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Blut an ihren Händen: die Dämonisierung der Palästinenser


 

AUTOR:  Shmuel AMIR ùîåàì àîéø

Übersetzt von  Ellen Rohlfs & Susanne Schuster


 

 

‘Blut an ihren Händen’ ist wahrscheinlich einer  der erfolgreichsten Slogans, den Israels Propagandamaschine erfunden hat. Er macht einen starken und unmittelbaren Eindruck, visuell und emotional. Man vermutet einen brutalen Mörder, der für den Rest seines Lebens ins Gefängnis gehört.

Er schließt eine weitere gründlichere Untersuchung aus. Es ist nicht nötig, zu fragen, warum er solch eine barbarische Tat begangen hat oder ob sein Opfer ihm gegenüber etwas falsch gemacht hat. Es schließt auch jede Notwendigkeit von Verhandlungen  mit ihm  oder mit denen, in deren Namen er handelte aus ( in diesem Fall die Hamas oder andere palästinensische Gruppen. Es ist offensichtlich, dass sie einfach kamen, um uns zu töten, weil wir Juden sind, und weil es in ihren Genen liegt, Leute umzubringen. Ihnen fehlen vollkommen die menschlichen Werte.

Uns war von Ehud Barak erzählt worden, einem Mann, dessen Hände nie von Blut befleckt waren,  die Araber könnten nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden, weil sie nicht aus der jüdisch-christlichen Tradition kämen. Von einem anderen Ministerpräsidenten, von Menachim Begin wurde uns erzählt, die Palästinenser seien  zweibeinige Tiere.

 
Gib Hamas die Schuld! Carlos Latuff

Die Folge davon ist, dass in allen Diskussionen der Medien, in denen es um den Gefangenenaustausch geht (so wurden die Verhandlungen über die Rückkehr des gekidnappten Soldaten Gilad Shalit genannt, obwohl die pal. Gefangenen nicht POW (Kriegsgefangene) genannt werden). Die Worte ‚Blut an ihren Händen’ wurden fast in jedem Satz wiederholt) . In solch einer emotional aufgeladenen Atmosphäre ist wenig Platz für Logik. Trotzdem sollte darauf hingewiesen werden, dass es der Mehrheit der Israelis  recht gewesen wäre, die 450 Gefangenen zu entlassen, um Shalit nach Hause zu bringen)

Die reine Verurteilung von Leuten als Kriminelle, die für ihre Unabhängigkeit kämpfen, war schon immer ein Teil kolonialer Strategie . POW in Kriminelle mit Blut an ihren Händen zu verwandeln, sagt uns mehr über den kolonialen Charakter Israels als über die  inhaftieren Gefangenen .

Koloniale Völker, die für ihre Unabhängigkeit kämpfen, sind immer angeklagt worden, grausam und mörderisch zu sein und so als „Terroristen“ gebrandmarkt worden. Ihre kolonialen Herrscher können sie nicht als Soldaten anerkennen, denn wenn diese Leute Soldaten wären, die für ihre Freiheit kämpfen, was wären dann sie selbst. Wenn sie aber als Terroristen abgestempelt werden (und Terroristen haben keine Rechte),  dann haben ‚zivilisierte europäische“ Soldaten  die Erlaubnis, sie wie Tiere  zu behandeln.


Britisches Propagandabild


 

Die blutrünstigen Mau-Mau

Ein sehr aufschlussreiches Beispiel dieser Praxis, die der älteren Generation vielleicht in Erinnerung liegt, ist Kenias Befreiungskrieg. 1952 brach in Kenia eine als Mau-Mau-Aufstand bekannte Rebellion aus. Sie war ein Aufstand der Kikuyu gegen die 50 Jahre andauernde Inbesitznahme ihres Landes durch weiße Siedler. Die Bauern, die man ihres Landes beraubte, wurden entweder Leibeigene auf ihrem eigenen Land (diejenigen, die Glück hatten) oder sie wurden in „Reservaten“ oder Internierungslagern gefangengehalten.

