Besatzung unter einem
anderen Namen
Ran
HaCohen, antiwar, 27.August 2008
Meron
Benvenisti erwähnt in einem ausgezeichneten Artikel den „Erfolg der
Propaganda-Kampagne“ , die als ‚Verhandlungen mit den Palästinensern’
bekannt ist, die viele davon überzeugt, dass der augenblickliche Status
ein vorläufiger sei.“. Da gibt es tatsächlich keine bessere Art und
Weise, die laufenden Gespräche zwischen den beiden Politikern – Ehud
Olmert und Mahmoud Abbas – deren Zeit abgelaufen ist, zu beschreiben,
als dies einen von der Bushregierung orchestrierten Zeitvertreib zu
nennen. In der Vergangenheit waren Friedensgespräche dafür gedacht, zu
einem Friedensabkommen zu führen. Von diesen Verhandlungen jetzt
erwartet man höchstens ein „Schubladenabkommen“, das irgendwann in der
Zukunft einmal erfüllt werden soll oder auch nicht. Keiner glaubt daran,
dass dieses Abkommen – wie verabredet – bis zum Ende des Jahres erreicht
werden kann. Nicht einmal die Schublade kümmert sich darum.
Aber
die Show muss weitergehen. In der letzten Woche verkündeten die
Zeitungen einen großen Sprung nach vorne: Olmerts Israel hat einen
detaillierten Vorschlag für den End-Status vorgeschlagen. Bei wirklichen
Verhandlungen könnte man jetzt gesagt haben: Jetzt wissen wir, was
Israel will. Aber das ist nicht der Fall, da jeder weiß, dass Olmert
nicht länger relevant ist. Was ist dieser Vorschlag also wert? Wir
wissen wirklich nicht, was Israel wünscht, aber wir können wenigstens
sehen, was Israel zu sagen bereit ist.
Das
ist ein wichtiges Thema im israelisch politischen Diskurs. Während der
letzten anderthalb Dekaden war dies ein zentraler Punkt der Kontroversen
zwischen der zionistischen Linken und der radikalen Linken. Jede
ehrliche Person muss zugeben, dass sich vor Ort nichts geändert hat,
wenigstens nicht zum Besseren: die Besatzung, von der man seit 1993
annahm, dass sie zu Ende geht, ist mit dem illegalen Siedlungsbau, der
wie ein tödlicher Tumor wächst, immer schlimmer geworden. Die radikale
Linke sieht dies als Beweis dafür, dass Israel keine Absicht hat, die
Besatzung zu beenden. Die zionistische Linke jedoch hat ein anderes
Argument: „Hört, wie sie reden.“ Die Realitäten der Westbank und des
Gazastreifens seien tatsächlich schlimmer als je, aber jetzt redet der
israelische Mainstream offen über einen palästinensischen Staat, so die
zionistische Linke – und Worte würden unweigerlich zu Taten und wenn wir
nur diese guten Kerle unterstützen, die die Besatzung so festhalten,
während sie sagen, sie wollen sie beenden (Rabin, Peres, Barak etc.
sogar Sharon, der weise genug war, sich diesem Club anzuschließen).
Das
neue großzügige Angebot
Schauen wir uns also an, was das offizielle Israel zu sagen - nicht zu
tun – bereit ist. Der End-Status-Vorschlag – nach Haaretz – schließt
folgende Punkte ein:
1.
Israels Rückzug aus 93% der Westbank, wobei Maale Adumim, Gush Etzion,
die
Siedlungen rund um Jerusalem und etwas Land in der nördlichen
Westbank bei Israel
bleiben, zusammen etwa 7% der Westbank.
2.
Dafür erhalten die Palästinenser
Land im Negev, das sich an den Gazastreifen
anschließt und die den 5,5% der Westbank
entsprechen.
3.
Eine freie Durchfahrt zwischen dem
Gazastreifen und der Westbank ohne Sicherheits-
Kontrollen.
4.
Der Vorschlag weist ein
„Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge ab, schließt
aber eine „detaillierte und komplexe
Formel“ ein, um das Flüchtlingsproblem zu lösen.
(Dazu wurden keine Details gegeben).
5.
Olmert hat sich mit Abbas
dahingehend geeinigt, dass die Verhandlungen über Jerusalem auf später
verlegt werden.
Nun, das klingt nicht all zu verlockend,
nicht einmal als „Schubladen-Abkommen“. Jerusalem ist ein Kernproblem,
das nicht einmal berührt wurde. Außerdem – so steht bei Haaretz – bringt
Olmerts Vorschlag für einen Landtausch einen neuen Punkt in das
Abkommen: Israel würde die Siedlungsblöcke sofort erhalten, aber
das für die Palästinenser gedachte Land und die freie Passage zwischen
dem Gazastreifen und der Westbank soll erst dann abgetreten werden,
nachdem die PA die Kontrolle über den Gazastreifen wieder gewonnen hat.
Die Chancen, dass die PA jemals die Kontrolle über den Gazastreifen
übernimmt, sind geringer als dass die Hamas die Kontrolle über die
Westbank übernimmt. – aber das macht den Vorschlag für Israel nur
attraktiver: Wir nehmen die Waren sofort, aber gezahlt wird erst dann,
wenn der Messias kommt.
Haaretz schließt noch einen unvermeidlichen
Propagandapunkt in den sonst informativen Bericht: „Während der letzten
paar Monate hat Olmert den Bau von Tausenden Wohneinheiten in diesen
Siedlungsblocks rund um Jerusalem genehmigt und einige sind für die,
die freiwillig (aus Siedlungen) gehen.“ Wie immer verletzt Israel das
Völkerrecht und baut in illegalen Siedlungen weiter - aber es tut dies
nur mit einem Gedanken: für Frieden. Sicherlich ist es der beste Weg,
die Besatzung zu beenden, indem man Tausende von neuen Häusern im
besetzten Land baut. Doch ist ihr Bau ein offensichtlicher Beweis für
Israels großes Engagement für den Frieden.
