Die
Würde des Menschen ist unantastbar.
Grundgesetzt § 1
Abraham Melzer -
Meine Rede auf dem 13. Palästina
Kongress in Berlin am 25.04.2015
Salam
Alaikuim, meine Damen und Herren, und
als Mitglied der Jüdischen Stimme für
gerechten Frieden in Nahost, möchte ich
es auch auf Hebräisch sagen: Shalom
Aleichem.
Ich kann ihren Schmerz um den Verlust
der Heimat nachfühlen und auch ich
empfinde die Pressekampagne gegen den
Kongress beschämend. Ich bin nirgend
Hetze und Aggressivität begegnet, habe
nur fröhliche und glückliche Gesichter
gesehen und bin mehr denn je der
Meinung, dass die Berliner Presse sich
bei ihnen entschuldigen muss. Sie wird
es aber voraussichtlich nicht machen.
Ich will es zumindest für den jüdischen
Teil der Presse machen.
Ich möchte mich bei der
Palästinensischen Gemeinschaft in
Deutschland Entschuldigen für die
rassistischen Ausfälle des Zentralrats
der Juden in Deutschland, und die
beleidigenden und diffamierenden Worte
eines, wie die Zeitung „der Freitag“
geschrieben hat, „dahergelaufenen
Rechtsanwalts“, der übrigens Anwalt des
einschlägig bekannten Henryk M. Broder
ist. Hier übertrifft aber der Anwalt
seinen Mandanten an Gehässigkeit,
Rassismus und die Jüdische Allgemeine
und ihr Herausgeber Dr. Josef Schuster,
der Präsident des Zentralrats der Juden,
„entblöden sich nicht“, schreibt „der
Freitag“ weiter, „übelster Hetze zu
drucken“. Der Vorsitzende des Keren
Hayessod Deutschland, eine aggressive
rassistische, zionistische Organisation,
der Berliner Rechtsanwalt Nathan Gelbart
wirft angesichts des vermeintlichen
Judenhasses der Organisatoren die Frage
auf, „welchen Wert die Erinnerungsmoral
in Deutschland hat, wenn mitten in
Berlin Antisemiten und Mördern
eine Plattform geboten wird.“
Es ist kein Jahr her, da hat der
Zentralrat „Juden-Hass“ bei
pro-palästinensischen Demonstrationen
verurteilt. Islamophobie leistet sich
der Zentralrat aber ohne sich zu
schämen.
Da ich davon ausgehen muss, dass sich
Herr Josef Schuster vom Zentralrat der
Juden in Deutschland nicht entschuldigen
wird, möchte ich mich hier öffentlich
für die rassistischen Ausfälle seiner
Jüdischen Allgemeinen Zeitung
entschuldigen.
Der Zentralrat der Juden hat unlängst
von den Moslems in diesem Land
gefordert, dass sie sich bei den Juden
entschuldigen, weil es auf manchen
Demonstrationen zu „judenfeindlichen“
Parolen gekommen ist. Die Parolen waren
aber nicht „judenfeindlich“ sondern
schlimmstenfalls anti-israelisch,
anti-zionistisch und ein Ausdruck der
Wut, des Zorns und Verzweiflung
angesichts des Massenmordes an ihren
Freunden und Verwandten in Gaza.
Vergessen wir nicht, dass es insgesamt
mehr als 2100 Tote und mehrere Tausend
Verletzte gegeben hat und zigtausend
Obdachlose, weil tausende von Häuser
zerstört worden sind. Eine durchaus
verständliche Reaktion, für die sich
keiner entschuldigen muss.
