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Der Bericht der Goldstone-Kommission und die Reaktionen darauf
Stephen Lendman


Am 3. April 2009 gab eine UN-Pressemitteilung bekannt:

”Der Menschenrechtsrat (Human Rights Council - HRC) gab heute die Ernennung von Richard J. Goldstone bekannt … um eine unabhängige (vierköpfige) Erkundungs-Mission zu leiten, um die Vergehen gegen die Menschenrechte und das Völkerrecht beim jüngsten Konflikt im Gazastreifen zu untersuchen … Das Team wird wird vom Büro des Stabs des Hochkommissars für Menschenrechte unterstützt … Die heutige Ernennung ist eine Folge der Annahme einer Resolution des Menschenrechtstrates … um 'die groben Menschenrechtsverletzungen im besetzten palästinensischen Gebiet, insbesondere auf Grund der jüngsten israelischen Angriffe auf den besetzten Gaza-Streifen zu untersuchen.' ”

Der HRC wurde am 15. März 2006 von der UN-Vollversammlung eingerichtet. Die 47 Mitgliedstaaten des HRC sind ”verantwortlich für die Stärkung der Förderung und des Schutzes der Menschenrechte rund um den Globus.”

Als ehemaliger südafrikanischer Verfassungsrichter ist Goldstone ein anerkannter Jurist. Er hat als Chefankläger für die Jugoslawien- und Ruanda-Tribunale gedient und ist ein Vorstandsmitglied der Hebrew University. Als Jude versprach er fair und gerecht zu sein und ”hofft, daß die Erkenntnisse einen sinnvollen Beitrag zum Friedensprozeß leisten werden … und den Opfern Gerechtigkeit zu bringen.”

Gleichzeitig hat Israel sich der Zusammenarbeit verweigert und der Sprecher des Außenministeriums sagte: ”Diese Kommission hat die Instruktion, nicht die Wahrheit zu suchen sondern Israel für angebliche Verbrechen auszumachen.” Dann klagte er den Rat an, daß er ”praktisch (keine) Glaubwürdigkeit besitze”.

Am 15. September hat der HRC den 575 S.-Bericht der Kommission veröffentlicht unter dem Titel ”Die Menschenrechte in Palästina und anderen besetzten arabischen Territorien: Bericht der UNO- Erkundungsmission zum Gazakonflikt”.

Es deckt die Operation Gegossenes Blei ab, die Gaza-Belagerung, die Auswirkungen von Israels militärischer Besetzung des Westjordanlandes und vieles mehr, einschließlich:

• Vorkommnisse zwischen der ”Waffenstillstands”-Periode vom 18. Juni 2008 bis zu den von Israel begonnenen Feindseligkeiten am 27. Dezember 2008;
• anzuwendendes Internationales Recht;
• das besetzte Gaza während der Belagerung;
• in Überblick über die Operation Gegossenes Blei;
• die Verpflichtungen beider Seiten zum Schutz von Zivilisten;
• wahllose israelische Attacken gegen Zivilisten, die zu hunderten von Toten und tausenden von Verwundeten führten;
• Benutzung gewisser Waffen;
• Angriffe auf ”die Fundamente des zivilen Lebens in Gaza; Zerstörung der industriellen Infrastruktur, der Nahrungsmittelproduktion, der Wasserinstallationen, der Abwasser-Reinigungsanlagen und der Wohnhäuser;
• Benutzung von Palästinensern als menschliche Schilde;
• Verhaftung und Einkerkerung von Gaza-Bewohnern während des Konfliktes;
• die Ziele und Strategie der IDF [Israelische ”Verteidigungs”-Streitkräfte]
• Auswirkungen der Belagerung und der militärischen Operationen auf die Gaza-Bewohner und ihre Menschenrechte;
• die Gefangennahme des israelischen Soldaten Gilad Shalit;
• interne Gewalt in Gaza – Hamas gegen Fatah;
• das besetzte Westjordanland und Ost-Jerusalem;
• Israels Behandlung der Palästinenser in Westjordanland, einschließlich brutaler Gewalt gegen Demonstrationen;
• Palästinenser in israelischen Gefängnissen;
• israelische Verletzungen der Bewegungsfreiheit und des Rechtsbeistandes;
• die Angriffe der Fatah auf Hamas-Anhänger im Westjordanland und Beschränkung der Rede- und Versammlungsfreiheit;
• Raketen- und Mörserangriffe gegen israelische Zivilisten;
• Unterdrückung abweichender Meinungen und des Informationsflusses und Behandlung von Menschenrechtsverteidigern in Israel;
• israelische Antworten auf  Kriegsverbrechenanklagen;
• Vorgehensweise der palästinensischen Behörden;
• universale Rechtssprechung;
• Reparationen; und
• Schlußfolgerungen und Empfehlungen.
 

