Das Grußwort des Gilad Atzmon auf Stuttgarter Konferenz spricht eigentlich für sich.
So sagte Gilad Atzmon in Stuttgart unter anderem:

I think that Israel is far worse than Nazi Germany. Why? Israel is a democracy. Nazi Germany was not a democracy.  The Reichstag was dissolved, The Germans have zero responsibility for acts that were committed by Nazis only people who were perpetrating a crime or was politically leading it. And Israel is a democracy and every citizen is complicit.  Every citizen is complicit as much as I am complicit in the crime that is committed in Iraq right now as a British citizen.

übersetzt:
"Ich denke, dass Israel weit schlimmer ist als Nazi-Deutschland. Warum? Israel ist eine Demokratie. Nazi-Deutschland war keine Demokratie. Der Reichstag wurde aufgelöst, die Deutschen haben null Verantwortung für Handlungen und Verbrechen, die von den Nazis begangen und ausgeführt wurden. Und Israel ist eine Demokratie und jeder Bürger ist mitschuldig. Jeder Bürger ist mitschuldig, so wie ich mitschuldig an den Verbrechen bin, die im Irak begangen werden als ein britischer Staatsbürger."

 


Gilad Atzmon 3. Panel am Samstag, den 27. November 2010

 

 

Gilad Atzmon produziert wiederholend Aussagen, die des Widerspruchs bedürfen. Widerlegen die Todesmärsche irgendwie den Judeozid in den KZs?:

 

"A slightly confusing narrative. If the Nazis were interested in annihilating the entire European Jewish population as suggested by the orthodox Zionist holocaust narrative, then it is rather ambiguous as to just what led them to march what was left of European Jewry, into their crumbling Nazi fatherland at a time when it was clear that they were losing the war. The two narratives i.e. ‘annihilation’ and ‘death march’, seem to oppose each other. The issue deserves further elaboration. I would just suggest that the reasonable answers I have come across may severely damage the Zionist holocaust narrative."Quelle

 

 

 

 

Sophia Deeg schrieb am 12.3.2012 - Palästinensisches Angebot, deutsche Debatten zu zivilisieren – bisher ausgeschlagen - Wenn ein eher Unbekannter eine Versammlung mit einer populistischen Tirade überrumpelt, ist das kaum von Belang. Man distanziert sich und kann den Vorfall getrost vergessen. Anders auf der Stuttgarter Palästina-Konferenz im Herbst 2010 und in ihrer Folge bis heute. Einem in weiten Kreisen der palästinensischen und internationalen Bewegungen für die Rechte der Palästinenser wegen seiner dubiosen Verschwörungstheorien ausdrücklich unerwünschten „Mitstreiter“ wird hierzulande in der „Palästina-Solidaritätsbewegung“, die immer noch eher eine „Israel-Empörungsbewegung“ zu sein scheint, sogar eine Bühne geboten. Es mussten erst PalästinenserInnen kommen, um deutlich zu machen, dass eine kulturalistisch antijüdische Ideologie mit ihrer Bewegung unvereinbar ist.


Dabei ist der Fall sehr einfach, wie schon wenige Sätze des „solidarischen Grußworts“ des Überraschungsgasts von Stuttgart zeigen:

„...aber irgendwie neigen wir dazu zu vergessen, dass das Wort „universell“ der jüdischen Kultur sehr fremd ist. Die jüdische Kultur ist tribal orientiert. Wir neigen immer wieder dazu, die eindeutige Tatsache zu vergessen, dass Frieden in der Form der Versöhnung, des Liebe deinen Nächsten - wie gesagt, der jüdischen Kultur zutiefst fremd ist ... Es ist keine schlechte Idee, mit ihnen in Frieden zusammen zu leben, aber dieser Planet ist vermutlich nicht der richtige Platz dafür. Einfach weil dieser Kultur die Vorstellung, seinen Nachbarn zu lieben, fremd ist. (...) unsere Politiker, die uns regelmäßig betrügen: Seht euch nur eure Wirtschaft an. Die Zionisierung westlicher Politik ist ein Desaster. Und es liegt an ... dem zionistischen Krieg, den wir führen und über den niemand reden will ...“

Das konnte der Gast auf einer politischen Konferenz vor recht gut gebildeten und zum Teil sich als links verstehenden Deutschen, von denen sich viele zum Beispiel über islamophobe Tendenzen in diesem Land empören, und sicher jeder von sich behaupten würde, er sei ganz gewiss kein Antisemit, unwidersprochen äußern? Auf einer Konferenz, bei der die deutsche, allzu deutsche Israel-Empörungs-Bewegung erstmals mit den internationalen, aus der palästinensischen Zivilgesellschaft hervorgegangenen, basisdemokratischen Widerstandsbewegungen für die Rechte der PalästinenserInnen in Berührung kam?


