Wie palästinensischer
Privatbesitz in Staatsland verwandelt wird
Akiva Eldar, Haaretz , 27.12.05
Ehud Barak
vergleicht den Staat Israel gern mit einer Villa in einem Dschungel. Es
wäre ganz interessant zu wissen, wie er in diesem Zusammenhang die
Siedlungen in den besetzten Gebieten sieht. Sind es legale Terrassen
dieser Villa oder sind sie ein Teil des Dschungels.
Direkt unter den
Augen des Ministerpräsidenten, des Generalstabschefs und des
Zentralkommandos, der verantwortlich für „Judäa und Samaria“( die West
Bank) ist - unter ihnen auch Barak selbst – hat der Staat Israel über
diese Gebiete das Dschungelgesetz verhängt. Die Zivilverwaltung ist mit
dem Segen des Staatsanwalts der wichtigste Partner in einem System von
Landbesitzgeschäften geworden, die man ruhig mit der Beschreibung
„dubios“ ergänzen kann.
Baugesellschaften,
die Siedlerführern und Grundstücksmaklern gehören und von ihnen
betrieben werden, erwerben Land von palästinensischen Gaunern und
vermachen es dem Verwalter von Staatsland bei der israelischen
Landverwaltung. Dieser „verwandelt“ das Land in „Staatsland“ und
verpachtet es zurück an Siedlergesellschaften, die es dann an
Baugesellschaften verkaufen. Auf diese Weise wird abgesichert, dass die
Palästinenser ( nach dem „Gesetz der besetzten Gebiete“ liegt die
Beweislast auf diesem) ihr Land nie mehr zurückfordern werden/ können.
Als Brigadegeneral
Ilan Paz, dem damaligen Kommandeur von Judäa und Samaria, diese
Machenschaften vor anderthalb Jahren bekannt wurden, gab er einen
schriftlichen Befehl heraus, um diese Land- „Wäsche“ zu beenden. Er
begründete es damit, dass wenn dies auch rechtlich korrekt wäre, es doch
einen faden Geruch habe. Dieses Land war schon zur Errichtung von
Dutzenden von jüdischen Siedlungen benützt worden und anderes wartet
schon auf Käufer. Einiges von diesem Land z.B. von Bilin – das jetzt
wegen seines entschlossenen Kampfes gegen die Mauer bekannt wurde –
liegt neben der Grünen Linie von 1967. Das Verteidigungsministerium hat
darauf geachtet, dass der Verlauf der Mauer so läuft, dass sie dieses
Land zur israelischen Seite schlägt. Und die Unternehmer beeilen sich,
neue Fakten in Beton zu gießen.
Vor zwei Wochen
wurde hier zuerst veröffentlicht, dass neben Bilin in der jüdischen
Siedlung von Matityahu –Ost, einem neuen Stadtteil von Ober-Modiin (Modiin-Illit),
Hunderte von Wohnungen ohne Genehmigung gebaut werden. Der Anwalt der
Bewohner Bilins Michael Sfard sandte dem Büro des Staatsanwalts eine
Kopie eines Briefes, den Gilad Rogel, der Anwalt des Ortsrats von
Ober-Modiin an den Ingenieur des Ortsrates geschrieben hatte. Rogel
machte darauf aufmerksam, dass Unternehmer dabei sind, „ganze
Gebäudekomplexe ohne Genehmigung zu bauen und dies mit ihrer vollen
Kenntnis und mit Plänen und rechtlicher Unverantwortlichkeit, dass ich
dafür keine Worte mehr finde.“
In einem Bericht,
den er ans Innenministerium, an den internen Kontrolleur Shmuel Heisler,
sandte, schrieb er, der Bau im neuen Projekt werde entgegen des
genehmigten Stadtbauplanes ausgeführt und weiche „sehr“ von ihm ab.
Das
Justizministerium bestätigte, dass „anscheinend illegale Bautätigkeit im
Zuständigkeitsbereich von Ober-Modiin im Gange sei und dass die zivile
Verwaltung im Raum von Judäa und Samaria angefragt worden sei, sich dazu
zu äußern.“
Der Sprecher der
Zivilen Verwaltung sagte, dass angesichts der Tatsachen, dass zum
gegenwärtigen Zeitpunkt dort Bautätigkeiten stattfinden, es die Absicht
der Zivilen Verwaltung sei, die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel
zur Durchsetzung so bald wie möglich zu prüfen und den Bau des Gebäudes,
der dort ausgeführt werde, zu stoppen .
