Wenn
die
Darstellung
des
Zionismus
als
Hintergrund
für
Israels
Politik
zum
Problem
wird
Muriel
Asseburgs
und
Jan
Busses
Buch
über
den
Nahostkonflikt
weist
beträchtliche
Lücken
auf
Arn
Strohmeyer
-
28.6.2020
Asseburg, Muriel/ Busse, Jan:
Der Nahost-Konflikt
Geschichte, Positionen, Perspektiven,
Reihe Wissen C.H.Beck-Verlag München, aktualisierte Neuauflage 2020,
ISBN 978 3 406 743 160, 9,95 Euro |
Wenn
deutsche
Wissenschaftler
eine
Geschichte
des
Nahostkonflikts
schreiben,
dann
besteht
immer
die
Gefahr,
dass
die
Darstellung
zu
sehr
der
israelischen
Sichtweise
folgt
und
der
Blick
auf
die
arabische
Seite
zu
kurz
kommt.
Dieser
Gefahr
sind
die
beiden
Verfasser
des
Buches
„Der
Nahostkonflikt.
Geschichte,
Positionen,
Perspektiven“
Muriel
Asseburg
(Stiftung
Wissenschaft
und
Politik)
und
Jan
Busse
(Universität
der
Bundeswehr
München)
erlegen,
auch
wenn
man
ihr
Bemühen
um
Objektivität
durchaus
spürt.
Ist
es
die
Angst
vor
dem
Antisemitismus-Vorwurf,
die
sie
doch
immer
wieder
im
Sinne
Israels
argumentieren
lässt?
Da
ist
zum
Beispiel
durchgehend
von
den
„zwei
Seiten“
oder
„zwei
Parteien“
des
Konflikts
die
Rede.
Die
riesige
Asymmetrie
zwischen
Kolonisator
und
Kolonisierten,
Besatzer
und
Besetzten,
Unterdrücker
und
Unterdrückten
wird
zu
wenig
herausgearbeitet,
erst
auf
der
vorletzten
Seite
des
Buches
kommen
die
Worte
„Machtungleichgewicht“
bzw.
israelische
„Dominanz“
vor,
im
selben
Zusammenhang
ist
dann
aber
doch
wieder
von
den
„zwei
Seiten“
die
Rede,
deren
„Entfremdung“
inzwischen
so
groß
sei,
dass
eine
Annäherung
in
Richtung
Frieden
fast
ausgeschlossen
sei.
Nun
sind
es
aber
nicht
nur
„Entfremdung“
oder
„Misstrauen“,
die
einen
gerechte
Ausgleich
zwischen
Israel
und
den
Palästinensern
verhindern,
sondern
ganz
grundlegend
auch
die
Vorgaben
der
zionistischen
Ideologie,
an
die
Israel
sich
in
seiner
Politik
gegenüber
den
Palästinensern
getreulich
hält.
Zwar
gehen
die
Autoren
kurz
auf
den
Zionismus
ein,
arbeiten
aber
nicht
das
Wesen
dieser
Ideologie
heraus.
Die
israelische
Historikerin
Tamar
Amar-Dahl
nennt
die
Dinge
beim
Namen
und
sieht
den
Kern
dieser
Ideologie
in
der
Maxime
von
der
obersten
Priorität
militärischer
Überlegenheit,
was
bedeutet,
dass
die
Sicherheit
des
Staates
und
seine
Nationalstaatlichkeit
nur
durch
Gewalt
(und
das
heißt:
permanenten
Krieg,
der
durchaus
positiv
konnotiert
wird)
erhalten
werden
kann.
Vor
diesem
Hintergrund
– so
Tamar-Dahl
–
erscheint
der
Konflikt
mit
den
Arabern
und
den
Palästinensern
im
Besonderen
als
eine
gegebene
unveränderliche
Tatsache,
weil
die
Feindschaft
der
„neuen
Gojim“
gegenüber
den
„Juden“
als
jenseits
historischer
Entwicklungen
verstanden
wird.
Die
arabische
Ablehnung
der
Existenz
Israels
wird
nicht
als
Reaktion
der
Araber
auf
die
Politik
der
Zionisten
verstanden,
sondern
wird
in
eine
Reihe
mit
den
jüdischen
Gewalterfahrungen
in
Europa
gestellt.
Tamar
Amar
Dahl
schreibt:
„Der
politischen
Ordnung
des
zionistischen
Israel
liegen
im
Endeffekt
zwei
Gründungsmythen
zu
Grunde:
Der
Mythos
von
‚Eretz
Israel‘
[Groß-Israel]
als
Land
des
jüdischen
Volkes
und
der
Sicherheitsmythos.
