Israels religiöse
Rechte und der Friedensprozess
Nicolas PELHAM
Es
würde kein Problem sein, die Bewohner des
Außenpostens von Amona als Radikale zu bezeichnen.
Im Februar 2006 führten sie die Proteste der 4000
Siedleraktivisten, (von denen einige bewaffnet
waren), gegen 3000 israelische Polizisten an, die
absichern sollten, dass auf Befehl neun illegale
„Siedler-Außenposten“ in der Westbank mit Bulldozern
abgerissen werden. Bei den folgenden
Zusammenstößen wurden 80 Sicherheitskräfte und 120
Siedler verletzt, mehr als beim sog. „ Disengagement“
(Rückzug) der Siedlungen im Gazastreifen. Diese
Kraftprobe (mit dem Militär) wurde für die
Westbanksiedler zum Symbol der Entschlossenheit, um
den Bemühungen des Staates, nicht genehmigte
Außenposten wie den ihrigen aufzulösen, zu trotzen.
„Wie erkläre ich meinen Kindern, dass die Armee,
die uns eigentlich schützen soll, sich wie unser
Feind benimmt“, klagt die Amona-Bewohnerin Irit
Levinger.

Das berühmte Foto der "Frau, die sich
allein gegen die israelischen Sicherheitskräfte
verteidigt" beim Amona-Siedlungsaußenposten in der
Westbank am 1. Februar 2006. Foto Oded Balilty,
Israel
Aber
was über die Siedler in Amona besonders
beunruhigend ist, ist nicht, wie weit sie sich von
der übrigen israelischen Bevölkerung entfernt haben
– ob geographisch oder politisch - sondern wie
sehr sie mit ihr verbunden sind. Sie sind
national-religiös d.h. sie sind fromme Juden, aber
nicht wie andere religiöse Juden sind sie auch
eifrige Anhänger des säkularen zionistischen
Projektes. Die National-Religiösen lassen
israelische Flaggen von ihren Laternenpfosten
flattern und dienen an vorderster Front in der
Armee. Sechs Monate nach der Konfrontation in Amona
folgte 2006 die Hälfte der Männer dieses
Außenpostens der Einberufung zum Libanonkrieg, und
einer der Bewohner war einer der neun israelischen
Soldaten, die im Gazakrieg getötet wurden. Außer
Offizieren gehören zu den Bewohnern
Universitätsdozenten, ein Polizist, Angestellte und
Anwälte. Levinger selbst ist Dozentin für Hebräisch
an einer Staatsuniversität. Zwei der Verletzten vom
Zusammenstoß mit der Polizei waren
Knessetabgeordnete einer größeren Siedlung in der
Nähe. Die national-religiösen Siedler mögen zwar
gegen den Staat agitieren, aber sie sind mit den
Machthebeln des Staates direkt verbunden und
profitieren von seinem Schutz.
„Außenposten“ ist ein irreführender Begriff. Er
assoziiert Bilder von Cowboys, die den
Naturelementen trotzen und ihre Feinde nach
Wildwest-Manier vertreiben. Die meisten Außenposten
in der Westbank sind gut ausgestattete
Wohnwagenplätze neben Grundstücken, auf denen
Häuser mit roten Dächern stehen, die auf Geheiß und
auf Kosten des Staates oder mit privatem Geld und
mit Zustimmung des Staates gebaut wurden. Die
meisten sind verbunden mit dem Wasser-, Strom- und
Straßennetzwerk und können sich auf ihre Nachbarn
verlassen, dass sie mit protestieren, wenn Agenten
des Staates an die Türen ihres Caravan klopfen. Sie
sehen so aus, wie viele Siedlungen vor ein oder zwei
Jahrzehnten aussahen, ja wie die Städte innerhalb
Israels nach den Eroberungen 1948 aussahen. Sie sind
Symbole für das Vordringen des Zionismus.

Ein jüdischer Siedler betet bei Sonnenaufgang an
der Stelle eines früheren Außenpostens nahe Nablus.
Trotz internationaler Empörung und israelischer
Zusicherung, die Außenposten, die nach der Road Map
von 2003 errichtet wurden, aufzulösen, sorgen sich
nur wenige Außenpostenbewohner um ihre Zukunft. Vor
kurzem bestimmte der Verteidigungsminister Ehud
Barak 22 Außenposten für die Auflösung „ innerhalb
von Wochen“. Das war im Mai. Noch stehen alle.
