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Virtuelle
Islamhetze vermag den weltweiten Siegeszug der Humanität nicht
aufzuhalten
Mohammed Khallouk
Muslime werden medienwirksam zur
„Existenzbedrohung für das Abendland“ herauf stilisiert
Kaum eine nichtwestliche Religion wird
aktuell in Europa so häufig mit Negativassoziationen und einem
gesellschaftlichen Bedrohungspotential in Verbindung gebracht wie
der Islam. Dies scheint auf den ersten Blick erstaunlich angesichts
seiner unverkennbaren Wesensverwandtschaft zum ebenfalls
monotheistischen, schon seit fast zwei Jahrtausenden auf dem
Kontinent heimischen Juden- und Christentum, der historischen
zivilisationsförderlichen Begegnung beider Domänen im
maurisch-spanischen Mittelalter und der seit vier Jahrzehnten
zunehmenden Anzahl weltoffener, am Dialog mit der
Mehrheitsbevölkerung interessierter Muslime in der europäischen
Gesellschaft.
Bei der regelmäßigen Revue auf die
Beiträge aus landesweit einflussreichen Printmedien, sowie der
Themenauswahl von Rundfunk und Fernsehen tritt die überproportionale
Häufigkeit von Negativberichten im Zusammenhang mit Islamischen
Staaten oder einzelnen Muslimen allerdings sofort ins Auge. Mag die
Berichterstattung hierzu trotz dieser unverkennbaren thematischen
Selektion noch weitgehend nüchtern und objektiv anmuten, in einer
zunehmenden Anzahl an Internetblogs privater Betreiber ist der
diffamierende, beleidigende Charakter gegenüber Muslimen generell
und ihrer Religion offensichtlich.
Vor allem Gewaltvorkommnisse ausgehend
von muslimischen Individuen werden explizit der Religion
zugeschrieben. Dabei wird unterstellt, der Islam fordere geradezu zu
Gewalt auf, wozu man nicht selten aus dem Zusammenhang gerissene
Passagen aus Koran oder Sunna als vermeintliche Belege zitiert.
Ebenso attestiert man den Muslimen eine tendenziell feindliche
Einstellung gegenüber dem Westen und eine Aversion gegen Juden.
Charakteristika, die bei radikalen Islamisten in der Tat anzutreffen
sind, werden aus der Religion heraus erklärt und als „allgemeiner
Wesenszug des Islam“ dargestellt.
Die Selbsteinschätzung der
Blogbetreiber als „einzige aufrechte Kämpfer“ gegen die
heraufbeschworene „Islamisierung des Abendlandes“ belegt zugleich
ihre Erkenntnis, die Ausbreitung eines modernem differenziertem
Denken aufgeschlossenen Islam in Europa nicht aufhalten zu können,
der mit ihrer strikten Welteinteilung offensichtlich nicht konform
geht. Jene Strömungen benötigen geradezu die Auseinandersetzung mit
radikalen Islamisten, um die eigene Existenz zu rechtfertigen. Die
reale Bedrohung für jene Blogbetreiber – nicht selten
fundamentalistische Randgruppen innerhalb des Juden- oder
Christentums - sind somit nicht die Islamisten, welche sie in ihrer
Aktivität lediglich bestätigen, sondern die am Dialog und dem
respektvollen Miteinander interessierten Muslime.