Der Aufstand der Kikuyu war voll von Barbarei, einschließlich der brutalen Behandlung von Kenianern, die sich weigerten, an dem Kampf teilzunehmen. Ich erinnere mich an die Art und Weise, wie die Presse (die internationale und lokale israelische) die Brutalität der Kikuyu in anschaulichen Details beschrieb. Die bloße Erwähnung des Namens Mau-Mau genügte schon, um kalte Schauder über den Rücken zu jagen. Niemand erwähnte jemals die Gründe für den Aufstand. Niemand erwähnte jemals die brutale Unterdrückung der Einheimischen durch ihre britischen Kolonialherren. Sogar heute kann man den Tatsachen kaum trauen.


"Operation Amboss", 24.4.1954 : 30 000 Kikuyu werden verhaftet, interniert und verhört. Ende 1954 waren ein Drittel der Kikuyu Männer eingesperrt.

Die Gefangenen wurden gefoltert und man ließ sie hungern, einige der Foltermethoden waren grotesk. Sie wurden von Hunden angegriffen und dazu gezwungen, an sich selbst und an ihren Gefährten Grausamkeiten zu verüben. Der damalige britische Kolonialminister, Alan Lennox-Boyd, beschrieb die Folterer als einige „faule Äpfel“ (die Bezeichnung in Israel ist „außergewöhnliche Fälle“) und den Aufstand als ein „atavistisches Übel.“ In einem der vielen Bücher über das Thema werden die Prozesse gegen Personen, die verdächtigt werden, den Mau-Mau anzugehören, als „Bild des systematischen Unrechts“ beschrieben. Die Verteidigung der Angeklagten war schlecht, verurteilt wurde auf der Basis von dürftigen Beweisen von fragwürdigen Informanten und die Richter waren meist sehr voreingenommen (und wurden auch bestochen). Das Resultat waren 1090 Hinrichtungen am Galgen.

Was die militärische Macht betraf, so waren die Rebellen im Vergleich zum mächtigen Britischen Empire schlecht bewaffnet. Die Mau-Mau bezeichneten sich als ihre eigenen Panzer.


Waruhiu Itote, alias "General China"
der Land Freedom Army, bei seinem Prozess in Nyeri. Er wurde erstmal zum Tode, dann zu lebenslanger Haft verurteilt, als er zum Kollaborateur der Briten wurde, und wurde vom Präsidenten Kenyatta 1962 freigelassen.

Hinsichtlich der Opfer sind die Zahlen ziemlich repräsentativ für derartige koloniale Konfrontationen. Die Mau-Mau (die „brutalen Monster“) töteten während ihres Aufstandes 32 weiße Siedler und etwa 200 britische Soldaten und Polizisten. Die Briten richteten 1.090 Verdächtige am Galgen hin und töten 15.000 andere. Sie internierten weitere 150.000 Kikuyu, von denen etwa 100.000 (verschiedenen Quellen zufolge) umkamen.


Ein weisser Polizist nimmt Fingerabdrücke von einem erschossenen Gerillakämpfer nach einem Angriff auf eine befestigte Polizeistation

Glücklicherweise oder unglücklicherweise drücken diese Zahlen nicht die ganze Geschichte aus, denn bevor die Briten Kenia verließen, zerstörten sie hundertausende Dokumente. Aber nachdem sie den Aufstand niedergeschlagen hatten, waren die Briten schließlich dazu gezwungen, Kenia zu verlassen. Der berühmte Terrorist Jomo Kenyatta, der inhaftiert war, wurde freigelassen und wurde Kenias erster Präsident.

 
Jomo Kenyatta

Das Ende dieser bestimmten Geschichte ist nicht auf Kenia beschränkt. Dr. Kwame Nkrumah aus Ghana war ebenfalls von den Briten gefangen genommen worden und wurde schließlich der erste Präsident des Landes, so wie Nelson Mandela aus Südafrika. Mandela war für viele Jahre als „Terrorist“ inhaftiert, er erhielt die zweifelhafte Ehre, vom US-amerikanischen Kongress vom Terrorismus „freigesprochen“ zu werden und stattdessen als „Freiheitskämpfer“ bezeichnet zu werden. Wir in Israel müssen jetzt nur auf die Freilassung von Marwan Barghouti, der heute populärste palästinensische Anführer und wahrscheinlich der beste Kandidat als zukünftiger Präsident eines freien Palästina, aus seiner Gefängniszelle in Israel, wo er zu dreimal lebenslänglich verurteilt ist, warten.

