Eine neue Weihnachtsgeschichte:
Bethlehem unter Besatzung
Brief an die Medien,
Dezember 2010 von der PLO –
Verhandlungsabteilung
„Bethlehem von Jerusalem und
dem Rest der Welt zu trennen, wird
keinen Frieden bringen“ (
Kath.Patriarch Fouad Twal)
Auf viele Weisen ist Bethlehem der
Inbegriff einer palästinensischen
Stadt unter Besatzung geworden:
seine Bevölkerung ist täglich mit
Schikanen konfrontiert. Seine
historische Landschaft wird durch
die Ausdehnung illegaler Siedlungen
und die Mauer, dies sich tief
mitten durch das Land schlängelt,
verschandelt, und trennt es von
seinen alten politischen, sozialen,
wirtschaftlichen und religiösen
Verbindungen nach Jerusalem und dem
Rest der Westbank. Seine
wirtschaftlichen Aussichten werden
mit jedem Jahr schwieriger. Für die
in Bethlehem und seiner Umgebung
lebenden Palästinenser wird jedes
Weihnachten weniger ein Grund zum
Feiern, als ein Grund über die
immense Tragödie nachzudenken, die
über die heilige Stadt gekommen ist,
die die Heimat einer der ältesten
christlichen Gemeinden auf der Erde
ist.
Fakt: Die israelische Besatzung hat
dramatisch die palästinensische
Bewegungsfreiheit und den Zugang zu
den Kirchen im Heiligen Land
eingeschränkt. Nachdem die Mauer im
nördlichen Teil der Stadt fertig
gestellt wurde, sind Bethlehem und
Jerusalem völlig von einander
getrennt.
Der
Regierungsbezirk und die Stadt unter
Besatzung
Weder der
Bethlehemer Bezirk, noch die Stadt
werden von der zerstörerischen
Auswirkung der Besatzung und der
unaufhaltsamen Kolonisierung
palästinensischen Landes verschont.
Es werden Fakten vor Ort geschaffen,
die eine Zwei-Staatenlösung
unmöglich machen. Israel fährt mit
seiner Politik fort, die Elemente
der Besatzung, Kolonisierung und
Apartheid verbindet, um die Stadt
und ihre nächste Umgebung bewusst zu
erdrücken und zu zerstückeln. Dies
schließt die anhaltende
Konfiszierung von palästinensischem
Land für den Bau israelischer
Siedlungen und der Mauer ein – in
Verletzung des internationalen
Rechts. Dazu kommt die Verhängung
physischer und administrativer
Beschränkungen der Bewegungsfreiheit
für die Palästinenser durch ein sich
immer weiter ausdehnendes Netzwerk
von Kontrollpunkten und
Straßensperren, die den
Palästinensern nur mit
Passierscheinen erlauben, wo sie
leben, sich bewegen und arbeiten
dürfen.
Nur 13% des Landes innerhalb des
Bethlehembezirkes ist noch unter
palästinensischer Kontrolle. Allein
im Bethlehemer Gebiet wurden vom
israelischen Militär 32 Barrieren
errichtet – einschließlich
Kontrollpunkten ( mit Drehkreuzen
!!), Straßensperren, Erdhügel über
Straßen und Toren –die die
Freiheitsbewegung und den Zugang von
Waren und Menschen behindern. Nach
dem Internationalen Religiösen
Freiheitsbericht von 2010, der vom
US-Außenministerium veröffentlicht
wurde: „Wendet die israelische
Regierung weiter Reisebeschränkungen
während der Berichtsperiode an:
wichtige einschränkende
Freiheitsbewegung für Muslime und
Christen, um zu Gottesdienstorten in
der Westbank und in Jerusalem zu
kommen.“
Es gibt allein 17 illegale
israelische Siedlungen und
zahlreiche Außenposten zerstreut im
ganzen Bethlehemer Regierungsbezirk
mit nahezu 91 500 Siedlern. Der
bekannteste von ihnen ist der
israelische Außenminister Avigdor
Lieberman, der in der illegalen
Siedlung Noqdim im westlichen
Bethlehemer Bezirk lebt.
Als Teil des israelischen
Siedlungsunternehmens hat Israel die
militärische Kontrolle über eine
Anzahl palästinensischer
historischer Orte, einschließlich
mehrerer, die auf Palästinas
Welterbeliste der UNESCO stehen.
Innerhalb des Beth.-distrikts die
Bilal bin Rabal Moschee/ Rachels
Grab, der Herodeion und die
archäolog. Stelle der Qumram-Höhlen,
wo die Schriftrollen entdeckt
wurden. Diese historischen Stätten
in Bethlehem wurden kürzlich von der
UNESCO als palästinensisch
bestätigt.
Seit 1993 wird von den
Palästinensern ein Passierschein
gefordert, der je nach Fall
genehmigt wird, um das besetzte
Ostjerusalem aus irgend einem Grund
zu betreten. Wenn der Passierschein
gewährt wird, gilt er nur für eine
bestimmte kurze Zeit.
