Wasser als
Konfliktstoff
Erfordernisse des friedlichen Zusammenlebens in der nahöstlichen
Halbwüstenregion
Von Mohammed Khallouk
Detailangelegenheit oder eigenständiges Verhandlungsthema?
Für eine für beide Parteien akzeptable Friedenslösung im
Israelisch-Palästinensischen Konflikt gilt die Wasserproblematik als
ein eigenständiges Kapitel zu behandeln, da Wasser die Grundlage
menschlicher Existenz und des Aufbaus einer Wirtschaft ist,
Wasserknappheit eine der wichtigsten weltweiten Armutsfaktoren
darstellt und nicht wenige Prognosen davon ausgehen, dass künftige
Kriege hauptsächlich um Wasser geführt werden. Besondere Relevanz
erhält die Thematik, da der Nahe Osten bereits heute zu jenen
Regionen zählt, in denen Wasser aufgrund klimatischer Verhältnisse
ohnehin nur in unzureichender Form direkt zur Verfügung steht. Daher
wird ohne eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung der
jeweiligen Nutzungsrechte des wenigen vorhandenen Wassers eine
Friedensregelung nicht erreichbar sein. Dieser Erkenntnis folgend
wurde die Wasserproblematik bereits beim Beginn der
Friedensverhandlungen auf der Konferenz von Madrid 1991 als
Gegenstand der bilateralen wie auch multilateralen Verhandlungen
betrachtet. Die dort getroffenen Regelungen waren jedoch in einer
Weise formuliert, dass jeder sie nach seiner Vorstellung
interpretieren konnte. Blieben die bilateralen Verhandlungen
zunächst vollständig ergebnislos, wurde in den multilateralen
Verhandlungen zumindest ein Forum zum diskreteren
Informationsaustausch und Austesten von Lösungsansätzen geschaffen.
Zudem bemühte man sich, eine Kommunikationsebene als
vertrauensbildenden Schritt zu finden, um späteren
Verteilungskonflikten die Schärfe zu nehmen. Weil Israel sich in
diesen multilateralen Verhandlungsrunden nicht bereit zeigte, den
Palästinensern oder einer dritten neutralen Instanz Mitspracherechte
im Bereich des von seinen Behörden kontrollierten Wassers
zuzugestehen, schuf man in der Prinzipienerklärung von Oslo I mit
der Palestinian Water Administration Authority erstmals eine
Behörde, die speziell für die Wasserprobleme in den
Palästinensergebieten zuständig sein sollte, deren Kompetenzen
allerdings nur unklar abgegrenzt waren. Im darauffolgenden Gaza-
Jericho Abkommen wurden diese konkretisiert und den Palästinensern
die weitgehende Kontrolle über Wassersysteme in ihrem
Autonomiegebiet zugestanden, ausgenommen blieben allerdings die
Siedlergebiete, so dass Israel faktisch auch nach diesem Abkommen
die Kontrolle über weite Teile des in den Palästinensergebieten
vorhandenen Wasservorrats behielt. Da im Autonomieabkommen von Oslo
II Israel sich weiterhin nicht bereit zeigte, die Forderungen der
Palästinenser nach vollständiger Anerkennung ihrer Wasserrechte zu
akzeptieren, diese sich aber mit dem Status quo ebenso wenig
abzufinden bereit zeigten, steht eine Lösung der Wasserfrage noch
immer aus. Vielmehr enthielt das einzige bilaterale Abkommen
zwischen Israelis und Palästinensern, welches sich speziell mit der
Wasserproblematik beschäftigt, ausgehandelt in Taba, außer
allgemeinen Formeln keine konkreten Verpflichtungen.
Begrenzte Ressource der Region oder Eigentum einer Nation?