 

Die Einleitung erklärt, daß:

”Die Mission interpretierte ihr Mandat in der Weise, daß sie die zivile Bevölkerung der Region in den Mittelpunkt ihrer Befürchtungen von Verletzungen des internationalen Rechtes stellte.”

Sie versuchte wiederholt, Israels Zusammenarbeit zu gewinnen, aber vergebens. Sie hat sich jedoch ”der Unterstützung und Zusammenarbeit der Palästinensichen Behörde (PA) und der Permanenten Beobachter Mission Palästinas der Vereinten Nationen erfreut.” Israel verweigerte der Kommission den Zutritt zum Westjordanland, und die Kommission mußte sich mit den PA-Beamten in Amman/ Jordanien treffen. ”Während unserer Besuche im Gaza-Streifen traf die Mission (auch) mit hohen (Hamas) Vertretern zusammen, die ihr volle Zusammenarbeit und Unterstützung zusicherte ...”

”Der normative Rahmen” der Kommission war das internationale Recht, das Internationale Völkerrecht, die UN-Charta und die internationalen Menschenrechte und  das Strafrecht.

Erhaltene Informationen umfassen:

• Berichte aus verschiedenen Quellen;
• Interviews mit Opfern, Zeugen und sonstigen Leuten mit relevanter Information;
• Besuche bestimmter Orte in Gaza, wo es Zwischenfälle gegeben hatte;
• Analyse von Videos und Fotos, einschließlich Satelliten-Aufnahmen;
• Arztberichte über Verletzungen der Opfer;
• forensische Analyse von Waffen- und Munitionsresten, die an den betreffenden Orten gesammelt wurden;
• Treffen mit Gesprächspartnern;
• Informationen,  die auf entsprechende Anforderung geliefert wurden; und
• öffentliche Anhörungen in Gaza und Genf.
 

Die Kommission führte 188  Interviews durch, erhielt 300 Berichte, Eingaben und andere Dokumente, die mehr als 10 000 Seiten umfaßten, 30 Videos und 1200 Fotos. So weit wie möglich stützte sie sich auf Material aus erster Hand. Sekundäre Informationen wurden dann zur Bestätigung benutzt. Insgesamt erhielt sie genügend Informationen ”glaubhafter und verläßlicher Natur, damit die Mission die Tatsachen herausfinden konnte.” Sie hat eindeutige Beweise für Verbrechen gefunden und in beinahe allen Fällen war sie in der Lage festzustellen, ob die fraglichen Akte bewußt oder rücksichtlos waren.

Indem die Regierung von Israel sich der Zusammenarbeit verweigerte, hat sie es nicht nur unmöglich gemacht, israelische Regierungsbeamte zu treffen sondern auch, in Israel zu reisen, um israelische Opfer zu treffen und das Westjordanland zu besuchen, um Vertreter der Palästinensischen Autorität (PA) und palästinensische Opfer zu treffen.