Die
Siedlerbewegung scheint ähnlich nicht beunruhigt zu
sein durch den zeitweiligen Siedlungsstop, den
Ministerpräsident B. Netanyahu Ende August gegenüber
Obamas US-Sondergesandten George Mitchell als
Beschwichtigung zur Sprache brachte, um
„vertrauensbildende Maßnahmen“ Israels gegenüber
seinen arabischen Nachbarn abzusichern. Die
Durchführung vergangener Baustopps ist minimal
gewesen und Netanyahus Angebot - einer neunmonatigen
Unterbrechung - wurde mit genügend früheren
Baugenehmigungen für ein volles Jahr verknüpft. Der
Vorschlag des Baustopps war also weniger ein
Damoklesschwert ( für die Siedler) als ein Beruhigen
ausländischer Schreier. [Es ging noch ein Hick-
Hack um einen Baustopp oder ein Weiterbauen von
bestehenden Baustellen, AdÜ] Nun ist es
Bulldozern vom Wohnungsministerium weiter erlaubt,
die Hügelkuppen des Heiligen Landes weiter für
Siedlungen vorzubereiten.

Havat Gilad wurde von Itay Zar
gegründet, nachdem sein Bruder Gilad von einem
bewaffneten Palästinenser erschossen worden war. Zar
sagt, der Außenposten stehe auf Land, das sein Vater
Moshe Zar gekauft hatte, einem bekannten
Land-Dealer, der selbst verurteilt wurde, weil er
zum jüdischen Untergrund gehörte, der in den frühen
80ern Palästinenser getötet und verletzt hatte.
Das demographische
Gewicht
Auf
den ersten Blick ist es gar nicht so einfach, den
Erfolg der Westbanksiedler zu erklären. Zahlenmäßig
stellen sie, einschließlich der 200 000 Siedler im
illegal annektierten Ostjerusalem nur 4% der
israelischen Bevölkerung dar. Diese ist dagegen oft
über den unverhältnismäßig hohen Verbrauch des
nationalen Vermögens (durch Siedler) verärgert. Nur
1% lebt im Kernland des mutmaßlich zukünftigen
palästinensischen Staates, also östlich der
Trennungsmauer, die Israel in der Westbank gebaut
hat. Von diesen haben Tausende, meistens Säkulare,
ihr Interesse bekundet, für finanzielle
Entschädigungen nach Westen – ins israelische
Kernland zu ziehen. Einige haben die Siedlungen
schon verlassen, weil sie sich geographisch
isoliert nicht wohl fühlten oder weil sie die Gewalt
der zunehmenden Religiosität der Siedler fürchten.
Den
Rest umzusiedeln, scheint ein geringer Preis zu
sein, der Israel die weltweite Schande ersparen
würde, wenn es das Siedlungsprojekt weiter aufrecht
erhält und ausbaut.
Doch
intern ist die Siedlungsbewegung – mit den Worten
des früheren Westbank-Armeekommandeurs – Israels
stärkste Lobby. Aus Angst vor weiteren
Konfrontationen wie in Amona mit den führenden
Ideologen des Zionismus, wagen nur wenige
israelische Politiker, sich mit der Bewegung
anzulegen. Sie wächst schnell: Der Abzug der
Säkularen aus der Westbank (doch nicht aus
Ost-Jerusalem) ist durch den expandierenden harten
Kern der Bewegung der National-Religiösen mehr als
aufgeholt worden, die von Anfang an die jüdische
Besiedlung des biblischen Landes als heilige
Pflicht ansehen. Zusätzlich hat sich die Bewegung
mit Israels ultra-orthodoxen und traditionell
nicht-zionistischen Gemeinden wegen dringendem
Platzmangel für ihre großen Familien verbunden.
Damit haben die Siedler den am langsamsten
wachsenden Sektor der israelischen Gesellschaft, die
säkularen Juden, aufgegeben und sich mit den beiden
am schnellsten wachsenden verbunden. Die Bevölkerung
der Westbanksiedler (außer der des besetzten
Ostjerusalems) hat sich verdreifacht: von 105 000
vor dem Osloabkommens 1992 auf über 300 000 von
heute.
Ein junger Siedler spielt die Rolle eines
großen Rabbiners und unterhält so die Kinder eines
Außenposten.