Die Arbeitslosigkeit in Bethlehem
liegt bei etwa 23% ( Ich meine sie
liegt bei 70% R) die Mehrheit wegen
der Mauer um Bethlehem und der
Trennung von Jerusalem, vor allem
die, die mit Tourismus, Handel und
Landwirtschaft zu tun haben. (Auch
die Olivenholzschnitzer verdienen
kaum etwas, da kaum Touristen kommen
– wenn man von der Weihnachtszeit
absieht R)
Von
Israel annektiertes Land im
Bethl.-Bezirk
1967 annektierte
Israel etwas 10qkm vom nördlichen
Bezirk – unter Verletzung des
Internationalen Rechts. Ein großer
Teil dieses Landes wurde illegal zu
Ost-Jerusalem geschlagen. Israels
einseitige Ausdehnung von
Ostjerusalems Gemeindegrenzen wird
von der internationalen Gemeinschaft
nicht anerkannt. Viele
palästinensische Städte und Dörfer
sind für ihr wirtschaftliches Leben
von der Landwirtschaft abhängig,
aber ihr landwirtschaftlich
genütztes Land wurde illegal von
Israel für den Bau ihrer Siedlungen,
deren Infrastruktur und die Mauer
illegal konfisziert. Die
palästinensischen Städte Beit Sahour,
Bethlehem, Beit Jala, al-Walaje,
Husan, Battir, Wadi Fukin, Jaba,
Nahalin, Artas und El-Khadre haben
65 % ihres Landes westlich der Mauer
verloren. Zum Beispiel:
fast 50 % des Landes, das
traditionell zu Beit Jala gehört;
bis zu 75 % des Landes, das zu
El-Khader gehört.
Die meisten Olivenhaine, die
traditionell zu Beit Sahour gehören,
sind durch der Mauer von ihren
Besitzern getrennt, die nur mit
besonderer Genehmigung des
israelischen Militärs selten auf ihr
Land können und nur durch bestimmte
Tore in der Mauer und nur zu
bestimmten Öffnungszeiten.
Im Januar 2009 gab Israel
Militärorder heraus, dass das Land
nördlich der Mauer von Israel
annektiert und eine militärisch
geschlossene Zone sei und ohne
Passierschein nicht zu betreten ist.
Die größeren Siedlungen Gilo, Har
Gilo, Har Homa, Betar Illit, Ephrat,
Geva’ot und Bat Ayin als auch die
Erweiterung von Givat Hadagan und
Givat Hatamar in der Efrata-Siedlung
gehören alle in den Regierungsbezirk
Bethlehems. Alle wollen sich
vergrößern. Zusätzlich zu dem wurden
Pläne für eine neue Siedlung im
Al-Walaja - Gebiet bekannt, Givat
Yael.
Der
Verlust von Bethlehems vitalem
Tourismus
Während der
letzten beiden Jahrzehnte ist
Bethlehem ein Schatten seiner selbst
geworden. Einst eine lebendige und
offene Stadt ist sie zu einem Ghetto
geworden, das von Armut,
Unbeweglichkeit und Isolierung
heimgesucht worden ist. Ein
Spaziergang durch die Altstadt von
Bethlehem zeigt eine Menge
geschlossener Läden, wo die
Ladenbesitzer einst ihre Waren an
die Bewohner und die Touristen
verkauften. Die Touristen, die noch
immer nach Bethlehem mit Bus
kommen, bleiben buchstäblich nur
zwei Stunden für einen besonders
koordinierten Besuch der
Geburtskirche, verbringen wenig oder
gar keine Zeit in palästinensischen
Läden, Restaurants und Hotels und
kehren zurück in israelische Hotels
und Restaurants, um dort viel ihrer
Zeit und ihres Geldes zu lassen.
Zusammengefasst: die Vorteile von
Bethlehems Potential als ein
größerer Touristenort, wird von
Israels Tourismussektor ausgenützt.
Diese schwierige Situation zeigt
sich besonders während der Ferien
und Feiertagesaison zwischen
Weihnachten und Ostern, wenn
Bethlehem die meisten Touristen
haben sollte.
Im Gegensatz zum bilateralen
palästinensisch-israelischen
Interimabkommen ( dem Oslo-Abkommen)
haben von den 185 palästinensischen
Touristenführer, die vom
palästinensischen Tourismus- und
Antiquitätenministerium eine Lizenz
erhalten hatten, nur noch 40 die
Genehmigung, Jerusalem, Israel und
von Israel kontrollierte historische
Stätten in den palästinensischen
Gebieten zu betreten. Im Gegensatz
dazu haben 7150 israelische
Touristenführer einen vollen oder
halben Job.
Israel fährt fort, Hotels in
Siedlungen zu bauen und seine
Produkte an Touristen und Pilger,
die die besetzten Gebiete besuchen,
zu verkaufen und so die
palästinensische Touristenindustrie
zu unterwandern.