Für die rassistischen Reaktionen in der
Redaktion der Jüdischen Zeitung, die vom
Zentral offensichtlich gedeckt werden
und für die demnach kein anderer als der
Zentralratsvorsitzende Schuster
verantwortlich ist, müsste sich der
Zentralrat sehr wohl, sehr dringend und
in vollem Umfang entschuldigen, und die
Entschuldigung auf der ersten Seite zu
drucken. Der Zentralrat wird es aber
nicht tun, weil es zu schwach und feige
ist und versucht seine Hände in Unschuld
zu waschen, wie die Führung der Nazis
sich auch niemals für Ausfälle des
„Völkischen Beobachters“ entschuldigt
hat. Der Zentralrat hat auch
geschwiegen, als im März dieses Jahres
ein jüdischer Journalist in der
Süddeutschen Zeitung zu einem
Rundumschlag gegen alle Moslems in der
ganzen Welt ausgeholt hat, als er
schrieb: „Eine Psychotherapie für 1,5
Milliarden Moslems wäre ideal.“
Mag sein, dass sich der Zentralrat
damals nicht unbedingt entschuldigen
musste, das hätte die Süddeutsche
Zeitung machen müssen, aber es hätte dem
Zentralrat der Juden, der ja so gern für
alle Juden spricht, gut gestanden, wenn
er sich von solchen Äußerungen
distanziert hätte.
Ich empfehle da das Buch von Dr. Ofer
Grosbard – ISRAEL AUF DER COUCH – Zur
Psychologie des Nahostkonflikts. Der
israelische Psychotherapeut empfiehlt da
eine Psychotherapie für alle Israelis
und der scheint mir kompetenter zu sein,
als ein hergelaufener Journalist, auch
wenn dieser Jude ist und womöglich auch
noch Israeli.
Und als das noch nicht gereicht hat und
weil der Schreiber unter allen Umständen
vermeiden wollte, nicht verstanden zu
werden, fügt er noch hinzu: „Wenn der
Islam zu Deutschland gehört und wenn zu
Deutschland diese Geschichte gehört
(welche!), dieses besondere Verhältnis
(er meint wohl den Holocaust?), dann
liebe deutsche Muslime, kommt her, lasst
uns streiten, dass es kracht, ihr gehört
hierher, aber euer wütender,
selbstgerechter Antisemitismus nicht.“
Meint Gil Bachrach, der selbstgerechte
jüdische Journalist und
Fernsehproduzent, dass alle vier
Millionen Muslime, die in Deutschland
leben Antisemiten sind?
Nein, sie sind vielleicht Antizionisten,
aber das zu sein haben sie jedes Recht
und jede Berechtigung, denn man kann
wirklich nicht behaupten, dass die
Israelis die Muslime lieben. Und es gibt
inzwischen immer mehr jüdische
Antizionisten. Ich bin zum Beispiel
einer von ihnen.
Und die Jüdische Zeitung, und man darf
auch sagen der Zentralrat der Juden,
lassen es nicht dabei. Sie verunglimpfen
noch die hier lebenden Muslime als
Antisemiten, Terroristen und Mörder.
Ich möchte mich dafür bei allen Muslimen
in diesem Land entschuldigen. Ich bin
Jude und bin nicht stolz darauf, aber
ich schäme mich dessen nicht. Schämen
tue ich mich für einen Zentralrat, der
nicht müde wird zu behaupten, er spreche
in meinem Namen, obwohl ich und viele
meiner Freunde von der Jüdischen Stimme
für gerechten Frieden in Nahost oft
genug gesagt haben: Nicht in unserem
Namen. Weder der Zentralrat noch
Israels Regierung spricht in unserem
Namen. Wir schämen uns für beide, für
deren Rassismus, Chauvinismus,
Selbstgerechtigkeit und Selbstmitleid,
dass alle Welt antisemitisch sei, dabei
zeigen sie doch der ganzen Welt
fortwährend den Stinkefinger und sagen:
Ihr habt uns nichts zu sagen. Mit sich
selbst haben die Israelis
„Selbstmitleid“ bis zum geht nicht mehr,
aber kein Mitleid mit ihren Opfern.