Nahostkonflikt und Nazivergangenheit
Deutschlands dienen der öffentlichen Legitimierung westlicher
Islamfeindschaft
Jene Bewegungen und ihre
muslimfeindliche Propaganda tragen neben radikalen Strömungen auf
israelischer und palästinensischer Seite eine Mitverantwortung für
die Aufrechterhaltung des Nahostkonflikts. Sehen einige christliche
Fundamentalisten darin das „Armageddon gegen die Mächte des Satans“,
den in der Offenbarung beschriebenen letzten Kampf für die Gemeinde
Gottes vor der Wiederkunft des Messias, rechtfertigen politisch
offiziell links stehende, „antideutsche“ Bewegungen ihre einseitige
Schuldzuweisung an die Palästinenser versus Muslime an diesem
Konflikt mit der historischen Diskriminierung von Juden in Europa
und speziell dem von Deutschland ausgegangenen Holocaust. Eine
zeitweilige Sympathie westlicher Eliten mit selbst von israelischen
Intellektuellen für friedensbereit empfundenen Palästinensern stelle
in ihren Augen nicht nur ein Ignorieren des für weltweit bedrohlich
empfundenen Islamismus dar, sondern entlarve zugleich den eigenen
Antisemitismus der Sympathisanten.
Mit ihrer gleichzeitigen
Pauschalverurteilung der Muslime oder gar des Islam als Religion
lassen diese selbsternannten Antifaschisten allerdings ihre
ideologische Verwandtschaft zum Rechtspopulismus erkennen, der bei
anderer Gelegenheit Juden mit vergleichbaren Kollektivassoziationen
belegt wie in diesem Fall die Muslime. Vor diesem Hintergrund
erscheint es wenig überraschend, dass gerade islamophobe Medien und
Internetblogs – trotz ihrer z.T. bis zur Heroisierung gesteigerten
verbalen Unterstützung des Staates Israel - sich des ideologischen
Repertoires erklärter Antisemiten bedienen, deren
Feindstigmatisierung an die Juden sie lediglich auf die Muslime als
ihrem Feindbild übertragen. Form, Stil und dahinter stehendes
Menschenbild bleiben jedoch erhalten.
Wo eine ernsthafte Sensibilität
bezüglich stigmatisierenden schablonenhaften Einteilungen der
Menschheit besteht, treffen gegenüber Muslimen und Arabern
gerichtete Kollektivzuschreibungen allerdings auf ebenso schärfste
Zurückweisung wie jene gegenüber anderen Religionen oder
Volksgruppen. Intellektuelle westliche Kritik an
menschenrechtswidrigen Aktionen gegenüber Muslimen geht daher in
nicht geringem Maße von jüdischen Angehörigen von Holocaustopfern
wie Evelyn Hecht-Galinski oder Judith Butler aus. Diese sehen sich
bezeichnenderweise von jenen islamophoben Blogs ebenso dem
Antisemitismusvorwurf ausgesetzt wie bekennende Neonazis oder
radikale Islamisten. Hierdurch lassen sich jene jüdischen
Intellektuellen allerdings ebensowenig von ihrem Engagement für
Toleranz und Humanität abhalten wie am Dialog und respektvollen
Miteinander aller Religionen und Ethnien interessierte Christen und
Muslime.
Der europäische Humanismus als
Fundament einer wertegebundenen Weltgesellschaft
Die erfolgreichste Methode der
Opposition gegen jene von einigen Medien und privaten Internetblogs
ausgehende Pauschalisierungstendenz erweist sich dementsprechend
auch nicht in gerichtlichen Auseinandersetzungen und permanenten
verbalen Gegenangriffen, sondern in der Realisierung der Ideale des
europäischen Humanismus, die gleichermaßen in der Ethik des
Judentums, des Christentums wie des Islam ihre Grundlage besitzen.
Die Werte der europäischen Aufklärung,
die auf der historischen Gelehrtenbegegnung der drei
monotheistischen Weltreligionen im maurisch-spanischen Mittelalter
fußen, werden weltweite Anhängerschaft finden und andernorts – nicht
zuletzt in Israel und Palästina - zur Nachahmung motivieren. Das
Internet, das in erheblichem Maße dazu beigetragen hat, die Grenzen
zwischen Nationen und Zivilisationen durchlässiger werden zu lassen
und damit gegenwärtig jenen extremistischen Randgruppen zur
beschleunigten Verbreitung ihrer Islamressentiments dient, könnte
als Medium erkannt werden, der Humanität weltweite Geltung
zuzugestehen.
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