Die gegenwärtige Situation demonstriert, wie notwendig ein Abkommen
zur Wasserfrage sich darstellt, da Israel nicht nur fast alle
bedeutsamen Wasservorräte der Palästinenser kontrolliert, sondern
sich auch insgesamt beim Wasserverbrauch sehr großzügig präsentiert,
womit der stark wachsenden palästinensischen Bevölkerung trotz
sparsameren Umgangs ihrerseits immer weniger bleibt. Angesichts
dieser aus palästinensischer Sicht unbefriedigenden Lage, versuchen
diese ihre Wasserrechte in den Verhandlungen auszuweiten, während
Israel darauf abzielt, den „günstigen“ Status quo rechtlich
abzusichern oder zumindest so lange wie möglich zu erhalten. Ein
Grund liegt in der hohen Wasserbeanspruchung der einflussreichen
israelischen Landwirtschaft, die allein 70% des israelischen
Gesamtverbrauchs ( 390 KM/Kopf und Jahr) auf sich vereint,
resultierend aus dem Klima in der Region und dem hohen Stellenwert
der Bewässerungslandwirtschaft. Aber auch der häusliche Verbrauch
liegt über dem Durchschnitt der bedeutendsten Industriestaaten,
wobei aus palästinensischer Sicht vor allem der übermäßige
Wasserverbrauch der jüdischen Siedler in den Besetzten Gebieten ein
Ärgernis darstellt. Für die Westbank macht von Siedlern genutztes
und ins israelische Kernland weitergeleitetes Wasser zusammen 60%
der dortigen Vorräte aus. Hinzu kommt, dass die Siedler an den von
ihnen bevorzugten Stellen mit moderner Technik Brunnen bis zu 80m
Tiefe bohren dürfen, während den Palästinensern bis 1992 lediglich
fünf Brunnenbohrungen überhaupt erlaubt waren, und sie auch heute
nur bis 20m Tiefe bohren dürfen. Nicht nur die Siedler in den
Besetzten Gebieten, sondern auch das übrige Israel macht sich die
palästinensischen Wasservorräte in für die dortigen Bewohner
ungeheuerlicher Weise zu Nutze, da mit Ausnahme einiger Seitenkanäle
des Jordans alles in den Besetzten Gebieten entnommene Wasser zu
israelischen Versorgungsunternehmen ins Kernland weitergeleitet
wird. Es mussten sich allein 150 Dörfer und zehn Städte in der Zeit
zwischen 1967 und 1984 dem Versorgungsnetz eines einzelnen
israelischen Unternehmers anschließen, was aus palästinensischer
Sicht einer totalen Kontrolle durch die israelische Militärbehörde
gleich kam und dieser ermöglichte, ohne Vorwarnung, Millionen
Palästinenser vollständig von ihrer Wasserversorgung abzuschneiden.
Um diese vollständige Abhängigkeit der Palästinenser zu verringern,
hatte Israel im Abkommen von Taba 1995 die grundsätzliche Existenz
eigener palästinensischer Wasserrechte anerkannt. Es wurde daraufhin
ein paritätisch besetztes Wasserkomitee zur Genehmigung von
Brunnenbohrrechten in den Besetzten Gebieten gebildet. Da dieses
Komitee seine Entscheidungen einstimmig fällen musste, blieb Israel
de facto ein Veto-Recht bei jeder Bohrgenehmigung eines
Palästinensers. Zwar hatte sich Israel seinerseits bereiterklärt,
knapp 10MKM/Jahr seines eigenen Wassers an die Palästinenser gegen
Bezahlung zu liefern, eine Menge, die jedoch für deren täglichen
Trinkwasserbedarf kaum ausreichte. Mit anderen Worten: Man hatte
zwar in allgemeiner Form akzeptiert, das Grundbedürfnis jedes
Menschen nach Wasser auch den Palästinensern zuzugestehen, jedoch
daraus so gut wie keine erkennbaren Konsequenzen gezogen. Vielmehr
verschob man die eigentlichen der Aufteilung des Wassers geltenden
Lösungen ganz bewusst auf die sogenannten „Endstatusverhandlungen“.
Die wichtigste Voraussetzung für eine Lösung der Wasserfrage, wann
immer sie anstehen mag, ist die Zusammenarbeit zwischen beiden
Völkern bei der Regelung der Wasserversorgung. Hierbei dreht sich
der Streit vorwiegend um das Jordanwasser, von dem beide in gleicher
Weise abhängig sind.