Wir aber,
von der Jüdischen Stimme für gerechten
Frieden, wir haben euch viel zu sagen:
verlasst endlich diesen Irrweg. Werdet
wieder Menschen. Werdet wieder Juden wie
Rabbi Hillel, der den jüdischen
kategorischen Imperativ zweitausend
Jahre vor Immanuel Kant schon geprägt
hat: Was du nicht willst, dass man es
dir antut, das tue auch keinem anderen
an. Das ist das Wesen des Judentums,
wie es der letzte große Rabbiner des
deutschen Judentums, Rabbiner Dr. Leo
Baeck, in seinem Buch gleichen Namens
geschrieben hat.
Kehrt um, Schuster und Netanjahu,
besinnt euch endlich der jüdischen Lehre
der Propheten Jesaja und Jeremias
und aller anderen. In Jeremias
6-14,15 kann man nachlesen:
Frieden,
Frieden und es gibt keinen Frieden.
Schämen müssten sie sich,
weil sie Gräuel verüben.
Doch sie schämen sich nicht,
Scham ist ihnen unbekannt.
Man könnte vermuten, Jeremias kannte den
Zentralrat, die israelische Regierung
und Nathan Gelbart.
Ich möchte mich in aller Demut und
Wahrhaftigkeit bei den muslimischen
Menschen entschuldigen, die durch das
Presseorgan des Zentralrats der Juden in
Deutschland in ihrer Würde beleidigt,
diffamiert und verletzt worden sind. Für
die anderen Zeitungen, die diese Hetze
verbreitert haben, sollen sich deren
Herausgeber, Chefredakteure und Inhaber
entschuldigen, vor allem Frida
Springer, wenn sie ein Gewissen hat.
Und last not least: Die Jüdische
Allgemeine Zeitung fragt wie rechts
Deutschland ist und bedauert den
Brandanschlag in Tröglitz ganz
besonders, und dass „die Täter unbekannt
sind, man sucht sie immer noch.“ Dabei
sitzen doch die Täter nebenan, in der
Redaktion der jüdischen Zeitung und wenn
nicht dort, dann im Büro des Präsidenten
des Zentralrats. Wer schreibt bzw.
schreiben lässt: Die Besucher des
Palästinenser-kongress seien
„Terroristen und Mörder“, ist ein
Schreibtischtäter und mitschuldig an der
Brandstiftung, auch wenn er ein
dahergelaufener jüdischer Anwalt ist,
der den Rabauken und Brandstifter Henryk
M. Broder verteidigt. Offensichtlich hat
er bei seinem Mandanten gelernt, wie man
Menschen und Menschengruppen beleidigt.
Schuster kann nicht rufen „haltet den
Dieb“, wenn er sich hinter diesem
jüdischen Anwalt versteckt.
Das musste gesagt werden auch auf die
Gefahr hin, dass man mich einen
Antisemiten oder Jüdischen Selbsthasser
nennt. Diese Attribute haben sowieso
schon längst ihren Wert verloren. Es ist
doch heute jeder Antisemit, der Israels
Politik kritisiert und jeder Jude, der
das auch tut, ist selbstredend ein
jüdischer Antisemit, also ein Jüdischer
Selbsthasser.
Als die Nazis 1934 den Judenstern
einführten, schrieb Robert Weltsch
in seiner Jüdischen Rundschau: „Tragt
ihn mit Stolz, den gelben Fleck!“
Das musste auf gewisse „arische“ Gemüter
als Provokation wirken. Ich schreibe
heute: Tragt mit Stolz solche
Beleidigungen von zionistischen
Juden, denn sie fühlen sich
provoziert, wenn Juden sich von Israel
distanzieren. Seid stolz auf solche
Diffamierungen, denn sie erheben euch in
einen erlesenen Kreis von anständigen
Persönlichkeiten wie Martin Buber,
Albert Einstein, Hanna Arendt, Jeshajahu
Leibowitz, Ilan Pappe, Noam Chomsky, Uri
Avnery, Gideon Levy, Amira Hass, Felicia
Langer, Rolf Verleger, und viele mehr.