Die Ergebnisse der Kommission

Die UN-Pressemitteilung vom 15. September erklärte, daß die Mission zu dem Schluß kam, daß ”es Beweise gibt, die ernste Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts durch Israel den Gaza-Konflikt kennzeichnen, und daß Israel Handlungen begangen hat, die Kriegsverbrechen bedeuten und möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit.” Die Beispiele umfassen zahlreiche Vorgänge, bei denen Zivilisten erschossen wurden, die die weiße Flaggen schwenkten, als sie ihre Häuser verließen, um an sicherere Orte zu gelangen. Sowie einzelne Fälle von Palästinensern, die als menschliche Schilde benutzt wurden, von willkürlichen Verhaftungen und außergerichtlichen Erschießungen in Gaza und Westjordanland.

Insbesondere hielt die Kommission fest, daß:

”Während die israelische Regierung bemüht war, ihre Operationen als eine Antwort auf die Raketen-Angriffe bei Ausübung ihres Rechts auf Selbstverteidigung darzustellen, ist die Mission der Auffassung, daß der Plan zumindest teilweise ein anderes Ziel hatte: das Volk von Gaza als Ganzes.” Die Raketenangriffe waren ein Vorwand für nackte Aggression.

Die Mission fand Beweise - die sie Kriegsverbrechen nannte – daß ”Palästinensische bewaffnete Gruppen” mit Mörsern und Raketen Sudisrael beschossen, doch waren es kleinere Zwischenfälle im Vergleich zu dem israelischen Ansturm.

Die Kommission nannte die Gaza-Belagerung eine kollektive Bestrafung durch eine ”Politik der progressiven Isolation und des Entzugs”, und meint ferner, daß die Operation Gegossenes Blei riesige Teile der Infrastruktur Gazas, der Häuser, öffentlichen Gebäude, Fabriken, Schulen, Krankenhäuser, Polizeistationen und anderer Strukturen und Einrichtungen zerstört habe.

Der Bericht gibt an, daß der Blutzoll auf über 1400 Tote übersteigt, daß Familien immer noch in Trümmern leben, daß die Blockade den Wiederaufbau verhindert und daß es beträchtliche unmittelbare und Langzeit-Traumata gibt, besonders bei Kindern.

Er macht Israel verantwortlich, die Palästinenser ihrer Subsistenzmittel zu berauben, Arbeit, Wohnung, Wasser, Bewegungsfreiheit, das Recht ihr Land zu verlassen und zurückzukehren, den Zugang zu rechtlicher Wiedergutmachung, was ein ”Verbrechen der Verfolgung (und) gegen die Menschlichkeit” darstellt.

Israel verletzte auch die Prinzipien der ”Unterscheidung” zwischen Kämpfern und militärischen Zielen versus Zivilisten und nicht-militärischen Zielen, und die ”Proportionalität”, die verbietet, unproportionierte und willkürliche Gewalt anzuwenden, die geeignet ist, umfangreichen Schaden und große Verluste an Menschenleben zu verursachen.

Die Kommission fand zahlreiche Fälle, wo israelische Kräfte ”direkte (unproportionierte) Angriffe gegen Zivilisten mit tödlichem Ausgang” durchführten. Dies sind Kriegsverbrechen, weil ”kein zu rechtfertigendes militärisches Ziel ” verfolgt wurde.

Er spricht von ”einer Rechtskrise in dem besetzten palästinensischen Territorium, die Handlung erfordert”. Er sagt auch, daß Israel keine ”glaubwürdige Untersuchung von behaupteten Rechts-Verletzungen” durchführte und empfahl, daß der Sicherheitsrat (SC) fordert, dies zu tun und innerhalb von sechs Monaten einen Bericht vorzulegen. Er verlangt außerdem vom SC, eine unabhängige Expertengruppe einzusetzen, die den Fortschritt der Untersuchungen und Anklagen kontrolliert und die Angelegenheit dem Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC) unterbreitet, falls Israel dem nicht nachkommt.

"Der Bericht kommt zu dem Schluß, daß die israelische militärische Operation gegen das Volk von Gaza insgesamt gerichtet war, zur Förderung einer umfassenden und fortgesetzten Bestrafung der Bevölkerung von Gaza, und eine bewußte Politik der disproportionalen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung war. Die Zerstörung der Installationen für Nahrungsmittelherstellung, der Wasser- und sanitären Anlagen, der Zementfabriken und Wohnhäuser war das Ergebnis einer bewußten und systematischen Politik, die den täglichen Lebensprozeß und ein menschenwürdiges Leben für die Zivilbevölkerung schwieriger gemacht hat."

