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Ein Land im Krieg verschwendet keine
Gedanken für die Kinder des Feindes
Adam Keller – Crazy Country
Vor gut einer Woche schrieben Leute aus den
südlichen Gemeinden Israels einen Brief an Ministerpräsident
Netanjahu und den Verteidigungsminister:
„Wir, Mitglieder der „Anderen Stimme“ aus den
Gemeinden nahe dem Gazastreifen bitten die Regierung Israels
dringend darum, sie möge nicht weiter mit unserem Leben
spielen, sondern möglichst schnell mit der Hamasregierung
diplomatische Kontakte aufnehmen! Wir sind es müde, wie Enten
auf einem Schießplatz zu sitzen um politischer Interessen
willen. Raketen von dort und Bomben von hier schützen uns nicht.
Dieses Land hat lange genug, ja jahrelang, Kriegsspiele mit
brutaler Gewalt gespielt . Beide Seiten haben dafür zahlen
müssen und zahlen noch immer einen hohen Preis an Leiden und
Verlusten. Es ist Zeit zu reden und für ein dauerhaftes
Verständnis zu kämpfen, damit die Menschen auf beiden Seite der
Grenze zu einem normalen Leben finden.“
„Die andere Stimme“ ist eine Gruppe aus
Sderot und Gemeinden in der Nachbarschaft des Gazastreifens, die
einen anhaltenden Kontakt mit Bewohnern des Gazastreifens halten
und nachbarliche Beziehungen und Dialog führen.
Zu der Zeit, als dieser Brief geschrieben
wurde, gab es keine Eskalation an der Grenze zum Gazastreifen
und das Problem machte keine Schlagzeilen. Aber man musste kein
Prophet sein, um sich darüber im Klaren zu sein, dass er
früher oder später wieder ins Rampenlicht kommt. Vor allem, wenn
man genau in dieser Gegend lebt.
Am Donnerstag letzter Woche kam über den
Gazastreifen nichts in den Nahrichten. Die Schlagzeilen waren
mit den Ergebnissen der US-Wahlen und ihrer Bedeutung für die
israelische Politik beschäftigt. Und mit einer kleineren
Nachricht, die von einem Kollaps eines Einkaufszentrums in
Accra, Hauptstadt von Ghana, berichtete. Viele Menschen lägen
dort unter den Trümmern. Die IDF organisierte schnelle und
effiziente Mobilisierung, um eine Rettungsmission innerhalb
weniger Stunden auf den Weg zu bringen; drei Ghanaer wurden von
unsern Soldaten aus dem Schutt gerettet. Tatsächlich ein
Beispiel humanitärer Hilfe, die das Herz eines Israelis wärmt
und mit Freude erfüllt.
Gaza kam in den Nachrichten am letzten
Donnerstag nicht vor – aber die IDF sind jeden Tag mit Gaza
beschäftigt – mit oder ohne Schlagzeilen. In derselben Zeit, in
der die IDF nach Ghana zur Rettungsmission aufbricht,
überquerten israelische Panzer und Bulldozer die Grenze in den
Gazastreifen und über ihnen flogen Helikopter-Gunships. Es gab
eine Menge Schießerei und Gegenschießerei und
Gegen-gegen-Schießerei und während dieses Schießens flogen
Kugeln aus einem israelischen Maschinengewehr auf ein Stück
Land, östlich von Khan Junis, wo Jungs zu dieser Zeit Fußball
spielten.
Ob das nun eine Waffe von einem Panzer oder
vom Helikopter war, wird man wahrscheinlich nie erfahren, was
auch nicht wichtig ist. Wichtig ist dagegen, dass eine der
Kugeln den Kopf eines 13Jährigen traf, Hamid Abu Dakka, der ein
paar stunden später an seinen Wunden im Krankenhaus starb.
Das Office des IDF-Sprechers erzählte
fragenden ausländischen Journalisten, dass die Soldaten nicht
absichtlich mit ihren Waffen auf den Jungen gezielt hätten. Und
tatsächlich ist es unwahrscheinlich ((??)), dass ein
israelischer Soldat bewusst und absichtlich auf Fußball
spielende Jungen schießen würden. Doch ist der Junge tot und
begraben.
Was sollten die Bürger Israels über diesen
tragischen Fall sagen? Die Wahrheit ist, dass die meisten
Bürger Israels überhaupt nichts von diesem Fall gehört haben.
Ihre Massenmedien vergaßen es, ihnen zu sagen;
Nachrichten-Herausgeber empfinden einfach nicht, dass ein toter
arabischer Junge eine Nachricht wert ist. Dann kam die harte
Überraschung. Am Tag nach der Beerdigung des Jungen feuerte eine
palästinensische Fraktion eine Rakete auf ein IDF-Fahrzeug, das
seinem üblich Geschäft nachging und auf der isr. Seite des
Zaunes auf einer von Israel gebauten Patrouille-Straße entlang
fuhr. Vier Soldaten wurden verwundet und ins Krankenhaus
gebracht. Ein Artikel, der eine ganze Seite füllte, beschrieb
den Vorfall in allen Einzelheiten und brachte sogar die
medizinischen Berichte über die Lage von jedem einzelnen der
Soldaten. Wie es sich für ein Land gehört, das sich um seine
Soldaten kümmert, die in die Schlacht geschickt werden.
Die IDF reagierte sofort und wütend auf das
Verletzen der vier Soldaten. bei dem massiven Artilleriebeschuss
wurden vier Zivilisten, die in einem Trauerzelt im Osten von
Gaza-Stadt saßen und deren Familien nun noch mehr in Trauer
versetzt wurden . Dies wurde in den israelischen Medien knapp
und mit wenig Detail berichtet. Zum Beispiel ohne zu erwähnen,
dass drei der Getöteten Teenager waren. Sicher hat kein Editor
in Israel dies für Wert gehalten, zu erwähnen, dass der
17Jährige Mohammed Hararah nicht von der ersten Granate
getroffen wurde, sondern als er dem Verletzten helfen wollte
von noch einer Granate getroffen und sofort getötet wurde. Das
sind keine wirklichen Nachrichten.
Und gestern gab es ein großes Sperrfeuer mit
Raketen, auf israelische Gemeinden rund um den Gazastreifen. Die
Sirenen heulten immer wieder und die Menschen flohen in die
Schutzkeller. Zum Glück wurde niemand getötet. In den Medien gab
es zorniges Gerede über die unerträgliche Situation in den
südlichen Gemeinden und über die Kinder, die dort in einem
schrecklichen Zustand täglicher Angst aufwachen. Keiner sprach
von den Bedingungen, unter denen die Kinder in Gaza aufwachsen
und von denen, die am Tag zuvor den Tod eines ihrer Brüder
miterlebten. Das ist nicht überraschend, weil ein Land im Krieg
kaum Gedanken über die Kinder des Feindes verschwendet.
(Morgenabend plant eine Aktivistengruppe sich
vor dem Haus des Ministerpräsidenten zu treffen, um dort eine
Nachtwache mit Kerzen zu halten und mit Namensschildern mit den
Namen der Menschen, die in Gaza getötet wurden, aber in den
Medien nicht veröffentlicht wurden. Es wird wahrscheinlich
nicht gern gesehen werden.)
(dt. Ellen Rohlfs) |