Die
Bevölkerungsexpansion hat der Siedlerbewegung einen
stärkeren religiösen Anstrich gegeben. Maale
Ephraim, eine Siedlung an den steilen Abhängen des
Jordangrabens, deren säkulare Bevölkerung weitgehend
von hier wegmöchte, hat eine Hesder Yeshiva
gegründet, eine Schule, die religiöse Studien mit
militärischem Training verbindet. Und im Tal unten
hat eine national-religiöse Gemeinschaft Yitav,
eine einst säkulare Gemeinschaft, vollkommen
übernommen. Die Caravan-Orte, die inzwischen in der
ganzen Westbank verstreut liegen, sind auch
Kennzeichen für die wachsende national-religiöse
Stärke des Siedlungsunternehmens; dazu kommt die
Bereitschaft der National-Religiösen, der Ideologie
eine größere Priorität als der Lebensqualität zu
geben. In der Nachbarschaft von Nokdim, nahe
Bethlehem, z.B. haben 30 Paare Wohnwagen auf eine
Hügelkuppe gestellt. Der letzte Zustrom hat aus
einer Gemeinde, die zu gleichen Teilen aus
säkularen und religiösen Familien bestand, nun eine
vorherrschend religiöse Siedlung gemacht. Der Gush
Etzion-Block, zu dem Nokdim gehört, hat keine
säkulare Schule. Wie andere lehrt sie, dass die
Bibel ein von Gott gegebenes Grundbuch ist, wie
einer der Lehrer es ausdrückt.
Auf
Grund der billigen Wohnungen und subventionierten
Hypotheken wächst die ultra-orthodoxe Bevölkerung
viel stärker, besonders in den Trabantenstädten
Jerusalems. Beitar Illit, nahe Bethlehem, ist in
etwas mehr als einer Dekade zu einer Stadt von 40
000 Bewohnern angewachsen. Auf Hügeln westlich von
Jerusalem wurde 1996 Modiin Illit errichtet. Sie ist
nun die größte der Siedlungen, und man plant, dass
bis 2020 150 000 Menschen dort wohnen werden. Das
Bauen hält kaum Schritt mit der Nachfrage und bringt
die Familien immer weiter in die Westbank hinein.
Der Zustrom hat die traditionelle Distanz der
Ultra-Orthodoxie zum arabisch-israelischen Konflikt
durch Verbundenheit mit dem Land ersetzt, das jetzt
„Heimat“ ist.
Ultra-orthodoxe Anwälte sind genau so lautstark wie
die National-Religiösen beim Protest gegen das
Einfrieren des Siedlungsbaus. Der stellvertretende
Ministerpräsident Eli Yishai, Führer der Shas-Partei,
hat dazu aufgerufen, vier weit entfernte
Westbank-Siedlungen wieder aufzubauen, die Israel
2005 aufgelöst hatte.

Fast jeden Tag begeben sich Rabbiner Elishana Cohen
und seine Gruppe Studenten illegal nach Homesh,
einer der zerstörten Siedlungen im Norden der
Westbank, um dort zu beten und die Thora zu
studieren.
Das
demographische Gewicht der frommen Juden ist
innerhalb Israels wie auch in den Siedlungen
angewachsen. Von den Rabbinern angespornt, sich zu
vermehren, heiraten die Religiösen jünger und haben
mehr Kinder als ihre säkularen Gegenüber und ziehen
drei Generationen groß, während die säkularen
Israelis nur zwei Generationen groß ziehen.
„Normalerweise solle man die Hochzeit nicht über das
Alter von 20 Jahren verzögern“, rät Yaacov Yosef,
Leiter der Hazon Yaakov Yeshiva und Sohn des
geistigen Shasführers Rabbi Ovadia Yosef. Nach den
Daten der Umfrage von 2007 schätzt das
Israel-Demokratie-Institut dass 8 % von Israels
jüdischer Bevölkerung von über 50 und 32 % der
Bevölkerung zwischen 18 und 30 entweder
ultra-orthodox oder national-religiös sind. Im
Gegensatz dazu haben die säkularen jüdischen
Israelis von 23% auf 17 % in der Bevölkerung in
einem Jahrzehnt abgenommen, sagt das Institut.
Zahlenmäßig stellen die 1,5 Millionen religiösen
Juden in Israel selbst eine Basis für moralische
und logistische Unterstützung für die Vorhut in den
Siedlungen dar und natürlich auch bei den Wahlen.
