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Das Recht verweigert, nach Hause zu gehen
(Ein Beispiel, wie Jerusalem „araberrein“ gemacht, wie es gesäubert wird -  ER)
Zeina Ashrawi-Hutchison (Tochter von Hanan Ashrawi)  21.6.08

 

Ich bin eine in Palästina geborene und aufgewachsene Palästinenserin und die Wurzeln meiner Familie gehen Jahrhunderte zurück. Keiner kann das ändern, auch wenn er behauptet Jerusalem, mein Geburtsort, sei nicht Palästina, selbst wenn man sagen würde, Palästina existiert gar nicht, selbst wenn sie mir alle meine Papiere wegnehmen würden und mir das Betreten meines eigenen Hauses verweigern würden, auch wenn sie mich demütigen und mir alle Rechte nehmen würden. ICH BIN EINE PALÄSTINENSERIN.

Mein Name ist Zeina Emile Sam’an Ashrawi. Mein Geburtstag  der 30. Juli 1981; Volkszugehörigkeit: Araberin. Das stand auf meiner Jerusalemer Identitätskarte. Eine Identitätskarte ist für eine Palästinenserin mehr als nur ein Stück Papier. Es ist meine einzige rechtlich dokumentierte Beziehung zu Palästina. Da ich in Jerusalem geboren wurde, wurde mir eine Jerusalemer Identitätskarte ( blau) gegeben, ein israelisches Reisedokument und ein jordanischer Pass mit dem Stempel „palästinensisch“. (Ich habe keine legalen Rechte in Jordanien) Ich habe keinen israelischen Pass, keinen palästinensischen  oder einen us-amerikanischen Pass.

 

Das Folgende ist meine Geschichte:

Ich kam in die USA als ich 17 war, um mein Gymnasium in Pennsylvanien abzuschließen. Dann ging ich weiter ins College und machte Abitur. Danach heiratete ich und wir leben im Augenblick in Nordvirginia. Ich bin jedes Jahr nach Hause gefahren, um wenigstens meine Eltern, meine Verwandten und meine Freunde wieder  zu sehen und um mein Reisedokument zu erneuern, da ich seine Gültigkeit nur einmal pro Jahr von Washington DC aus verlängern konnte. Mein Vater und ich standen dann mit vielen anderen vor dem israelischen Innenministerium in Jerusalem  von halb fünf morgens an und hofften, dass es uns vor Mittag – vor der Schließung -  gelingen würde, durch die Drehtür zu kommen und die Gültigkeit meines  Reisedokumente zu verlängern. Das machten wir ein  ums andere Jahr. Als ein unter Besatzung lebendes Volk, das mit ständiger Demütigung durch den Besatzer konfrontiert ist, war dies normal. Aber wir taten, was wir tun mussten, um sicher zu gehen, dass uns unsere Identität nicht genommen wird.

Im August 2007 ging ich zur israelischen Botschaft in Washington DC und versuchte mein Reisedokument zu verlängern und das übliche Visum als „rückkehrender Einwohner“ zu erhalten, das Israelis Palästinensern geben, die ein israelisches Reisedokument haben. Nachdem ich ein paar Amerikaner und andere beobachtet habe, wie ihnen gesagt wurde, dass ihr Visum in ein paar Wochen fertig sei, kam ich an die Reihe. Ich ging zu dem kugelsicheren Glasfenster, das die Dame hinter dem Schalter schützte. Sie saß übrigens unter einem großen Bild des Felsendomes  und der Mauern Jerusalems. Ich reichte ihr meine Papiere durch einen kleinen Schlitz unter dem Fenster.

„Shalom“ sagte sie  lächelnd. „Hi“, antwortete ich ängstlich. Sobald sie mein Reise-Dokument sah, änderte sich schlagartig  ihre Mimik. Kein Lächeln mehr und kein Smalltalk zwischen uns wie  bei den anderen. Nachdem sie meine Papiere durchgesehen hatte, die ich ihr gegeben hatte, fragt sie: “Wo ist ihr amerikanischer Pass?“ Ich erklärte ihr, ich hätte keinen und dass mein einziges Travel-Document das sei, das sie in Händen halte. Sie war ein paar Sekunden lang still und dann sagte sie noch einmal: „Sie haben wirklich keinen amerikanischen Pass?“ da sie mich verdächtigte, ich würde ihr eine Information  verbergen. „Nein!“ sagte ich. Sie schwieg wieder, diesmal länger und dann sagte sie: „Nun, ich bin nicht sicher, ob wir Ihr Travel-Document verlängern können.“  Mir stieg das Blut in den Kopf, da dies das einzige Ding ist, mit dem ich nach Hause gelangen konnte. Ich fragte sie, was das zu bedeuten habe. Sie fuhr fort, da ich ja jetzt in den USA leben würde und weil ich eine Grüne Karte hätte, würde man mein Travel-Document nicht mehr verlängern.

