Texte von Viktoria
Buch
Einige Gedanken zum
Akademikerboykott
Victoria Buch*, April 2005
(
www.kibush.co.il/
show.asp?num=1869)
Ich möchte mit Ihnen einige
Gedanken teilen – als jemand, der gegen die Besatzung und
israelische Akademikerin ist.
Die Unterstützung durch die
internationale Gemeinschaft, durch Akademiker oder andere,
ist im Kampf gegen die Besatzung dringend nötig. Die Frage ist
natürlich: welche Art von Unterstützung?
Leute, die wie ich gegen die
Besatzung sind, werden oft als Anti-Israelis gebrandmarkt. Ich
sehe mich nicht als anti-israelisch – ganz im Gegenteil.
Unglücklicherweise scheint im Augenblick der schlimmste Feind
dieses Landes die eigene, demokratisch gewählte Regierung zu
sein. Das oberste Gebot dieser Regierung ist die
Siedlungserweiterung, zusammen mit Landenteignung und der
Massenverhaftung von Palästinensern. Ich unterstütze voll und
ganz Initiativen von US-Aktivisten, die versuchen, den Fluss
absurder US-Gelder für die Besatzung zu stoppen - nicht
nur um der Palästinenser, sondern auch um meines eigenen
Volkes willen,
da Sharon die Zukunft beider Völker zerstört.
Ich unterstütze auch die Aufrufe für selektives
Nicht-Investieren in Gesellschaften, die durch die
Besatzung profitieren, und die vom Weltrat der Kirchen und vom
Anwalt Shamai Leibowitz formuliert wurden.
Es gibt noch viele
Möglichkeiten sinnvollen akademischen Protestes. Man sollte
gegen die rassistischen Erklärungen von Haifaer „Spezialisten
über demographische Probleme“ protestieren, man sollte gegen die
akademische Unterstützung des Kollegs von Judäa und Samaria von
Bar Ilan sein und gegen die Enteignung und das
Schikanieren der Flüchtlinge aus Lifta, die neben der
Hebräischen Universität wohnen, protestieren. Außerdem
kann ich meinen europäischen Freund verstehen, wenn er sich
weigert, eine Einladung für eine offizielle Funktion in einer
der israelischen Universitäten anzunehmen; bei dieser
Gelegenheit erklärte er seinen Gastgebern, dass er ihre
Gleichgültigkeit gegenüber den Palästinensern nicht
begreifen kann.
Ich habe auch alle Achtung
vor dem berühmten britischen Physiker, der sich entschieden hat,
auf den renommierten israelischen Wolf-Preis zu verzichten – der
Physiker weigerte sich, an der Feier teilzunehmen, wo er die
Hände von israelischen Offiziellen hätte schütteln müssen.
Aber da gibt es eine Reihe
akademischer Boykotts, die ich entschieden nicht mit
unterstützen kann. Das ist der Boykott israelischer Akademiker
wegen des einzigen „Verbrechens“, dass sie Israelis sind. Ich
möchte mich da besonders an die US- und britischen Unterstützer
dieser Sorte von Boykott wenden: gibt es eine moralische
Rechtfertigung für das Boykottieren israelischer Bürger für die
kriminelle Politik ihrer Regierung durch Bürger von zwei
Ländern, deren augenblickliche Regierungen eine gleichartige
kriminelle Politik – ja sogar, in viel größerem Ausmaße -
ausführen? Briten und Amerikaner erklären stolz, dass sie kein
israelisches Projekt überprüfen oder kein Konzert mit
israelischen Musikern besuchen würden. Welches Recht haben
sie, anonyme israelische Musiker oder Akademiker zu
kritisieren?. Das würde eine gleich gute oder eher gleich
absurde moralische Basis für die Verweigerung der
internationalen Gemeinschaft von Akademikern sein, eure Projekte
zu überprüfen oder kulturelle Veranstaltungen eurer
Landsleute zu besuchen.
Dieses erstaunliche Gefühl
moralischer Überlegenheit scheint auf der Vermutung zu
beruhen, dass israelische Akademiker ihre Regierung unterstützen
und die US- amerikanischen und britischen nicht . Noch
einmal: wer sind Sie, dies zu behaupten? Hunderte von
israelischen Akademikern haben Statements unterschrieben, um die
Militärverweigerer zu unterstützen. Die israelische Ministerin
für Bildung drohte uns rauszuwerfen. Haben Sie je öffentlich
Ihre Wehrdienstverweigerer unterstützt? Und wie ist es mit den
lukrativen Kontakten zum militärischen Establishment, das oft
das Geld für die US- ( und vielleicht auch britischen)
Universitäten liefert? Und Ihr nächster Kollege, dessen
Forschungsgruppe durch eine Armee-Subvention unterstützt wird.
Boykottieren Sie ihn? Oder vielleicht begegnen Sie ihm mit
einem fröhlichen Guten Morgen im Korridor?
Was den Boykott
verängstigter israelischer Bürger betrifft, die eine
Gehirnwäsche durchgemacht haben und die deshalb glauben, dass
jeder Araber ein potentieller Terrorist ist – haben Sie solche
Leute nicht in rauen Mengen im eigenen Land? Boykottieren Sie
sie alle? Die israelischen Medien werden von
Regierungspropaganda überschwemmt, und es ist sehr schwierig,
herauszufinden, was wirklich los ist, bis man sich entscheidet,
den Medien gar nicht mehr zu glauben. Nur wenige Leute,
einschließlich Akademiker, sind in der Lage, dies zu tun. Ich
rechtfertige diese Paranoia nicht. Ich möchte nur auf den
Unterschied zwischen einem verängstigten, gehirngewaschenen
Bürger und einem Schurken aufmerksam machen. Vielleicht kann man
sich in diesem Kontext an die Geschichte im Neuen Testament
erinnern, die von Jesus erzählt, der das Steinigen der Sünderin
gestoppt/ verhindert hat. Ich bin eine jüdische Atheistin – aber
aus dieser Geschichte kann jeder etwas lernen .....
*Dozentin
für Chemie an der Hebräischen Universität, Jerusalem und aktiv
bei den Machsom Watch Frauen, die an den Checkpoints –
ehrenamtlich - beobachten, dokumentieren, vermitteln ..(
s. Lia Nirgad, Winter in Qalandia, Semit-Edition, Melzer Verlag,
2005)
Dt. Ellen
Rohlfs ( Fettgedrucktes durch die Übers.)