Sarahs andere Hand B. Michael, Yedioth Ahronot,* 29.4.05
Ich stimmte für Lupolianski.
Ich dachte mir, dass jemand, der Yad Sarah („Eine Hand von
Sarah“) eingerichtet hat, eine wohltätige, soziale Einrichtung,
auch würdig ist, eine Stadt zu regieren, die nur aus Armut,
Elend und Bosheit besteht. Warum soll ich es leugnen? Die guten
Dinge, die er über interreligiöse Beziehungen und die
Taktlosigkeit des umstrittenen Massenbesuches (2000) auf dem
Tempelberg und den Moscheen zu sagen hatte, ließen mich für ihn
stimmen.
Es war aber schwierig, ihn
während der Passahtage zu finden. Er muss zwischen Birkat
Cohenim und Empfängen gewandert oder einfach auf Urlaub gewesen
sein. Weise Männer haben darüber debattiert, ob während der
Feiertage das Arbeiten zulässig sei. Da er solange als
unschuldig gilt, bis seine Schuld bewiesen ist, muss ich
vermuten, dass M. Lupolianski nicht wusste, was seine
Inspektoren in dieser Woche getan haben.
Nur wenige Stunden nachdem
die Freiheitspsalmen aus der Haggadah gesungen worden waren, und
man sich an die Ängste der Vorfahren unter ägyptischer Sklaverei
erinnert hatte, kamen Lupolianskis Inspektoren zum
Qalandia-Kontrollpunkt am Rande der Stadt . Sie zerschlugen und
plünderten, wandalierten und beraubten die sowieso schon von
Armut geschlagenen Unglücklichen auch noch ihrer kargen
täglichen Einnahmen.
Dem Herrn Bürgermeister
sollte der Markt, der sich rund um den Kontrollpunkt entwickelt
hat, bekannt sein. Nachdem alle anderen Einkommensquellen
verboten und gesperrt wurden oder bankrott gingen, ist dies die
einzige Möglichkeit für die Bewohner dort, etwas zu verdienen.
Es legt in der Natur eines unterdrückten Volkes, je mehr es
unterdrückt wird, um so lebendiger wird es und je mehr es
gequält wird, um so stärker wird es. Einer baut einen Stand mit
Backwaren auf, ein anderer röstet Erdnüsse und verkauft sie, ein
dritter bringt Produkte aus seinem Garten, ein vierter grillt
Kebab, und noch ein anderer verkauft Schnickschnack. Die am
Checkpoint wartenden Leute suchen eine Abwechslung und kaufen
eine Pitta oder Erdnüsse oder chinesische Schuhe, um sich daran
ein wenig zu erfreuen – und die Verkäufer verdienen ein wenig
Geld. So sind beide Seiten mit einem Profit oder einer kleinen
Freude zufrieden. Es ist eine kleine Unterbrechung ihres
täglichen Schicksals, das grausam behandelt wird.
Gelegentlich kommen
Lupolianskis Inspektoren hierher und starten ein Pogrom. Einen
andern Ausdruck gibt es nicht dafür. Sie werfen die Stände um,
zerstören den Vorrat, schlagen, wandalieren, verbreiten Terror
und gehen heim. Der offizielle Grund ist immer, dass sie keine
Genehmigung hätten – als ob es je eine Chance gegeben habe,
eine zu erhalten. Der wahre Grund findet sich in der Passah
Haggadah: sie machen ihnen das Leben bitter, um ihrer
Vermehrung und ihrem Starkwerden vorzubeugen. Dies ist also
nicht unsere Erfindung.
In dieser Woche gingen alle
Inspektoren hinaus. Sie haben nicht nur zerbrochen, zertrümmert,
umgeworfen und wandaliert – dieses Mal luden sie die Waren in
einen Pick-up und verschwanden damit. Sie hinterließen keinen
Bericht, keine Quittung oder Notiz über die beschlagnahmten
Waren. Sie gingen und ließen die Menschen völlig fassungslos
zurück, denen nun das bisschen Brot für heute auch genommen
worden war.
Herr Bürgermeister, das ist
nicht nur eine normale Misshandlung, das ist reiner
Diebstahl. Das ist ein Raubüberfall, eine Rechtsverletzung des
sehr klaren Gesetzes für Geschäftslizenzen, in dem es heißt,
dass im Falle von Beschlagnahmung von Waren eines Verkäufers,
dieser eine schriftliche und signierte Mitteilung erhält, auf
dem der Rechtsverstoß und eine Beschreibung der beschlagnahmten
Dinge aufgelistet ist. Das Gesetz stellt fest, dass diese Dinge
unter Aufsicht des Staates – auf Kosten des Besitzers verwahrt
werden müssen, bis ein Gericht den weiteren Verlauf der Aktion
bestimmt.
Den ganzen Donnerstag über
versuchte ich zu erfahren, wo die Waren gelagert sind. Wurden
sie verteilt, vergessen oder werden sie irgendwo – dem Gesetz
entsprechend – gelagert, bis eine Entscheidung vom Gericht
kommt?
