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Ezra Nawi:  ein israelischer Menschenrechtsaktivist
Jesse Hochheimer, 

 

Ezra NawiWenn es jemanden gibt, der die Bemühungen israelischer Aktivisten für Ko-Existenz und Menschenrechte repräsentiert, dann würde dies Ezra Nawi sein. Dem Beruf nach ein Installateur ist Ezra ein Jude  aus dem Irak. Er war immer – seit seiner Kindheit -  mit fortschrittlichen Dingen und Politik  beschäftigt. Etwa 1999 begann  Ezra,  sich  mit Energie und Leidenschaft den Menschenrechten in den palästinensischen Gebieten zu widmen. 

Für mich ist Ezra eine  warmherzige und großzügige Person.  Einen Neuling begrüßt er  herzlich und schenkt ihm Aufmerksamkeit und Respekt. Selbst in den schwierigsten Situationen verliert Ezra seinen Humor nicht  und beruhigt andere. Eine vor kurzem erschienene Dokumentation „Bürger Nawi“ beschreibt , wie er sich leidenschaftlich den Menschen widmet.

Vor kurzem wurde Ezra angeklagt, er habe einen Soldaten angegriffen, was von denen zurückgewiesen wurde, die ihn kennen. Er wartet im Augenblick auf eine Gefängnisstrafe im Juli.

Ich habe ein paar erfahrene Aktivisten eingeladen, dass sie von ihre Erfahrungen mit Ezra berichten und von seiner bedeutenden Rolle unter israelischen Menschenrechtsaktivisten. Am Ende sind ein paar Gedanken von Ezra  selbst, die er mir gesagt hat.

 

David Shulman ( Renee Lang-Professor für Humanistische Studien, Hebräische Universität, Jerusalem,  Autor von „Dark Hope: Working for Peace in Israel und Palestine“)

 

Ezra Nawi ist wahrscheinlich die mutigste Person, der ich je begegnet bin. Ich hab ihn in unzähligen Augenblicken gesehen, wenn er und andere Friedensaktivisten, Palästinenser und Israelis, von Siedlern gewalttätig angegriffen wurde. Seine Geistesgegenwart, seine Unerschütterlichkeit und seine Klarheit halfen uns immer, in solchen Zeiten durchzuhalten. Er ist einer der ungewöhnlichsten Menschen – eine Person von tiefer innerer Behutsamkeit und moralischen Prinzipien, selbstlos und kreativ, wenn es darum geht, Wege zu finden, um palästinensischen Hirten und Bauern in den südlichen Hebroner Bergen zu helfen. Es ist vor allem Ezras unermüdlichen Bemühungen zu verdanken, dass diese Leute noch immer auf ihrem Land leben trotz der ständigen Bemühungen des israelischen Staates, der Armee, der Polizei und den randalierenden Siedlern, diese zu enteignen. Ezra  engagiert sich total mit gewaltlosem Protest nach Gandhi-Art; er ist eine inspirierende Kraft zur Güte und ein  Grund, nicht die Hoffnung in das menschliche Vermögen, das Richtige zu tun, zu verlieren.  Aber ich will nicht den Eindruck geben, dass er eine Art Heiliger ist: er  steht mit beiden Füßen auf der Erde und kann auch sehr zornig werden und seine Verachtung für die ( tatsächlich verachtenswerten) Soldaten, Siedler und Polizisten, die das Leben der Palästinenser dort in den Bergen zur lebenden Hölle machen, verbal kräftig ausdrücken. Obwohl ich eine Abneigung gegen „Helden“ habe und Heldenverehrung verabscheue, egal wo ich ihr begegne, so muss ich sagen, dass  in meinen Augen und nach meiner Erfahrung, Ezra Nawi heldenhaft ist in des Wortes tiefster Bedeutung – im Sinne eines gewöhnlichen Menschen, der sich selbst Risiken, ja, großen Risiken aussetzt, um das zu tun, was richtig ist im Dienst derjenigen, die leiden und unterdrückt werden und in Not sind.

                          

Anat Risenwaks (Taayush-Aktivist seit 2001)

Seit  Wochen überlegte ich, was ich schreiben soll. Wo soll ich anfangen. Es muss so viel über Ezra gesagt werden, aber es ist schwierig, es denen zu vermitteln, die ihm nie begegnet sind. Warum hat eine Gruppe so verschiedener Leute sich so sehr darum bemüht, seine Verhaftung  zu verhindern?

Ich erinnere mich daran, als sich Ezra der Ta’ayushgruppe anschloss. Jeder sprach über den Jerusalemer Installateur – es ist kein gewöhnlicher Aktivist. Einmalig in seiner Erscheinung ( er trug immer einen interessanten Hut), Ezra  ist charmant,  charismatisch und voll engagiert, was die Menschenrechte betrifft und politisch aktiv.

 

Vor kurzem, am Vorabend des Feiertages Shavuots war keine „offizielle“ Aktion in der Gegend der  Südhebroner Berge oder an irgendeinem Ort in der Westbank. Die meisten Leute in Israel ruhten sich aus oder bereiteten sich für den Feiertag vor. Aber Ezra war – wie üblich – in Tuba, einem kleinen Dorf in den Südhebroner Hügel  nahe dem illegalen  Außenposten Maon. Ein paar Tage früher war eine junge Frau aus dem Dorf auf die Unfallstation in Jerusalem gebracht worden. Ezra, der die Familie seit Jahren betreut, holte sie und ihren Vater vom Checkpoint und  beherbergte ihren Vater zwei Tage in seiner Wohnung. Ezra fuhr sie dann auch zurück zu ihrem Haus, als sie entlassen worden war.