An Ort und Stelle
geht aber die Arbeit wie gewöhnlich weiter. Dokumente in Besitz von
Haaretz zeigen, dass Gesetzesübertretungen beim Bauen nur die Spitze
einer Sache sind, die noch viel schwerwiegender sind. Das erste
Dokument ist ein eidlich beglaubigtes Statement von Anwalt Moshe Glick,
dem Anwalt der Siedlervereinigung, die sich „Gesellschaft der Gründung
des Landes Israel Midrasha,LtD“ nennt. Am 16. Juni erklärte Glick dem
Anwalt Doron Nir Zvi: „Ich unterbreite hier die beglaubigte Erklärung
anstelle des Bürgermeisters von Bilin. Nach meinem besten Wissen und
Gewissen ist H.Muhammad Ali Abed al Rahman Bournat der Besitzer dieses
Landstückes, das als Block 2 Stück 134 im Dorf von Bilin bekannt ist.“
Niemals dort gewesen
Am 16. November 2003
unterzeichnete Glick eine andere beglaubigte Erklärung. Die neue
Erklärung zielte dahin, das seltsame Phänomen zu erklären, wie ein
israelischer Anwalt anstelle eines Muchtars eines arabischen Dorfes
unter Eid erklären kann – eine Prozedur, die einem beglaubigten Zeugnis
vor Gericht gleich kommt. Aus dieser neuen Erklärung ging hervor, dass
Glick niemals seinen Fuß auf das in der Erklärung genannte Land gesetzt
hatte. „Diese beglaubigte Erklärung ist anstelle einer Erklärung des
Dorfbürgermeisters von Bilin, das wegen der Sicherheitssituation für
jeden Juden zu betreten gefährlich ist, ( besonders wenn es sich um den
Kauf von Land handelt.) Außerdem gäbe es ja ein Verbot von Seiten der
Behörden, das Bürgern Israels verbiete, die Zone A und b zu betreten.“
Der Sprecher der
Zivilverwaltung bestätigte aber gestern, dass das Dorf Bilin in Zone B
liege, das unter voller israelischer Kontrolle stehe und dass es
israelischen Bürgern erlaubt sei, es zu besuchen.
Am selben Tag, an
dem Glick die beglaubigte Erklärung unterschrieb, erschien der
wohlbekannte Landdealer Shmuel Anav vor ihm und unterschrieb noch ein
beglaubigtes Schreiben, bei dem es sich um dasselbe Stück Land handelte.
Anav gab dieselben Gründe an, warum es unmöglich sei, eine Genehmigung
vom Bürgermeister zu erhalten: die Sicherheitsgründe und das Verbot,
die Zone A und B zu betreten.
In der Abteilung,
die sich (anscheinend ) mit den Details der Beweise befasst, auf die
die „Land von Israel Midrascha-Stiftung“ ihre Forderung gründet, das
Stück Land auf ihren Namen einzutragen, erklärte Anav, dass „der
Besitzer das Land an seinen Sohn verkauft habe und der Sohn habe es an
die Gesellschaft verkauft.“ Der ursprüngliche Besitzer starb vor ein
paar Jahren. Sein Sohn Sami, der nach Aussagen der Einwohner von Bilin
ihre Unterschriften gefälscht habe, wurde Anfang 2005 in Ramallah
ermordet. Hätte die Polizei die Behauptung der Bewohner von Bilin ernst
genommen und die Besitzverhältnisse des in den beglaubigten – und im
Namen des Bürgermeisters abgegebenen - Erklärungen genannten
Landstückes nachgeprüft – auch die zweifelhaften
Sicherheitsentschuldigungen, dann hätte die Polizei herausfinden müssen,
dass der Name Anav mit Landverkäufen verknüpft ist, die sich als purer
Landdiebstahl herausstellten.
....
Vor 10 Jahren hatte
eine Baugesellschaft der Siedler ( Moreshat Binyamin) von Anav 200
Dunum Land im nördlichen Raum von Jerusalem gekauft. Er hatte sie von
einem Araber mit Namen Shehade Barakat gekauft, der bezeugte, dass dies
sein Land sei – es stellte sich aber heraus, dass er Land verkauft
hatte, das seinen Verwandten gehörte. Drei Jahre vorher wurde Anav für
schuldig befunden, für die Likud-Wahlkampagne von Landdealern Spenden
erbeten zu haben, mit der Erwartung , dass diese Vergünstigungen
erhalten.
Das
Justizministerium hat geantwortet, dass „Besitz solange als
Regierungsbesitz angesehen wird, bis das Gegenteil bewiesen wird. Es
ist möglich, dass Privatbesitz zu Regierungsbesitz erklärt wird, wenn
der Besitzer des Landes den Verwalter von Regierungsbesitz darum
gebeten hat, den Besitz zu verwalten.“ Michael Ben Yair, der der
Staatsanwalt in Yitzhak Rabins Regierung war, sagte zu Haaretz, dass er
dies niemals genehmigt habe, privaten Landbesitz in Regierungsland zu
verwandeln. Es sei das erste Mal, dass er von solch einer Prozedur
erfahren habe.