Diese
beiden
bilden
den
Kern
für
die
Palästina-Frage,
damit
die
Kernfrage
des
historisch
gewachsenen
Nahost-Konflikts.
Beide
Mythen
stehen
einer
politischen
Regelung
des
Konflikts
mit
den
‚Arabern
von
Eretz
Israel‘
im
Wege.
Denn
Israels
Beharren
auf
dem
Mythos,
‚Eretz
Israel‘
sei
das
Land
des
jüdischen
Volkes,
bedeutet
gleichzeitig,
dass
es
das
Selbstbestimmungsrecht
des
auf
eben
diesem
Territorium
lebenden
Palästinenser
nicht
anerkennen
kann.
Deshalb
kann
es
auch
keinen
palästinensischen
Staat
in
Teilen
des
Landes
entstehen
lassen.
(…)
Da
das
zionistische
Israel
weder
das
Land
teilen
kann/will
noch
im
binationalen
Staat
eine
wirkliche
Option
sieht,
bleibt
der
Status
quo
der
‚Araber
von
Eretz
Israel‘
als
‚outgroup‘,
letztlich
als
verdrängte
Feinde
des
zionistischen
Israel,
bestehen.“
Weil
eine
solche
Sicht
auf
den
Zionismus
fehlt,
geraten
Asseburg
und
Busse
bei
der
Darstellung
der
Geschichte
Israels
immer
wieder
ins
ideologische
Fahrwasser
der
offiziellen
israelischen
Darstellung,
die
dann
zumeist
mehr
mit
der
Propaganda
dieses
Staates
als
mit
den
realen
historischen
Fakten
zu
tun
hat.
So
leugnen
die
Autoren
zwar
nicht
die
Nakba,
sehen
sie
aber
als
Begleiterscheinung
oder
Folgeerscheinung
des
„Unabhängigkeitskrieges“
von
1948
an.
Eine
These,
die
die
„neuen“
israelischen
Historiker
längst
widerlegt
haben
–
besonders
Ilan
Pappe
mit
seinem
Buch
„Die
ethnische
Säuberung
Palästinas“,
das
die
Autoren
in
ihrem
Literaturverzeichnis
auch
angeben,
aber
offensichtlich
inhaltlich
nicht
berücksichtigt
haben.
Pappe
hat
belegt,
dass
die
zionistischen
Truppen
und
Milizen
sehr
bald
nach
dem
UNO-Teilungsbeschluss
im
November
1947
gegen
die
Palästinenser
vorrückten
und
bis
zum
Gründungstag
des
israelischen
Staates
am
15.
Mai
1948
schon
weite
palästinensische
Gebiete
erobert
und
300
000
Palästinenser
vertrieben
hatten.
Erst
dann
begann
der
israelische
arabische
Krieg.
Da
erhebt
sich
die
Frage,
warum
Historiker
solche
Fakten
nicht
zur
Kenntnis
nehmen.
Auch
die
Vorgeschichte
zum
1948er
Krieg
ist
nicht
vollständig
geschildert.
Da
heißt
es:
„Jordanien
eroberte
das
Westjordanland
einschließlich
Ost-jerusalems,
das
es
1950
annektierte.“
Da
fehlt
die
wichtige
Information,
dass
die
Zionisten
mit
dem
jordanischen
König
Abdallah
ein
Geheimabkommen
geschlossen
hatten,
das
ihm
das
Westjordanland
zusicherte,
wenn
er
mit
seinen
Truppen
nicht
in
Israels
Krieg
mit
den
Arabern
eingreifen
würde.
Vor
allem
die
„Arabische
Legion“
(die
stärkste
arabische
Armee)
fürchteten
die
Zionisten,
aber
sie
hielt
sich
auf
Grund
des
Abkommens
aus
dem
Krieg
heraus
und
griff
nur
in
die
Kämpfe
um
Jerusalem
ein.
So
fehlen
auch
bei
vielen
anderen
Ereignissen
die
Vorgeschichte
oder
der
historische
Zusammenhang,
ohne
die
das
beschriebene
Geschehen
gar
nicht
verständlich
wird.
So
erwähnen
sie
das
Massaker
von
Hebron
1929,
bei
dem
Araber
viele
Juden
getötet
haben,
geben
aber
nicht
den
Anlass
zu
diesem
Mord
an,
wobei
den
Anlass
zu
erwähnen
natürlich
nicht
die
Rechtfertigung
eines
solchen
Verbrechens
bedeutet.
Der
Anlass
war
eine
jüdische
Provokation
sowohl
der
britischen
Mandatsmacht
als
auch
der
Araber
gewesen.
