Kritik
an die
Israelische
Filmtage
"Israel
im
Orient –
Orient
in
Israel"
Filmtage
28.-30.01.2011
im Kino
der
Kulturbrauerei
Berlin
Öffentliche
Podiumsdiskussion
31.01.2011
in der
Heinrich-Böll-Stiftung,
Schumannstr.
8, 10117
Berlin
Dokumentation
|
Die Israelischen Filmtage der
Heinrich-Böll-Stiftung werden nach eigenen
Angaben der Stiftung mit Unterstützung der
israelischen Botschaft durchgeführt. Siehe
http://www.boell.de/calendar/VA-viewevt-de.aspx?evtid=9075&returnurl=/index.html |
Sehr geehrte Damen
und Herren,
Durch die zusätzliche Ankündigung seitens der
Heinrich-Böll-Stiftung (HBS), dass das vom 28.
bis zum 31.01.2011 in Berlin von ihr
organisierte Filmfestival "Israel im Orient -
Der Orient in Israel" von der israelischen
Botschaft in Berlin unterstützt wird, hat die
Kritik an dieser Veranstaltung vom Inhalt her an
Schärfe noch zugenommen:
Nunmehr werfen vier Organisationen der HBS in
einem Offenen Brief vor, "sich klar für
Propagandazwecke des israelischen Staates
einspannen zu lassen".
Diese Kritik wird in dem Offenen Brief
differenziert begründet.
Die vier Organisationen sind: Berlin Academic
Boycott; BDS-Gruppe Berlin; Kritische Jüdinnen,
Juden und Israelis, Berlin und die Jüdische
Stimme für gerechten Frieden in Nahost
(Mailkontakte und Adressen der jeweiligen
Internetseiten finden Sie unten am Ende des
Textes, der sowohl hier in der Mail als im
Anhang als PDF-Datei zu finden ist).
Für telefonische Rückfragen: 0151-177 900 94.
Offener Brief
an die Heinrich- Boell- Stiftung -
Kein
Filmfestival für israelische Propagandazwecke!
Erst jetzt kündigt die Heinrich-Boell- Stiftung
(HBS) an, dass ihr viel kritisiertes
Filmfestival „Israel im Orient - der Orient im
Israel“ vom 28.-31.01.2011 nun auch mit
Unterstützung der Botschaft des Staates Israels
finanziert wird.
Damit ist die HBS nicht nur dem Vorwurf
ausgesetzt, dass sie mit dieser Filmreihe den
Rassimus gegenüber jüdischen und nicht-jüdischen
Araberinnen und Arabern in Israel mangels
Benennung negiert, und ausgrenzende und
diskriminierende Stereotype und Politiken, wie
sie von der askhenasischen politischen Klasse
Israels gepflegt werden, fortschreibt (siehe
offener Brief kritischer Jüdinnen, Juden und
Israelis).
Nun muss sich die HBS auch vorwerfen lassen,
sich klar für Propagandazwecke des israelischen
Staates einspannen zu lassen.
Denn die Unterstützung von Filmfestivals, die
die „ Pluralität“ der israelischen Gesellschaft
zeigen, folgt einem Regierungsprogramm, dass die
drei israelischen Ministerien Kultur, Tourismus
und Auswärtiges 2005 beschlossen haben und das
bekannt ist unter dem Namen: „Brand Israel-
Hasbara“.
Dem in weltweiten Umfragen zunehmend negativen
Image Israels, dass durch anhaltende Vorwürfe
von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen
Menschlichkeit geprägt ist, soll nun u.a. durch
Filmfestivals entgegengetreten werden, die
Kultur, Kunst und Pluralität des Landes in den
Vordergrund rücken sollen. Staatsziel ist es,
mit Hilfe von Public Relations Agenturen „von
dem Konflikt mit den Palästinensen abzulenken“,
so Ido Aharoni vom israelischen
Außenministerium.
Aharoni beschreibt das „Winning the Battle of
the Narrative“- Konzept folgendermaßen: Es gehe
darum, eine Verschiebung zu erwirken und Israel
anders zu verkaufen, nämlich “away from an image
of a country in a state of war and conflict to a
brand which represents positive values and
ideals like 'building the future,' 'vibrant
diversity' and 'entrepreneurial zeal.'"