Richard Goldstones Kommentar vom 17. September 2009 in der New York Times

Goldstone sagte, daß er das UN-Mandat ”vor allem” angenommen habe wegen seines tiefen Glaubens ”an die Herrschaft des Gesetzes und des Kriegsrechts sowie an das Prinzip, daß bei bewaffneten Konflikten die Zivilisten in größtmöglichem Maße vor Schaden geschützt werden sollten”.

Israel hat jedoch absichtlich hunderte von Zivilisten getötet als Ergebnis seiner ”disproportionalen Angriffe” sogar auf Krankenhäuser und zivile Strukturen. ”Die israelischen Streitkräfte haben es wiederholt unterlassen, zwischen Kämpfern und Zivilisten, wie es das Gesetz bindend vorschreibt zu unterscheiden … In diesem Fall Gerechtigkeit zu fordern ist wesentlich, weil kein Staat oder bewaffnete Gruppe über dem Gesetz stehen sollte.” Ein Versäumnis dies zu tun, ”wird  einen tiefen zersetzenden Effekt auf  die internationale Justiz haben und eine unannehmbare Heuchelei enthüllen. Als ein Dienst an hunderten von Zivilisten, die ohne Grund starben, und um der  gleichen Geltung der internationalen Gerechtigkeit für alle müssen die Täter von ernsten Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden”.

 

Die Antwort von Amnesty International (AI) auf den Goldstone-Bericht

Donatella Rovera, AI-Leiterin der Untersuchung der Operation Gegossenes Blei, forderte UN-Menschenrechtsrat auf, ”den Bericht gutzuheißen, sowie seine Empfehlungen und dessen Verlangen, ihn den UN-Generalsekretär aufzufordern, ihn an den UN-Sicherheitsrat weiterzuleiten. (Dieser) sowie andere UN-Körperschaften müssen nun die notwendigen Schritte unternehmen, um sicherzustellen, daß die Opfern Gerechtigkeit und die ihnen zustehende Wiedergutmachung erhalten

und die Täter nicht mit ihren Morden davonkommen.” Der Sicherheitsrat” muß die Goldstone-Erkenntnisse dem Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC) weitergeben, wenn Israel  und Hamas nicht innerhalb einer festgesetzten Zeit glaubwürdige Untersuchungen durchführen”. Die AI fügte hinzu, das die Ergebnisse für sich selbst sprächen.

Die Antwort der New York Times auf den Goldstone-Bericht

Ein Artikel von Neil MacFarquhar vom 15. September zitierte zwar die Aussage des Berichts von Israels ”bewußter disproportionaler Attacke mit der Absicht, eine zivile Bevölkerung zu bestrafen, zu erniedrigen und zu terrorisieren”, meinte aber, daß die Hamas gleichermaßen schuldig sei.

Am 17. September veröffentlichte man dann zwei sehr kritische Briefe an Goldstone. Der eine war von Richard Sideman, Präsident des Amerikanischen-Jüdischen-Komitees und lautete:

”Richard Goldstone zeigt Mißachtung Israels und Naivität gegenüber der Hamas, die den ganzen Bericht durchdringt, den er für den Menschrechtsrat der Vereinten Nationen schrieb.”

Dann verleumdete er den Menschenrechtsrat, da ”er ständig Israel dämonisiert und den schlimmsten Tyrannen der Welt, vom Sudan bis zum Iran, einen Freischein ausstellt; (und) Mr. Goldstone vernachlässigt weitgehend die Gründe, die Israel veranlaßten, militärisch gegen die Hamas vorzugehen … Kurz gesagt, sind Mr. Goldstones Schlußfolgerungen ein Bärendienst für die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen selbst”.

