Protest
gegen die illegale Landnahme durch Israel in Beit Jala,
Westjordanland, Palästinensisches Autonomiegebiet
- Dr. Albrecht Schröter Oberbürgermeister von Jena
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, die Stadt Jena und Ihre Bürger
sind seit Jahren eng mit den Menschen und der Gemeinde Beit Jala,
Palästina verbunden. Seit 2011 pflegen beide Städte eine offizielle
Partnerschaft. Ein Freundeskreis Nahost wirbt um freundschaftliche
Beziehungen nach Israel und Palästina.
Der illegale Siedlungsbau Israels in den palästinensischen Gebieten
sowie der israelische Mauerbau unter Aneignung palästinensischen
Territoriums wird in Jena sehr aufmerksam und kritisch verfolgt.
Anfang April dieses Jahres wurde der Bau der Mauer durch das
Cremisan Tal nahe Beit Jala nach einem achtjährigen Rechtsstreit
durch ein israelisches Gericht abgelehnt und das israelische
Verteidigungsministerium aufgefordert, alternative Lösungen zu
erarbeiten. Dieses Urteil wurde am 7. Juli 2015 unter nicht
nachvollziehbaren Gründen aufgehoben und die Fortsetzung des Baus
der Mauer genehmigt. Das Gebiet von Cremisan umfasst wertvolles
landwirtschaftliches Gebiet und ist enorm wichtig für die
wirtschaftliche Überlebensfähigkeit vieler Menschen in Seit Jala.
Ein weiteres Mal schränkt Israel die Chancen künftiger
Stadtentwicklung massiv ein.
Am 17. August 2015 nun begann die Landnahme und unmittelbare
Zerstörung der landwirtschaftlichen Flächen nahe Beit Jala durch
Israel. Ich und viele andere Menschen in Jena sind entsetzt und
zutiefst erschüttert darüber, dass wieder viele palästinensische
Familien völkerrechtswidrig enteignet werden und ihnen ohne jedwede
Berufungsmöglichkeit die Existenzgrundlage genommen wird. Der Umgang
mit der gerichtlichen Entscheidung in Israel, die Anfang des Jahres
für den Erhalt des Cremisantals gefallen war - lasst erhebliche
Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit aufkommen. Recht sollte die
Politik beeinflussen und nicht umgekehrt. Gegen das israelische
Verhalten und Vorgehen protestiere ich ausdrücklich. In einem
Schreiben an die israelische Regierung habe ich den Staat Israel
aufgefordert, das internationale Völkerrecht einzuhalten und die
Aktivitäten im Cremisantaf sofort einzustellen.
Ich bitte Sie dringend, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, das in
Ihrer Macht stehende zu tun, damit die israelische Regierung
internationales Völkerrecht grundsätzlich und besonders diesem
konkreten Fall anerkennt und als Handlungsgrundlage akzeptiert.
Als Partnerstadt werden wir die kommende Entwicklung weiter intensiv
verfolgen. Ein dauerhafter Frieden wird nur mit einer gerechten
Lösung des Konfliktes für beide Seiten gelingen.
Für eine zeitnahe Darlegung Ihrer Bewertung der aktuellen Situation
sowie der von Ihnen gesehenen Handlungsoptionen wäre ich Ihnen sehr
dankbar. Mit freundlichen Grüßen Dr. Albrecht Schröter
Oberbürgermeister
Dr. Albrecht Schröter Oberbürgermeister von Jena - Herrn Botschafter
Yakov Hadas-Handelsmann - Jena, 20.08.2015
Scharfer Protest gegen die weitere Landnahme durch Israel in unserer
palästinensischen Partnerstadt Beit Jala
Sehr geehrter Herr Botschafter Hadas-Handelsrnann, die Stadt Jena
ist seit Jahren eng mit den Menschen Israels und Palästinas
verbunden. Seit 2011 pflegen wir eine offizielle Städtepartnerschaft
zu der palästinensischen Stadt Beit Jala. Eine Partnerschaft nach
Israel ist in Vorbereitung.
Der israelische Staat hat am 17. August 2015 begonnen, städtisches
Gebiet von Seit Jala im Cremisan-Tal - ohne konkrete Ankündigung an
die palästinensische Stadtverwaltung - zu konfiszieren und uralte
Olivenbäume zerstört, um mit dem Bau einer Mauer zu beginnen.
