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 Im Zeichen einer ideologischen Krise! Israel nach Scharon
Abdul-Rahman Alawi
Dezember 2005

 

David Ben Gurion begriff bereits nach dem  Suez-Krieg 1956 gegen Ägypten, dass Israel keine von Arabern dicht bewohnten Gebiete besetzt behalten kann, weil dadurch der zionistische Charakter des „jüdischen Staates“ zerstört werden kann. Jezhak Rabin gelangte zu dieser Erkenntnis, erst nach dem Scheitern seiner Politik gegenüber der ersten Intifada. Damit war der Weg für die Osloer Vereinbarungen zwischen der PLO und Israel geebnet. Scharon kam zu derselben Erkenntnis erst nach dem Scheitern seiner Politik in den besetzten Gebieten.

 Mit etwa 7500 jüdischen Siedlern im von mehr als 1,3 Mill. Palästinensern bewohnten Gaza, war eine jüdische Besiedlung nach 38 Jahren gänzlich gescheitert. Die Räumung der Siedlungen war die logische Folge. Scharon verkaufte diese Maßnahme, als einen ersten Schritt zur weiteren Evakuierung von jüdischen Siedlungen in der Westbank.

 Die gewaltige Ausweitung der Siedlungen um Jerusalem spricht jedoch dagegen. Zug um Zug mit der Räumung der Siedlungen aus Gaza beschlagnahmte Israel 62 000 Dunam palästinensisches Bodens in der Westbank, um die Siedlung Ma’ale Adumim auszubauen. Diese Siedlung, 14 km tief in der Westbank, mit einem Ring von Siedlungen östlich von Jerusalem, spaltet die Westbank faktisch in zwei getrennte Teile und schneidet Jerusalem von der Westbank ab. Der Siedlungskomplex um Jerusalem ist somit größer als die Fläche des Gazastreifens.

 Der völkerrechtlichwidrige Bau der Trennungsmauer geht ungeachtet des Urteils des internationalen Gerichtshofes in Den Haag unvermindert weiter und verschlingt weitere Teile palästinensischen Bodens.

  

Das demographische Problem

 Scharon hat sich nicht zu Friedenstaube verwandelt. Der demographische Faktor zwang ihn zur Revision einer der wichtigsten Säulen der zionistischen Ideologie. Der Zionismus bediente sich des Mythos’  „Land ohne Volk“. Israel gelang es 1948 über 800000 Palästinenser aus dem den Israelis von der UNO zugewiesenen Gebiet zu vertreiben, übrig blieben nur noch etwa 300000.

 Die Eroberung des gesamten Heiligen Landes 1967 und  die neue große Einwanderungswelle, der Oktoberkrieg und die palästinensische Intifada  konfrontierten die israelische Gesellschaft mit einer Reihe nicht bis Ende durchdachter Fragen. Zum Beispiel, wie kontrolliert man mehr als drei Millionen Palästinenser in der Westbank und Gaza (heute 3,6 Mill.). Mit den Palästinensern in Israel selbst machten sie ca. 40% der Einwohner Israels aus. Eine Vertreibung wie im Jahr 1948 konnte sich nicht wiederholen. Ein ernsthaftes demographisches Problem!

 Das demographische Problem, d.h. der Anteil der Nichtjuden (22,8%) in Israel, beschränkt sich nicht nur auf Nichtjuden im „Judenstaat“. Dieses Problem wird verschärft durch die Heterogenität der jüdischen Gemeinden, die aus verschieden Kulturkreisen kommen.

 Israel ist ein Einwanderungsland. Ihre Einwohner stammen aus mehr als 40 Ländern und sprechen  neben der hebräischen und arabischen 15 verschiedene (Mutter-)Sprachen. Alleine aus dem arabisch-islamischen Kulturkreis stammen 42% der Juden in Israel, die restlichen 35,2% kommen aus dem Westen und anderen Teilen der Welt. Das heißt, dass über 60% der jüdischen Bevölkerung in Israel mit Sicherheit, vor der Einwanderung nach Israel, weder eine Erfahrung mit dem Holocaust noch mit dem Zionismus hatte.

 Das beharrliche Leugnen der Heterogenität der israelischen Gesellschaft, dient der Behauptung, dass alle Juden per Naturgesetz Zionisten sind und das Recht auf Rückkehr in das Heilige Land besitzen. Die zionistischen Ideologen versuchten auch das Holocausttrauma der Juden im Dritten Reich als kollektive Erfahrung der Juden in der ganzen Welt darzustellen.

