Interview:
Mein Film „Einen Elefanten schießen“ lässt Euch an der Realität in
Gaza teilnehmen; Alberto Arce (AA) mit
Adri Nieuwhof (AN)
http://elecronicintifada.net/v2/article10890.shtml
15.11 09
“Einen Elefanten schießen” ist ein
Dokumentarfilm des Augenzeugen Alberto Arce ( und Mohammed Rjuailah)
, der während des israelischen Angriffes im letzten Winter 2009 im
Gazastreifen war. Während der Angriffe hatte Israel ausländischen
Journalisten verboten, den Gazastreifen zu betreten. Arce schaffte
es, im Streifen zu bleiben und zu filmen, wie Ambulanzwagen und
Krankenhäuser gezielt von den israelischen Militärs während ihres
Einsatzes angegriffen wurden. …
Am 7.November 2009 bekam Arce in
Florenz den höchsten Preis beim Dei Populi Filmfestival …
AN: können Sie mir erzählen, warum Sie
diesen Film drehen wollten?
AA: ich bin ein 33jähriger Journalist
aus Spanien. Ich wurde durch die Unterstützung von Internationalen
während unseres Krieges 1936 in Spanien dazu angeregt .. George
Orwell nahm damals bei den Internationalen republikanischen Brigaden
teil und berichtete gleichzeitig über den Krieg. Ich versuchte
Orwells Beispiel zu folgen. Ich verfolge die Ereignisse in Palästina
seit fünf Jahren, und es wurde mir bewusst, dass es über den
Gazastreifen kaum Berichte gab. Ich wollte über die kollektive
Bestrafung der Bevölkerung in Gaza berichten und entschied mich, dem
Boot der „Free Gaza-Movement“, die im Dezember 2008 nach Gaza
segelte, mich anzuschließen. Ich wollte die Mauer der Zensur
durchbrechen.
AN : Ist dies Ihr 1. Film?
AA: es ist mein 5. Film. Ich drehte
drei Filme über Palästina und einen über den Irak. Alle Filme sind
aus der Perspektive von Zivilisten, lokalen und internationalen
gedreht worden , was diese während des Krieges tun können. Wir
Zivilisten müssen alles Mögliche tun, um einen Krieg zu stoppen.
Kollektive Bestrafung des Volkes im Gazastreifen ist nach dem
Völkerrecht nicht erlaubt. Ich kann es einfach nicht akzeptieren,
dass Journalisten nicht in den Gazastreifen dürfen.
AN : Wie haben die Palästinenser in
Gaza auf Ihr Filmen reagiert?
AA: die Situation in Gaza wird von Tag
zu Tag schlimmer. Man kann sich das Leiden dort nicht vorstellen.
Die Zivilisten hießen mich willkommen und waren froh , dass ich da
war. Es gab noch zwei Reporter von Al-Jazeera und sieben andere
Ausländer, die die Angriffe in Gaza während der schweren
militärischen Angriffe dokumentierten. Wissen Sie, die Zivilisten in
den Ambulanzen, das sind wirkliche Helden. Sie haben jeden Tag ihr
Leben riskiert, um Zivilisten zu retten. Einer von ihnen wurde
direkt vor meiner Kamera von einem Scharfschützen erschossen. Es
wurden 16 Sanitäter während des Hilfsdienstes erschossen.
AN : Wie fühlen Sie sich , nachdem Sie
in Florenz den Filmpreis bekommen haben?
AA: ich war stolz, den Preis bekommen
zu haben für den Film, den ich mit Mohammed drehte. Ich hoffe, wir
erreichen damit ein großes Publikum … Die Hauptpersonen im Film sind
aber die Zivilisten im Gazastreifen. Sie sind noch immer
eingesperrt. Während der Militärangriffe war ich genau wie sie
eingesperrt. Die Situation muss geändert werden, und es wird nur
mit internationalem Druck geschehen, dass Israel das Völkerrecht
respektiert.
AN: wie hat die Öffentlichkeit auf
Ihren Film reagiert?
AA: ein paar Leute gingen vor Ende des
Filmes raus. Ich war traurig darüber, dass sie sich den Tatsachen
nicht stellen wollten. Die Leute starben in Gaza und ich konnte sie
nicht wieder aufwecken. Hunderte von Kindern, die während der
Operation Cast Lead starben, waren menschliche Wesen. Es geht nicht
nur um Statistik. Die Zuschauer bei der Weltpremiere in Florenz
blieb still nach dem Anschauen des Films. Das hat mich sehr
beeindruckt. Der Film ist grausam. Man hat das Gefühl, dabei zu
sein, ein Teil dieser Realität zu sein.
AN: Wenn Sie auf Ihren Aufenthalt in
Gaza zurücksehen, was war der schwierigste Augenblick?
AA: Das schlimmste war der erste Tag.
Nach dem schweren Bombardement an jenem Tag, bekam unsere Gruppe von
sieben Internationalen das Angebot, rauszugehen und unser Leben zu
retten. Wir entschieden uns nach drei Minuten dazubleiben. In dem
Augenblick wurde ich ein Palästinenser und war kein Internationaler
mehr. D.h. wir waren den Bombenangriffen und der willkürlichen
Gewalt genau so ausgeliefert. Es wird einem klar, dass man nur
zufällig noch am Leben ist. Ich will kein toter Held sein, ich
möchte ein lebender professioneller Journalist und Filmemacher sein.
Ich kann es nicht beschreiben, wie es ist, eine Nacht unter schwerem
Bombardement zu verbringen und am nächsten Tag festzustellen, dass
deine Nachbarn alle tot sind. Oder dass man das Gefühl hat, als ob
man gleich erschossen wird, dann aber die Person, die vor einem
steht, stirbt und nicht man selbst. Diese Gewalt erleben die
Palästinenser seit 60 Jahren. Wie würde mein Leben aussehen, wenn
ich als fünfjähriger gesehen hätte, wie zwei meiner Schulkameraden
von weißem Phosphor verbrennen.
AN: im welchen Städten wird der Film
gezeigt werden?
AA: Auf unserer Website
www.toshootanelephant.com kann man die
Information finden. Der Film wird auch eine Rolle bei den Sitzungen
des Russell-Tribunals über Palästina spielen . Ich würde gern
Solidaritätsgruppen und Aktivisten einladen, damit sie an der
globalen freien Filmvorführung am 18.Januar, ein Jahr nach der
Feuerpause in Gaza, teil nehmen können. Diese globale Veranstaltung
wird organisiert, um uns daran zu erinnern, dass sich die Situation
in Gaza noch nicht geändert hat. Im Gegenteil, es ist schlimmer
geworden . Wenn du an der globalen Veranstaltung teil nehmen willst,
kontaktiere mich über meine Website.
AN ist Rechtsberater und
Menschenrechtsanwalt in der Schweiz.
(dt. Ellen Rohlfs)
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