Melzer Verlag GmbH, Gärtnerweg 7, 63263 Neu-Isenburg
26. Juli 2005
DER SPIEGEL
Herrn Stefan Aust
Brandswiete 19
20457 Hamburg
Lieber Herr Aust,
ich schreibe Ihnen bezüglich Herrn Henryk Broder, Mitglied des
Redaktionskollegiums beim SPIEGEL. Ich weiss nicht, ob Ihnen bewusst
ist, dass Ihr Kollege auf seiner Homepage und der Homepage von „Die
Achse des Guten“ (!) regelmäßig eine größere Anzahl von Personen
diffamiert. Nichts gegen Kritik und scharfe Polemik, aber Diffamierung
ist eine andere Sache. Seine letzte Zielscheibe war die
Nobelpreisträgerin
Elfriede
Jelinek, die er als „Schmock der Woche“ tituliert hat. „Schmock der
Woche“ auf Jiddisch bedeutet nichts anderes als „Arschloch der Woche“.
So hat Herr Broder, weil ihm ein Beitrag von Professor Bodemann in der
Süddeutschen Zeitung nicht gefallen hat, den in Kanada lehrenden
Bodemann als „Mega-Schmock des Jahres“ diffamiert und in seinem
Beitrag u.a. geschrieben: „Bodemann ist ein promovierter Schwachkopf“,
ein „selbstgerechter Trottel“, „Bodemann ist so blöd, dass verglichen
mit ihm ein Kuhfladen noch als Pizza Margarita durchgehen könnte.“ Etc.
Die Liste seiner Opfer ist inzwischen lang und sieht wie ein „Who is Who“
der deutschen Gesellschaft aus: Elfriede Jelinek, Robert Menasse,
Prof. Dr.
Erwin Häckel,
André Brie,
Peter
Eisenmann,
Antje
Vollmer, Sir Peter Ustinov, Michael Degen, Heinz Berggruen, Iris
Berben, Roger Willemsen,
Rafael
Seligmann, Paul Spiegel, Günther Rühle, Herta Däubner-Gmelin und
viele andere.
Dies alles wäre weniger empörend, wenn Broder nicht zunehmend auch
nazistische Stereotypen benutzen würde, die die Antisemiten und Nazis
seit Jahrhunderten uns Juden gegenüber verwendet haben: die Juden sind,
wie im Falle Bodemann „Trittbrettfahrer“ der deutschen Kultur und
eigentlich „blinde Passagiere in Deutschland“. Hierzu passt, was Herr
Broder vor wenigen Wochen in der „Jüdischen Allgemeinen“ geschrieben
hatte – seine Lehre, die er aus Auschwitz gezogen hat: (.....)
Anlässlich unseres Vortrages an der Universität in Leipzig im Rahmen der
dort stattfindenden Ringvorlesung Israel/Palästina hat Broder in der
Homepage „Die Achse des Guten“(!) unter der
Überschrift
>>> (...)
wieder seine primitiven und äußerst unappetitlichen Beleidigungen
veröffentlicht, die darin gipfeln, dass der 81-jährige Hajo G. Meyer als
ein „Berufsüberlebender“ beleidigt wird. Das gegenüber einem Mann, der
in seinem langen Leben zwei Berufskarrieren erfolgreich hinter sich
gebracht hat: eine, von 34 Jahren als technischer Forscher und während
der letzten zehn Jahre als Direktor eines der größten Industrielaboratia
der Welt. Eine zweite, von neunzehn Jahren als Geigenbauer. Von mir sagt
er, dass ich als jüdischer Verleger, eine „Lücke entdeckt habe, die er
fleißig mit braunem Dreck füllt.“
Unsere Lehre, die wir aus Auschwitz gezogen haben, fällt ganz anders
aus, als die von Broder. Unsere Lehre lautet: Nicht nur, dass wir
niemals Täter sein wollen, sondern dass nicht nur Auschwitz sich nicht
wiederholen darf, nicht in Deutschland und auch nirgendwo sonst auf der
Welt, sondern schon weit im Vorfeld Menschenverachtung und Rassismus
angegriffen werden müssen. Auschwitz war gewiss das Äußerste, ist aber
ohne Rassismus, Menschenverachtung und Diabolisierung gewisser Gruppen,
nicht denkbar. Wir halten es deshalb für erforderlich, auch die
menschenverachtende, völkerrechtswidrige Politik des israelischen
Staates und Anzeichen von Rassismus in Israel zu kritisieren.
Offensichtlich gefällt Herrn Broder dieser Standpunkt nicht, und
deswegen ist jeder, der es wagt, Israels Politik oder gar die Verbrechen
der israelischen Armee und die der Siedler zu kritisieren: ein
Antisemit. Wenn es ein Jude oder Israeli tut, dann hat er „eine Lücke
entdeckt…“. Die logische Folgerung daraus ist demnach, dass man
Antisemit oder zumindest Antizionist, was auf das Gleiche hinausläuft,
sein muss, um die Politik der israelischen Regierung zu kritisieren. Da
stellt er sich auf der gleichen Stufe wie diese undurchsichtige
Organisation „honestly concerned“, die in guten alten „Blockwart
Mentalität“ jeden angreift, der es wagt diese Politik nicht gut zu
finden.
Der Henryk M. Broder, von dem ich im SPIEGEL lese, unterscheidet sich um
Welten von dem hetzerischen Broder, der sich im Internet austobt. Ob
sich dieser Dr. Jekyll von jenem Mr. Hyde für den Betrachter trennen
lässt, weiß ich nicht. Einen Ruf als begnadeter Polemiker, der er
sicherlich früher einmal war, verspielt Henryk M. Broder mit seinen
hemmungslosen Hasstiraden und den diversen Versuchen Menschen, deren
Meinung ihm nicht genehm war, fertig zu machen, ja fast existenziell zu
vernichten. Mit Journalismus hat das wenig zu tun.
Ich schreibe Ihnen das alles, weil ich mich darüber wundere, dass eine
so angesehene Zeitschrift wie der SPIEGEL es duldet, dass einer ihrer
Mitarbeiter, der sogar im Impressum genannt wird, sich in solch
primitiver und menschenverachtender Art und Weise betätigt.
Es ist endlich an der Zeit, dass auch Sie sich von dieser Art
Journalismus distanzieren und einen Schlussstrich ziehen. Es darf nicht
sein, das Broder die Tatsache, dass er Jude ist, dazu benutzt,
Pressefreiheit zu missbrauchen und für sich selber eine Freiheit in
Anspruch zu nehmen, auf Kosten unbescholtener Bürgerinnen und Bürger,
deren einziges Vergehen es ist, eine andere Meinung zu haben.
Broder mag eine geniale Begabung haben, aber er hat auch unangenehme
menschliche Schwächen, wie seine narzisstische Verliebtheit in seinen
Spitzfindigkeiten, sein Drang immer wieder zu zeigen wie brillant und
scharfsinnig er formulieren kann. Broder wird sich und seine Umgebung
immer wieder aufs neue beschmutzen, da er darauf aus ist Ärger zu
machen; es macht ihm offenbar nichts aus als Clown aufzutreten und viel
mehr noch als Henker.
Immerhin gilt in diesem Land noch § 1 unseres Grundgesetzes: Die Würde
des Menschen ist unantastbar.
Mit freundlichen Grüßen
Abraham Melzer
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