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. Bewohner der Westbank
führen kreative gewaltfreie Demos durch
oder
Die palästinensischen Gandhi-Anhänger
Mohammed Daragmeh, Middle East Times,
21.6.
05
Als der Abend des
9.Juni nahte, bereiteten sich Internationale und israelische
Unterstützer mit den Bewohnern von Bil’in für eine Konfrontation nach
dem Abendgebet vor: Handschellen für die Demonstranten, um die
Behauptungen der Soldaten, sie würden in diesem friedlichen Dorf mit
Gewalt konfrontiert werden, zu widerlegen; und Ballone mit Hühnermist
gefüllt, um sie auf Soldaten zu werfen, die die friedliche
Demonstration wahrscheinlich angreifen werden.
Als sie an der Stelle
ankamen, wo die Route für Israels wachsende Trennungsmauer vorbereitet
wird, trafen sie auf ein Sperrfeuer aus Tränengaskanistern. Sechs
Demonstranten wurden verletzt, einschließlich Ziad Halaby, ein Reporter
vom Al Arabia-Satelliten –Fernsehen, der eine Beinverletzung davontrug.
Als die Soldaten Wolken
von beißend scharfem Rauch und Metallkugeln abschossen, nahmen die
Demonstranten ihre Handschellen ab und warfen Tierdung auf sie.
Nach Abdullah Abu
Rahmeh, dem Koordinator des Volkskomitees gegen die Mauer in Bil’in:
„Wir hörten vor der Demo in den öffentliche Medien ein Statement von
israelischen Armeeführern, das die Dorfbewohner von Bil’in der Gewalt
anklagt. Unsere Antwort war, unsere Hände zu fesseln und friedlich zu
demonstrieren.“
Die Leute dieses
kleinen Dorfes bei Ramallah mit 1500 Einwohnern hat unglaubliche
Kreativität gezeigt, indem es sich gewaltfreie Methoden des Protestes
ausgedacht hat. Als ihre Ländereien vor vier Monaten enteignet wurden,
reagierten sie mit gewaltfreien Demonstrationen, und jede war anders als
die vorhergehende. Man wollte so mehr Unterstützer gewinnen und die
Soldaten mit Ungewöhnlichem überraschen. Die erste Demo war allein auf
Frauen beschränkt. Damit wollte man die Nachricht vermitteln, dass sie
friedlich zum Protest kommen, wie Abu Rahmeh sagte. An der zweiten Demo
nahmen nur Kinder teil.
Als die
Besatzungskräfte begannen, das Land mit Bulldozern zu bearbeiten und die
Bäume auszureißen, drückten die Dorfbewohner ihre enge Verbindung zu
ihren Bäumen aus, von denen einige älter als hundert Jahre alt sind, und
banden sich an den Bäumen fest, die herausgerissen werden sollten. Den
Dorfbewohnern war es gelungen, die Arbeit der Soldaten um 5 Stunden zu
verzögern, da sie nun erst die Ketten aufsägen mussten, mit denen sich
die Leute an ihre Olivenbäume gefesselt hatten.
Als nächstes kletterten
die Bewohner in trommelartige Behälter, die von innen geschlossen
werden können und zeigten nur den Kopf und banden sich an den Bäumen
fest. Ein anderes Mal überraschten die Dörfler die Soldaten mit einem
Marsch weißer Särge, auf denen der Name eines geachteten Wertes stand
wie „Gerechtigkeit“, „Menschlichkeit“, „Rechte“, „Sitte und Gebräuche“
usw. Einmal klebten sie ihren Mund mit einem Klebestreifen zu und
ließen die Fahnen der Länder flattern, die in der internationalen
Arena aktiv sind. Dies sollte das internationale Schweigen gegenüber dem
palästinensischen Volk symbolisieren.
Bei einer anderen
Gelegenheit demonstrierten die Dorfbewohner, indem sie 1500
palästinensische Fähnchen verteilten. Das war eine Geste an die eigene
Gesellschaft, wo palästinensische Faktionen damit wetteifern, ihre
eigenen Fahnen zu schwingen und die palästinensische Nationalflagge
vergessen. Sie verwenden auch das Symbol der eisernen Mauer, die über
den Leichen der einheimischen Palästinenser gebaut wird, die um den
Hals ein Symbol der Mauer trugen.
