Institut für Medienverantwortung
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Bericht,
11.03.2008
Jüdisch-Islamische Gesellschaft stellt sich und
ihre Ziele vor
Das
unterschiedliche Echo auf die Gründung soll die
Diskussion beleben
Am Dienstag
11.3.2008 hat sich in Nürnberg erstmalig die
Jüdisch-Islamische Gesellschaft in Deutschland
e.V. (JIG) der Öffentlichkeit vorgestellt. Die
Gründung der ersten JIG entsprang dem Wunsch der
Mitglieder, der politisch vergifteten Stimmung
durch kulturellen und interreligiösen Austausch
zu begegnen. Einer der Initiatoren – die
Begegnungsstube Medina e.V. – blickt auf bereits
20-jährigen erfolgreichen christlich-islamischen
Dialog zurück und möchte diese positive
Erfahrung in den jüdisch-islamischen Dialog mit
einbringen.
Zunächst aber
kam der Kontakt zwischen den
Gründungsmitgliedern durch musikalische Events
zustande, etwa das Abrahamskonzert in der
Klara-Kirche in Nürnberg am 9. April 2006. Dort
musizierten Turnam, die Musikgruppe der
Begegnungsstube Medina, eine lokale Klezmerband
sowie ein christliches Choralensemble zusammen.
Veranstaltet durch das Referat für
Interreligiösen Dialog im Erzbistum Bamberg
nahmen sowohl Vertreter der Israelitischen
Kultusgemeinde Nürnberg als auch der
Begegnungsstube teil. Aus weiteren gemeinsamen
Veranstaltungen entstanden nicht nur
Freundschaften, sondern auch der Wunsch, diesen
als Bereicherung empfundenen Begegnungen einen
offizielleren Rahmen zu geben. Bei
Vortragsveranstaltungen im Nürnberger
Dialogzentrum Brücke kam der Kontakt zu weiteren
Mitgliedern zustande – etwa zu Rabbiner Jeremy
Milgrom sowie zu einem friedensengagierten
Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Fürth,
Lawrence Zweig.
Als erster
Vorstand für die jüdische Seite konnte dann auch
Rabbiner Milgrom gewonnen werden, dem das
Anliegen der JIG sein eigenes war und ist. Neben
ihm vertritt die muslimische Seite Cemalettin
Özdemir, Leiter der Begegnungsstube Medina, der
sich mit dem Aufeinanderzugehen und dem
langjährigen Dialog zwischen Christen und
Muslimen und jetzt der Verbindung mit den
jüdischen Partnern einen „Lebenstraum“ erfüllte,
so seine Schilderung in der Pressekonferenz. Als
zweite Vorstände zeichnen Talip Iyi und Lawrence
Zweig verantwortlich. Das Sprecheramt übernahm
Ali-Nihat Koc, der u.a. auch Sprecher der
Begegnungsstube Medina ist und als zweiter
Vorstand im deutschlandweiten Koordinierungsrat
Christlich-Islamischer Dialog (KCID) aktiv ist.
Ziele der
Gesellschaft sind laut Satzung vor allem
kulturelle Begegnungen, musikalische Events,
aber auch Infoveranstaltungen über die beiden
Religionen, die sich in bestimmten Bereichen
doch sehr ähnlich sind. Auch gegenseitige
Besuche sind angedacht – in Moscheen und
Synagogen. Auch hier profitiert die neue
Gesellschaft von den Erfahrungen der
Begegnungsstube, die schon lange Besuche von
Muslimen in christlichen Kirchen organisiert und
umgekehrt. Auch ein gemeinsamer Kochkurs für
Männer steht auf dem Programm sowie die
Ausrichtung (religiöser) Feste mit gegenseitigen
Einladungen. Weitere Ideen sind willkommen. In
naher Zukunft wird ein offizieller Empfang
ausgerichtet, um das Ereignis, das neue Maßstäbe
setzt, auch gebührend zu feiern.
Die Reaktionen
auf die Gründung der JIG waren in der Mehrzahl
positiv. So gratulierte der Zentralrat der
Muslime, die Deutsche Muslimliga, der Jüdische
Kulturverein Berlin, sein Pendant aus München in
Form eines längeren Briefes der Vorsitzenden und
etliche Einzelpersonen. Eine kritische Stimme
kam von Arno Hamburger aus der Jüdischen
Gemeinde in Nürnberg. Da darüber ausführlich
berichtet wurde, soll hier von der durchaus
bewegenden Pressekonferenz noch etwas
festgehalten werden. Denn die herzliche Stimmung
und die Schilderung der Motivation des Vorstands
gaben diesem historischen Ereignis ein
besonderes Gewicht. So hat Lawrence Zweig als
Folge des Balkankrieges ein islamisches
(bosnisches) Patenkind. Für Talip Iyi stellte
eine Hilfsaktion für Bosnien ein einschneidendes
Erlebnis dar: Er sah zum ersten Mal Kirchen,
Moscheen und Synagogen gleich nebeneinander und
so kam auch der erste Kontakt zu Juden zustande.
Rabbiner Milgrom berichtet von seinen
Erfahrungen in Israel-Palästina mit seinen
palästinensischen Nachbarn und bedauert den
immer weniger möglichen Kontakt. Seit zwei
Jahren lebt er in Berlin und versucht in
Deutschland über die Möglichkeiten des
Zusammenlebens aufzuklären. Diese Erfahrung der
Gemeinsamkeit brachte auch Cemalettin Özdemir
mit nach Deutschland: In Südostanatolien war der
Kontakt zwischen Christen, Juden und Muslimen
normal – und genau zu diesem Zustand möchten die
Mitglieder der Jüdisch-Islamischen Gesellschaft
zurück kommen. „Wir wollen wieder gewinnen, was
verloren gegangen ist“ – fasste Rabbi Milgrom
den Wunsch der JIG zusammen.
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