Die HBS kooperiert damit mit der Botschaft eines
Staates, dessen ausdrückliches Anliegen es ist,
von
Besatzung, Kolonialisierung, Rassismus und
Apartheid abzulenken und seine Verantwortung
hierfür „medial“ zu kaschieren. In einer Zeit,
in der diese menschen- und völkerrechtswidrige
Politik international unter Druck gerät wie
selten zuvor, ist es unverständlich, wie die
Heinrich-Boell-Stiftung ihren Auftrag zur
Friedenspolitik ohne Not unterläuft und
israelische Regierungspolitik weißwäscht und
normalisiert.
Die palästinensische Zivilgesellschaft, die auf
die Einhaltung des internationalen Rechts pocht,
ist nicht willens, die israelische Politik der
Mißachtung allgemein anerkannter Rechtsnormen
hinzunehmen. Gemeinsam mit einer weltweiten
zivilgesellschaftlichen Bewegung fordert sie,
dass akademische und kulturelle Projekte mit
israelischer Staatsbeteiligung solange
boykottiert werden, bis Israel die
völkerrechtlichen Forderungen umsetzt:
“ All
cultural products commissioned by an official
Israeli body (e.g., government ministry,
municipality, embassy, consulate, state or other
public film fund, etc.) deserve to be boycotted
on institutional grounds, as they are
commissioned and thus funded by the Israeli
state -- or any of its complicit institutions --
specifically to help the state’s propaganda or
“rebranding” efforts aimed at diluting,
justifying, whitewashing or otherwise diverting
attention from the Israeli occupation and other
violations of Palestinian rights and
international law.”
Die palästinensische Zivilgesellschaft fordert
also den Boykott als gewaltloses Mittel, wie
dies auch im Falle der Beendigung des
Apartheidsystems in Südafrika erfolgreich war.
Den Solidaritätsaufforderungen folgenden,
möchten wir in diesem Sinne speziell die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der
Podiumsdiskussion am Montag, den 31.01.2011
bitten, ihre Teilnahme an dieser Diskussion zu
überdenken und möglichst abzusagen.
Berlin, 28.01.2011
Unterzeichnende:
|
27.1.2011 -
Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in
Nahost (EJJP, Deutschland) an die
Heinrich-Böll-Stiftung
Sehr geehrte
Damen und Herren,
nach unserem offenen Brief an Sie und nachdem
Sami Shalom Chetrit und Eli Hamo sich uns
angeschlossen und ihren Film aus dem Programm
zurückgezogen haben, haben Sie den Inhalt ihres
Flyers modifiziert: "In der Folge wurden sie aus
ihren Heimatländern entweder von staatlicher
Seite aus vertrieben, von der muslimischen
Bevölkerung bedrängt, das Land zu verlassen,
oder von Israel zur Einwanderung angeworben."
Leider bestehen in Ihrem Programm wie in dessen
Ankündigung weiterhin gravierende Verfehlungen
auf die der
Brief der kritischen Juden und Israelis
hingedeutet hat. Die falsche Behauptung die
Misrachi Juden wurden vertrieben, steht in ihrem
neuen Flyer immer noch. Ihr Programm haben Sie
nicht geändert, sodass Sie die Misrachi Juden
immer noch als Objekte zeigen und als kritische
Akteure ignorieren.
Bezugnehmend auf
Ihre Stellungsnahme vom 26. Januar möchten
wir einiges richtig stellen:
In unserer Kritik geht es nicht
um subjektives Leiden, sondern um historische
Tatsachen und Vertreibung ist ein Begriff mit
völkerrechtlichen Folgen und möglichen
Ansprüchen. Leider benennen Sie kein
widersprechendes historisches Material für Ihre
Behauptung über die Vertreibung der Juden aus
ihren Heimatländern, somit verstehen wir, dass
sie unseren Quellen, die das Gegenteil beweisen
nicht widersprechen können.
Mit der Trennung der Problematik
der Misrachi und der Palästinenser in Israel,
die Sie favorisieren, und mit Ihrer
ausdrücklichen Distanzierung von der Benennung
der Sozialpolitik Israels gegenüber den Arabern,
jüdisch wie nicht jüdisch, als rassistisch,
ignorieren Sie einen bedeutenden Zusammenhang
und erforschen nicht seine gemeinsamen Wurzeln.