In dem zweiten Brief  sagte ein Matan Shamir,  ein Mitglied von Legacy Heritage [eine von tausenden israelischen Lobby-Organisationen], daß Richard Goldstone ”absolut Recht” habe in Bezug auf ”den 'zersetzenden Effekt auf die internationale Gerechtigkeit' und die  'unannehmbare Heuchelei', wenn man Israel nicht zur Rechenschaft zieht … allein durch die exklusive Anwendung des internationalen Gesetzes gegen eine demokratische Nation, nämlich Israel”. Mit diesem Standard ”wären die Truppen der Vereinigten Staaten gleicherweise nicht in der Lage, sich in Irak und Afghanistan zu verteidigen, ohne als Kriegsverbrecher gebrandmarkt zu werden”.

Am 18. September hat The Times zwei weitere anti-Goldstone-Briefe veröffentlicht, die den ”Terrorismus” der Hamas verurteilen und Israels Recht auf Selbstverteidigung rechtfertigen und behaupten, daß Israel seit seiner Gründung ”von Attacken der Ablehnungsgruppen geplagt wird, die bis zum heutigen Tag weitergehen”.

Sie hatte am selben Tag auch eine Story laufen unter der Überschrift ”UN-Studie wird unfair gegenüber Israel genannt” worin der Sprecher des Außenministeriums Ian Kelly zitiert wird:

”Obwohl der Bericht beide Seiten des Konflikts anspricht, liegt sein Hauptaugenmerk auf Israels Aktionen. Seine Schlußfolgerungen bezüglich des bedauernswerten Verhaltens der Hamas und ihres Versagens, dem internationalen Völkerrecht während des Konfliktes Genüge zu tun, sind eher allgemein und unverbindlich.”

Es fehlen völlig in The Times, jetzt und immer, die Hervorhebung die Ungeheuerlichkeit der israelischen Verbrechen, seine Fähigkeit, sie straffrei zu begehen, die gewissenlose Belagerung von Gaza und die 42-jährige erdrückende militärische Besatzung sowie der Staatsterror gegen Millionen palästinensischer Zivilisten. Da schaut The Times nicht hin.

Die Antwort des Palästinensischen Zentrums für Menschenrechte (PCHR)

Die PCHR begrüßte den Bericht und forderte ”eine effektive gerechte Entschädigung und den Schutz der Rechte der Opfer”. Sie dringt darauf, daß die Empfehlungen der Mission angenommen werden, um die Verantwortlichkeit sicherzustellen, entweder durch den Sicherheitsrat gemäß Kapitel VII der UN-Charta, die mit dem Bruch des Friedens und Aggressionshandlungen sich befaßt, oder indem die Angelegenheit an die ICC weitergeleitet wird zur Strafverfolgung und Entschädigung der Palästinenser in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht.

Die PCHR betont, das normale Beziehungenn nicht mit Staaten hergestellt werden können, die Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen begehen. Es muß internationaler Druck ausgeübt werden, um Israels Regelbefolgung sicherzustellen. Die Belagerung muß beendet werden und der Wiederaufbau muß zugelassen werden. Bisher schweigt die internationale Gemeinschaft und erlaubt Israel Straflosigkeit, damit es über dem Gesetz stehen kann.

”Das Ergebnis dieser Straflosigkeit ist offensichtlich. Die Situation darf nicht weiter fortbestehen. Wenn Rechtsgrundsätze gelten sollen, müssen sie eingehalten werden.” Laut UN-Charta müssen einzelne Staaten und die UNO ihre gesetzliche Verpflichtung erfüllen, ”um die nachfolgenden Generationen von der Geißel des Krieges zu befreien … um den Glauben an die grundlegenden Menschenrechte wiederherzustellen … und Bedingungen herzustellen, unter denen Gerechtigkeit (und) internationales Recht aufrechterhalten werden können (und eine Lösung zu finden) um internationalen Frieden und Sicherheit aufrechtzuerhalten ...”