Für viele Familien in der Hebroner Gegend ist Ezra der erste, den man ruft, wenn man Probleme hat. Er steht immer zur Verfügung, er ist zu fast jeder Tageszeit bereit zu helfen. Er spricht fließend arabisch und zögert nie, schnell in seinen Wagen zu steigen und dorthin zu fahren, wo er gerade gebraucht wird. Er macht  Telefongespräche „mit der halben Welt“ wenn es darum geht, jemandem zu helfen, der an einem Checkpoint fest sitzt.

 

Die Ta’ayush-Tätigkeiten  haben sich unglaublich verändert, seitdem Ezra sich uns angeschlossen hat, und sein Einfluss auf die Verbesserungen der Situation im Südhebroner  Gebiet sind enorm. Ohne  ihn würden keiner der  internationalen Aktivisten ständig in einem der Dörfer bleiben . Ohne Ezra müssten die Schulkinder von Tuba noch immer einen großen Umweg auf dem Weg zur Schule machen, um  den Weg nahe an den gewalttätigen Siedlern zu vermeiden. Ohne Ezra hätten die Bauern von Gawawis, einem kleinen Dorf, das von Siedlern besetzt war, nicht auf ihr Land zurückkehren können. Ohne Ezra würden die Leute von Tuwane weiterhin von  den Siedlern des  Maon-Außenposten jede Freitagnacht angegriffen  und keinen Zugang zu einem großen Teil ihres eigenen Landes.

 

Ezra ist in jeder palästinensischen Stadt und jedem Dorf willkommen  und als Folge davon  bei der Polizei und  der Armee nicht willkommen. Sie  versuchen seine Aktivität auf jede mögliche Weise zu stoppen, indem sie ihn  schon viele Male verhafteten, seinen Wagen und seine Wohnung durchsuchten. Sie versuchen, ihm Angst zu machen und sagen ihm , dass die Siedler sehr ärgerlich auf ihn sind und ihm Schaden zufügen wollen.

 

Und jetzt ist er auf Grund von falschen Anklagen verurteilt worden. Seine Aussage stand gegen die von zwei Polizisten.

Ich hoffe, Ezra muss nicht ins Gefängnis. Doch wenn er  dies muss, so wird er seine Aktivitäten nicht stoppen. Dies wird ihn nicht brechen. Er ist stark und hat die Unterstützung all seiner Freunde in Israel, Palästina und  in aller Welt.

 

Amiel Vardi ( Professor an der Hebräischen Uni, Jerusalem)

Einer der Hauptgründe, warum Ezra eine so wichtige Person ist, ist seine Persönlichkeit. Ich meine , er ist eine leichte Beute für seine Kritiker, da er irakischen Ursprungs ist und von Beruf ( nur) ein Installateur. Die meisten von uns Aktivisten kommen aus gut situierten Jobs. Er ist  deshalb verletzlicher und natürlich macht ihn  seine eingestandene Homosexualität besonders verletzlich. Sie wird auch gegen ihn benützt. So von den Siedlern und auch  immer wieder von der Polizei.

Dies macht Esra zu einem speziellen Fall. Das andere ist, dass Ezra der einzige von uns ist, der  auf täglicher Basis wirklich gute Beziehungen zu den Palästinensern hat. Es ist nicht nur, dass er die Sprache  beherrscht, was in diesem Fall natürlich großartig ist; er kennt auch ihre Gewohnheiten und versteht, was hinter den Worten steckt. Er kennt sie wirklich und  bekommt so ihre Anerkennung. Sie vertrauen ihm, wie sie keinem von uns vertrauen. Deshalb ist er der beste Aktivist, den ich kenne.

 

Oft streiten wir uns über Dinge, wie sie getan werden sollten. Manchmal haben wir recht und er unrecht, aber sehr oft ist seine Intuition viel besser als unsere, weil er einfach die Palästinenser viel besser versteht. Ich kann mir keine Aktion in der ganzen Region  südlich von Jerusalem  ohne Ezra denken. Das trifft nicht nur für Taayush zu, sondern für alle Organisationen, die Ärzte für Menschenrechte, die Rabbiner für Menschenrechte, Yesh Din … alle hängen von Ezra ab. Deshalb ist für uns Ezra  im Moment – wo er verhaftet wurde --   so wichtig.

 

Ezra mit eigenen Worten:

„Wenn man sieht, was hier vor sich geht, muss man sich einmischen.“ Er glaubt, dass  wenn den Leuten hier klar ist wie hoch der Preis und wie schlimm das Leid ist, das von Israels Aktionen in den (besetzten) Gebieten herrührt, dann würden sie  eine Veränderung des Status quo wollen. Er sagt, dass  ein großes Problem der Besatzung von den weniger sichtbaren Dingen herrühren. Z. B. die Entmenschlichung der Araber und das Anwachsen des  israelischen Nationalismus.“

 

Ezra erklärt, Juden seien Führer in Befreiungs- und Menschenrechtsbewegungen in aller Welt gewesen, in Russland, im Irak,  in der Apartheid Südafrika und in den USA. Wie kommt es, dass hier (in Israel) so wenig sind?

„Trotz der Rückschläge und  obwohl die Chancen zur Zeit sehr schlecht stehen,“ sagt Ezra, „gibt es keinen Grund, deprimiert zu sein oder über die Situation beschämt zu sein. Nur die Leute, die nichts tun,  sollten sich in dieser Weise fühlen…

 

(dt. und geringfügig gekürzt: Ellen Rohlfs)

 

 

 

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