Türsteher (in Israel „Selektors“ genannt) in
israelischen Clubs lassen junge Leute mit
arabischem Aussehen nicht herein, ob diese
Araber Juden, Muslime oder Christen sind, sie
bleiben draußen. Dieses gemeinsame
Draußenbleiben erstreckt sich auf das
israelische Justizsystem, den akademischen
Bereich und andere Machtpositionen.
In der israelisch-palästinensischen Realität
besteht also ein enger Zusammenhang zwischen
allen Arabern in der Region.
Dass Sie mit israelischen
Partnern kooperieren, ist offensichtlich. Die
Fingerabdrücke der israelischen
Botschaft kann man auch ohne
Ihre neue Angabe „Mit Unterstützung der
Botschaft des Staates Israel in Berlin“
erkennen. Vielleicht wissen sie als Berater
besser Bescheid über die "Misrahi Democratic
Rainbow" Organisation oder die Misrachi
Kultur-Koalition in Israel als sie selbst. Dies
erklärt auch, warum Sie sich mit dieser
Organisationen in Israel nicht beraten.
Wenn Sie auch behaupten, die
sozio-politischen Realität Israel entspreche
nicht unserer Darstellung, wäre es auch
angebracht Ihre Ansicht mit Fakten zu belegen.
Uns sind die Berichte des
Adva-Institutes
bekannt, wonach die Kluft zwischen Misrachi und
Aschkenasi mit der Zeit nur größer wird. Im
Rahmen eines Filmfestivals zum Kultur-Thema
sollten Sie auch wissen, dass
90% des
Kultur-budgets Israels Aschkenasi
Kultur-Institutionen zugute kommt,
obwohl Misrachi Juden die Mehrheit der Juden im
Lande ausmachen. Dieses Bericht wurde von der
Achoti-Organisation, die Sie unterstützen, also
mit unseren Steuergeldern (Danke!!) erfasst.
Ihr Programm zeigt weiter hin nur
Filme von männlichen Regisseuren und ignoriert
wichtige Misrachi Regisseurinnen wie Hanah
Azulai-Haspari, Ronit Elkabetz, Simon Bitton,
Iris Misrachi und vielen anderen, es zeigt immer
noch den rassistischen Film
Sallah Shabati,
der die Stereotypen eines klassischen Ostjuden
zeigt: schmutzig, faul und einer der seine
Tochter für Geld verkaufen will. Sie zeigen
diesen Film ohne Kommentar in einem Land, in dem
rassistische Filme ohne Kritik nicht gezeigt
werden sollten.
Es ist verwunderlich, wenn Sie
behaupten, Sie würden um eine kritische Debatte
bitten, vertuschen aber die Geschichte um in
diesem Zusammenhang nicht über Rassismus zu
sprechen. Damit widersprechen Sie Ihrem eigenen
Anspruch, Raum für eine kritische Debatte
anzubieten (hätten Sie diese Einstellung auch
bei einem Filmfestival über die USA, in dem man
über Rassismus gegen die Schwarzen nicht
sprechen darf?).
Wir erwarten von einer
öffentlichen Stiftung, die durch Steuergelder
finanziert wird, dass sie kein Relativismus von
Verbrechen unternimmt und dass sie nach
transparenten demokratischen Werten auf der
Basis akademischer Forschungen und Tatsachen
handelt.
Mit freundlichen Grüßen,
Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in
Nahost (EJJP, Deutschland)
http://www.jungewelt.de/2011/01-27/043.php
http://schmok.blogsport.eu/tag/geschichtsfalschung/
http://www.adva.org/default.asp?pageid=5
http://www.mouse.co.il/CM.articles_item,1050,209,41066,.aspx
http://www.youtube.com/watch?v=4x2LlL8wjZQ&feature=related |
27.1.2011 - Die Misrachi Demokratic Rainbow
Organisation wendet sich an
Sie, die Organisatoren der Israelischen
Filmtage, um gegen das
Programm zu protestieren. Wir freuen uns, dass
Sie die Kritik an dem Festival angehört haben,
obwohl die neuen Texte, die danach
veröffentlicht wurden defizitär sind und eine
eindimensionale Betrachtung der Emigration der
arabischen Juden aus ihren Heimatländern nach
Israel zeigen.
Wir lasen diese Texte und möchten
diese mit wichtigen Kommentaren zum
Misrachi-Kampf und -gemeinden ergänzen.