 Es galt eine gemeinsame Identität zu entwickeln. Diese Identität müsste geschichtlich und politisch hergeleitet werden. Die zionistische Idee sollte dafür eine Plattform bieten basierend auf den traumatischen Erfahrungen der Verfolgungs- und Vernichtungsjagd in Europa. Eine Studie, die dem 28. zionistischen Kongress vorgelegt wurde, belegte, dass 1971 etwa 9% der weltweit (außerhalb Israels) 8,3 Mill. registrierten Juden aktive Zionisten waren. Antizionistische Juden, finden sich nicht nur unter religiösen Gruppen, wie Natura Charta. Die Zahl der Juden, die den Zionismus als Ideologie ablehnen und ihre Durchführung anprangern, nimmt zu. Damit wird die Behauptung, dass jeder Jude automatisch ein Zionist ist, widerlegt.

 57 Jahre nach der Ausrufung des Staates, hat Israel keine definierten Grenzen, keine Verfassung und keine homogene Gesellschaft. Der Staat Israel wird von der Öffentlichkeit in Europa und Amerika als Transformation des Zionismus und als Antwort auf die Pogrome der europäischen Mächte insbesondere in Nazi Deutschland wahrgenommen. Die zionistische Bewegung entstand in Europa, ihre Gründungsväter waren europäische Juden. Die ersten Einwanderungswellen nach Palästina kamen aus Europa, und die politischen und militärischen Eliten des neuen Staates waren europäischer Abstammung. Erst nach der Ausrufung  des jüdischen Staates kamen Juden aus der Arabien und anderen Teilen der Welt -  Juden, die vom Holocaust der europäischen Juden nichts wussten und keine Erfahrung mit ethnischen oder religiösen Verfolgungen hatten, Juden, die einem anderen Kulturkreis angehörten, die andere Sitten und Gebräuche pflegten.

 Eine homogene Gesellschaft konnte bis heute nicht realisiert werden. Die westlichen Juden dominieren das politische und wirtschaftliche Leben. Die Siedlerbewegung besteht vorwiegend aus westlichen Juden. Der äußere Feind war bisher der verbindende Faktor. Die Trennlinien der israelischen Gesellschaft laufen entlang der ethnischen und kulturellen Herkunftsländer.

 In diesem Zusammenhang bekommt der Bau der Trennmauer eine ideologische Bedeutung. Auch wenn das Vokabular „Sicherheitszaun“ von israelischer Seite verwendet wird, ist das Wort „Sicherheit“ in israelischem Konntest  ein Synonym für „Existenz“. Die Trennmauer soll den jüdischen Charakter des Staates sichern.

 Dennoch hat Scharon mit dem Bau der Mauer dem Staate Israel Grenzen gesetzt. Sein Zionismus hinderte ihn jedoch daran, die Hand den Palästinensern entgegenzustrecken.

  

„Geographie für Demographie“

 Die Parole der gescheiterten Osloer Friedensbemühungen „Land für Frieden“ sollte die demographische Bedrohung eindämmen. Auch die Räumung des Gaza-Streifens geht in diese Richtung, der geographische Faktor wird dem demographischen Faktor untergeordnet. Es ist daher zutreffender, die einseitigen Operationen der israelischen Regierung in „Geographie für Demographie“ umzubenennen, statt „Land für Frieden“.

 Israel will kein „Land mit Volk“ behalten. Deshalb wurde Gaza geräumt. Shimon Peres beteiligte sich an Scharons Regierung, damit die Räumung der Siedlungen in Gaza realisiert wird. Sein Übertritt von der Arbeitspartei in die von Scharon gegründete Partei „Kadima“ ist eine logische Folge. Sie stehen beide an der Spitze eines Sammelbeckens für diejenigen Zionisten, die sich um den jüdischen Charakter Israels sorgen. Mit dem Abwerfen der Außenhaut  „Likud“ entledigte sich Scharon Jener, die noch weiter an die Durchsetzung der Fundamente des Zionismus, Geographie plus Demographie, festhalten.  Mit dem Ausscheiden Scharons aus der aktiven Politik, geht der letzte Gründungssoldat von Bord.

 Beide Richtungen streiten sich noch um die Wege für die Sicherung der Existenz des „jüdischen Staates“. Der Frieden mit den Palästinensern steht noch nicht auf der israelischen Agenda. Die nächste Generation muss sich damit auseinandersetzen.

 

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