Eine andere Stimme
aus Sderot
Naomi Tzion, 9.8 08
www.othervoice.org
‚Nein
zum Schweigen und zu Gewalt, ja zu fortgesetzter Waffenruhe, ja zum
Dialog und guter Nachbarschaft.’ Die Unterstützer des Dialogs
zwischen Sderot und der Gazagrenzregion hielten eine Fahrradtour und
sprachen mit den palästinensischen Nachbarn vom Gazastreifen und
Sajaiya – über Telefon.
Etwa 150 Erwachsene und Kinder – die meisten aus der Stadt Sderot
und einigen anderen Grenzorten machten am Freitagmorgen, den 8.
August eine Fahrradtour von Sderot zum Kibbutz Kfar Azza . Der
Höhepunkt war eine Rallye mit dem Slogan „Nein zum Schweigen und zu
Gewalt, ja zu fortgesetzter Waffenruhe, ja zum Dialog und guter
Nachbarschaft. Die Organisatoren, Mitglieder der Gruppe „eine
andere Stimme“ aus Sderot, hatten dieses Ereignis mit ein paar
hundert benachbarter Palästinensern aus Gaza und Sajaiya
koordiniert. Sie beabsichtigten, von der Gazaseite aus an den
Grenzzaun zu kommen, aber die kürzlichen innerpalästinensischen
Spannungen verhinderten dies. Es war aber ein freundschaftliches
Telefongespräch mit Dr. Akram Ijlah möglich.
Vor etwa einem halben Jahr als die Qassamraketen auf Sderot
niedergingen, riefen viele Bewohner von Sderot dazu auf, Gaza von
der Landkarte zu löschen. Doch gab es in der Stadt eine Gruppe
Bewohner, die etwas anderes sagten. Naomi Zion (Chefin der Gvanim
–Gesellschaft, die aktiv am sozialen Leben der Stadt beteiligt ist),
Arik Tellin ( der die Fahrradtour und Rallye organisierte), der
Sänger Micha Biton ( der mit seinen Friedensliedern die Zuhörer
bewegte), die Computerexpertin Ariella Elbaz, Zohar Avitan (Rektor
des vor-akademischen Zentrums des Sapir-Kollegs) und Liora Elon
(Bildungskoordinatorin) sammelten noch zusätzliche 30 Aktivisten,
die einen Dialog und die Feuerpause mit den Palästinensern
unterstützen. Allmählich verdoppelte sich die Anzahl.
Sie fanden palästinensische Partner, suchten über das Internet, dann
über Telefon Kontakt, verbanden die Telefone auf beiden Seiten mit
Lautsprechern und machten es so ganzen Gruppen möglich, an den
Gesprächen teilzunehmen. Zunächst wurden die Gespräche in englischer
Sprache gehalten, dann gingen die grenzüberschreitenden Gespräche
auf arabisch weiter. Dies kam mit Hilfe von Avi Farhan, einem
früheren Siedler im Gazastreifen, zustande. In diesem Stadium wurde
alles noch vertraulich gegenüber Öffentlichkeit und Medien
durchgeführt.
Vor einem Monat, als die Waffenpause begann, entschied die
„andere Stimme“ in die Öffentlichkeit zu gehen. Mitglieder der
Gruppe wählten absichtlich den Tag, an dem die Olympiade 2008
begann. Es war ein Zeitpunkt, an dem schon im antiken Griechenland
die Kriege stoppten und man zur Zusammenarbeit ermutigt wurde. Die
Organisatoren planten eine Fahrradtour entlang der Gazagrenze und
eine Begegnung mit den palästinensischen Nachbarn über die Grenze
hinweg. Man veröffentlichte diese geplante Aktion in den Medien
unter Leuten, die ähnlich dachten, auch im Norden des Landes.
Zu
der Tour kamen dann noch Friedensaktivisten aus Mevaseret, einem
Vorort Jerusalems und aus anderen Gemeinden im Zentrum und im
Norden des Landes, die am Anfang des Jahres mit fünf Konvois ihre
Solidarität mit Sderot ausdrückten und die mit der schon erwähnten
Naomi Tzion koordiniert wurden. Die Fahrradtour ging über 10 km
weit. …Am Ende fand bei Kfar Azza ein großes Picknick statt und eine
Rallye auf einem Hügel, von dem man nach Gaza und Sajaiya blicken
kann. Hinter dem Podium war ein großes Poster auf dem auf Hebräisch,
Arabisch und Englisch zu lesen stand „Hallo Gaza – hier ist Sderot!“
Die Moderatorin Naomi Tzion las das traditionelle Passahlied „Had
Gadia!“ vor, dem noch andere aktuelle Worte hinzugefügt wurden.
Zohar Avitan von Sderot sagte: „Leute wie wir
werden oft für naiv gehalten, aber die wirklich naiven Leute sind
jene, die denken, dass solch ein Konflikt nur mit
Gewalt gelöst werden kann.“ Avitan erinnerte auch daran,
dass die Olympischen Spiele in Athen mit dem Lied zweier
griechischer Sängerinnen eröffnet wurden: „ Achtung fertig!
Waffenstillstand!“ der Sänger Micha Biton aus Sderot bewegte die
Anwesenden mit seinen Friedensliedern. …
Liora Elon aus Kfar Azza erinnerte sich an eine Nacht, in der Gaza
von Panzern schwer bombardiert wurde. Da wurde ihr bewusst, dass
einer der Panzerkommandeure ihr Sohn war. Sie rief ihn an und sagte
ihm, dass er so den Schlaf seiner Eltern störe. Erst danach wurde
ihr klar, wie engstirnig, leichtsinnig und oberflächlich sie über
das Leiden derer dachte, das ihr Sohn und seine Kameraden auf der
anderen Seite verursachte. …
Als sich Liora Elon der Gruppe der „Anderen Stimme“ anschloss
und sich an den Telephongesprächen mit den Leuten in Gaza
beteiligte, bekam sie eine Antwort: Die Gruppe „die andere Stimme“
ist eine Stimme, die beide Regierungen dazu aufruft, sofort für eine
anhaltende Feuerpause zu handeln , um zukünftige Gewalt zu
verhindern. Ist das nicht der allgemeine Wunsch von uns allen?’
Wie erwähnt, konnte das grenzübergreifende Treffen wegen
innerpalästinensischer Unruhen leider nicht – wie geplant -
stattfinden. Der Höhepunkt der Rallye war dann wenigstens ein von
Lautsprechern verstärktes Telefongespräch zwischen Arik Yellin und
Dr. Akram Ijlah, einem 40 jährigen Wirtschaftswissenschaftler, der
an der Genfer Initiative 2003 beteiligt war. Dr. Ijla wiederholte,
dass die Feuerpause nun 50 Tage gehalten hat und betonte, dass es in
Gaza einen Gesprächspartner gibt und dass er und seine Kollegen eine
Konferenz abhalten und eine Lösung ohne Gewalt vorschlagen wollen.
http://www.othervoice.org
(dt. Ellen Rohlfs)
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