Weitere Antworten von Menschenrechtsorganisationen

Die Rabbis für Menschenrechte riefen Israel auf, den Bericht ernst zu nehmen, seine Ergebnisse zu studieren und die Anklagen von ”Verletzungen des Kriegsrechts als auch der Menschenrechte” zu untersuchen”. Rabbi Ellen Lippmann, stellvertretende Vorsitzende der Rabbis für Menschenrechte in Nordamerika (PHR-NA) sagte:

”Unsere Kollegen in Israel haben Israel gedrängt, eine eigene unabhängige und unparteiliche Untersuchung einzuleiten. Während wir Rabbis und unsere Gemeinden uns vorbereiten, Rosh HaShannah zu feiern, wenden sich unsere Herzen und Gedanken an Israel und hoffen, daß bald eine Untersuchung beginnen wird … um auf Gerechtigkeit und Recht in Israel und bei uns zuhause zu wirken.”

Die Arab Association for Human Rights (ARABHRA) billigte den Goldstone Bericht mit den Ergebnissen ”an starken Beweisen für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, begangen während des Gaza-Konflikts”. Sie forderte ein Ende der israelischen Straflosigkeit und Aktionen, um Israel zur Verantwortung zu ziehen.

”In Anbetracht der Fähigkeit zu planen, der Mittel zur Ausführung der Pläne mit der allerbesten erhältlichen Technologie sowie der Aussagen israelischer Militärs, daß es beinahe keine Irrtümer gegeben habe, (dann ist klar), daß die Vorfälle und Muster der Ereignisse, die im Bericht behandelt werden, das Ergebnis einer bewußten Planung und politischen Entscheidung sind.”

B'Tselem schrieb, ”Israel müsse die Verbrechen der Operation Cast Lead untersuchen” und rief die Regierung auf, ”den Bericht ernst zu nehmen und davon abzusehen, automatisch dessen Ergebnisse zurückzuweisen oder dessen Legitimität anzuzweifeln. Es ist bereits klar, daß die Ergebnisse des Reports sich in eine lange Reihe von Berichten einordnen, die zeigen, daß Israels Aktionen (in Gaza) die Kriegsgesetze und Menschenrechte verletzt haben.”

Weitere Menschenrechtsorganisationen wie die Association for Civil Rights in Israel (ACRI – Verein für Bürgerrechte in Israel), Adalah, Bimbom, Gisha, Hamoked, Physicians for Human Rights (Israel – Ärzte für Menschenrechte), The Public Committee Against Torture (PACTI – Öffentliches Komitee gegen Folter) und Yesh Din haben diesse Aussage gebilligt.

Israels Antwort

Nicht überraschend haben israelische Würdenträger den Bericht verurteilt und kurzerhand abgelehnt. Präsident Shimon Peres nannte ihn ein ”Gespött der Geschichte” und behauptete, daß er ”versäumt, zwischen Angreifer und einem Staat, der sein Recht der Selbstverteidigung ausübt zu unterscheiden … Der Bericht legitimiert terroristische Aktivitäten, das Streben nach Mord und Totschlag. Der Bericht kümmert sich nicht um die Pflicht und das Recht auf Selbstverteidigung ...”

Premierminister Benjamin Netanyahu sagte:

”Der Goldstein Report ist ein Känguruh-Prozeß gegen Israel, dessen Folgen dem Kampf der demokratischen Länder gegen den Terror schaden.”

Der stellvertretende Außenminister Danny Ayalon nannte den Bericht ”einen  gefährlichen Versuch, dem Prinzip der Selbstverteidigung demokratischer Staaten zu schaden und dem Terrorismus Legitimität zu verschaffen. (Er ist) ein zynischer Versuch des Rollentausches, Israel der Kriegsverbrechen anzuklagen statt die Terroristen-Organisationen”. Er fügte hinzu, daß Israel die westlichen Demokratien für eine Kampagne gewinnen werde, ”um zu verhüten, daß internationales Recht in einen Zirkus verwandelt wird”.

Verteidigungsminister Ehud Barak sagte, der Report stelle ”einen Preis für Terrorismus (dar). Der Vergleich zwischen jenen, die Terrorismus anfachen und seinen Opfern ist gewissenlos”.

