht hatte die türkische Marine sogar das Recht, die zivilen Schiffe unter türkischer Flagge mit Waffengewalt zu verteidigen." Herr Professor Paech war auch auf dem Schiff " Mavi Marmara".

Rundfunk: Weltweit wird eine internationale Untersuchungskommission gefordert. Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will aber lediglich eine interne Untersuchungskommission mit einem sehr eingeschränkten Mandat einsetzen. Wie glaubwürdig können dann Recherchen einer solchen Kommission sein?

Langer: Das wird keine glaubwürdige Untersuchung sein. Sie untersucht sich selbst. Das hat keinen Wert. Sie darf sogar die Soldaten, die an der Aktion beteiligt waren, nicht befragen. Sie sagen: "Wir befragen unsere Kämpfer, unsere Soldaten nicht." So haben die Ergebnisse einer solchen Untersuchung keinen Wert. Das muss von einer unabhängigen internationalen Kommission untersucht werden. Anders geht nicht, es ist dann meiner Meinung nach zwecklos.

Rundfunk: Hingegen meint die israelische Regierung, Israel sei ein demokratischer und souveräner Staat und braucht deshalb keinen Vormund. Was meinen Sie als Juristin dazu?

Langer: Leider haben wir in Israel Ethnokratie, das heißt, "Demokratie nur für Juden, und nicht für alle." Die Araber sind sehr, sehr vernachlässigt und diskriminiert und ich meine damit die Palästinenser, die in Israel, in den besetzten Gebieten leben. Ich spreche über Israel und das, was die israelische Regierung sagt, hat mit der Demokratie überhaupt nicht zutun. Es gab bei jener Aktion neun Tote und zig Verletzte. Das ist eine Tragödie und diese Tragödie muss von einer internationalen Untersuchungskommission untersucht werden.

Rundfunk: Frau Langer, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, verteidigte in einem Radio-Interview den israelischen Militäreinsatz, solange die Bedrohung aus Gaza entsteht." Gibt es überhaupt eine derartige Bedrohung aus Gaza?


Langer: Es ist so: Gaza steht unter Blockade. 1,5 Millionen Menschen werden kollektiv bestraft, weil sie die Hamas demokratisch gewählt haben. Das ist eine Lüge, wenn behauptet wird, dass Gaza eine Bedrohung für die Sicherheit Israels ist. Sicher ist der Raketenabschuss ein Verbrechen. Ich bin dagegen, dass Raketen gegen Zivilisten eingesetzt werden. Ich bin gegen "Kassam-Raketen". Aber man muss mit Hamas sprechen. Man kann mit Hamas über die "Zwei-Staaten-Lösung" sprechen. Man muss auch verhandeln. Deshalb sage ich, es ist ein Vorwand und nicht mehr. Die Gaza-Blockade muss man beenden.

Rundfunk: Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass eines Tages zu Gesprächen zwischen Israel und Hamas kommt?

Langer: Ich hoffe, dass die israelische Friedensbewegung mit internationalen Unterstützung und dem Druck aus dem Ausland etwas bewirkt. Ich hoffe, dass es zu Gesprächen zwischen Hamas und Israel kommt. Hamas hat doch gesagt: "Das, was das palästinensische Volk beschließt, wird sie hinnehmen." Das bedeutet, wenn das palästinensische Volk Frieden will, zum Beispiel "Zwei-Staaten-Lösung" in Grenzen von 1967, wird Hamas das akzeptieren. Es gibt heute unter den Hamas-Leuten viele Pragmatiker. Das Wichtigste ist doch, dass die Gaza-Blockade aufgehoben wird. Sie stellt eine Kollektiv-Bestrafung dar, und deshalb völkerrechtwidrig.

Ich hoffe nur, ich habe gelesen irgendwo, dass Iran Schiffe mit Hilfsgütern nach Gaza schickt. Das hätte ich nicht geraten, denn das kann eine schreckliche Provokation werden.
 

 

 

 

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