Juli 2005, Zusammenfassung
In der
südlichsten Westbank haben etwa tausend Palästinenser die
Lebensart ihrer Ahnen beibehalten: Wohnen in Höhlen und
Bestreiten des Lebensunterhaltes durch Landwirtschaft und
Viehhaltung. In den 70er-Jahren erklärte der israelische
Befehlshaber der Armee das Gebiet zur „geschlossenen
Militärzone“, und während der vergangenen fünf Jahre hat
Israel laufend versucht, die Bewohner aus dem Gebiet
hinauszudrängen.
Im
November 1999 wiesen die Soldaten und die Beamten der
Zivilverwaltung die Höhlenbewohner aus und beschlagnahmten
ihre kärgliche Habe. Die Armee verschloss die Höhlen,
zerstörte Brunnen sowie Nebengebäude und untersagte den
Bewohnern die Rückkehr in das Gebiet. Die Höhlenbewohner
reichten Klage beim Obersten Gerichtshof ein, und im März
2000 stellte das Gericht eine begrenzte einstweilige
Verfügung aus, welche die Rückkehr der Bewohner in das
Gebiet erlaubte sowie dem Staat untersagte, diese zu
vertreiben, und zwar solange, bis der Gerichtshof eine
endgültige Entscheidung in der Sache getroffen habe.
Seitdem leben die Bewohner mit dem Damoklesschwert der
Ausweisung über ihren Köpfen.
Israel
behauptet, dass die Vertreibung der Höhlenbewohner deshalb
gerechtfertigt sei, weil sie keine ständigen Bewohner der
Gegend wären, und dass die Ausweisung eine „zwingende
Notwendigkeit“ sei. Der B’Tselem-Bericht
veranschaulicht, dass diese Behauptungen jeglicher Grundlage
entbehren, und zeigt, dass Israel fortgesetzt versucht, das
Gebiet zu annektieren und die nahegelegenen Siedlungen
auszubauen.
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Palästinensische Kinder am Eingang einer
Höhlenwohnung in den südlichen Hebronhügeln.
(Foto: Musa Abu Hashhash, B’Tselem, 13.12.2004) |
Zusätzlich zur Vertreibungsandrohung sind die
Höhlenbewohner Opfer der Gewalt und der Sachbeschädigungen
durch Bewohner nahegelegener Siedlungen. Aufgrund der
Heftigkeit dieser Gewalt mussten die Dorfbewohner im Jahre
2000 zwei ihrer Dörfer verlassen. Eine durch B’Tselem
durchgeführte Erhebung brachte zutage, dass etwa 88 % der
Palästinenser innerhalb der geschlossenen militärischen Zone
Opfer von Siedlergewalt waren bzw. Augenzeugen einer solchen
Gewalt gegen einen ihrer unmittelbaren Familienangehörigen
wurden. Die in der Bestandsaufnahme aufgelisteten
Misshandlungen können in vier Verhaltensmuster aufgeteilt
werden: Straßensperren und damit Verhinderung des Zugangs zu
den Feldern (51 % der Fälle), Sachbeschädigung, insbesondere
Zerstörung der Ernte sowie Schaf- und Ziegendiebstahl (21
%), Einschüchterung (17 %) und körperliche Gewalt (11 %).
Die
Polizei unternimmt nur wenig, um dem Gesetz gegen die
Siedler Nachdruck zu verleihen ... die Armee tut noch
weniger. In einigen Fällen haben Soldaten die Siedler sogar
bei der Ausführung ihrer Gewaltaktionen unterstützt. Dann
und wann zerstörte die Armee aus eigenem Antrieb heraus die
Äcker der Bewohner, indem sie mit Panzern und anderen
gepanzerten Fahrzeugen über die Felder fuhr. Noch dazu
verbietet die Zivilverwaltung den Bewohnern, in ihren
Dörfern zu bauen, indem sie darauf besteht, dass das Gebiet
für landwirtschaftliche Nutzung bestimmt sei. Das Verbot
umfasst auch Bauten für eine eigene Wasserversorgung und zur
Deckung anderer Grundbedürfnisse.
Der
Bericht dokumentiert Israels Versuche in den letzten fünf
Jahren, die Höhlenbewohner mit Hilfe juristischer Verfahren
auszuweisen, und beschreibt das Leben der Bewohner unter der
Einschüchterung seitens der Siedler, des Militärs und der
Zivilverwaltung.
Das im
Bericht gezeichnete düstere Bild von Israels Behandlung der
Höhlenbewohner erhöht die Sorge, dass Israel weiterhin
versucht, die Bewohner allmählich mürbe zu machen, damit sie
das Gebiet verlassen – ein Ergebnis, das bislang vor Gericht
nicht erreicht werden konnte.
B’Tselem
protestiert gegen die versuchte Vertreibung und gegen
Israels gegenwärtige Politik gegenüber den Bewohnern, die
ernsthaft deren Menschenrechte verletze und schamlos
internationales Recht breche. B’Tselem bittet die
israelische Regierung dringend,
1)
den Befehl für nichtig zu erklären, der das
Höhlengebiet in den südlichen Hebronhügeln als geschlossene
militärische Zone deklariere, und Räumungsbefehle, die
gegenwärtig gegen die Höhlenbewohner verhängt seien,
aufzuheben.
2)
der Armee und Polizei vorzuschreiben, Höhlenbewohner
zu schützen und das Gesetz gegen gewalttätige Siedler
ernsthaft durchzusetzen.
3)
das Recht der Höhlenbewohner anzuerkennen, in ihren
Dörfern zu leben, dort zu bauen und diese ihren
Lebensnotwendigkeiten entsprechend zu entwickeln.
4)
diejenigen Palästinenser zu entschädigen, deren Äcker
und persönliches Eigentum durch Siedler, Armee oder
Zivilverwaltung beschädigt worden seien.
06.07.2005,
Übers. v. Gabriele Al Dahouk