Sich heute mit einer israelischen Flagge zu
schmücken, bedeutet, sich mit einem Apartheidsstaat zu
solidarisieren.
Brief an den Leipziger StudentInnenRat
- Universität Leipzig
Liebe studentische Vertretung,
ich habe in euren neuen Räumen im Seminargebäude ein Plakat gesehen,
welches dazu aufruft, rassistische, diskriminierende, antisemitische
oder verschwörungstheoretische Aussagen an der Uni Leipzig zu
MELDEN. Das möchte ich hiermit tun. Ich möchte EUCH melden, liebe
studentische Vertretung.
In
euren Räumen habt Ihr israelische Flaggen gehisst:
-
Ich frage mich,
warum sich die Vertretung der Leipziger Studierenden überhaupt
mit bestimmten Interessen im Nahen Osten solidarisieren sollte
oder mit überhaupt einem Staat in der Welt.
-
Verstehe ich
Euch richtig, wenn ich interpretiere, dass für Euch die
israelische Flagge ein Symbol für Antirassismus oder der
gleichen ist?
Dann möchte ich hier klar unterscheiden: Wenn während der Nazi- Zeit
in Dänemark Nicht- Juden den David- Stern getragen haben, so war das
mutig, bewundernswert und ihre Handlung richtete sich GEGEN
Rassismus.
Sich jedoch heute mit einer israelischen Flagge zu schmücken,
bedeutet, sich mit einem Apartheidsstaat zu solidarisieren. Israel
versteht sich als Judenstaat und diskriminiert die eigene arabische
Bevölkerung systematisch. Der israelische Staat besetzt in
kolonialer Tradition stehend völkerrechtswidrig die
palästinensischen Gebiete der Westbank und des Gazastreifens, baut
illegale Siedlungen und verletzt täglich die Menschenrechte der
unterdrückten palästinensischen Bevölkerung. Die neue israelische
Regierung ist teilweise sogar faschistisch: Der Vize und
Außenminister Liebermann hatte vor ein paar Monaten vorgeschlagen,
eine Atombombe auf Gaza zu werfen. Sich heute mit einer Israelflagge
zu zeigen, ist nicht mutig und zeigt nur eine Haltung, die FÜR
Rassismus ist.
Ihr verteilt Kleber auf denen steht: „Gegen Antisemitismus und
Antizionismus“:
Die Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus ist erstmal
falsch. Sie ist zudem rassistisch. Denn erstens relativiert sie das
Problem des Antisemitismus, das es bis heute gibt und gegen das man
kämpfen muss. Zweitens stellt es den Antizionismus in Fortsetzung
des Antisemitismus als Form einer rassistischen Diskriminierung dar.
Der Antizionismus steht nicht in der Tradition des Antisemitismus,
sondern in der Tradition der Imperialismuskritik. Der Zionismus ist
eine Form des Rassismus und steht in der Tradition des europäischen
Kolonialismus. In der Blütezeit des Kolonialismus und
Sozialdarwinismus schrieb Herzl seinen „Judenstaat“ und formulierte
den berühmten Satz: "Wir sollten in Palästina ein europäisches
Bollwerk gegen Asien bauen, einen Vorposten der Zivilisation gegen
das Barbarentum". Der Zionismus ist natürlich dennoch eine Reaktion
auf den europäischen Antisemitismus der Zeit (Die Dreyfußaffäre war
ja schließlich Herzls Anlass), aber doch mehr als Zustimmung des
Antisemitismus. Die Zionisten geben schließlich den Antisemiten
Recht. Indem sie einen Judenstaat forderten, behaupteten sie, dass
Juden nichts in Europa zu suchen hätten.
Dass der Zionismus eine Form des Rassismus darstellt, war lange Zeit
ein Grundsatz der Vereinten Nationen. Dieser Grundsatz musste nur
zurückgenommen werden, weil die Vereinigten Staaten im
Sicherheitsrat ein Vetorecht haben.
Gegen Antisemitismus und gegen Zionismus lautet also der
antirassistische Grundsatz.
Noch kurz eine Bemerkung zu Eurem
Artikel
über die sogenannten „Pali“- Tücher:
Der Artikel ist zu lächerlich und absurd, als dass er eine Analyse
verdiente. Nur soviel: Ich finde es perfide (und im Übrigen auch
nicht besonders originell), immer wieder den Feminismus zu
diskreditieren, um den eigenen kolonialen, rassistischen Standpunkt
zu verteidigen.
Ich möchte Euch noch einmal daran erinnern, dass Ihr die Vertretung
der Leipziger Studierenden seid. Wenn Ihr euch gegen Rassismus
aussprecht, dann ist das sehr löblich, aber tut dies bitte korrekt
und seid nicht selbst rassistisch. Es gibt viele ausländische
Studenten, die sich immer wieder rassistischen Kommentaren gegenüber
stehen. Die meisten von ihnen sind, zumindest meinen Erfahrungen
nach, Muslime, die sich eher von Eurer Form des Rassismus bedroht
sehen.
Nun
zu eurem Melde- Plakat. Mit welchem Recht spielt Ihr Euch eigentlich
als die Heilige Inquisition auf?
Wenn Ihr von Verschwörungstheorien sprecht, meint Ihr dann
Imperialismuskritik? Wenn Ihr von Antisemitismus sprecht, meint Ihr
dann die Kritik an der israelischen Besatzungspolitik?
Wenn Studenten sich über das Massaker in Gaza unterhalten, sollen
sie dann bespitzelt und bei Euch gemeldet werden? Liebes
Inquisitionstribunal, denn meine studentische Vertretung könnt oder
wollt Ihr schließlich nicht sein, darf ich fragen, ob es bald
Hexenverbrennungen geben wird?
Traut Euren Kommilitonen soviel Mündigkeit zu, dass sie für sich
selbst sprechen und auf Rassismus reagieren können, wenn sie darauf
stoßen. Zum Beispiel auf ihrem Weg in die Räume des StudentInnenRats.
Noch einmal: Ich melde hiermit dem Stura, dass der Stura
rassistische Aussagen macht.
Mit antirassistischen und antizionistischen Grüßen
Eine Studentin
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