Die Geschichte der Bäume
Adam Keller, Gush Shalom 19.2.06
Die Idee ging von der Olivenernte-Koalition aus: man
wolle etwas gegen den Verlust der vielen Olivenbäume der
Palästinenser tun, die ihre Bäume wegen der Mauer oder durch
bösartige Siedler verloren haben, die sie mutwillig übernacht
zerstört haben. Man hatte bei einer internationalen Kampagne Geld
dafür gesammelt, und nun kamen Hunderte junger und alter Aktivisten
aus dem ganzen Land zusammen, um am Samstag Tausende von Bäumen zu
pflanzen
Kaffin
Eine desolate Landschaft. Hinter uns die letzten
Häuser der arabischen Stadt Bak’a al Garbiya in Israel. Ein alter
Grenzstein markiert die grüne Linie, die Grenze von vor 1967. Vor
uns der „Trennungszaun“ mit seinen schlimmen Reihen von scharfem
Stacheldraht zusammen mit elektronischem Frühwarnsystem entlang an
militärischen Patrouillenwegen . Wir sind auf dem abgeschnittenen
Land von Kaffin angekommen, das seit vier Jahren von den Besitzern
nicht erreicht werden kann und das einmal voller Olivenbäumen war –
nun voll mit Müllbergen und stinkigem Unrat.
„Dieser
Müllhaufen ist vollkommen illegal. Einige Leute oder Firmen nutzen
dieses brach liegende Land und werfen den Müll hier ab. Es ist
billiger als auf den legalen Müllplätzen,“ sagt Waia Gazawi, ein
arabischer Aktivist aus Kalamsawa. Er ist der Verantwortliche für
den Distrikt für Ahale, eine neu gegründete Gesellschaft, die ihren
Sitz in Nazareth hat und die sich um das Land annimmt, von dem die
palästinensischen Besitzer durch die Mauer abgeschnitten wurden.“
„Wir wiesen das
Ministerium für Umweltschutz darauf hin, das sich rechtlich um
solche Fälle kümmern sollte und bitten darum, diesen Müll zu
entfernen. Aber da können wir lange warten. Wir sammelten nun so
viel Geld, um selbst den Müll wegzubringen. In einem Monat wird hier
kein Unrat mehr liegen, und die jungen Bäume, die hier heute
gepflanzt werden genug Platz haben, um hier zu wachsen.“
Diese
Erklärungen füllten die Zeit der Verzögerung; denn die Armee hatte
ihr Wort nicht gehalten, hielt die Delegation aus Kaffin zurück und
ließ sie nicht das Tor passieren, um sich uns anzuschließen. Der
rostige Zustand des Torschlosses zeigte auf, wie selten es geöffnet
wird. „Dieses Tor ist für den Obersten Gerichtshof installiert. Man
sagt den Richtern, dass es Tore für die Dorfbewohner gibt, man sagt
ihnen aber nicht, wie oft die Tore geöffnet werden und ob die
Dörfler durchgelassen werden – das ist eine andere Sache.“ Sagt der
erfahrene Aktivist.
Während die
Organisatoren beginnen, mit Offizieren zu verhandeln, bereiten
andere zwei riesige Banner vor, auf denen auf hebräisch und arabisch
steht: “Sie reißen aus – wir werden pflanzen!“ Ein Traktor gräbt
bereits die Pflanzlöcher.
Schließlich
erlauben die Offiziere aus einer Gruppe von 25 zehn ausgesuchten
Leuten aus Kaffin mit dem Bürgermeister auf unsere Seite zu kommen,
auch dem Wagen mit den jungen Olivenbäumen.
Die Arbeit ist
ziemlich einfach: Entfernen der schwarzen Plastikverpackung um die
Wurzeln, vorsichtig den jungen Baum ins Loch setzen und mit Erde
auffüllen. Einige hatten Hacken und Schaufeln mitgebracht. Nun sahen
sie aus wie die frühen zionistischen Pioniere auf den alten
Schwarz-weiß-Photos.
