Israel sagt „Nein“
Ran HaCohen, antiwar, 19.Februar 2008
Am 23.
Januar kamen Haaretz-Leser in große Verlegenheit. Just als die
anerkannte Zeitung ihre wichtigste Schlagzeile gedruckt hatte, die sich
auf Israels allwissende „Sicherheitsquellen“ gründet - „Neue
israelische Politik in Gaza: Grenzübergänge werden geschlossen bleiben“
– wurden die Grenzübergänge zwischen Gaza und Ägypten geöffnet; ein paar
Stunden später bestanden sie nicht mehr. Noch einmal wurde die
israelische Regionalmacht völlig überrascht; Hamas gewann, indem sie die
Belagerung durchbrach.
Ein
deutliches Anzeichen dafür, dass sich ein Empire auf dem Abstieg
befindet, ist die Tendenz zur Realität „Nein“ zu sagen. Die Sowjetunion
fügte der englischen Sprache ihr „Njet“ hinzu. Vor langer Zeit waren es
die Araber, die „nein“ sagten – nein zu den Verhandlungen, nein zur
Normalisierung, nein zur Anerkennung, nein zum Frieden. Dies hat sich
verändert – mindestens mit der arabischen Friedensinitiative von 2002.
Nun ist es Israel, das zum Neinsager wurde. Man schaue bei „lo“ (dem
hebräischen „nein“) im Oxford English Dictionary nach.
Die
israelische Grenzstadt Sderot wird angegriffen. Aus Gaza werden täglich
Raketen auf die Zivilbevölkerung abgefeuert. Kein Land kann so etwas
lange tolerieren, doch die Angriffe geschehen nun seit sieben Jahren.
Militäroperationen dagegen sind alle fehlgeschlagen, haben sie nicht
einmal verringert. Jeder vernünftig Denkende würde sagen: Schützt oder
evakuiert zuerst die Bewohner Sderots; und redet dann mit denen, die
die Raketen abschießen und fragt, was sie wollen. Israel jedoch sagt zu
beiden Vorschlägen „nein“.
Warum nicht mit der
Hamas reden?
Mit der Hamas reden, wäre ein guter Anfang.
Öffentliche Umfragen zeigen an, dass Israelis diesen Schritt sehr
unterstützen würden. Aber Israel sagt „nein“. Die von den Medien
propagierte Ideologie ist so dominant, dass dieses Problem in Israel
nicht einmal diskutiert wird; Rejektionismus / Zurückweisung wird als
selbstverständlich hingenommen. Warum nicht mit der Hamas reden?
Die
offizielle Antwort: „die Hamas leugnet Israels Existenzrecht.“ Ein
lächerliches Argument, das bis dahin reicht „wir reden nicht mit unsern
Feinden, weil sie unsere Feinde sind“ oder „wir machen lieber Frieden
mit Freunden als mit Feinden“. Darüber hinaus hat Hamas einen
langfristigen Waffenstillstand von Jahren oder Jahrzehnten angeboten.
Israel sagt auch dazu „nein“. Warum? Die idiotische israelische Antwort
lautet: die Hamas könnte die Zeit zur Wiederbewaffnung nützen. Als ob
Israel die Zeit dazu anders benützen würde. Eine
Pseudodemokratie, die vom Militär angeführt wird, ist total blind für
die rationale Logik, eine temporäre friedliche Atmosphäre zu schaffen,
um die Interessen der daran beteiligten Parteien an einem friedlichen
Leben zu stärken, um eine neue Generation in Wohlstand und frei von
altem Hass aufwachsen zu lassen und so weiter. Lieber jetzt ein Krieg
als Jahrzehnte des Friedens und ein Krieg - vielleicht – später. Sicher
ist das besser für die Waffenindustrie -- und für die Friedhöfe.
Israel
ist natürlich ein verwöhnter Kolonialherr. In Abu Mazen fand Israel
einen schwachen aber zuverlässigen Kollaborateur. Wenn man mit Hamas
reden würde – so behaupten wenigstens die Experten – würde man Abu Mazen
schwächen und er würde noch mehr Forderungen stellen, um mit der Hamas
zu wetteifern. Selbst eine erfolgreiche Politik des „teile und
herrsche!“ hat ihre Nachteile. Irgendwie gibt es immer eine Ausrede:
wenn die Palästinenser vereinigt sind, dann können wir mit ihnen keinen
Frieden machen, weil sie entweder zu schwach ( und deshalb nicht
verlässlich sind) oder zu stark ( und deshalb zu viel fordern) Wenn sie
geteilt sind, können wir sicher nicht mit ihnen reden, weil die
Fraktionen mit einander konkurrieren.