UN-Botschafterin Gabriela Shalev sagte: ”Das Mandat der Goldstone-Kommission war einseitig von Anfang an, und die Initiative, die Kommission einzusetzen kam von dem UN-Menschenrechtsrat, der dafür bekannt ist, regelmäßig und routinemäßig Israel zu verurteilen.”

Die extremistische Jerusalem Post nannte den Bericht ”widerlich, (indem er) einen demokratischen Staat mit einer Terrororganisation vergleiche”.

Außenminster Avigdor Lieberman sagte:

”Die ganze Absicht dieses Berichts ist es, seit dem Augenblick der Entscheidung ihn zu schreiben, das Ansehen Israels zu zerstören, im Dienst jener Länder, wo die Begriffe ”Menschenrechte” und ”Kriegsethik” nicht einmal in den Wörterbüchern auftauchen. Ich kann von ganzem Herzen sagen … daß die IDF [israelische Verteidigungsarmee] die moralischste Armee der Welt ist und gezwungen ist, mit den bösartigsten Terroristen sich zu befassen, die es sich zur Aufgabe machen, Frauen und Kinder zu töten, sich hinter Frauen und Kindern zu verstecken.”

”(Der Bericht) möchte die UNO in das Mittelalter zurückführen … (Er) hat keinen legalen, faktischen oder ethischen Wert, (und) ist ein Testament der Schreiber des Berichts und jener, die sie geschickt haben.”                           

Lieberman steht der ultranationalistischen/revisionistischen zionistischen Yisrael Beiteinu (Israel ist unsere Heimat) Partei vor und hat offen die Ermordung des Hamas-Vorsitzenden gefordet und gesagt:

”Sie müssen verschwinden, geht ins Paradies, alle miteinander, und darüber kann es keinen Kompromiß geben.”

Er will auch den Friedensprozeß aufgeben, den palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas ignorieren, und einmal mahnte er, daß die israelischen Araber deportiert und Knesseth-Mitglieder, die sich mit der Hamas oder Hisbollah träfen, erschossen werden sollten. Haaretz nannte ihn einen ”zügellosen und unverantwortlichen Mann – eine Bedrohung (für Israel wegen) seinem Mangel an Mäßigung und seiner ungezügelten Zunge, die für die ganze Region zum Verhängnis (werden könne).”

Wie für andere israelische Führer ist auch für ihn die Konfrontation mit Iran eine erstrangige Priorität ebenso wie die fortlaufenden Landaneignungen in Westjordanland (einschließlich in ganz Jerusalem) für die Ausdehnung der Siedlungen sowie die Verweigerung der Rechte und Freiheit für die Palästinenser und ihre Einsperrung in isolierte Kantone.

Ein neuer UN-Report berichtet, daß Israel den Wiederaufbau Gazas blockiert

Am 18. September berichtete der Londoner Guardian von einem durchgesickerten UN-Bericht, der Israel anklagt, eine ”De-Entwicklung” zu verursachen, indem es Gaza weiterhin belagert, lebenswichtige Hilfe verweigert und den Wiederaufbau blockiert.

Aus Jerusalem schrieb Rory McCarthy:

”... sehr viel Aufbauarbeit bleibt noch zu tun, weil Materialien entweder verzögert oder von der Einfuhr in den Streifen ausgeschlossen werden. Der UN-Report (vom Büro des Hilfswerks-Koordinators) enthüllt (der Bericht liegt dem Guardian vor), daß die Verzögerungen sich selbst auf die allernotwendigste Hilfe erstrecken. Im Durchschnitt dauert es 85 Tage, bis Obdachausrüstung ausgeliefert wird und 39 Tage für Haushaltartikel wie Bettzeug und Küchenutensilien.”

Alle Arten von wichtigen Dingen werden entweder verzögert oder verbannt. Der Bericht klagt Israel an,  gegen die Resolution 1860 vom Januar 2009 zu verstoßen, die ”die ungehinderte Versorgung und Verteilung” von Hilfsgütern forderte.