Erstens möchten wir Sie darauf
aufmerksam machen, dass der Misrachi-Kampf nicht
mit dem wichtigen Kampf der Black Panther
anfing, sondern schon in den Zeltlagern, in
denen die arabischen Juden untergebracht wurden,
oder manchmal sogar schon in der Übergangslagern
der Heimatländer. Die Jüdischen Agenturen (The
Jewish Agency) ließen Leute verhungern,
verhafteten Leute und anderes, um die
Bevölkerung noch im Herkunftsland zu
unterdrücken.
Zweitens kann es nicht sein, dass
bei einem Ereignis, das den Misrachi Juden
gewidmet ist, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, die der Zionismus gegen die
Misrachi beging nicht thematisiert werden, wie
z.B. Schläfenlocken abschneiden,
Zwangssäkularisierung, Entführung von Kindern,
medizinische Experimente, der Raub von
Kulturschätzen der Gemeinden – die bis heute
nicht zurückgegeben wurden, das Stehlen von
Geld, Schmuck und traditionell gestickten
Kleidern.
Der erste organisierte
zionistische Transfer, den jemenitische
Juden 1930 in Kineret durchmachen mussten, und
der sich bis heute in Kfar-Shalem (in Tel-Aviv),
Kfar Gvirol (Rehovot) abspielt, wie er sich auch
heute noch in Sheich-Dsharach in Jerusalem
ereignet, all dieses taucht in Ihrem Programm
auch nicht auf.
Wir finden es unmöglich, dass
eine Diskussion über Filme veranstaltet wurde,
in der man verschweigt, dass 90% der
öffentlichen Unterstützungsgelder, die von
israelisch staatlichen Film-Fonds verteilt
werden, an das Zentrum der Aschkenasi
Hegemonie gehen und dass, 90% der Lektoren, die
diese Budgets verteilen, auch aus diesem Zentrum
kommen.
Es ist bedauerlich, dass die
Filmtage ohne Beteiligung der Misrachi
Organisationen vorbereitet wurden. Die Misrachi
Democratic Rainbow Bewegung kämpft seit Jahren
gegen diese anthropologischen Kreise in Israel,
in denen es keinen ethischen Kode gibt, weshalb
ein bestimmter Diskurs über Misrachi nicht
möglich ist. Wir denken, dass der Diskurs unter
Aktivisten dem akademisch-institutionellen
Diskurs vorangeht, weshalb die Ignorierung der
Misrachi Organisationen und Aktivisten das
Programm der Filmtagen benachteiligt.
Wir hoffen, dass Sie daraus eine
Lehre für die Zukunft ziehen können.
Mit freundlichen Grüßen,
MitgliederInnen der Misrachi
Democratic Rainbow - Bewegung
הקשת
הדמוקרטית המזרחית
Hakeshet Hademocratit Hamizrahit
רוחמה 8, תל אביב-יפו
tel
aviv-jaffa ,8 Ruhama
http://hakeshethamizrahit.blogspot.com
http://hakeshethademocratit.blogspot.com
|
Die
Heinrich-Böll-Stiftung antwortet:
Zur Kritik am
Programmtext der Israelischen Filmtage (28.1. –
31.1.)
Die Ankündigung der Heinrich-Böll-Stiftung zu
den Israelischen Filmtagen ist von der Gruppe
„Kritische
Juden und Israelis“ in einem
offenen Brief kritisiert worden. Unsere Antwort
auf diese Kritik erfolgt nach
enger Kommunikation mit
Partnerinnen und Partnern in Israel.
Wir waren uns bewusst, dass
wir mit den Filmtagen ein heißes Thema
aufgreifen. Seit Jahren arbeitet die
Heinrich-Böll-Stiftung zu den
Themen Integration und Gleichberechtigung von
Mizrachim in Israel: Unter
anderem haben wir 2007 das
Buch "To My Sister, Mizrahi Femenist Politics"
von Shlomit Lir veröffentlicht
und 2008 ein Frauenprojekt
gemeinsam mit der Mizrachi-Frauenorganisation
„Ahoti Movement“ unterstützt.
Die Geschichte der aus dem
arabischen Raum nach Israel eingewanderten Juden
ist mit bitteren
Erfahrungen verbunden, die
bis heute fortwirken. Die Schärfe und
Unduldsamkeit, mit der die Kritik (in Israel
und Deutschland) geführt
wurde, hat uns dennoch überrascht. Die
Heinrich-Böll-Stiftung versteht sich als
Impulsgeber und als Forum
offener Debatten. Dies schließt ein, dass wir
uns nicht als Verteidiger „der
Wahrheit“ verstehen, sondern
uns bemühen, verschiedene Stimmen zu Wort kommen
zu lassen, aus denen
sich ein umfassendes Bild
ergibt.