Warum dieser ewige Pessimismus?
Man kann aber behaupten: und trotzdem, und
trotzdem. Natürlich wird Olmerts Vorschlag niemals durchgeführt.
Natürlich ist er unvollkommen, zweifellos und ganz sicher nicht
großzügig. Aber noch ist Israel bereit, seine Verpflichtung gegenüber
der Idee eines palästinensischen Staates auf 93% der Westbank offen
einzuhalten - plus 5.5% Landtausch. Bedeutet das nicht, dass Israel
endlich zugibt, dass die Tage der Besatzung gezählt sind? Sogar einer
der Knessetabgeordneten vom rechten Flügel (Likud) verklagt
konsequenterweise Kadima, dass sie das Weltbild / die Ansichten der
zionistischen Linken fördert: „Jeder vom linken Flügel (Meretz) könnte
Olmerts Vorschlag unterzeichnet haben.“ Gibt es einen besseren Beweis
für einen guten Vorschlag als die Angriffe vom rechten Flügel?
„Sicherheitsanordnungen“
Nicht ganz. Wie der Bericht in Haaretz sehr
kurz erwähnte, „legte Israel den Palästinensern ein detailliertes Modell
für neue Sicherheitsanordnungen für das vorgeschlagene Abkommen vor“.
Zunächst wurden keine Details gegeben. Warum die Friedensfeier mit
kleinen technischen Details belasten? Der erste Bericht erwähnte nur
eine Forderung, dass der palästinensische Staat entmilitarisiert, also
ohne Armee sein soll – eine Forderung, die die Palästinenser mehr oder
weniger akzeptiert haben. …. Am nächsten Tag wurde selbstverständlich
berichtet, dass die Palästinenser Olmerts Vorschlag als „unseriös“
zurückgewiesen haben – in voller Übereinstimmung mit Israels Missdeutung
eines angeblichen „palästinensischen Rejektionismus“ von 1947 bis heute.
Man musste ein paar Wochen warten, um
herauszufinden, was mit den nicht genauer definierten
„Sicherheitsanordnungen“ wirklich gemeint ist. Am Dienstag berichtete
Haaretz, dass „die Palästinenser gegen jede israelisch militärische
Präsens auf dem Gebiet des zukünftigen palästinensischen Staates seien.“
Also noch einmal diese unvernünftige Forderung der Palästinenser: Warum
müssen sie auf einem unabhängigen Staat ohne israelische Militärpräsenz
bestehen?! Sie wissen doch, dass israelische Soldaten nur gerade 18
Jahre alte Jugendliche sind, die keinem ein Leid antun! Aber das ist
noch nicht alles: Im Bericht steht auch: Israel wolle für seinen Teil
auch die Grenzübergänge überwachen, eine begrenzte Stationierung im
Jordantal, weiterhin Überflüge über das palästinensische Gebiet,
Frühwarnstationen auf den Höhenrücken und militärische Notfalleinheiten
in den palästinensischen Gebieten.“
Ach, das ist es also , was Israel unter
einer „Zwei-Staaten-Lösung“ versteht, einem „unabhängigen“
„palästinensischen“ „Staat“ mit einer israelischen Überwachung seiner
Grenzübergänge voller israelischer Soldaten, israelischer Jet-Flugzeuge,
israelische Militärstationen – und natürlich Israels Recht, in
besonderen Notzeiten noch mehr Soldaten hineinzusenden. Sollten wir
hierin nicht Gegenseitigkeit vorschlagen, um Israels wahres Gesicht zu
enthüllen? Wie wäre es denn mit palästinensischer Kontrolle an Israels
Grenzübergängen, einer palästinensischen Militärpräsenz entlang Israels
Mittelmeerküste, palästinensische Jets, die frei über Tel Aviv und
Dimona fliegen, mit palästinensischen Militärstationen in Haifa und
Ramat Yishay und palästinensischen Notfalleinheiten auf israelischem
Gebiet? Offensichtlich sind solche „Sicherheitsanordnungen“ vollkommen
unpassend für einen souveränen, unabhängigen Staat.
Der israelische Vorschlag beweist wieder
einmal – wie die „Sicherheitsanordnungen“ enthüllen - dass Israel kein
Partner für den Frieden ist. Im Grunde ist das, was Israel sucht, Zeit,
um die Siedlungen zu erweitern und die palästinensische Gesellschaft zu
strangulieren, in der Hoffnung, dass das „Palästinenserproblem“ von
alleine verschwindet. Auf der Ebene des Diskurses liegen die Dinge genau
so schlecht. Trotz des falschen gegensätzlichen Eindruckes, der von der
israelischen Propagandamaschine gepflegt wird, weist Israel klar die
Vorstellung eines unabhängigen palästinensischen Staates zurück, außer
einem Bantustan unter völliger israelischer Kontrolle. Wenn man sich
fragt, warum der israelisch-palästinensische Konflikt ungelöst bleibt,
dann ist dies die einfache Antwort: die Zwei-Staatenlösung, die schon
vor 60 Jahren von den UN vorgeschlagen wurde und vor 20 Jahren von den
Palästinensern gebilligt wurde, ist für Israels Militär und für seine
politische Führung unannehmbar.
http://www.antiwar.com/hacohen
(dt. Ellen Rohlfs)
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