„Wir haben mehr Anhänger in der Armee innerhalb der
Grünen Linie als in der Westbank“, sagt Yisrael
Ariel, ein Assistent von Rabbi Yitzhak Ginsburgh,
dessen militante Reden die Ultra-Orthodoxen genau so
anzieht wie die national-religiösen. „Sie helfen
uns, Waffen zu bekommen.“
Die
säkularen Juden versuchen, die religiöse Welle
aufzuhalten, die über ihren Stadtteil, die Schulen
ihrer Kinder und am Shabbat sogar über die Straßen
schwappt, wenn Fromme den Verkehr zu stören
versuchen. … Inzwischen haben Zehntausende von
säkularen Jerusalemer Bürgern die Stadt verlassen
und sich in der Küstenebene niedergelassen und so
die Ultra-Orthodoxen nach einem Jahrhundert
zionistischer Besiedlung allein gelassen. Sie sind
nun mit den national-religiösen die größte Gemeinde
und die Drahtzieher im besetzten Ost- und
West-Jerusalem.
Sogar in der Küstenebene wächst die Zahl der
Frommen. Einige national-religiösen Juden haben ihre
Außenposten verlassen und siedeln im Herzen
Israels“, ein Prozess, der sich nach dem Herausholen
der ideologischen Siedler aus dem Gazastreifen auf
Befehl von Ariel Sharon beschleunigt. Angefeuert von
dem Motto „Nie wieder!“ errichten die
National-Religiösen Zellen in säkularen jüdischen
Städten als auch in Städten palästinensischer
Bürger, eröffnen Hesder Yeshivas und
Synagogen und stellen so eine jüdische
Vormachtstellung her. Während Israels säkulare
Universitäten Abteilungen zusammenlegen müssen, weil
zu wenig Studenten da sind, müssen die Hesder
Yeshivas vergrößert werden.

Viele Siedler haben sich zunehmend darauf
konzentriert, ihre Kräfte und Verehrung Heiligen
Plätzen wie Josephs Grab zu widmen, einem winzigen
Steinkomplex mitten in der palästinensischen Stadt
Nablus. Einmal im Monat kommt ein ganzer Bus voller
Siedler um Mitternacht unter schwerer Bewachung an.
Es ist ein Moment unvergleichlicher Freude für sie.
Politische
Einflüsse
Seit
1967 vom Staat verhätschelt, um Israels Einfluss
auf der Westbank zu zementieren, haben die Siedler
eine institutionelle Schlagkraft, die ihre
zahlenmäßige Stärke weit überschreitet. Sie sind in
der Regierungsbürokratie etabliert, im Rechts- und
Bildungssystem und vor allem im Militär, der
traditionelle Weg für soziale Aufstiegsmöglichkeiten
und das Rückgrat der israelischen Gesellschaft.
Während die Armee früher ihre Elitesoldaten aus den
säkularen Kibbuzen von Israels Gründungsvätern
holte, so kommen ihre Elitegruppen jetzt aus den
national-religiösen Reihen. Um National-Religiöse
anzuziehen und die Rate der sich freiwillig zum
Militär Meldenden zu erhöhen, was nach dem Einfall
in den Libanon 1982 geringer wurde, hat die Armee
eine Reihe von Hesder Yeshivas eröffnet, wo
Schulabgänger, außer dem Bibelstudium die Regeln des
Heiligen Krieges lernen. Die
Rekrutierungs-Statistiken sind nach Gruppen
geordnet. Yigal Ley, ein militärischer Analytiker an
Israels Offener Universität, schätzt, 40% der Leute
in Kampfeinheiten und im Corps der Junior-Offiziere
seien religiös. „ In den Militärrängen hat sich viel
verändert,“ sagt ein Armeenachrichtendienstoffizier.
„12 % der Bevölkerung beherrschen nun das
Armeekommando. Innerhalb eines Jahrzehnts werden sie
das Zentralkommando inne haben.“
Der
Einfluss der Siedler auf die Armeestrategie und
Führung ist ein Diskussionsthema. Während des
Gazakrieges 2008/2009 verteilten die Militärrabbiner
Flugblätter und begleiteten die Soldaten in die
Kampfgebiete, boten z.B. ihren Rat darüber an, ob
Sanitäter verletzte Palästinenser behandeln sollten.
„ Es war normal, Rabbiner mitten in Kampfzonen zu
sehen“, sagt einer der Soldaten, der im Gazastreifen
kämpfte. „Sie, die Rabbiner bereiteten uns auf einen
biblischen Kampf vor und stellte den Kampf nicht als
eine Schlacht dar, um die Qassams zu stoppen,
sondern als eine Heiligung des Heiligen Namens.