Denn
fromme
Juden
hatten
eine
Abtrennung
von
Männern
und
Frauen
an
der
Klagemauer
vorgenommen,
woraufhin
die
Muslime
befürchteten,
dass
die
Juden
über
die
Mauer
und
deren
Umfeld,
die
auch
für
sie
heilig
sind,
die
Kontrolle
übernehmen
wollten
–
für
sie
eine
ungeheure
Provokation.
Selbst
der
Jude
Sigmund
Freud,
der
von
zionistischer
Seite
aufgefordert
wurde,
seiner
Empörung
über
das
Massaker
in
Hebron
öffentlich
Ausdruck
zu
geben,
lehnte
das
ab
und
begründete
dies
mit
den
Gefahren,
die
religiöser
Fanatismus
und
aggressiver
Nationalismus
für
die
Juden
bedeuteten.
Er
könne
sich
nicht
vorstellen,
dass
Palästina
ein
jüdischer
Staat
werden
könne,
noch
dass
die
christliche
und
islamische
Welt
bereit
sein
könnten
zu
dulden,
dass
ihre
heiligen
Stätten
unter
jüdische
Kontrolle
kommen
würden.
Er
gab
seiner
Sorge
Ausdruck,
dass
der
unrealistische
Fanatismus
des
jüdischen
Volkes
Schuld
am
Erwachen
des
arabischen
Misstrauens
sei.
Er
könne
keinerlei
Sympathie
für
die
fehlgeleitete
jüdische
Frömmigkeit
empfinden,
die
ein
Stück
von
Herodes
Mauer
[der
Klagemauer]
in
eine
nationale
Reliquie
verwandeln
wolle
und
damit
die
Gefühle
der
Einheimischen
[der
Araber]
provoziere.
Es
lassen
sich
andere
Beispiele
nennen,
in
denen
die
Herstellung
des
historischen
Zusammenhangs
fehlt.
Die
Autoren
gehen
zum
Beispiel
immer
wieder
auf
die
Hisbollah
ein
und
schildern,
eine
wie
große
Bedrohung
sie
im
Bündnis
mit
Syrien
und
dem
Iran
für
Israel
sei.
Den
Grund
für
die
Entstehung
der
Hisbollah
nennen
sie
aber
nicht:
die
brutale
Besatzung,
die
Israel
nach
seinem
Überfall
auf
den
Libanon
1982
im
Süden
dieses
Landes
ausübte.
Die
Hisbollah
ist
heute
die
einzige
militärische
Kraft,
die
den
Libanon
wirklich
schützen
kann
und
vor
der
Israel
deshalb
großen
Respekt
hat.
Auch
die
Ereignisse
um
die
Machtübernahme
der
Hamas
im
Gazastreifen
sind
äußerst
lückenhaft
dargestellt.
Fakt
war,
dass
die
Hamas
2006
die
absolut
freien
Wahlen
in
den
besetzten
palästinensischen
Gebieten
gewonnen
hat
und
dass
sie
nach
einer
Vermittlung
der
Saudis
bereit
war,
mit
der
im
Westjordanland
regierenden
Fatah
eine
Einheitsregierung
zu
bilden.
Der
Westen
lehnte
dies
ab,
weil
für
ihn
die
Hamas
eine
„terroristische“
Organisation
ist.
Israel
ließ
sogar
die
frei
gewählten
Hamas-Abgeordneten
verhaften.
Die
Fatah
hatte
inzwischen
unter
der
Führung
eines
amerikanischen
Generals
und
des
Palästinensers
Mohammed
Dahlan
eine
Truppe
aufgestellt,
die
mit
einem
Putsch
die
Hamas
im
Gazastreifen
stürzen
sollte.
Das
misslang
aber,
weil
die
Kämpfer
der
Hamas
sich
militärisch
überlegen
erwiesen.
Damit
hatte
die
Fatah
die
Hamas
durch
ihre
Niederlage
selbst
an
die
Macht
gebracht,
die
sie
bis
heute
ausübt.
Die
fatale
Feindschaft
zwischen
den
beiden
palästinensischen
Organisationen
ist
weitgehend
auf
diesen
Bürgerkrieg
zurückzuführen.
