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Ohne Feinde – ein Film, der ganz überzeugt:

Über Israel und über Palästina

Rupert Neudeck - 24.2.2012

 

 

Der Filmtitel ist ‚geklaut’, aber dieser Diebstahl ist sehr angenehm, man sollte ihn öfter begehen im Israel-Palästina Streit. Das schönste Feld, auf dem man sich eine volle Übersicht über Klugheit und Barbarei israelischer und auch palästinensischer Politik machen kann, ist die zweite Station der beiden Filmemacher Stefanie Landgraf und Johannes Gulde auf ihrem Weg in das Land der unbegrenzten und wirklichen Unmöglichkeiten. Auf dem Weinberg Daher, mitten in der Zone C erzählt der junge Leiter des Begegnungsprojektes Tent of Nations, Daoud Nassar, der jungen lernbegierigen Gruppe von Jugendlichen, wie er der totalen Frustration entgeht, da er mittlerweile von illegal siedelnden Israelis in fünf Wehrdörfern rund um den Weinberg umgeben ist.

 

Kein falsches Wort gegen ‚die’ Juden’ kommt aus seinem Mund, im Gegenteil, er bemüht sich, die Anderen als Nachbarn zu verstehen. Aber er muss mittlerweile mit dem Aufwand von 200.000 US Dollar Prozesse führen bei Gerichten, die er in seinem Lande kaum anerkennen kann, denn es sind Besatzungsgerichte: Um die Anerkennung des Besitzes, den sein Vater noch in osmanischer Zeit hat als seinen Besitz eintragen lassen. Aber Humor hat er behalten. Er bekam von den Grünhelmen eine 4 KW Solaranlage. Diese Anlage aus Deutschland über Israel, dann durch die Mauer dorthin zu bringen, war eine bürokratische Arbeit von zwei Jahren.

 

Als einmal die „Stadion-Beleuchtung“, die bei Dämmerung um den Weinberg herum in den jüdischen Siedlungen angeht, wegen Stromausfalls nicht anging, hatte er in der Mitte die immer gut funktionierende Solarlicht-Quelle, das Licht, das dezentral funktioniert und für das der Benutzer, so ihm denn die deutschen Spender die Anlage dorthin bringen, nicht mehr zahlen muss. Wie Franz Alt es immer sagt: „Die Sonne schickt uns keine Rechnung!“

 

Der Film hat eine ganz offene und nicht angreifbare Dramaturgie, für die allein er schon eine Auszeichnung verdienen würde. Das Filmteam begleitet zwölf Jugendliche im Alter von 16 bis 22 Jahren in die Region, durch Israel und das besetzte Westjordanland. Im Hintergrund hört man die wehmütige Mundharmonika des rumänischen Juden Reuven Moskowitz, der sich um Gerechtigkeit und Recht im besetzten Palästina schon lange bemüht. Sie begegnen ausgewiesenen Kennern der Szene, die zudem noch lebensgeschichtlich einiges aufzubringen haben. Die Gruppe, die oft und lang an der unsäglichen Mauer entlangfährt, wird von der Israelin Lotty Camerman aus Netanya begleitet, deren Eltern Überlebende des Holocaust sind. Lotty Camerman kann glaubwürdig nicht verstehen, weshalb Israel unbedingt ein monoethnischer nationalistischer Staat und damit kein demokratischer sein will. Der Gegenpol ebenso souverän und überzeugend, der immer noch junge Palästinenser Ali Abuawwad, dem die Besatzungsarmee seinen Bruder erschossen hat und der selbst als Kämpfer und Steinewerfer zehn (!) Jahre Haft in Israels Gefängnis bekam. Beide streiten für die Versöhnung und den Frieden, ohne dass sie dabei etwas unter den Teppich kehren müssen.

 

Sensibel zum Zerbersten die Sequenz, wenn das Filmteam und die Jugendlichen in das Wohnzimmer des Ehepaars Shahak ‚einbrechen’, die ihre eigene Tochter bei einem Selbstmordattentat verloren haben und dennoch sich für den Frieden mit den Palästinensern und ihre Anerkennung als Nachbarn einsetzen.

 

Der Film, die Kameraführung, auch die leise Art von vorsichtiger Regie, der Schnitt bringt eine bewegende Lehrreise zustande. Die zwölf werden noch mal gefragt, was sie denn beeindruckt und bewegt hat und jeder hat für einen deutschen Jugendlichen Interessantes zu sagen. „Wir weigern uns Feinde zu sein“, das Motto führt natürlich darauf hin, dass es in dem Konflikt nicht nur um ruhige und pädagogische Aufarbeitung geht, sondern immer mal wieder um Aktualität und Dringlichkeit.

 

Als ich am 7. Februar auf dem Berg Daher des jungen Daoud Nassar gelandet bin, war wieder etwas Schlimmes und Besorgnis erregendes geschehen. Nachdem wir an dem großen Felsbrocken das Auto stehen gelassen hatten, um den letzten Kilometer zum Berg zu Fuß zu gehen, gab es eine neue Drohgebärde der Israelisch-militärischen Besatzungsbehörde. „Stop Cultivating Order“. Das hatte es in dem Arsenal der Verfügungen der Besatzungsmacht noch nicht gegeben.

 

Das bedeutet, die Versuche der Besatzungsbehörde, sich noch einen Stück des Berges für Staatsland zu sichern, sind noch nicht zu Ende. Der Berg Daher ist seit 1911 im Besitz der Familie des Daoud Nassar. Damals kam sein Ur-Urgroßvater hierher aus dem, was wir heute den Libanon nennen. Er nahm dieses Land in Besitz und ließ sich dafür auch etwas ins Grundbuch schreiben. Das tat die Mehrzahl der damaligen Bauern und Nomaden nicht, weil sie damit vermieden, eine Art Bodensteuer an die damals osmanische Verwaltung zu zahlen.

Die Grünhelme wollen versuchen, auf dem Gelände des Berges mitten in der Zone C eine Werkstatt mit einer Berufsausbildung für Agrarfachleute, Elektro und Solartechniker hier aufzubauen.

 

Der Film läßt in seiner Intensität keine Wünsche offen, er appelliert an das Herz und den Verstand aller Zuschauer, vor Ort und in deutscher Gesellschaft, alles zu tun, damit die Menschen sich dort wieder begegnen, sehen, sprechen, vielleicht auch mal zusammen arbeiten können.

 

 

Stefanie Landgraf/Johannes Gulde: Wir weigern uns Feinde zu sein.

Film 89 Minuten 2011 Premiere in Cineforum NRW in Köln am 7., März 2012 19.30 Uhr

 

 

 


 

 

 

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