Keiner in der Stadtbehörde
konnte meine Frage beantworten. Die Abteilung der
Gemeindeaufsicht weigerte sich, mir eine Antwort zu geben. Der
Sprecher erbat einige Zeit zum Nachfragen und gab schließlich
die verrückteste, groteskeste, frechste, scheinheiligste und
formellste Antwort, die man sich vorstellen kann: „Die
beschlagnahmten Waren wurden an eine Wohltätigkeitseinrichtung
weitergegeben.“ Natürlich an eine Wohltätigkeitseinrichtung. Die
Räuber eilten zu einem Armenhaus und verteilten dort, was sie
den Armen gestohlen hatten. Der Rest ging in einen Container.
Bei so einer idiotischen Antwort ist jedes weitere Wort
überflüssig. Man kann sich nur über den Charakter von Sprechern
wundern, die sich zum Sprachrohr solcher Absurdität machen
lassen. Es scheint, dass nur Gott und die Inspektoren wissen, wo
die Dinge wirklich geblieben sind.
Nun, Herr Lupolinski, jetzt
wissen Sie, was Sarahs Hand getan hat. Eine Hand, Ihre Hand,
stärkte die Kranken und half ihnen. Die andere Hand, Ihre Hand,
raubte die Armen aus und hat die armen Leute am Boden zerstört.
Wie ist es möglich, nichts über die schlimmen kriminellen Akte
zu sagen, die in Ihrem Namen begangen wurden? Ist das Ihre
Interpretation des Gebotes: Du sollst den Fremden nicht
misshandeln? Wenn Moral Ihnen den Schlaf nicht raubt,
vielleicht reagieren Sie auf Folgendes effektiver: nach der
bizarren Antwort ihres Sprechers scheint es so, als ob ihre
Büros, nachdem die Heilige Stadt alle Reste von Sauerteigbrot
verbrannt hatte, Almosen an die Armen verteilt haben: etwa
Tausend frische Pittas, etwa 500 Bagels ( ringförmiges
Hefegebäck) mit Satar, eine große Menge von Kebab (auf dem der
Koscherstempel von Beit Yossef fehlte), ein paar hundert Kilo
dicker Bohnen und Kichererbsen ( Gemüse, das Sie kennen) und
viele Kilos von nicht koscherem Fleisch ( nur ein Teil auf der
Liste) Das ist es, was ihre Inspektoren in dieser Woche raubten.
Sind Sie jetzt wahnsinnig?
6.5. 05. Verschiedene Leser
wollten mehr über den illegal von Inspektoren des
Bürgermeisters von Jerusalem eingesammelten Besitz der Händler
von Qalandia wissen. Hier die letzten Nachrichten darüber.
Schließlich scheint jemand
von der Jerusalemer Stadtbehörde begriffen zu haben, dass die
Behauptung, die eingesammelten Waren seien als Almosen verteilt
worden, an eine rekordbrechende Idiotie grenzt. Nun ist die
offizielle Version näher bestimmt worden. Künftig ( und bis auf
weiteres) behauptet die Inspektionsabteilung, da „ die Waren
verderblich waren, sind sie zerstört worden“. Natürlich kann man
von der Behörde nicht erwarten, dass sie mitten in der
Pessachzeit einen Vorrat von Hunderten frischer Bagels und
Pittabrote, Dutzende von Kilos Fleisch, Hummus, Bohnen und Kebab
lagert. Also ist alles zerstört worden.
Auch dies ist eine
offensichtliche, klare Verletzung des Gesetzes. Wenn man einem
Auszug von Artikel 27 des Lizenz- und Geschäftgesetzes folgt,
nach der sich die Behördenabteilung richten müsste, heißt es:
Im Falle, dass verderbliche
Waren beschlagnahmt werden, ist die Behörde verpflichtet, sie
bei einer öffentlichen Auktion zu versteigern oder sie zu
ermäßigtem Preis beschleunigt zu verkaufen. ....(In anderen
Worten: nur das Gericht darf entscheiden, was mit den Waren
geschehen soll)
Pech gehabt ! Inspektoren
und Sprecher, Sie haben schon wieder etwas falsch gemacht.
Am besten ist es, Sie fangen
gleich damit an, an einer neuen Version für die nächste Woche zu
arbeiten.
(*Aus dem Hebräischen: Leora
Gal; aus dem Englischen : Ellen Rohlfs
Der Autor
ist ein wohl bekannter israelischer Autor.
Lupolyanskis Anspruch auf Ruhm bevor er zum Bürgermeister von
Jerusalem gewählt wurde, hängt mit der sozialen Einrichtung Yad
Sarah zusammen, und einer Organisation, die arme Bürger von
Jerusalem mit notwendiger medizinischer Versorgung versieht.
Wir hofften alle auf Verbesserungen und mehr Anstand. Nichts hat
sich getan, d.h. das Jahr 2004 wurde das schlimmste auf dem
Gebiet der Hauszerstörungen von Palästinensern in Ost-Jerusalem;
s. Meir Margalits Artikel „152“ in
www.kibush.co.il ( Viktoria Buch)
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