Nachwirkungen:
Hammads Tod kommt nicht bis in die
Nachrichten
Am 14. Februar
2009 – fast einen Monat nachdem Israel
einseitig eine Feuerpause erklärt hat,
hütete der 13 jährige Hammad Silmiya im
Nordosten des Gazastreifens seine Schafe und
Ziegen . Es waren etwa 500m von der Grenze
zu Israel entfernt. Ein israelischer
Militärjeep, der an der Grenze entlang
patrouillierte, eröffnete das Feuer auf ihn
und seine etwa gleichaltrigen Freunde.
Hammad wurde in den Kopf geschossen und war
fast auf der Stelle tot.
Hammads Tod
wird es nicht bis in die Nachrichten
schaffen - es ist nur noch ein Todesfall im
Gazastreifen, wo die Zahl der zivilen
Verletzten und Todesfälle noch täglich
steigt. Seine Familie hatte vor kurzem den
Tod der Großmutter, den Tod von zwei seiner
Cousins, 4 und 18 Monate alt, und die
Zerstörung ihres Hauses und ihrer Haustiere
während der israelischen Offensive erlebt .
„Es war am
Samstagmorgen und Hammad wachte um 6 Uhr
auf,“, sagte Hammads Tante Jomaia,40, „er
ging mit seinem Bruder und einigen Freunden
auf die Weide, um die Tiere zu hüten. Etwa
um 10 Uhr bereitete er wie immer draußen im
Feld ein Frühstück vor. Ein israelischer
Militärwagen feuerte auf sie und schoss ihm
in den Kopf.“
Jomaia zog aus
den Falten ihres schwarzen Schals einen
Plastikbeutel heraus. Darin war ein kleiner
Umschlag mit dem einzigen Foto von Hammad,
als er sieben war. Spätere Fotos lagen im
Schutt ihres zerstörten Hauses . ….
Hammads Mutter
Salma saß neben Jomaia in der primitiven
Notunterkunft der Familie, die sie neben
den Resten ihres Heimes im Nordosten des
Gazastreifens aufgerichtet hatte. Rund
herum ein Bild der Verwüstung. Diese
Beduinenfamilie kam als Flüchtlinge 1948 aus
Beersheva und siedelte sich hier an. Vor der
letzten israelischen Offensive hatten sie
Häuser aus Zement und eine Tierfarm neben
der Pufferzone. Es war das erste Gebiet, das
im Januar 2009 angegriffen worden war.
„Panzer
begannen am 5. Januar um 2 Uhr nachts mit
dem Schießen,“ erinnert sich Jomaia. Die
erste Bombe traf unser Haus. Ich rannte ins
Zimmer meiner Mutter, weil sie 80 Jahre alt
und bettlägerig war.. Dann wurde das Haus
ein zweites Mal getroffen, und wir rannten
weg und ließen sie zurück. Wir verhielten
uns wie verschreckte Ziegen, deren Stalltür
geöffnet worden war. Wir flohen nach Jabalya
und dann nach Zeitoun, wo wir in Schulen
unterkamen. Jeden Tag bat ich Ambulanzen und
Sanitäter, mir beim Evakuieren meiner Mutter
zu helfen. Ich sagte sogar, ich würde vor
der Ambulanz mit einer weißen Fahne gehen,
aber es war zu gefährlich, und sie weigerten
sich.
Als die
Silmiya-Familie am 18.Januar zurückkehrte,
fand sie ihre Häuserreihe von
F-16-Flugzeugen dem Erdboden gleich gemacht.
Sie brauchten drei Tage, um die Großmutter
aus dem Schutt herauszuholen. Hammad wurde
nur wenige Wochen später neben der
Großmutter beerdigt. …
„Der Krieg ist
noch nicht vorbei,“ sagte Hammads Mutter, „
im Gazastreifen gibt es noch keine ruhige
Zeit. Wir sehen die F-16 oft am Himmel
fliegen.
In den Tagen
vor seinem Tod regte sich Hammad auf, weil
sein Esel von den Israelis getötet worden
war, zusammen mit 60 Ziegen und drei Kühen
seines Vaters Barrak Salem Salaam Silmiya,
dessen drei Vornamen im Arabischen alle
Frieden bedeuten. „Wir wollen Frieden, aber
wo ist er? Wo sind die Menschenrechte hier
im Gazastreifen“, fragt der 47 jährige
Barrak, als er uns die Tierreste zeigte,
die noch rund um die Ruinen des Hauses im
Schlamm lagen.
„Hammad war
erst 13. Er sah noch wie ein Kind aus.
Trotzdem haben sie ihn erschossen. Er konnte
so gut mit den Tieren umgehen. Er verkaufte
sogar unsere Milch und den Käse auf dem
Markt. Was kann ich sonst noch über meinen
Sohn erzählen? - Nicht einmal große Länder
können Israel stoppen – was kann ich dann
schon tun? Ich fühle, als wäre ich ein
Nichts. In dieser Gegend gab es nur ein paar
Häuser und eine Straße. Waren diese Ziegen
vielleicht Kämpfer?“
„Dies ist kein
Krieg gegen eine starke Regierung oder ein
starkes Land. Israel tötet uns, als wären
wir Tiere, Hunde --- und keiner hilft uns,“
fügte Hammads Tante hinzu.
(dt. und
gekürzt: Ellen Rohlfs)
Palestinian Center of Human Rights, 4.3.09
http://pchrgaza.org/files/campaigns/english/maftermath/4.html
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