 

Nachdem ich einen tiefen Atemzug genommen hatte, um mich unter Kontrolle zu halten, erklärte ich ihr, dass eine Grüne Karte kein Pass sei und ich es außerhalb der USA nicht als Reisepass benützen kann. Meine Stimme bebte und ich erregte mich immer mehr, deshalb bat ich sie darum, mir zu erklären, was ich machten musste. Sie sagte, ich solle meine Papiere da lassen und dann würden wir weiter sehen. 

 

Ein paar Wochen später erhielt ich einen Anruf von der Dame, die mir sagte, dass es möglich sei, das Travel-Document zu verlängern, aber ich würde  das Visum als „Rückkehrender Einwohner“  nicht mehr bekommen. Stattdessen würde mir ein Touristen-Visum für drei Monate gegeben. Anfangs war ich glücklich darüber, dass mein Reise-Dokument verlängert wurde, aber dann wurde mir klar, dass sie „Tourist-Visum“ sagte . Warum soll ich ein „Tourist-Visum“ bekommen, wenn ich nach Hause fahre. Da ich zu diesem Zeitpunkt  mit ihr nicht  über ein Drei-Monate-Visum streiten wollte, um nicht die Verlängerung meines  Travel-Documentes zu gefährden, stellte ich diese Information erst einmal zurück und  erklärte ihr, dass ich in den nächsten drei Monaten nicht nach Hause fahren möchte. Also erklärte sie mir, ich solle später wieder kommen und ein neues Visum beantragen, wenn ich vorhabe, dorthin zu fahren. Sie fügte dem nicht mehr viel hinzu und sagte nur, dass es fertig sei, um abgeholt zu werden.  Also ging ich  zur Botschaft und bekam mein Travel-Document mit dem Touristenvisum.

Mein Mann, mein Sohn und ich planten, in diesem Sommer, nach Hause zu fahren. Also ging ich einen Monat vor Reisebeginn (8. Juli 2008)  zur israelischen Botschaft in Washington DC, alle Papiere in der Hand und bat um ein Visum, um nach Hause zu gehen. Ich stand wieder an und beobachtete, wie die anderen ihr Visum erhielten, um in meine Heimat zu kommen.

Als ich an der Reihe war und an den Schalter ging, grüßte sie mit Shalom und einem Lächeln, ich antwortete mit „Hi!“ und schob ihr meine Papiere durch den Schlitz. Ich wartete auf die übliche Reaktion. Ich sagte ihr, ich benötige ein Visum als „Rückkehr-Bewohnerin“. Sie nahm alle Papiere, und ich gab ihr noch einen Scheck für den geforderten Betrag. Ich verließ die Botschaft ohne Vorfall.

Ein paar Tage später  bekam ich einen Telefonanruf von Dina von der israelischen Botschaft. Sie sagte mir, sie brauche das Datum, wann der Jordanische Pass seine Gültigkeit verliert und meine Grüne Karte. Ich hatte ihnen aber all meine Papiere gegeben, die sie  immer wieder brauchen. Ich dachte, auf diese Weise wollen sie Zeit gewinnen, damit ich mein Visum nicht  rechtzeitig erhalte. Trotzdem rief ich immer wieder an und erhielt nur eine Antwort vom Tonband. Ich hinterließ eine Botschaft mit der Information, die sie benötigen, rief alle zehn Minuten an, in der Hoffnung mit jemandem reden zu können, um den ermüdenden Prozess zu beschleunigen. Endlich war jemand am Apparat. Ich sagte ihr, ich wolle sichergehen, ob sie meine Information erhalten habe, die ich aufs Tonband gesprochen habe, und ich wolle mich versichern, dass meine Papiere in Ordnung seien. Nachdem sie sich bei jemandem  im Hintergrund erkundigt hatte ( von dem ich annehme, es war Dina) sagte sie, dass ich noch zwei Faxkopien, vom Jordanischen Pass und meiner Grünen Karte schicken soll und dass die Information über das Telefon nicht gültig sei.  Also machte ich sofort zwei Kopien und faxte sie an Dina. Ein paar Stunden später klingelte mein Handy: „Zeina?“ „Ja“, antwortete ich  und wusste genau, mit wem ich sprach, und fragte sie, ob sie mein Fax erhalten habe. Sie sagte : Ehh ich hatte noch nicht nach Ihrer Akte geschaut, als Sie vorhin angerufen hatten – Ihr Visum wird abgelehnt und Ihre Identitätskarte und Ihr Travel-Document sind nicht mehr gültig.“ „Pardon?“ sagte ich ungläubig. „Es tut mir leid, ich kann Ihnen kein Visum geben und ihre andern Papiere sind nicht mehr gültig. Diese Entscheidung kam aus Israel – nicht von mir.“