Die Kritik daran, dass der
erste kurze Ankündigungstext der Filmtage die
aktive Rolle des israelischen
Staates bei der Einwanderung
der Mizrachim nicht erwähnt, ist berechtigt.
Dass von den Kritikern umgekehrt
die Gewalterfahrung und
Bedrohung von Juden in einigen arabischen
Staaten mit Ausnahme ihrer
Vertreibung aus Ägypten
ausgeblendet wird, ist befremdlich. Folgt man
dem offenen Brief, scheint es, als
habe das Leid der Mizrachim
erst mit ihrer Einwanderung nach Israel
begonnen. Dieser Darstellung können
wir nicht folgen. Auch
bezweifeln wir, dass sich die allermeisten
Mizrachim in dieser Klassifizierung
wiederfinden. Schon gar nicht
entspricht sie der heutigen sozio-politischen
Realität Israels.
Die Flucht und Vertreibung
einiger hunderttausend Palästinenser im
Zusammenhang mit dem Krieg von
1948 ist nicht Gegenstand der
Filmtage. Wir halten es auch für falsch, das
eine mit dem anderen
aufzurechnen. Dieses Thema
war Gegenstand einer öffentlichen Fachtagung der
Stiftung im März 2010,
eine entsprechende
Publikation wird im Frühjahr 2011 erscheinen.
Die auf den Filmtagen
gezeigten Filme werden jeweils von einer kurzen
Einführung und einer
anschließenden Diskussion mit
den anwesenden Regisseuren und Gästen begleitet.
Wir weisen außerdem
auf unsere Veranstaltung zum
Abschluss der Filmtage am 31. Januar in der
Heinrich-Böll-Stiftung hin, die
um 18.00 Uhr mit der
Ausstrahlung des Films „Baghdad
Bandstand/Tc’halri Bagdad“ des israelischen
Regisseurs Eyal Halfon
beginnt. Im Anschluss findet eine
Podiumsdiskussion mit
Yossi Yonah von der Ben
Gurion University of the
Negev/Van Leer Institute of Jerusalem und
anderen Gästen
statt.
Wir bieten damit viel Raum
für eine kritische Debatte. Einer
Delegitimierung Israels als
kolonialistischrassistisches
Projekt treten wir allerdings
nach Kräften entgegen.
Kontakt: Bernd Asbach
T 030 295 34- 351,
asbach@boell.de
|
Die Heinrich
Böll Stiftung begeht
leider eine Geschichtsfälschung, ein offener
Brief
Tue, 11 Jan
2011 09:46:42 +0100
kritische Juden und Israelis
<kritischeisraelis@googlemail.com>
Berlin, den 9.1.2011
Sehr geehrte Damen und Herren der
Heinrich Böll- Stiftung,
Wir, Jüdinnen, Juden und
Israelis, haben mit großer Freude vernommen,
dass Sie ein Filmfestival über Israel Ende
Januar 2011 in Berlin veranstalten. Dabei soll
die Auseinandersetzung mit der Geschichte und
sozialen Lage der Misrachi, also Jüdinnen und
Juden, die aus arabischen bzw. muslimischen
Ländern stammen, im Fokus stehen. Umso größer
war unsere Entsetzen, als wir das Programm zu
sehen bekamen.
Nicht nur, dass viele äußerst
problematische Formulierungen in ihrem Flyer
enthalten sind, wie beispielsweise
„Orient“/„orientalisch“, oder dass der von
Misrachi zur Selbstidentifikation selbst
genutzte Begriff Misrachi in Anführungszeichen
gesetzt wird. Auch fehlt das Wort Rassismus in
ihrem Einführungstext gänzlich, obwohl der
Rassismus gegen Araber, jüdisch wie
nicht-jüdisch, die gesamte Debatte der Misrachi
in Israel markiert. Ihre Wahrnehmung spiegelt
sich auch in Ihrem Programm wider, in dem
beispielsweise ein
Film, wie „Sallah Shabati“ (Regie: Ephraim
Kishon) gänzlich ohne Diskussion gezeigt wird
und damit rassistische Stereotype von
(jüdischen) Arabern im Raum stehen gelassen
werden.