Ich frage Sie: wenn es angeblich um die Sicherheit Israels geht -
warum wird die Mauer nicht grundsätzlich auf dem Gebiet des
völkerrechtlich anerkannten Territoriums Israels, sondern auf
demjenigen Land errichtet, dessen Besetzung von fast allen
Mitgliedstaaten der UNO nicht anerkannt wird?
Der Bau einer Mauer durch das Gebiet von Cremisan berührt elementar
die wirtschaftliche Basis für das palästinensische Volk in dieser
Region. Es handelt sich dabei nicht nur um eines der schönsten
Naturareale in Zentralpalästina, sondern um ein wertvolles
landwirtschaftliches Gebiet, das eine wirtschaftliche Grundlage für
Stadt Seit Jala darstellt (Olivenproduktion, Weinanbaugebiet). Ein
weiteres Mal schränkt Israel die Chancen künftiger Stadtentwicklung
unserer Partnerstadt Beil Jala massiv ein. Es wird der wiederholte
Eindruck bestätigt, dass sich Israel in unrechtmäßiger Weise
palästinensischen Landes bemächtigt und dabei den Lebensraum der
dort seit Generationen lebenden Menschen in einer nicht hinnehmbaren
Weise beschneidet. Ein dauerhafter Frieden wird jedoch nur dann
möglich sein, wenn das, was Martin Buber einmal sinngemäß so zum
Ausdruck gebracht hat, Wirklichkeit wird: "Das Glück des einen
Volkes hängt vom Glück des anderen ab, Es kann Israel mir gut gehen,
wenn es Palästina gut geht, und es kann Palästina nur gut gehen,
wenn es Israel gut geht" Das, was im Cremisantal gerade passiert,
schadet beiden Seiten.
Ich selbst habe aus den Händen der Jüdischen Landesgemeinde Berlin
2011 einen hochangesehenen Preis für Zivilcourage entgegennehmen
dürfen, weil ich als Oberbürgermeister engagiert gegen Neonazis und
besonders gegen deren Antisemitismus auftrete und demonstriere.
Bereits in der Zeit kommunistischer Diktatur in der ehemaligen DDR
habe ich bei offensichtlichem Unrecht nicht weggeschaut, sondern
mich gegen Unrecht und für die Gedemütigten eingesetzt. Mit
zahlreichen anderen habe ich erfolgreich dafür gekämpft, dass Mauern
zwischen Menschen fallen. Das werde ich auch weiterhin mit aller
Kraft tun!
Den wiederholten Verstoß des Staates Israels gegen internationales
Völkerrecht verurteilen meine Stadt und ihre Bürger auf das
Schärfste! Der Ausbau von Siedlungen in besetztem Gebiet und weitere
Enteignungen palästinensischen Bodens sind illegal. Das weiß Ihre
Regierung. Im Übrigen ruht darauf kein Segen. Ich fordere Israel
auf, internationales Völkerrecht einzuhalten und die Aktivitäten im
Cremisantal sofort einzustellen.
Dass sich Ihre Regierung einerseits über dieses Recht hinwegsetzt
und andererseits immer häufiger Kritiker zu "Feinden Israels"
erklärt, ist tragisch für den Staat Israel, dessen Existenz für das
jüdische Volk so wichtig ist. Damit macht man wirkliche Freunde
Israels (wie mich) zu Enttäuschten, die am Ende keinen anderen Weg
mehr sehen, als sich im Einsatz gegen eine Politik der Apartheid auf
die Seite der Unterdrückten zu stellen. Unverändert verstehe ich
mich als ein Freund der Menschen Israels und werde weiterhin den
freundschaftlichen Kontakt pflegen und suchen.
Ich frage Sie: Welchen Beitrag leistet der Staat Israel mit den
neuen Fakten im Cremisan-Tal für eine friedliche Lösung zwischen
Israel und Palästina? Wie kommt ein israelisches Gericht dazu, sein
eigenes Urteil auf diese Weise zu korrigieren? Der Eindruck bleibt:
Auch in der "besten Demokratie des Nahen Ostens" scheint Politik das
Recht zu dominieren.
Schalem Dr. Albrecht Schröter
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