Und zu den muslimischen,
palästinensischen Zuhörer möchte ich
noch folgendes sagen: Es hat nun 100
Jahre gedauert, bis die Bundesregierung
bereit war vom Völkermord an das
armenische Volk zu sprechen. In der FAZ
vom 21.04.2015 konnte man lesen: „Die
Spitzen der Koalitionsfraktionen und die
Bundesregierung haben dem Druck aus den
eigenen Reihen nachgegeben und den
Begriff „Völkermord“ in einem Antrag
aufgenommen, der sich mit den Massakern
an Armeniern vor hundert Jahren im
Osmanischen Reich befasst.“
Die Nakba ist erst 70 Jahre alt und wer
weiß, ob nicht bald auch schon die
Bundesregierung und viele anderen
Regierungen bereit sein werden von der
„ethnischen Säuberung“ von 1947/48 zu
sprechen und damit dem palästinensischen
Volk endlich zu seiner Würde zurück zu
verhelfen. Ilan Pappe, der israelische
Historiker, der in Israel nicht lehren
darf, hat es schon 2006 in seinem Buch –
Die ethnische Säuberung – nachgewiesen.
Es wird langsam Zeit, dass man es zur
Kenntnis nimmt. Bei den Armeniern hat es
genau 100 Jahre gedauert, ich hoffe,
dass es bei den Palästinensern nicht so
lange dauern wird.
Es ist eine unverleugbare Tatsache, dass
die zionistische Bewegung ihr Heimatland
Israel nur dank der Hilfe und
Unterstützung mächtiger westlicher
Staaten schaffen, gründen und erhalten
konnte. Es ist jetzt an der Zeit, dass
diese westlichen Staaten, und zu ihnen
gehört auch Deutschland, ihr Unrecht
gegenüber dem palästinensischen Volk
wiedergutmachen. Ich meine nicht die
Vernichtung Israels, aber die Schaffung
einer Heimat für die Palästinenser.
Von Anfang an war der Zionismus
abhängig, dass europäische Mächte seine
kolonialen Siedlerziele finanzieren.
Herzl selbst hat sich den Europäern
angedient, als er schrieb: „ein
jüdischer Staat wird ein Teil des
Bollwerks der Europäer gegen Asien sein,
ein Außenposten der Zivilisation im
Gegensatz zur Barbarei.“ Die Zionisten
von heute sind aber selbst „Barbaren“
geworden.
Der Zionismus hatte von Anfang an die
falsche Parole: Ein Land ohne Volk für
ein Volk ohne Land. Palästina aber war
kein Land ohne Volk. Es gab dort ein
Volk und es gibt dort immer noch ein
Volk, zum Ärgernis der Zionisten und
solchen Pappnasen wie Henryk Broder.
Es ist endlich an der Zeit, dass die
Israelis es anerkennen und dass die
europäischen Völker es auch anerkennen.
Eine Anerkennung durch die Europäer
würde das Problem zwar nicht lösen, aber
es wäre der erste Schritt in Richtung
einer Lösung.
Wir dürfen nicht länger die Augen
verschließen, die Ohren verstopfen und
den Mund verschlossen
halten. Wir haben lange genug die
Rolle der drei asiatischen Affen
gespielt. Es reicht.
Genau solche Menschen wie Nathan Gelbart
und Henryk Broder hat der Prophet
Jeremias gemeint, als er sagte:
Doch sie schämen sich nicht,
Scham ist ihnen unbekannt.
Deshalb mein Appell an sie alle: zeigt
diesen Rassisten an, erstattet
Strafanzeige wegen Beleidigung,
Diffamierung, Volksverhetzung und was
auch immer noch dazu kommt. Tut es.
Solchen Rassisten gehört das Maul
gestopft. Ich habe 300 Formulare zum
Unterschreiben und an die
Staatsanwaltschaft Berlin zu senden,
mitgebracht*. Die Anzeige kann aber auch
bei jeder Polizeistelle abgegeben
werden. Ich hoffe sie werden alle bei
mir abgeholt werden.
*Ich habe 47 unterschriebene
Strafanzeigen mitgebracht, die ich
morgen an die Staatsanwaltschaft Berlin
abschicken werde.