Besonders signifikant ist zudem
Ihre Aussage, Misrachi in arabischen Ländern
wären „entweder von staatlicher Seite aus
vertrieben oder von der muslimischen Bevölkerung
bedrängt (worden), das Land zu verlassen“. Mit
diesem Satz begehen Sie nichts weniger als eine
Geschichtsfälschung -
mit der drastischen Folge, dass Sie Verbrechen
gegen die Menschlichkeit verleugnen.
Sie werfen Misrachi auf eine
undifferenzierte Art und Weise in einem Topf
zusammen, obwohl jede Gemeinde ein
anderes Schicksal erlebte:
Die irakischen Jüdinnen und Juden
mussten wegen eines Abkommens zwischen
israelischer und irakischer Regierung ihr Land
innerhalb eines Jahres verlassen, und nicht,
weil sie vertrieben wurden. Noch während die
israelische Regierung das Abkommen plante, wurde
das Eigentum der irakischen Jüdinnen und Juden
als Eigentum des Staates Israels betrachtet, mit
der Absicht dieses mit dem Eigentum der
vertriebenen Palästinenserinnen und
Palästinenser, „die sich nicht dem jüdischen
Staat angepasst haben“,
wie es ein israelischer Geheimdienstagent
berichtete, zu verrechnen. Diese
Informationen hätten Sie im Vorfeld aus dem in
Ihrem Programm aufgeführten Film „Forget
Baghdad“ entnehmen können.
Die Jüdinnen und Juden aus
Marokko, die größte Gruppe der Misrachi in
Israel, wurden ebensowenig aus ihrer Heimat
vertrieben. Sie verließen Marokko, nachdem
zionistische „Aliya“-Gesandte, die den
staatlichen Auftrag hatten, die jüdische
Bevölkerung dazu zu bringen, ihre Heimat zu
verlassen und nach Israel auszuwandern, die
jüdischen Gemeinden auseinanderbrachten. So
wurden marokkanische jüdische Kinder in
staatlichem Auftrag Israels entführt. Ihren
Eltern wurde erzählt, die Kinder führen zum
Urlaub in die Schweiz, stattdessen wurden sie
nach Israel verschleppt. Die Eltern konnten ihre
Kinder nur unter der Bedingung wiedersehen, dass
die Eltern nach Israel emigrierten. In der
Zwischenzeit wurden die Kinder in einem Kibbutz
umerzogen.
Der Dokumentarfilm „Mural Operation“, der in
Ihrem Festivalprogramm nicht aufgeführt wird,
interviewt sowohl die israelischen
Geheimagenten, die gegen die marokkanische
Regierung agiert haben, sowie die Kinder, die
Opfer dieser Entführungen aus ihrem Elternhaus
und ihrer Heimat wurden. Die israelische
Regierung bezahlte zudem dem marokkanischen
König Kopfgeld, so dass es unzulässig ist zu
unterstellen, dass die Migration durch
repressive Politiken seitens des marokkanischen
Staates verursacht wurde. Vielmehr setzte der
Staat Israel alles daran, die
marokkanisch-jüdische Bevölkerung zu entwurzeln.
Die marokkanischen Juden verließen ihre Heimat
über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren und
in der Regel durfte jedes einzelne
Familienmitglied hundert Kilogramm Gepäck
mitnehmen. Damit kann von einer Vertreibung auch
im Fall Marokkos nicht gesprochen werden. In
Israel angekommen, wurden Tausende der
marokkanisch-jüdischen Kinder wegen eines
harmlosen Pilzbefalls der Haut mit den
Röntgenstrahlen bestrahlt, die bei vielen
Nebenwirkungen bis hin zum Tod verursachten,
alles im Rahmen einer staatlichenen „Behandlung“
seitens israelischer Ärzte mit eugenischen
Einstellungen, Beamte der „Abteilung der
sozialen Medizin“ im Gesundheitsministerium.
Dies dokumentiert eindrücklich der
Film „ Die Ringworm-Kinder“.
Ein Großteil der jemenitischen
Jüdinnen und Juden kamen nach Palästina noch vor
der Gründung Israels. In Israel angekommen
erfuhren viele von ihnen großes Leid, nachdem
ihre Kinder entführt wurden und vermutlich
ashkenasischen Familien zur Adoption gegeben
wurden. Bis heute verweigern die staatlichen
Stellen Auskunft über diese Entführungen, trotz
Zeugenaussagen der Familien und der Mitarbeiter
der staatlichen Gesundheitsinstitutionen, die in
diese Verbrechen involviert waren. Neben einer
Reihe wissenschaftlicher Literatur empfehlen wir
das Buch von Batya Gur, welches diese
furchtbare Geschichte literarisch nachzeichnet.