Unter dem Titel ”Zugang für die Versorgung mit humanitärer Hilfe in Gaza: Ein Überblick über die Belieferung mit prinzipieller humanitärer Hilfe” heißt es in dem Bericht:

”... es hat keine wesentliche Verbesserung in der Menge von Gütern, die nach Gaza kommen dürfen, gegeben … Der Mangel an Baumaterial und auch an Ausrüstung und Material, das für den Unterhalt und die Reparatur der öffentlichen Infrastruktur nötig ist, hat zu einem Prozeß der De-Entwicklung im Gazastreifen geführt, der potentiell zum völligen Zusammenbruch der öffentlichen Infrastruktur und einer weiteren Verschlechterung der Wirtschaft führen wird.”

2005 unterzeichnete Israel ein Abkommen über Bewegungs- und Zugangsfreiheit (AMA) mit der PA. Damals wurden 9470 monatliche Wagenladungen nach Gaza für unzureichend gehalten. Im Juni und Juli 2009 sind monatlich nur 2406 Ladungen monatlich eingetroffen, eine 75 prozentige Verminderung und 80% unter dem Niveau vom Juni 2007 für die 1.5 Millionen Menschen im Gazastreifen.

”Das Ergebnis ist eine graduelle De-Entwicklung in allen Sektoren, verheerende Lebensgrundlagen, steigende Arbeitslosigkeit, was zu einer zunehmenden Abhängigkeit von Hilfe in der Bevölkerung führt.”

Alles wird dringend gebraucht, aber blockiert, einschließlich vitaler Baumaterialien für den Wiederaufbau. Was hereinkommt sind unzureichende Mengen an Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln und ein paar andere Dinge plus das, was durch die Tunnels kommt.

Abschließender Kommentar

Seit über sechs Jahrzehnten fährt der israelische Staatsterror mit seiner Tradition fort, die Opfer zu beschuldigen und Militarismus, Gewalt, Einschüchterung und nackte Aggression der friedlichen Koexistenz, der Einhaltung internationaler Gesetze und Normen vorzuziehen. Die Israelisierung und Entarabisierung sind festgeschriebene politische Maßnahmen. Ebenso die Dahiya Doktrin, benannt nach einem Vorort in Beirut, der 2006 im Krieg gegen Libanon von der IDF zerstört wurde. Sie nennt Zivilisten ein strategisches Ziel, ”den schwachen Punkt im Herzen des Feindes” und billigt die Verwendung unproportionierter Gewalt gegen sie, ihr Eigentum und ihre Infrastruktur.

Araber sind dieserart entrechtet, ihrer Rechte beraubt und als noch niedriger als Untermenschen eingestuft. Die israelische Politik ist die Konfrontation, der Konflikt, die Unterdrückung, die Verarmung, die Vertreibung, der Zeitlupen-Genozid und der Staatsterror, um das historische Palästina zu entvölkern für die Juden alleine.

Die Operation Cast Lead war die vorläufig letzte Episode und Gaza ist nach wie vor belagert. Das Westjordanland steht unter militärischer Besatzung. Landraub, Arrest, willkürliche Morde, Tortur, Checkpoint-Einschränkungen, Häuserdemolierung, Erntevernichtung, Ausweise, ökonomische Strangulierung und Einkerkerungen geschehen täglich, doch die Weltgemeinschaft schweigt. Die Goldstone-Kommission bietet die neuesten Beweise dessen, was seit Jahrzehnten Wirklichkeit ist. Israel zur Rechenschaft ziehen, ist wesentlich. Es ist höchste Zeit, daß dies von den Weltbehörden und Juristen gefordert wird.


Carlos Latuff


Quelle: The Goldstone Commission: Findings and Reactions

Originalartikel veröffentlicht am 21.9.2009

Über den Autor

Einar Schlereth und Fausto Giudice sind Mitglieder von
Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt. Diese Übersetzung kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor, der Übersetzer, der Prüfer als auch die Quelle genannt werden.

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