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Gazas Traumatisierten helfen

 Heather Sharp

 

Omsyat, 12, ist nervös und aggressive geworden, Hala,7, hat aufgehört zu sprechen, und Sobhy, 11 verbrennt die Spielsachen, die ihm gebracht wurden, mit einer Kerze, sagt ihre Mutter, Wafa Awersha.

Die psychiatrische Krankenschwester Rowija Hamam nickt, als sie auf einer dünnen Matratze auf dem Boden des Zeltes in Al Atatra im nördlichen Gazastreifen sitzt.

In dem, was jetzt ihr zu Hause ist berichtet Frau Awersha , wie ihre fünf Kinder mit dem Tod des Bruders  während des letzten Konfliktes  nicht fertig werden.

Ibrahim,9, wurde am 4. Januar von einer israelischen Kugel getroffen und starb vor den Augen der Geschwister und neben den  verletzten Eltern, die kaum bei Bewusstsein waren, sagt die Familie.

Sein toter Körper lag vier Tage vor ihrem Haus, bis der Kampf nachließ, und die Nachbarn ihn auf einem Eselskarren wegholen konnten.

Israel gibt die Schuld an den vielen zivilen Toten den Militanten, die  mitten aus bevölkerten Gebieten operiert hätten und  sagt,  die palästinensischen Kämpfer feuerten auf seine Soldaten während der täglichen, einseitig ausgesprochenen 3-stündigen Feuerpause, die angesetzt wurde, um dem Rettungsdienst das Bergen der Toten  und Verletzten zu ermöglichen.

 

Mehrere Hundert der 1300 palästinensischen Toten waren Kinder und einige Berichte über zivile Tote deuten auf Kriegsverbrechen hin .

Nach Ibrahims Tod benahm sich Sobhi wie sein Bruder und bat darum, Ibrahim genannt zu werden, sagte Frau Hamann.

„Schule ist schön,“ sagt er, wenn er gefragt wird. „Ich mag Mathe“ Aber er starrt auf den Boden und fängt an zu weinen.

Frau Awersha sagt, er war immer an der Spitze der Klasse – aber jetzt hat er Mühe, sich zu konzentrieren.

Hala bedeckt jedes Mal ihren Kopf mit einer Decke, wenn der Name Ibrahim erwähnt wird, während Dija, 3, ihr Spielzeug zerstört.

 

Für meine Kinder’

Frau Haman ist eine aus dem Team  der Krankenschwestern für psychisch Kranke in Gaza: sie sagt, sie sei von dem Ausmaß  der Notleidenden seit dem Konflikt überwältigt worden. Sie hat die Awersha-Familie schon mehrfach besucht, sie brachte Spielzeug und Spiele und versucht den Kindern zu helfen, ihre Gefühle auszusprechen, und zeigt ihnen Atemübungen.

Frau Awersha lächelt und  beruhigt die Kinder, als sie das verfilzte Haar der Mädchen zu Zöpfen flicht und ihnen hilft, die Schulkleidung anzuziehen, die sie aus dem Schutt ihres Hauses gerettet haben. Im Zelt fliegen fette schwarze Fliegen herum.

Frau Awersha  seufzt, als sie gefragt wurde, wie sie mit all dem fertig wird. Dann fließen Tränen.

„Vielleicht denken Sie, mir ist zum Lachen zu Mute, weil ich mit den andern Spaß mache, aber ehrlich gesagt,  das tut ich nur der Kinder wegen.“

Jedes Mal, wenn ich zu meinem zerstörten Haus komme und dort stehe, wo Ibrahim getötet wurde, dann weine sie nur noch, sagt sie.

 

Gazas Fachleute für psychisch Kranke haben schon in Schulen, Kindergärten, Kliniken, Privathäusern und Zelten gearbeitet, um zu versuchen, in ähnlich gelagerten Fällen  zu helfen.

 

Hassan Zeyada, die das Gaza Community Mental Health Programm Zentrum (GCMPC) in Gazastadt leitet und  sein Kollege Sami Oweida sagen, sie seien erschöpft.

„Viele unserer Kollegen haben Verwandte verloren. Wir müssen sie unterstützen, aber manchmal haben wir das Gefühl, dass wir selbst Hilfe brauchen“,  sagt Dr. Oweida

Dr. Zeyada weist auch auf die Schwierigkeiten hin, anhaltende Trauma  an einem Ort zu behandeln, wo eine langfristige Lösung des Konfliktes  schwer erreichbar ist.

„Manchmal hat man das Gefühl, man verschwendet seine Kräfte. Noch eine Invasion, noch ein Krieg, noch ein Angriff -  da glaubt man, die  wollen nur alle unsere Bemühungen zerstören.

 

Ängste

Ein anhaltendes Trauma plagt auch die Bewohner der südlichen Städte Israels, die unter der ständigen Bedrohung von palästinensischen Qassamraketen leben.  Seit 2001 seien dort 8000 Raketen gefallen (Wer zählte die Geschosse der Israelis ? 1 Tonne/pro Kopf  rechnete ein Arzt aus. ER)

Es sind 18 Menschen in dieser Zeit getötet worden. ( und  über 1300 Palästinenser !!)  Kinder unter acht haben kaum etwas anderes kennen gelernt als einen ständige Angstzustand.

Und selbst nach dem letzten Kampf, den Israel zur Reduzierung der Qassamraketen führte,  wurden weiter Qassams und Granaten abgefeuert.

Während  Psychologen auf beiden Seiten sagen, dass wenigstens 20-30% der Bevölkerung unter Symptomen von Trauma  leiden, ist der Süden Israels besser ausgerüstet als der Gazastreifen, um diese Probleme in Angriff zu nehmen.

GCMHP sagt, es gäbe nur fünf ausgebildete Psychiater in Gaza, die nach internationalen Standards  ausgebildet sind und keine klinischen Psychologen sind.

 

Lebensgrundlage

John Jenkins, der Manager des Mental Health Projekts in der  Weltgesundheitsorganisation  für die Westbank und den Gazastreifen, sagte, dass man große Schwierigkeiten habe, die Leute mit den richtigen Fähigkeiten in den Gazastreifen zu bekommen, und  die Knappheit an Medikamenten wie Beruhigungsmittel und Antidepressiva stellen ein ständiges Problem dar.

Er sagt, es sei noch zu früh, das Ausmaß der psychischen Gesundheitsschäden des letzten Konfliktes zu beurteilen, da die Auswirkungen von Traumata Zeit brauchen, bis sie auftauchen.

Aber die Fähigkeiten der Menschen mit Stresssituationen fertig zu werden, sei  „sehr beachtlich“, sagt er , und die Mehrheit der Leute brauchen keine Spezialbehandlung.

„Was die Leute aber wirklich benötigen, sind Lebensmittel, einen sicheren Platz zum Leben und Aussicht auf Arbeit. Dies sollte „absolut“ die Priorität haben, sagt er.

Aber als Frau Hamam durch die Zeltreihen davon latscht, fordern Kinder in Gummischuhen  lautstark von ihr, sie möge ihnen Schuhe bringen. Für die Awershakinder wird es unter diesen Umständen  schwierig werden, sich zu erholen.

Vor dem Krieg hatten sie ihre Routine: sie kamen nach hause, sahen fern, machten ihre Hausaufgaben … aber im Zelt ist das sehr schwierig.

„Es wird sehr lange dauern, bis sie sich erholen,“ sagte sie und schüttelte  traurig ihren Kopf.

 

(dt. Ellen Rohlfs)

 

 

 

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