„Herzlich
willkommen auf dem Land von Kaffin und danke, dass Ihr uns helfen
kommt“, sagt der Bürgermeister Taysir, als wir uns nach der Arbeit
auf einem mehr oder weniger ebenen Stück Land versammeln. „Ihr sollt
wissen, dass dies das 1. Mal ist, dass wir diesen Teil unseres
Landes nach dem Zaunbau vor vier Jahren besuchen dürfen. Bis 2001
besaß Kaffin 10 000 dunum Land, 6000 blieben hinter dem Zaun. Also
blieben noch 4000, von denen 2000 bebaut sind. Also bleiben uns noch
2000 von denen wir leben“.
„Die Armee ist
sehr geizig mit Genehmigungen. Vielen, die darum bitten, wird sie
verweigert, ohne einen Grund anzugeben. Wenn man eine Genehmigung
erhält, dann nur für die Erntezeit. Es gibt fast keine für die
übrige Zeit für die notwendige Pflege während des Jahres. Wir sagten
der Armee, wenn sie uns nicht durchlassen, um das hohe Unkraut
zwischen den Bäumen zu entfernen, kann sich sehr schnell ein Feuer
ausbreiten. Sie hörten nicht auf uns“.
Dann kam das
Feuer wirklich – fünf Feuer in drei Monaten und verbrannten unsere
Olivenbäume. Jedes Mal war es dasselbe. Wir baten die Armee, mit
einem pal. Feuerlöschwagen und Feuerwehrmännern hinüber fahren zu
dürfen, um das Feuer zu löschen. Aber die Armee erlaubte es nicht.
Unsere israelischen Freunde vom Kibbuz Mezer riefen eine israel.
Feuerwehr – aber sie kam zu spät. Wir konnten nur über den Zaun
zusehen, wie unsere Bäume brannten. 4500 dunum von 6000 dunum
brannten völlig ab. Wir baten die Armee nach der Ursache des Feuers
nachzuforschen. Sie zuckten mit den Schultern. Es sei wohl ein
Unfall gewesen. Jemand hätte eine Zigarette fallen gelassen oder
fünf Leute hätten 5 Zigaretten fallen gelassen. Wer weiß?“
„Wir haben eine
lange Geschichte mit Kaffin und den anderen arabischen Städten und
Dörfern hier rund herum“ sagte Doron Lieber, der Manager des nahen
Kibuz Mezer. Tatsächlich hat uns die Regierung 1953 diesen Ort hier
zugewiesen, damit wir wie eine Art Puffer wirken, um die arabischen
Dörfer von einander zu trennen. Aber dazu wählten sie die falschen
Leute. Wir wollten viel lieber Brücken bauen.
In den 50ern war
Kaffin unter jordanischer Herrschaft wie die ganze Westbank, aber es
gab keinen Grenzzaun. Es war also nicht schwierig, freundschaftliche
Beziehungen aufzubauen. Das ging auch nach 1967 weiter. Wir hatten
nie Probleme weder Diebstahl noch angebrannte Felder, wie es andere
Gemeinden hatten. Als man mit dem Zaunbau begann, baten wir darum,
dass er auf der Grünen Linie gebaut werde und dass man Kaffin kein
Land wegnimmt. Wir sagten zu ihnen, dass hungrige und frustrierte
Nachbarn eine größere Gefahr für die Sicherheit darstellen. Wir
wollten lieber eigenes Land für den Zaun hergeben. Wir hatten
gehofft, sie zu überzeugen – aber dann kam der Angriff auf uns (Eine
Frau und zwei Kinder wurden von einem Pal .- aus einem entfernteren
Dorf! – umgebracht).
Natürlich kamen
unsere Freunde aus Kaffin und trauerten mit uns über unsere Toten
als ob es ihre eigenen wären. Aber die Armee benutzte dies als
Vorwand, um den Zaun weit in das Land von Kaffin hinein zu verlegen
– so wie sie immer wollten. Was für eine Torheit!
