Die „Enthüllungen" von Al Jazeera und
The Guardian kommen für Insider nicht
allzu überraschend. Die Flexibilität,
manche bezeichnen das mit gewissem Recht
auch Schwäche und Resignation, der
palästinensischen Führung unter Mahmoud
Abbas/Abu Mazen ist hinlänglich bekannt
und auch immer wieder kommentiert
worden. Ohne im Einzelnen die 1.600
Dokumente gesehen zu haben, dürfte über
deren Echtheit kein Zweifel bestehen,
was auch der frühere PNA-Außenminister
und derzeitige external-relations-Chef
der Fatah, Nabil Shaat, bestätigt. Aus
meiner Sicht sind nicht in erster Linie
die Inhalte dieser Dokumente das
Empörende sondern die daraus
erkenntlichen Doppelstandards der
PLO-Führung, welche nach Außen die
politischen Tabus der Palästinenser
(palästinensischer Staat mit der
gesamten Westbank und O-Jerusalem als
Hauptstadt, Recht auf Rückkehr für alle
Flüchtlinge (zumindest für jene, die das
wollen)) nicht in Frage stellen, intern
aber sehr wohl zu äußerst weitgehenden
Konzessionen bereit sind. Dieser Verrat
an den offiziellen Forderungen der
Palästinenser, vor allem aber auch die
Tatsache, dass man sich nie getraut hat,
eine umfassende und ernsthafte
öffentliche Debatte darüber zu führen,
sind die tatsächlichen Verfehlungen der
aktuellen PLO-Führung. Dies wurde und
wird damit begründet, dass man der
innerpalästinensischen Opposition (Hamas
aber auch linke Gruppen wie die
Volksfront zur Befreiung Palästinas und
die von Mustafa Barghouti ins Leben
gerufene Al Mubadara/Nationale
Initiative und andere kleine Gruppen und
Parteien), welche den Oslo-Prozess
ablehnen bzw. sehr kritisch
gegenüberstehen, zusätzliche Argumente
liefern möchte. Dass diese Politik nach
hinten losgeht, zeigen die Reaktionen
der letzten Tage. Zudem sollte nicht
übersehen werden, dass – wie anfangs
betont – die Schwäche der aktuellen
PLO-Führung ja seit langem hinlänglich
bekannt ist, was ja nicht zuletzt auch
ganz wesentlich zu den Erfolgen der
Hamas beigetragen hat.
Ein Aspekt soll ebenfalls kurz erwähnt
werden: Die Tatsache, dass sich die
PLO-Führung seit vielen Jahren von der
Mehrheit des palästinensischen Volkes,
also jenen in der Diaspora lebenden 5-6
Millionen, entfernt hat und diese kaum
mehr in die Gestaltung der
palästinensischen Politik miteinbezogen
hat. Diese Menschen, von denen ein
beträchtlicher Teil nach wie vor in den
arabischen Nachbarstaaten unter
teilweise völlig inakzeptablen
Bedingungen leben muss, fühlen sich von
ihrer politischen Führung im Stich
gelassen. Dies trifft aber auch für die
palästinensischen communities in den
westlichen Staaten zu, was sehr oft
vergessen wird. Von den
PalästinenserInnen in Amerika und Europa
wird wohl nur mehr eine kleine
Minderheit nach Palästina zurückkehren,
sie verlangen aber mit Recht, dass sie
einen stärkeren Einfluss auf die Politik
der politischen Führung ihres Volkes
haben sollten. Aus meiner Sicht völlig
zu Recht. Die PLO hat es leider seit
Anfang der 90er Jahre (Beginn des
aktuellen „Friedensprozesses") nicht
geschafft, das palästinensische Volk
ausreichend zu informieren, zu
organisieren und zu mobilisieren. Die
Demokratie gehört zu den größten Mängeln
in der PLO (übrigens auch in der Hamas)!
Abschließend noch einige Feststellungen
zu der Rolle der „internationalen
Staatengemeinschaft": Die Schwäche der
PLO ist natürlich nicht nur ein Ergebnis
der Stärke und Brutalität Israels
sondern auch der mangelnden
internationalen Unterstützung. Solange
die Politik der USA (und Europa und der
Rest der Welt spielt bestenfalls eine
Rolle als Financiers) aber darauf
ausgerichtet ist, Israel bedingungslos
zu unterstützen und de facto im
Interesse Israels permanenten Druck auf
die PLO ausübt, wird es keine Lösung des
israelisch-palästinensischen Konfliktes
geben, geschweige denn eine faire und
völkerrechtskonforme. Die nun in aller
Öffentlichkeit gebrandmarkte Schwäche
und Orientierungslosigkeit der
politischen Führung des
Palästinensischen Volkes ist vor allem
auch ein Ergebnis der einseitigen und
die rücksichtslose und
völkerrechtswidrige Politik Israels
massiv unterstützende Politik der USA.
Dies sollte bei aller gerechtfertigten
Kritik an der PLO nicht vergessen
werden!
PS:
Genauere Informationen siehe folgende
Webseiten:
www.english.aljazeera.net/palestinepapers
www.guardian.co.uk/world/palestine-papers
www.thejerusalemfund.org