Offensichtlich ist der wahre Grund, nicht ernsthaft zu verhandeln, der,
dass Israel nicht bereit ist, die Besatzung aufzugeben . (Israel sagt
jetzt schon, Ende dieses Jahr sei viel zu früh, um mit Abu Mazen einen
Deal auszuhandeln). Es geht nicht nur um Land und Wasser, sondern wie
Meron Rapoport kürzlich in Haaretz erinnerte: mehr als 6% aller
israelischen Exporte (außer den Diamanten ) gehen auf den Markt der
besetzten palästinensischen Gebiete, das sind etwa $ 2 Milliarden im
Jahr, mehr als nach Frankreich und Italien zusammen: Obst und Gemüse,
Medikamente und Geräte für Krankenhäuser, Wasser und Strom, Stahl und
Zement. Ein Monopol-Absatzmarkt, wo die Produkte, die für die
israelischen Kunden nicht mehr gut genug sind, noch für gutes Geld
(nämlich dem der Geberstaaten) abgesetzt werden können. Das ist ein
kostbarer Aktivposten in einer vom Konkurrenzdenken geprägten
kapitalistischen Welt.
Zivilisten als Propaganda-Karten
Ehud
Barak wird in Israels Geschichte als derjenige eingehen, der den
Missbrauch unschuldiger Zivilisten als politische Spielkarte eingeführt
hat. Barak war wahrscheinlich nicht der erste israelische Krieger, der
Zivilisten aus taktischen Gründen missbrauchte, aber er war derjenige,
der dies zu einer zentralen israelischen Strategie machte. Die Operation
„Trauben des Zorns“ im Libanon 1996 mit Barak als einflussreichem
Kabinettsminister, zielte offen auf Zivilisten, machte sie zu
Flüchtlingen, um Druck auf die Regierung in Beirut auszuüben. Die
kürzliche Belagerung des Gazastreifens folgt einer ähnlichen Logik: Übe
Druck auf die Zivilisten aus und erreiche so politische Ziele. (ein
klares Kriegsverbrechen).
Die
israelischen Bewohner von Sderot werden ähnlich missbraucht. Israel hat
bis jetzt nicht das Budget gefunden, um jenen von Raketen betroffenen
Bürgern einen passenden Schutz zu geben. Erst letzte Woche wurden 23
öffentliche Schutzräume im südlichen Teil der Stadt eröffnet – doch
nicht von der israelischen Regierung finanziert, sondern von einer
amerikanisch evangelikalen Stiftung (IFCJ). Es gibt auch einen privaten
Spender, der von Zeit zu Zeit einige Bewohner von Sderot für eine Woche
in ein sicheres Hotel fahren lässt. Bewohner, die bei ihrer Regierung
um Hilfe nachsuchen, um ihre bombardierte Stadt zu verlassen, werden
abgewiesen: Sie sind „Hausgeiseln“, wie Haaretz sie bezeichnet. Die
Stadt zu evakuieren, würde bedeuten, dem Terror nachzugeben, sagt das
offizielle Israel. Ein 8jähriger Junge, der in Sderot ein Bein verloren
hat, ist ein Propaganda-Aktivposten, dem Israel nicht widerstehen kann.
Wie leicht ist es doch, in einem Sessel in Tel Aviv, Jerusalem oder
Washington zu sitzen, um ein Argument vorzubringen - auf dem Rücken
unschuldiger Zivilisten – in Gaza genau so wie in Sderot.
Und
all dies ist natürlich vergeblich: die Bürger von Sderot werden
verständlicherweise ungeduldig; ihr Protest wird von politischen
Parteien instrumentalisiert. Die Bewohner von Gaza durchbrachen die
Belagerung, die Israel trotzdem nicht aufheben ließ – und die Raketen
werden weiter abgefeuert. Welche Lösung gibt es? Das zurückweisende
Regime kann nur immer dasselbe anbieten. Der Innenminister Meir Shitreet
schlug kürzlich vor, „einen ganzen Stadtteil im Gazastreifen zu
zerstören“. Andere Politiker und Kolumnisten zögerten nicht mit
anderen „kreativen“ Ideen.* Israel tut das, von dem es denkt, dies könne
es am besten: Tod und Zerstörung zu säen. Aber wie wir jetzt wissen, ist
Israel darin nicht mehr so gut, wie es schon einmal war.
http://antiwar.printthis.clickability.com/pt/cpt?action=cpt&title=israel+says+%27No
*
Einer wollte die Menschen des Gazastreifens in den Negev „umsiedeln“;
ein anderer schlug vor, dass ab jetzt Ägypten für die Versorgung
zuständig sein sollte. Israel sollte nichts mehr mit dem Gazastreifen zu
tun haben – absolute Trennung. Es würde ja auch nicht zum „verheißenen
Land“ gehören. (Zusatz der Übersetzerin)
(dt.
Ellen Rohlfs, von Verfasser autorisiert)
(Hervorhebung P.R. NB. Man gehe nur einmal in palästinensische Geschäfte
z.B. in Bethlehem und bestaune die prall mit fast ausschliesslich
israelischen Waren – hebräische Aufschrift – gefüllten Regale. Sehr
bemerkenswert dann der Blick auf das Verfalldatum! Sehr viele Waren
stehen kurz davor oder haben das Datum bereits überschritten! –
jedenfalls war das im Herbst 2007 noch der Fall!)
|