Nun versuchen
wir als Wärter des Landes zu wirken, bis Kaffins Bewohner wieder
selbst ihr Land pflegen können. Zusammen mit Al Ahali übernehmen
wir nun die Pflege der jungen Bäume, die wir heute gepflanzt haben,
wir werden sie beschneiden und das Unkraut entfernen und Zugangswege
schaffen. Aber ich hoffe, dass wir das nur eine kurze Zeit machen
müssen.“
„Mezer und
Kaffin sollte als Modell für die beiden Völker und die Gemeinden in
diesem Land dienen. Wir wollen zusammen kämpfen, bis wir zusammen
die Zäune und Mauern herunterreißen können. Sie sollen uns nicht
trennen. Es kann kein Frieden ohne Gerechtigkeit geben!“ ruft Jana
Zifferblatt von der Frauenkoalition für Frieden aus. Und Suhel
Salman von der Tulkaremer Zweigstelle von PARC ( Pal.
Landwirtschaftl. Unterstützungskomitee) rief:
„Unser Slogan
ist: Sie reißen aus – wir pflanzen!“ und dies ist nicht nur ein
Slogan. Frieden ist unmöglich mit Trennungszäunen, die Hasszäune
sind. Das Leben ist zu kurz, um es mit Hass zu verschwenden. Wir
pflanzen hier nicht nur junge Olivenbäume, wir pflanzen Bäume der
Liebe.“
Uri Avnery von
Gush Shalom zeichnet ein schlimmes Bild: “Wie wir vom ersten
Augenblick an sagten, ist dies kein Sicherheitszaun. Es ist ein
Annexionszaun, der beabsichtigt direkt 10 % der Westbank
abzuschneiden. Dann kommt das Jordantal mit 33% dazu. Sharon sagte
immer, dass er dies wolle und nun liegt er im Koma, aber Olmert
macht in diesem Sinne weiter. Da gibt es Straßensperren, die für
Palästinenser völlig verboten sind. Dazu kommt Groß-Jerusalem und
die Siedlungsblöcke und die Umgehungsstraßen – und alles zusammen
ist mehr als die Hälfte der Westbank. Die Palästinenser vegetieren
in isolierten Enklaven. Die verborgene Hoffnung der Planenden ist,
dass sie bald von alleine verschwinden.
Und nun haben
sie den perfekten Vorwand – Hamas. Das palästinensische Parlament,
bei dem Hamas die Mehrheit hat wird in diesen Augenblicken in
Ramallah vereidigt. Unsere Politiker sagen, sie werden nie mit Hamas
reden. Wir haben gerade einen Wahlkampf in Israel, einen Wahlkampf
zwischen drei Hauptparteien, die jetzt mit einander im Wettkampf
sind, wer kann am besten mit Hamas nicht reden – als ob sie vorher
mit Abu –Mazen gesprochen hätten, der ein ganzes Jahr lang, darum
gebeten hatte, mit ihm zu reden. Sie taten es nicht. Sie wollten
nicht mit Arafat reden, auch nicht mit Abu Mazen – und nun haben sie
Hamas. Nun müssen sie mit Hamas reden. Man kann nur mit seinem Feind
Frieden schließen und nur der Feind kann entscheiden, wer ihn
vertritt. So war es mit Arafat und der PLO vor 20 Jahren und so ist
es mit Hamas jetzt“.
Die
Abschlussworte kamen von Yaakov Manor, dem Koordinator der
Olivenernten-Koalition, der diese ganze Aktion initiiert hat. „Ich
habe Nachrichten aus den südlichen Hügeln von Hebron. Unsere Freunde
aus Jerusalem haben dort erfolgreich Bäume an vier verschiedenen
Stellen gepflanzt, neben Siedlungen und „Außenposten“, wo
Olivenbäume von Siedlern ausgerissen worden waren. Die jungen
Pflanzen hier und dort waren ein Geschenk. Ich sollte besonders
bemerken, dass sie ein Geschenk von jüdischen Aktivisten aus dem
Raum Boston sind.
Das sind die
guten Nachrichten. Aber es tut mir leid, dass ich für den letzten
Teil unseres Programmes keine gute Nachricht habe : wir wollten uns
noch mit unsern palästinensischen Freunden zusammensetzen, mit
einander einige Informationen austauschen und eine gute Pita mit
Hummus essen. Das muss gestrichen werden. Die Armee gab uns die
Erlaubnis nur bis 2 Uhr hier zu sein – also noch eine Viertelstunde.
Dann wird das Tor für die Kaffiner Dorfbewohner auf ihrem eigenen
Land geschlossen.
(dt. ellen
rohlfs) |