Die Liste der jüdischen Gemeinden
in muslimischen bzw.. arabischen Länder, die
nicht vertrieben wurden, lässt sich erweitern:
Auf die Jüdinnen und Juden der Türkei,
einem Land, das Juden aus Deutschland aufnahm,
als ihnen dort die Vernichtung drohte. Oder auf
die jüdische Bevölkerung Algeriens, die durch
die israelische Premierministerin Golda Meir auf
dem Altar der israelischen Interessen mit
Frankreich geopfert werden sollten, als sich die
französische Kolonialmacht aus Algerien
zurückzog. Auch jüdische Iranerinnen und Iraner
lehnen es bis heute trotz israelischer
finanzieller Anreize ab, nach Israel
auszuwandern.
Es ließe sich noch viel über die
„westlichen“ Verwaltungsstrukturen sagen, die
laut Ihrem Programmtext von der
Aschkenasi-Hegemonie nach dem osteuropäischen
Modell mitgebracht wurden und an die sich
Misrachi angeblich anpassen sollten. Wie kann es
sein, dass Jüdinnen und Juden, die während der
Kolonialzeit im ganzen Maghreb und Irak für die
Engländer bzw. Franzosen gearbeitet haben, sich
an „westliche“ Strukturen von Ostjuden anpassen
sollten?! Glauben Sie wirklich, dass nur, weil
Menschen unter Muslimen bzw. Araber leben, diese
deshalb nicht „westlich“ genug sein können, um
ein Formular auszufüllen?! Und was ist so
„westlich“ an der Histadrut, der israelischen
Gewerkschaft, die auch als Arbeitsgeber dient?!
Der Respekt für die
Menschenrechte gebietet es, abschließend ein
Verbrechen beim Namen zu nennen: die Vertreibung
der in Ägypten übrig gebliebenen Jüdinnen und
Juden. Diese kleine jüdische Gemeinde ist die
einzige Gemeinde eines arabischen bzw.
muslimischen Landes, deren Mitglieder in der Tat
vertrieben wurden.
Mit der falschen Behauptung,
Misrachi seien aus ihren Ländern vertrieben
wurden, leugnen Sie also diese lange Liste an
Verbrechen der aschkenasischen Staatshegemonie
gegen die Menschlichkeit: die Entführung von
Kindern, ihre eugenische ärztliche „Behandlung“
mit Todesfolgen, ihre Umerziehung und
Zwangssäkularisierung.
Die Heinrich-Böll-Stiftung sieht
also Verbrechen, wo sie nicht statt gefunden
haben, und leugnet sie, wo sie in der Tat verübt
wurden.
Es ist angebracht, nicht nur die
historische Inkonsistenz Ihrer falschen
Behauptung darzulegen, sondern sie auch vor dem
Hintergrund der Nakba (der systematischen
Vertreibung der Palästinenser 1948) zu lesen.
Eine kritische Betrachtung ergibt, dass diese
hegemoniale Aschkenasi-Erzählung der
israelischen politischen Klasse nichts anderes
als eine Ausblendung bzw. Relativierung der
völkerrechtswidrigen Vertreibung von
Palästinenserinnen und Palästinenser darstellt.
Damit kooperieren Sie mit dem
israelisch-hegemonialen weitverbreiteten
Versuch, Misrachi als Flüchtlinge darzustellen
und ihr Eigentum und ihren Status mit denen der
palästinensischen Bevölkerung zu verrechnen und
damit als abgeschlossen zu betrachten.
Palästinensern und Palästinenserinnen soll damit
jeder juristische Anspruch auf Rückgabe ihres
Eigentums versagt werden. Der
Heinrich-Böll-Stiftung dürfte aber bekannt sein,
dass umgekehrt das Eigentum der NS-geschädigten
Jüdinnen und Juden zu Recht als privates und
nicht als staatliches israelisches Eigentum
betrachtet wird.