Nein, das Gerede des Gastes blieb nicht unwidersprochen, denn glücklicherweise für uns, das unbedarfte deutsche Publikum, waren palästinensische AktivistInnen und TheoretikerInnen eben jener Bewegungen anwesend und machten umgehend klar, dass im gemeinsame Kampf für ein Zusammenleben von Palästinensern und Israelis als Gleiche und gegen Apartheid und Rassismus, wo auch immer sie auftreten, krude Anschauungen wie die geäußerten keinen Platz haben. Im Übrigen sprechen solche Ideen der Rationalität Hohn, die jene Bewegungen auszeichnet und sie wohltuend von der alten moralisierenden, selbstgefälligen, intellektuell und politisch muffigen Empörungssolidarität unterscheidet. Die BDS-Bewegung beispielsweise dekliniert präzise durch, inwiefern gewisse Firmen oder gewisse künstlerische Projekte von der Besatzung profitieren, die Enteignung und Entrechtung der PalästinenserInnen faktisch unterstützen, Israels Verletzungen internationalen Rechts beschönigen etc., und inwiefern der gezielte zivilgesellschaftliche Widerstand gegen solche Nutznießer des Unrechts ein wirksamer Hebel zur Veränderung ist.

Niemand braucht, um irgendetwas besser zu verstehen oder einen legitimen Widerstand zu organisieren, verschwommene Theorien über eine „jüdische Kultur“ oder auch den „Zionismus“, die angeblich hinter allen Übeln dieser Welt stecken. Im Übrigen ist man der locker assoziativ gestrickten Rede von mal „jüdisch“ mal „zionistisch“, als wären es Synonyme, nun wirklich überdrüssig, da sie einem von der israelischen Propaganda
und dem ihr devot folgenden deutschen Mainstream non-stopp serviert wird.

Während sich, als die haarsträubenden Sätze fielen, das Publikum kaum rührte, äußerten manche deutsche, auch eine französische Teilnehmerin im privaten Gespräch ihr Befremden. Manche waren zu überrascht von dem Grußwort des Gastes, als dass sie gleich hätten reagieren können. Die Vorstellung, Krieg und Wirtschaftskrise habe nichts mit gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen und alles mit den ewigen kulturellen oder ideologischen Zügen einer Menschengruppe zu tun, schien einfach zu bizarr. Man befand sich schließlich nicht auf einer NPD-Versammlung oder einer Lesung mit Herrn Sarazin...


Es gab und gibt aber auch einige, die jetzt erst recht Gilad Atzmon, dem israelischbritischen Jazzer und selbst ernannten Kämpfer für die palästinensische Sache, in Deutschland eine Bühne bieten, denen er offenbar aus der Seele spricht. Seinen AdeptInnen geht es nach eigenem Bekunden um die Redefreiheit, die sie mit heroischem Gestus verteidigen, obwohl sie ihrem Idol von niemandem abgesprochen wurde, auch nicht von den palästinensischen Kritikern. Diese nahmen sich lediglich ihrerseits die Freiheit, ihren Standpunkt zu begründen, dass anti-jüdische Ideen in Aktivitäten gemeinsam und auf Augenhöhe mit den Widerstandsbewegungen der Besetzten, Ausgebeuteten, Unterdrückten hierzulande noch kaum angekommen ist.

Anders gesagt: Was „irgendwelche“ palästinensischen Aktivisten äußern, ist nicht so bedeutend, wie das, was ein semi-prominenter Künstler und „Philosoph“ aus „unserer Sphäre“ stellvertretend (und ungebeten) für sie sagt. Die intellektuelle Unlauterkeit, der Bluff, die Verworrenheit fallen offenbar nicht auf, wenn solche unbewussten Weichenstellungen erst erfolgt sind, wenn der Begriff der Solidarität ein herablassend kolonialistischer ist, der impliziert: Wir wissen besser, was für sie gut ist.  Sophia Deeg, März 2012