Die Anwältin Talia
Sasson war auch überrascht, zu hören, dass die Zivilverwaltung den
Siedlern (nicht als Geld- sondern) als „Land-Wäsche“ gedient habe. Das
heißt nicht, dass die Autorin des Berichtes über die illegalen
Außenposten („Sasson-Bericht“) nicht wusste, dass die Zivilverwaltung
dem Siedlungsprojekt in den besetzten Gebieten dient. Bei einem Vortrag
in der Universität in Haifa berichtete Sasson von der Beteiligung der
IDF und besonders der Zivilverwaltung an der Errichtung von Siedlungen
in den (besetzten) Gebieten.
„Die Zivilverwaltung
war geschaffen worden, weil nach dem Völkerrecht, das für die
(besetzten) Gebiete gilt, der Kommandeur des Gebietes verpflichtet ist,
sich um die „geschützte Bevölkerung“ - also die Palästinenser, die da
waren, als die IDF diese Gebiete einnahmen - zu kümmern,“ erklärte die
Anwältin. „Mit der Zeit wurde die Zivilverwaltung aber die
Hauptanlaufstelle für die Angelegenheiten der israelischen Siedlungen in
den Gebieten – und nicht in erster Linie der Palästinenser.“ Sie
teilte den Siedlern das Land zu, erklärte Land zu Staatsland, genehmigte
den Siedlungen den Anschluss von Wasser und Strom u.a.m. Sasson sagte:
„Tatsächlich ist es die Zivilverwaltung, die praktisch die
Siedlungstätigkeit in den Gebieten ermöglicht.“
Sasson betonte, dass
die Zivilverwaltung dem Militär, den IDF, untergeordnet sei –
einerseits der GOC (?) und andrerseits dem Koordinator für Aktivitäten
in den Gebieten, der natürlich eine Uniform trägt. „Es stellte sich
heraus, dass die Körperschaft , durch die die Regierungen all die Jahre
was die Siedlungen betraf, handelten, den IDF untergeordnet ist und
durch sie verwaltet wird;
an seiner Spitze
steht ein Brigadegeneral. Diese Vermischung der IDF mit dem
Siedlungsprojekt ist eine üble und nachteilige Verbindung.“
Alles nach einem
Gesamtplan
Während der
Vorbereitungen eines neuen Berichtes, der sich mit der Ausdehnung von
Siedlungen unter dem Deckmantel der „Trennungsanlage“ befasst, konnten
Mitarbeiter von B’tselem, dem Informationszentrum für Menschenrechte in
den besetzten Gebieten und von Bimkom, Planern von Planungsrechten, ihre
Hände auf einen Plan für 2020 legen, auf einen „Gesamtplan für das
Gebiet von Ober-Modiin“. Die Karte bestätigt, dass es nicht nur
Sicherheitsgründe für den Mauerverlauf sind, die die Planer
interessieren. Sie sind so gierig nach Land, dass sie vergessen, dass es
aus Sicherheitsgründen nötig wäre, einen gewissen Abstand zwischen der
Mauer und der nächsten jüdischen Siedlung einzuhalten. Es kam heraus,
dass zusätzlich zum üblichen Gesamtplan auf Initiative des Bau- und
Wohnungsministeriums und in Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro der
Zivilverwaltung der Ortsrat von Ober-Modiin und dem Matteh
Binyamin-Regionalrat 1998 einen Gesamtplan für die ganzen Häuserblocks
aufgestellt hat. ...Der Bericht weist darauf hin, dass im Gesamtplan
noch weitere 600 Dunum Land, die Bewohnern von Bilin gehören und die
sich an Matityahu Ost anschließen, für den Bau weiterer 1200 neuer
Wohneinheiten geplant sind. Vor zwei Monaten entdeckten Bewohner von
Bilin, dass eine neue Straße von Matityahu-Ost zu einem großen
Olivenhain geschlagen wurde. Der Dorfrat hat Klage gegen die
Jesha-Polizei erhoben, dass 100 Bäume entwurzelt und gestohlen worden
seien. Der Bau der Straße lässt den Verdacht aufkommen, dass unter dem
Deckmantel der Sperranlage (Mauer/ Zaun) es einen Plan gibt, weiteres
Land, das an Matityahu-Ost angrenzt, sich anzueignen.
Ebenso wird im Rahmen des Gesamtplanes 1000 Dunum kultiviertes Land,
das Bewohnern von Dir Qadis und Nialim gehört und an Matityahu-Nord
angrenzt, im Plan hinzugefügt. Die Autoren des Berichtes bemerken, dass
der Gesamtplan für Ober-Modiin schweren Verdacht schöpfen lässt, dass
eines der verdeckten Ziele der Sperranlage sei, die Palästinenser dahin
zu bringen, dass sie aufhören, ihr Land zu bearbeiten, das für die
Ausdehnung jüdischer Siedlungen gedacht ist, damit dieses Land zu
Staatsland erklärt werden kann.
(Dt. Ellen Rohlfs) |