Die Organisatoren
solcher Aktivitäten stellen fest, dass sie mehr erreicht haben als
andere, die gewalttätige Methoden anwendeten.
„Diese Demonstrationen
haben viele israelische und ausländische Unterstützer angezogen und
die Medien dazu gebracht, über das, was wir tun und worunter wir
leiden, Berichte zu geben“ sagte Abu Rahmeh. „Hätten sich unsere
Demonstrationen auf das Steine-werfen beschränkt, wären keine
Unterstützer oder Medien gekommen. Aber dank innovativer neuer Formen
des friedlichen Widerstandes, möchte jeder diese Art kennen lernen und
möchte, dass sie Erfolg haben.
„Einige mögen sagen,
das Endergebnis ist, dass Israel die Mauer ( trotzdem) baut,“, sagt er.
„Stimmt! Doch geschieht dies nicht ohne einen Preis und zwar einen
großen. Die Welt und die israelische Bevölkerung wird langsam die
Grausamkeit dieser Mauer begreifen. Gleichzeitig haben wir das Leben
unserer Leute vor den Soldaten geschützt und den Widerstand der Gruppe
vergrößert.“
Hunderte israelischer
Unterstützer, die sich dem Kampf der Bewohner Bil’ins angeschlossen
haben, wurden zu einer wirksamen Kraft. Wenn Soldaten nachts das Dorf
überfallen, sehen sie sich israelischen Bürgern gegenüber, die jede
Menschenrechtsverletzung dokumentieren und dies den Medien und
relevanten Behörden melden.
Bei einer Gelegenheit
führten die Soldaten zwei junge Leute ab und brachten sie vor Gericht;
aber Dokumentationen und Photos israelischer Unterstützer hatten ihre
Entlassung zur Folge.
Shai Carmeli, ein
37järiger Filmemacher, der aus Solidarität mit den Menschen von Bil’in
kam, erklärte: „Vor ein paar Tagen fiel die Armee ins Dorf ein und
begann damit, Häuser zu zerstören. Ich wählte eine besondere Nummer des
Militärs, die sich mit Berichten von Übertretungen der Armee befasst.
Ich berichtete den Behörden Einzelheiten von dem, was die Soldaten
machten. Kurz danach verließen die Soldaten das Dorf.
„Ich wurde gefragt, ob
die Bewohner sich weigerten, die Türen zu öffnen und so die Soldaten
zwangen, sie mit Gewalt zu öffnen. Ich antwortete, dass die Soldaten die
Türen aufbrachen, ohne zu klopfen und zu warten, bis man ihnen öffnet,“
fügte er hinzu.
Die Nachrichten über
die von Bil’ins Bewohnern benützen friedlichen Methoden ( des
Widerstands) wurden in der ganzen israelischen Gesellschaft vernommen.
Eine Zeitung berichtete von den Dorfbewohnern Bil’in als den „neuen
Ghandi-Anhängern“. Das hat eine bemerkenswerte Wirkung auf die
Soldaten, die ihr Gewaltpotential angesichts der gewaltfreien
Demonstrationen, an denen immer mehr ihrer Landsleute teilnehmen,
reduziert haben. Die israelischen Soldaten haben die Kugeln durch
weniger Schädliches und Verletzendes ersetzt – durch Gas, elektrische
Knüppel und starke Lautsprecher.
Die ungewöhnlichen
Methoden der Dörfler von Bil’in werden in anderen Städten und Dörfern
nachgemacht, die ihrerseits mit Landenteignung, dem Mauer- und
Siedlungsbau konfrontiert sind.
„Wir haben kürzlich
Einladungen aus den Dörfern bei Marda erhalten, um ihnen beim
Organisieren allgemeiner Demonstrationen zu helfen, die die
Aufmerksamkeit der Medien und ausländischer und israelischer
Unterstützer auf sich ziehen und die Gewalt verringert,“ sagte Abu
Rahmeh, „dies kann ein neues Stadium im palästinensischen Kampf
darstellen.“
Mohammed Daragmeh
ist palästinensischer Journalist, Medientrainer und politischer Analyst.
Mit Genehmigung von
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