Kein koloniales Regime kann ohne die Verschleierung und/oder Rechtfertigung seiner Aktionen existieren. Die Briten haben dies über einen langen Zeitraum erfolgreich fertiggebracht. Sie verteufelten die Freiheitskämpfer in ihren Kolonien als Monster, während sie sich selbst als Herrscher mit hohen moralischen Ansprüchen priesen, die nur daran interessiert waren, den eigensinnigen „Einheimischen“ Aufklärung und Fortschritt zu bringen. Auch uns ist immer wieder gesagt worden, dass die Armee unserer „aufgeklärten Besatzung“ die „moralischste Armee der Welt“ ist.

Die blutdurstigen Sklaven in Virginia

Im August 1831, als die Sklaverei in den USA noch die Norm waren, führte der Sklave Nat Turner  mit 70 Gleichgesinnten einen Sklavenaufstand in Virginia. Es begann mit dem Morden an den Weißen in der Stadt Southhampton und die Opfer waren nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder.

Die Rebellion misslang. Tausende Soldaten besiegten die kleine Rebellenarmee und Turner wurde gefangen genommen und  gehenkt. Nach diesem führte die Armee ein Massaker durch und tötete jeden Sklaven, der nur unter dem Verdacht stand, die Rebellion unterstützt zu haben.

Im selben Jahr erschien die erste Nummer einer Zeitschrift  ‚Der Befreier’, die sich dafür einsetzte, dass bestimmte Gesetze abgeschafft wurden.  ‚Der Befreier“ wurde von William Lloyd Garrison veröffentlich. Er schrieb:

„Über dieses Thema will ich nicht mit Mäßigung nachdenken, sprechen oder schreiben. Nein, Nein! Sage einem Mann, dessen Haus brennt, und gib ihm einen gemäßigten Alarm; sag ihm,  er solle  seine Frau mit Mäßigung  aus den Händen von Schändern retten; sage einer Mutter, deren Kind ins Feuer gefallen ist, sie solle es nach und nach herausziehen.  Dränge mich nicht zu Mäßigung in einem Fall wie dem gegenwärtigen, Mäßigung anzuwenden. Es ist mir sehr ernst damit – ich will nicht  - ich will nicht ausweichen – ich will nicht entschuldigen – ich werde keinen Zoll zurückweichen – und ich werde gehört werden.

*******

Der Haupttäter von ‚Blut an den Händen’ ist immer der Kolonialherr selbst. Es gibt viele Unterschiede unter den verschiedenen kolonialistischen-anti-kolonialistischen Kämpfen, aber  allen gemeinsam ist die Dämonisierung des Opfers, des Volkes, das versucht, die Ketten zu brechen, die es fesselt. Sie werden immer als Mörder beschrieben, ihre Hände triefen von Blut. Sie werden immer als wilde Monster beschrieben, als Tiere, als Kreaturen, deren Schöpfung Gott später bedauert hat ( der frühere Oberrabbiner Ovadia Yoseph). Außerdem sind sie – wie allseits bekannt – vollkommen irrational.

Kolonialisten auf der andern Seite sind nach ihrer eigenen Wertschätzung  vernünftig und  rücksichtsvoll,  die zugunsten der einheimischen Bevölkerung  arbeiten. Ihre Ziele sind edel und ihre Herrschaft hat den zurück gebliebenen Völkern der Welt nur Fortschritt und Zivilisation gebracht.

Während unseres Überfall auf den Gazastreifen vor kurzem war es  für alle  ersichtlich, dass kein einziger Tropfen Blut an unsern Händen klebt. Das Blut von  1330 ( 1436)  Palästinensern, Männern, Frauen und Kindern konnte jedoch an den Flügeln der Bomber, an den Turmgeschützen unserer Panzer und an den Kanonenrohren festgestellt werden.
 

 

Quelle: "דם על הידיים"

Englische Fassung von Chaya Amir: "Blood on their Hands" - The Demonization of the Palestinians

Originalartikel veröffentlicht am 26.3.2009

Über den Autor

Ellen Rohlfs ist eine Mitarbeiterin von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt, dem Susanne Schuster gehört. Diese Übersetzung kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor, die Übersetzerin als auch die Quelle genannt werden.

URL dieses Artikels auf Tlaxcala:
http://www.tlaxcala.es/pp.asp?reference=7408&lg=de

 

 

 

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