Texte von
Abdallah Frangi, Generaldelegierter Palästinas in
Deutschland
"Die
Palästinenser streiten nicht mit Arafat"
Abdallah Frangi, PLO-Vertreter in Deutschland, über Machtkämpfe und
Reformen
Interview: Andreas Schwarzkopf
Können sich
Palästinenser nicht selbst regieren?
Frangi:
Es ist schwer. Wir haben von 1993 bis 2000 regiert - bis zum Anfang
der Konfrontation, der Intifada. Dann begannen die Israelis damit
die Sicherheitsstruktur und die Infrastruktur zu zerstören. Das hat
unter anderem zu einer Arbeitslosigkeit von 70 Prozent geführt.
Solange wir im Würgegriff der Besatzer sind, solange diese
abnormalen Zustände herrschen, solange werden wir uns nicht optimal
entwickeln können.
Haben die Palästinenser nicht auch Fehler gemacht?
Frangi: In den vergangenen vier Jahren waren die
Palästinenser aufgrund der Umstände nicht mehr in der Lage, ein
politisches Konzept zu entwickeln und dieses umzusetzen.
Palästinenserpräsident Yassir Arafat wirkt nach seinem Rückzieher
bei der Besetzung des Postens des Polizeichefs konzeptionslos und
angeschlagen. Wer wird den Machtkampf für sich entscheiden und damit
Nachfolger Arafats?
Frangi:
Arafat wird
weiter hin die Palästinenser führen. Die Palästinenser streiten sich
nicht mit Arafat.
Dennoch wird als Nachfolger immer wieder der Name des
Ex-Sicherheitschefs Mohammed Dachlan genannt, der von den USA, der
EU und Israel als Reformer geschätzt wird. Ihm unterstellen viele,
dass er der Strippenzieher der Demonstrationen des Wochenendes sei.
Frangi: Ich sehe das nicht so. Es ist kein Machtkampf. Es ist
ein Generationenkonflikt. Dachlan ist nicht gegen Arafat, die Leute
auf der Straße sind nicht gegen Arafat. Die Leute sind gegen die
Verantwortlichen im Sicherheitsapparat. Der Konflikt läuft zwischen
den Jungen auf den Straßen, die dort das Sagen haben. Sie glauben,
man könne die Besatzer nur mit militärischen Mitteln vertreiben. Die
alte Garde in den Führungspositionen hingegen hat noch nicht
resigniert und will einen eigenen palästinensischen Staat mit der
Diplomatie erreichen.
Wenn es keinen Machtkampf gibt, warum drohte Ministerpräsident
Achmed Kureia mehrfach mit Rücktritt, bevor er am Dienstag sagte, er
wolle weiter machen?
Frangi: Für mich ist das ein Zeichen, dass Kureia mit Arafat
redet und streitet. Das zeigt, dass sich unser System in Richtung
einer Demokratie entwickelt. Aber am Ende werden sich Arafat und
Kureia auf eine Politik verständigen, die uns voranbringt.
Die Palästinenser gingen auch gegen die Korruption auf die
Straße. Wann wird sie beseitigt?
Frangi: Die Korruption wird bekämpft. Es ist aber wichtig,
dass die Menschen darüber reden. Es ist aber kein Konflikt um die
Korruption, die es hier und da gibt und die einige wenige Menschen
betrifft. Es ist nichts anderes als das, was auch hier in den
Städten und Ländern passiert. Nur mit dem Unterschied, dass
Deutschland Institutionen hat, die korrupte Leute zur Rechenschaft
ziehen.
Einer Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge
hat Arafat alleine zwischen 1995 und 2000 Steuern auf Benzin und
Tabak sowie Einkünfte aus den von ihm kontrollierten Unternehmen der
Palästinenserbehörde am Haushalt vorbeigeschleust. Demnach wurden
898 Millionen Dollar auf geheime Konten eingezahlt, auf die nur
Arafat Zugriff hat.
Frangi: In aktuellen Berichten loben uns der IWF und die EU
für die Reformen in den palästinensischen Gebieten. Auch von anderen
Geberländern bekommen wir gute Noten. Fest steht auch, dass die
Mittel der EU und der Geberländer etwa für den Aufbau der
Infrastruktur ausgegeben werden, auf keinen Fall missbraucht werden.
Denn die Geberländer betreuen das Geld. Die Palästinenser bekommen
es gar nicht in die Hände.
Experten berichten immer wieder, man sehe im Gaza-Streifen kaum
etwas von dem Aufbau der Infrastruktur, vom Neubau von Schulen und
Straßen.
Frangi: Die Infrastruktur wird von den Israelis zerstört. Sie
haben die Straßen zerstört, sie haben den Flughafen bombardiert, sie
haben den Hafen kaputt gemacht, sie haben die Landwirtschaft
ruiniert. Das ist das Tragische.
Die Menschen gingen auch für eine Reform des Sicherheitsapparates
auf die Straße. Wann kommt es zu dieser Reform, die auch vom
Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts (USA, EU, UN und Russland)
gefordert wird?
Frangi: Dieser Reformprozess darf nicht gestoppt werden. Wir
müssen uns in unseren Gebieten weiterhin darum bemühen, dass dieser
Prozess vorangebracht wird.
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