 

Ich kann  das Gefühl nicht beschreiben, das mich überwältigte. „Warum?“ fragte ich und Dina antwortete, weil ich eine Grüne Karte habe. Ich versuchte mit Dina zu argumentieren und ihr zu erklären, dass sie das doch nicht machen könnten. Es sei das einzige, mit dem ich nach Hause fahren könnte und dass ich meine Eltern sehen wolle – aber vergeblich. Dina blieb bei ihrem Standpunkt und sagte mir, dass mir kein Visum gegeben wird und „Lass dir doch von den Amerikanern ein Travel Document geben.“

Ich war bis jetzt immer stark gewesen und zeigt keine Schwäche, aber in diesem Augenblick verlor ich die Kontrolle über mich und fing zu weinen an, während Dina am andern Ende der Leitung meine legalen Dokumente hielt, die mich mit meiner Heimat verbanden. Ich begann sie zu bitten, mir das Visum zu geben und nicht meine Dokumente zurückzuziehen. „Versetzen sie sich doch in meine Lage, was würden sie tun? Sie wollen ihre Familie wiedersehen und irgendjemand sagt ihnen, dass dies nicht geht. Was würden sie tun. Vergessen Sie, dass Sie Israelin und ich Palästinenserin bin und denken Sie einen Augenblick nach.!“ „Tut mit leid, ich verstehe, aber ich kann nichts tun – die Entscheidung kam von Israel.“ sagte sie. Ich versuchte immer wieder, ihr zu erklären, dass ich nicht ohne mein Travel-Document reisen könne und dass sie das nicht tun könne – obwohl ich wusste, dass sie das könne.

 

So geht es vielen Palästinensern, die eine Jerusalemer Identitätskarte haben. Die israelische Regierung hat die Kunst der ethnischen Säuberung seit 1948 direkt vor den Augen der Welt praktiziert und perfektioniert – und keiner hat die Macht oder den Mut, etwas dagegen zu tun. Wo in der Welt gibt es dass, dass man darum bitten muss, nach Hause gehen zu dürfen?  Wo in der Welt muss man seine Identität aufgeben, weil man eine Zeit lang wo anders gelebt hat. Man stelle sich einen Amerikaner vor, der ein paar Jahre in Spanien lebte und der nun wieder nach Hause will. Ihm wird von der amerikanischen Regierung mitgeteilt, dass sein amerikanischer Reisepass ungültig wurde und dass er also nicht zurückkommen könne.

 

Wenn ich ein Jüdin wäre, die irgendwo auf der Welt lebt und keinerlei Verbindungen zu dem Gebiete hätte und nie meinen Fuß auf dieses Land gesetzt hätte, dann hätte ich trotzdem das Recht, dorthin zu gehen und bekäme einen israelischen Pass. In der Tat ist es so, dass die Israelis sogar dazu ermutigen. Ich jedoch als Nicht-Jüdin wurde dort geboren und bin dort aufgewachsen, meine Eltern, Verwandte und Freunde leben dort – und ich kann nicht zurück. Ich bin keine Kriminelle, noch irgend eine Bedrohung für einen der mächtigsten Staaten der Welt – doch ich bin eine Ausländerin und werde aus meiner Heimat vertrieben.

So wie es jetzt steht, bin ich nicht in der Lage, nach Hause zu gehen – und ich bin eine von vielen. 

(http://nucleardisarmament.org/news.cfm?view=search_details&article_id=4076&detais=Full

 

(dt. Ellen Rohlfs)

 

 

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