Die
Autoren
gehen
zwar
mehrmals
auf
die
Völkerrechtswidrigkeit
der
israelischen
Siedlungspolitik
ein,
erwähnen
auch
das
Gutachten
des
Internationalen
Gerichtshofes
von
2004,
das
den
Mauerbau
für
völkerrechtswidrig
erklärt
und
sehen
auch
die
eingeschränkte
Bewegungsfreiheit
der
Palästinenser
in
ihren
Enklaven
kritisch,
verlieren
aber
so
gut
wie
kein
Wort
über
die
Brutalität
der
israelischen
Besatzung
mit
ihren
täglichen
Verstößen
gegen
die
Menschenrechte:
permanente
Übergriffe
auf
die
Bevölkerung,
Razzien,
Verhaftungen,
tausende
von
politischen
Gefangenen,
Administrativhaft,
Folter
sowie
das
Einkerkern
sogar
von
Kindern.
Bei
den
beiden
Autoren
kommen
solche
Fakten
nicht
vor.
Auch
die
Tatsache,
die
von
israelischen
Militärs
sogar
eingestanden
wird,
dass
Israel
seine
von
seiner
Rüstungsindustrie
hergestellten
Waffen
in
den
Auseinandersetzungen
mit
den
Palästinensern
testet,
die
besetzten
Gebiete
also
als
„Labor“
für
Israels
Rüstungsindustrie
dienen,
findet
keine
Erwähnung.
Ein
Vorgang,
den
man
ja
nur
mit
der
völligen
Verachtung
der
Palästinenser
erklären
kann,
die
auch
entsprechend
dämonisiert
werden:
„Wilde
Tiere
auf
zwei
Beinen“
(Menachem
Begin)
oder:
„Die
Palästinenser
sollen
wie
Heuschrecken
zermalmt
werden.“
(Itzhak
Shamir)
–
beide
israelische
Ministerpräsidenten.
Die
Reihe
solcher
Zitate
kann
beIiebig
fortgesetzt
werden,
was
Asseburg
und
Busse
aber
nicht
davon
abhält
zu
behaupten,
dass
es
in
Israel
keinen
Rassismus
gebe.
Der
israelische
Journalist
Gideon
Levy
von
der
Tageszeitung
„Haaretz“
hat
schon
vor
Jahren
geschrieben:
„Wir
haben
eine
Nation,
in
der
Rassismus
der
wahre
gemeinsame
Nenner
ist.“
Man
kann
viele
weitere
Punkte
anführen,
bei
denen
die
Autoren
mit
Weglassungen
oder
zu
kurz
gehaltenen
Darstellungen
operieren.
So
erwähnen
sie
zwar
die
Auseinandersetzungen
ab
März
2018
an
der
Grenze
zum
Gazastreifen,
erwähnen
aber
auch
hier
nicht
die
Brutalität
des
israelischen
Vorgehens:
dass
Scharfschützen
der
Armee
– im
wörtlichen
Sinne
–
ganz
gezielt
über
200
friedliche
Demonstranten
getötet
und
weit
über
10
000
zu
Krüppeln
geschossen
haben.
Immerhin
gestehen
die
Autoren
zu,
dass
es
„Schnittmengen
zwischen
der
völkerrechtlichen
Definition
von
Apartheid
und
der
Situation
in
Israel
und
den
palästinensischen
Gebieten“
gibt,
eine
Feststellung,
die
aber
vielen
ihrer
sonstigen
Ausführungen
widerspricht.
Die
israelisch-zionistische
Perspektive,
die
die
Autoren
weitgehend
einnehmen,
spiegelt
sich
vor
allem
darin
wider,
dass
sie
immer
nur
von
der
„Bedrohung“
Israels
sprechen
–
etwa
durch
Syrien
im
Bündnis
mit
dem
Iran
und
der
Hisbollah.
Dass
die
Nachbarn
Israels
sich
aber
gerade
durch
die
als
„Selbstverteidigung“
ausgegebene
rücksichtslose
Militärstrategie
dieses
Staates,
die
Ariel
Sharon
mit
dem
kurzen
Satz
ausdrückte
„Sie
müssen
Angst
vor
uns
haben“,
von
Israel
bedroht
fühlen,
bleibt
unerwähnt.
Asseburgs
und
Busses
Buch
zeichnet
sich
im
Gegensatz
zu
vielen
anderen
zu
diesem
Thema
erschienen
Büchern
(besonders
von
antideutschen
Autoren)
durch
eine
Annäherung
an
die
Realität
im
Nahen
Osten
aus,
die
sie
aber
nicht
erreichen,
weil
da
der
einseitige
Blick
auf
Israel
im
Wege
ist.
Asseburg,
Muriel/
Busse,
Jan:
Der
Nahost-Konflikt.
Geschichte,
Positionen,
Perspektiven,
Reihe
Wissen
C.H.Beck-Verlag
München,
aktualisierte
Neuauflage
2020,
ISBN
978
3
406
743
160,
9,95
Euro
|