Sumaya Farhat-Naser - Jahresbrief 2003 -
Anfang Dezember 2002
Liebe Freunde!
Schwerer zu ertragen und mit mehr Leiden, Angst und Unsicherheit
begleitete uns das Jahr 2002. Es präsentierte Grausamkeit und Brutalität
der Besatzungssituation -
uns den Besetzten aber auch ihnen, den
Besatzern. Ein Jahr der Zerstörung an Lebensgrundlage, Existenz, aber auch
an Körper und Seele aller Menschen in Palästina und Israel.
Seit mehr als zwei Jahren existieren im besetzten Palästinaland 48 von
einander getrennte Enklaven, Ghettos für Palästinenser, mehr als 150
Check-Points in Abständen von einigen Kilometern. Es existieren zwei
Straßennetzsysteme, eines nur für Palästinenser, eines nur für Israelis.
Überall, wo unsere Straßen sich mit ihren treffen, landen die
palästinensischen Straßen in Gräben, sind zerstört oder von Blockaden und
Militär versperrt. Neuerdings werden Eisentore mitten auf der Straße
errichtet, um zu verhindern, dass die Menschen in ihre Dörfer gelangen.
Sie sollen endgültig ihre Dörfer verlassen. Die Menschen sind gezwungen
auf Feldwege auszuweichen. Sie müssen versuchen, dem Beschuss der Soldaten
zu entgehen, um zur Arbeit, Schule, Universität oder zum Krankenhaus
gelangen zu können. Es ist die Politik des Zeitgewinns, um mehr Land zu
nehmen, mehr Häuser zu zerstören, mehr Menschen gefangen zu nehmen, mehr
Leute zur Flucht zu zwingen, mehr Mauern und Ghettos zu errichten. Diese
Politik bewirkt mehr Unheil, Verzweiflung, Fatalismus und Radikalismus.
Sie verschärft den blutiger werdenden Konflikt und verhindert die
Sicherheit für alle, Israelis und Palästinenser.
Zerstörte Infrastruktur der Wirtschaft, Bildung und des Soziallebens
verhindern eine gesunde Entwicklung zu einer tragfähigen, den
Herausforderungen gewachsenen politischen Führung in Palästina.
Vertreibung, Verfolgung und Entrechtung sind die Albträume der
Palästinenser.
Die Gewalt der Palästinenser an Israelis fühlen wir nur als Opfer und
verschließen die Augen vor dem Eingeständnis, dass beide gleicherweise
Täter sind. Beide Völker schädigen sich gegenseitig und leiden
gleicherweise an Körper und Seele. Sie verlieren Teile ihrer
Menschlichkeit, Moral und Werte. Die Not ist sehr groß; Verzweiflung und
das Gefühl, verloren und verlassen zu sein, ist sehr wahr.......
.......Allen möchte ich eine frohe Weihnachtszeit wünschen und für uns
alle ein Neues Jahr erhoffen, in dem Menschlichkeit und Frieden unser
Leben verschönern und sichern werden. Es muss möglich werden.
Es muss möglich werden.
Sumaya Farhat-Naser
|