Nach dem palästinensischen
Ministerium für Tourismus und
Antiquitäten sollten Touristen und
Pilger wenigstens 3-4 Nächte in den
besetzten Gebieten bleiben, um dem
palästinensischen Tourismus zu
helfen.
Israel hat eine Politik
durchgeführt, bei der Touristen, die
Bethlehem im Laufe des Jahres
besuchen, die Stadt nur durch den
Checkpoint 300 verlassen dürfen, der
nur einen Ausgang und eine Ausfahrt
für Busse und Autos hat im Gegensatz
zu Ausländern, die im Raum
Bethlehem Siedlungen besuchen. Dort
dürfen alle Aus- und Eingänge
benützt werden. Dies hat weitere
Verzögerungen an den Kontrollpunkten
für Palästinenser, Touristen und
Pilger geschaffen. Nach Bethlehem zu
kommen, macht also viele Umstände,
dass viele Touristen sich gar nicht
erst die Mühe machen, nach Bethlehem
zu kommen.
Trotz all dieser Einschränkungen und
Begrenzungen durch die Besatzung,
ist die Zahl der Touristen, die in
den besetzten Gebieten länger
bleiben gewachsen.
Bilal Bin Rabah Moschee/ Rachels
Grab.
Am nördlichen Eingang von Bethlehem
liegt der historische Ort, die
Bilal-Moschee bzw. Rachels Grab. Es
ist ein bedeutsamer Ort für
Christen, Muslime und Juden. Das
israelische Militär beschränkt den
Zugang durch hohe Mauern nur für
Juden. Das ist eine Verletzung der
Oslo-Abkommen, der
UNESCO-Konventionen und des
internationalen Rechts.
Der Mauerverlauf schneidet 2 km in
die nördliche Gemeindegrenze
Bethlehems hinein, umgibt die Bilal
Moschee/Rachels Grab, und zieht die
palästinensische Nachbarschaft sehr
in Mitleidenschaft. 70 von 80
Geschäften, die dort in der Nähe
waren, mussten geschlossen werden.
Die Bilal Moschee/Rachels Grab
liegen in einem vorherrschend
palästinensisch-christlichen
Stadtteil. Nun wird dieser von der
Mauer umgeben, die die Bewohner
gezwungen hat, aus wirtschaftlichen
und psychologischen Gründen in
Bethlehem woandershin zu ziehen..
Die christlichen Feste sind durch
Israels Absperrung Bethlehems
betroffen.
Nach dem Internationalen Religiösen
Freiheitsbericht von 2010 - vom
US-Außenministerium veröffentlicht -
hat der Bau der Mauer die Bewohner
Bethlehems sehr daran gehindert, die
Grabeskirche in Jerusalem zu
erreichen, und Besuche für
Palästinenser, die auf der
Jerusalemer Seite wohnen, bei
anderen christlichen Stätten in
Bethanien und Bethlehem schwierig
gemacht.
Derselbe Bericht stellt auch fest,
dass die Mauer und die Checkpoints
auch die Bewegung von Geistlichen
zwischen Jerusalemer und Westbank-
Kirchen und Klöstern verhindern, ja
auch die Bewegung zwischen ihren
Wohnplätzen und ihren
Gottesdienstorten.
Die Mauer hat auch das Kloster
Elias-Fest, das traditionell im
August gefeiert wird, für
palästinensische Muslime und
Christen sehr beeinträchtigt. Viele
können das Kloster, das nur vier km
von Bethlehem entfernt liegt, nicht
mehr besuchen.
Der zweite Halt der
Weihnachtsprozession mit den
Patriarchen, die von Bethlehem
kommt, und normalerweise nur wenige
Meter von der Bilal-Moschee/Rachels
Grab ist, kann wegen der Mauer
nicht mehr dort stattfinden und hier
auf den Patriarchen warten.
Die israelischen Einschränkungen der
palästinensischen Bewegung betrifft
auch das Marienfest: eine Prozession
im August hindert Christen aus
Bethlehem daran teilzunehmen. Sie
endet an der Kirche von
Mariä-Himmelfahrt auf dem Ölberg.
Wir Palästinenser rufen zu
Weihnachten in einem besonderen
Appell alle Christen in aller Welt
dazu auf, uns zu helfen, der
weitergehenden Schließung Palästinas
und besonders Bethlehems zu
widerstehen. Wir bitten die Welt
inständig, ihre Bemühungen an diesem
Weihnachten zu verdoppeln, Bethlehem
und den Rest des besetzten
Palästinas Besuchern zu öffnen, die
alten Verbindungen zwischen
Bethlehem und Jerusalem wieder
herzustellen, Frieden und
Gerechtigkeit nach Palästina zu
bringen, damit wir die Feiertage
wieder gemeinsam feiern können.
(dt und zum Teil etwas freier
übersetzt: Ellen Rohlfs)
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