Erfolgreiches Wassermanagement als Garant für Frieden und
Fortschritt
Am Beispiel des Friedensvertrags zwischen Israel und Jordanien,
zeigt sich, dass eine Einigung beim Thema Wasser unter gegenseitigem
Vertrauen und der Bereitschaft sich von Maximalpositionen zu
entfernen, möglich sein kann. Wie eine konkrete Lösung des
israelisch-palästinensischen Wasserkonflikts aussehen kann, dazu
gibt es unterschiedliche Vorschläge. Hierbei steht eine Reduzierung
der israelischen Befugnisse über die palästinensischen Wasservorräte
an erster Stelle, diese könnte jedoch für Israel zu einer
Erpressbarkeit aufgrund mangelnder eigener Vorräte führen. Deshalb
wird über die Möglichkeit eines Pachtvertrages nachgedacht oder
eines Handels mit Wasserrechten, was den Palästinensern ermöglichen
würde, an der Abfuhr von Wasser in das wasserarme kaufkraftstarke
Israel zu verdienen. Angesichts der weiter anwachsenden Bevölkerung
in der Region sollte die Lösung jedoch nicht ausschließlich in
besserer Verteilung des vorhandenen Wassers gesucht werden, sondern
ebenso die Erschließung neuer Quellen und eine bessere Rationierung
beinhalten. Im Falle der neu zu erschließenden Wasserquellen bieten
sich mehrere Möglichkeiten an: Hier ist zum einen der
Süßwasserimport aus Drittstaaten wie der Türkei oder Ägypten zu
nennen, aber auch die bessere Erschließung heimischer Flüsse, die
Meerwasserentsalzung und der Süßwassertransport per Schiff. Da diese
Lösungswege alle mit hohen Kosten verbunden sind, erscheint die
sparsamere Methode, die künftige Wasserversorgung der israelischen
und palästinensischen Bevölkerung zu sichern, in jedem Fall in
besseren Verbrauchstechniken zu liegen, mit dem Ziel, den
Gesamtverbrauch zu senken. Voraussetzung dafür wäre die Verringerung
der verbrauchsintensiven Landwirtschaft durch Verbesserung der
Bewässerungstechniken, wie durch Erhöhung des weniger
verbrauchsintensiven Industrie- und Dienstleistungsanteils.
Letztlich führt kein Weg daran vorbei, dass ohne Sparsamkeit und
rationelleren Umgang keine Lösung der Wasserprobleme der Region in
Aussicht gestellt werden kann. Dazu sind verbesserte Techniken im
Wassermanagement nötig, die helfen, die materialbedingten
Wasserverluste zu minimieren, es braucht aber auch Finanzmittel,
welche den Palästinensern momentan fehlen und vom Ausland
bereitgestellt werden müssten. Im Falle Israels sind diese
Finanzmittel bereits in ausreichendem Umfang vorhanden, so dass hier
in erster Linie die Kreativität, welche man bisher vor allem zur
Erschließung fremder Wasservorräte benutzte, gefragt ist. Daneben
setzt dies bei ihnen eine andere Ethik gegenüber den natürlichen
Ressourcen, von denen das Wasser die wichtigste ist, voraus. Nur
eine gerechte, den Bevölkerungsverhältnissen entsprechende
Aufteilung der Wasservorräte und der Zugang zu sparsameren
Verbrauchstechniken können helfen, das „Friedenshindernis“ Wasser zu
bewältigen und verhindern, dass wie Butros Butros Ghali bereits im
Jahre 1986 prognostizierte, der nächste Nahostkrieg um die
Herrschaft der Wasservorräte geführt werde. Des weiteren erfordert
es festzuhalten, dass einer Nation, die auf einem Territorium von
der Größe Hessens unter Halbwüstenbedingungen eine auf modernen
Standards beruhende Landwirtschaft treibt und damit Millionenstädte
wie Tel Aviv und Westjerusalem versorgt, der Zugang zu allen
möglichen Wasservorräten der Region offen stehen sollte. Hierauf
wird folglich jede israelische Regierung in Verhandlungen zur
Wasserfrage zu Recht bestehen. Da Palästinenser wie arabische
Nachbarländer ebenfalls nur begrenzte eigene Wasservorräte besitzen
und moderne Agrar- und Industrieentwicklung noch vor sich haben, ist
eine regionale Zusammenarbeit aller Staaten dieser Region beim
Wasser vonnöten. Nur regionale Konferenzen mit gleichberechtigter
Stimmverteilung können dazu beitragen, das alle Staaten der
wasserarmen Region gleichermaßen betreffende Problem „Wasserrechte“
dauerhaft zu bewältigen. Dies gilt es zu beachten, wenn die
Wasserfrage in einer nahöstlichen Friedensregelung zu allseitigem
Nutzen Eingang finden soll.
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