Insgesamt ist es erschreckend,
dass die Heinrich-Böll-Stiftung damit zu einer
Relativierung von einem Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, in diesem Fall den Verbrechen
gegenüber Palästinenserinnen und Palästinenser,
beiträgt. Mit der “ medialen Entdeckung“ von
Misrachi begibt sich die Stiftung in dieser Form
auf einen zu verurteilenden Weg der
Geschichtsfälschung, der imaginäre Verbrechen
erfindet, um die Verleugnung von realen
Verbrechen zu untermauern.
Wenn Sie Interesse an weiteren
Quellen zu Misrachi haben stehen Ihnen Misrachi
Filmemacher und Intellektuelle, die in
Berlin leben, gern zur
Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Gal Lugassi, Tel-Aviv
Meital Abekasis, Regisseurin,
Berlin
Mati Shemoelof, Dichter und
Redakteur, Israel
Ofir
Raul Graizer, Berlin
Ofer
Neiman, Co-editor, The Occupation Magazine,
Israel
Meir Babayoff, Jerusalem
Galit Altshuler, Frankfurt
Shir
Hever, The Alternative Information Center,
Jerusalem/Göttingen
Orly
Noy, Jerusalem
Elian
Weizman, PhD Candidate, SOAS, University of
London
Orit
Loyter, Israel
Elinor
Amit, Post doctoral fellow, Harvard University,
Cambridge, MA, US
Iris Hefets, Kedma-Redakteurin,
Berlin
Shira Ohaion, , Israel
Reuven Abergel - Israeli black
panthers, Jerusalem
Maecelle Edery, Israel
Tal Shapira, Israel
Mois Benarroch, Autor, Gewinner
der Primärminister-Preis 2009, Jerusalem
Hava Oz, Berlin
Michal Kaiser-Livne, Berlin
Dr. Jean Joseph Levy, Berlin
Gal Schkolnik, Berlin
Yodfat Ariela Getz, Filmmacherin,
Tel aviv-Jaffa, Israel-Palästina
Einat Weizman, Schauspielerin,
Israel
Hedy Epstein, USA
Paula Abrams, Wien
Ilil Friedman, Jurastudentin,
Berlin
Erica Fischer, Schriftstellerin,
Berlin
Ruth Fruchtman, Autorin, Berlin
Sylvia Finzi, Künstlerin,
Berlin/London
Tanya Ury, Künstlerin, Köln
Elias (Elisha) Davidsson,
Menschen- und Völkerrrechtler, Alfter
Eleanor Cantor, Künstlerin,
Berlin
Tal Hever-Chybowski, Historiker,
Berlin
Giorgio
Forti, Member of the Ebrei Contro l'Occupazione
( Jews Against Occupation), Italien
Prof. Dr. Shulamit Bruckstein,
Ha’atelier, Berlin
Abi Melzer, Verleger, Frankfurt
Miriam Adams, New Mexico, USA
Jemimah Fink, Künstlerin, Berlin
Ya’ar Hever, Linguist, Berlin
Noga-Sarai Bruckstein,
Violinistin, Berlin
Lucian Moreno, Cellist, Berlin
Hanna Braun, Israel
Niso Dahan, marokkanischer
Musiker, Israel
http://www.haaretz.co.il/hasite/pages/ShArt.jhtml?itemNo=881712
(Iranische Juden: Wir werden trotz
finanziellen Anreiz nicht nach Israel
emigrieren)
http://www.ha-keshet.org.il/articles/lands/perfect_yehuda-shenhav.htm
(Der perfekte Raub von Prof. Yehuda Shenhav)
http://www.youtube.com/watch?v=sC1DYJEhYrY
(Mural Operation, ein Dokumentarfilm, der
im israelischen [öffentlich-rechtlichen?]
Fernsehen gezeigt wurde)
http://www.amazon.de/Denn-Seele-deiner-Hand-Inspektor-Ochajon-Roman/dp/3442458439/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1293360902&sr=8-1
(Denn die Seele ist in Deiner Hand / Batya Gur)
http://www.haaretz.co.il/hasite/pages/ShArtPE.jhtml?itemNo=663491&contrassID=2&subContrassID=13&sbSubContrassID=0
(Die Joe Golan Affäre / Tom Segev)
The Ringworm Children 1 of 5
http://www.youtube.com/watch?v=8nsOpLcSDFo&feature=related
The Ringworm Children
http://www.planetnana.co.il/ohalim17/_0_yalday_hagazezet_The_Ringworm_In_English.htm |
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