Keiner sagte dies direkt, aber sie wollten, dass wir
Sharons Rückzug aus dem Gazastreifen rückgängig
machen.“ Auf dem Schlachtfeld brüsteten sich die
Rabbiner auch mit der nationalen Moral. „Der
Feldzug ist ein Krieg gegen Amalek“, sagte Shmuel
Eliyahu, Safeds Chefrabbiner und Sohn des früheren
sephardischen Chefrabbiners Israel Mordechai Eliyahu,
bei einer Versammlung religiöser Jugendlicher.

Ein Sieder gießt Wein auf eine
palästinensische Frau auf der Schouhadastrasse in
Hebron
Auch
auf der Westbank behaupten National-Religiöse, dass
sie den Auftrag der Armee beeinflussen. Mit
Drohungen des Verteidigungsministers Barak, einige
der Außenposten aufzulösen, entschied ein
Rabbinerrat der Siedler, der vom Kiryat
Arba-Chefrabbiner Dov Lior geleitet wird, die
Siedler sollten solchen Befehlen nicht nachkommen.
Ein Armeekaplan wiederholte diesen Aufruf und
warnte, gewisse militärische Befehle seien illegal,
da sie das religiöse Gesetz verletzen. Während
Sharons Rückzug aus Gaza gab die Armeeführung Pläne
auf, Kampfeinheiten einzusetzen, in denen religiöse
Soldaten vorherrschend sind. Diese wurden also nicht
eingesetzt, um die Siedler wegzuholen, sondern nur
an den äußersten Rand um den Gazastreifen
stationiert. Aus Sorge um eine Teilung innerhalb der
Ränge hat Armeechef Gabi Ashkenasi wiederholt
versucht, den Auftrag Siedlungen aufzulösen, der
Polizei zuzuschieben. Auch wenn in Gaza die
Mannschaften sich bemerkenswert ordentlich
verhielten, haben Armeekommandeure vorgezogen, ihre
Truppen in den größeren und unkontrollierbareren
Siedlungen in der Westbank nicht auf ihre Loyalität
zu testen. „Ihre Verpflichtung gegenüber den IDF und
ihrer Verpflichtung gegenüber einem speziellen
Rabbiner könnte für die Soldaten und Offiziere zu
einem großen Dilemma führen“, sagt ein
Reservegeneral, der das Verteidigungsministerium
über die Außenposten berät. „Es gibt einige
Rabbiner, die sehr großen Einfluss haben.“ Sollte
Barak den Befehl geben, einige Außenposten zu
räumen, schreibt Israel Harel, ein früherer
Yesha-Ratsführer in der Tageszeitung Haaretz, dann
könne er damit Armee und Polizei zu einem Kollaps
bringen.“ [Yesha-Rat: Dachorganisation der
Gemeinderäte der Siedlungen in der Westbank, Judäa
und Samaria in der Sprache der Siedler, AdÜ]
Vor
Ort haben Soldaten oft interveniert, um bewaffnete
Siedler zu unterstützen, vielleicht weil anders als
bei Soldaten anderer Gegenden, die Siedler oft in
ihrer lokalen Einheit ihren Militärdienst
ableisten.. „Die Armee hilft uns, Synagogen bauen
und schießt, um Steinewerfer zu vertreiben“, sagte
ein national-religiöser Student, nachdem Siedler von
Bat Ayin nahe Bethlehem einen benachbarten Hügel
abgrenzten, indem sie ein Gebetshaus darauf bauten.
Achtzehn Palästinenser wurden verletzt. Östlich von
Bethlehem konfiszierten Soldaten die Werkzeuge von
Arbeitern, die einen von der USAID finanzierten
Park aufbauten, nachdem Siedler Anspruch auf eine
angrenzende frühere Armeebasis erhoben. „Wenn man
die Armee kontrolliert, kontrolliert man auch das
Land“, sagte der Rabbiner einer Synagoge im
muslimischen Viertel der Jerusalemer Altstadt.
Nachdem es den Siedlern nicht gelungen war, den
Rückzug aus Gaza zu verhindern und sie bei den
Wahlen 2006 vernichtend geschlagen wurden, gewannen
die religiösen und pro-Siedler-Politiker bei den
Wahlen 2009 wieder ihr Mandat. Von den 75
Parlamentariern in der Regierungskoalition sind 27
religiös; gemeinsam können sie ein Veto einlegen.
Während andere Parteien ihnen den Rücken zuwenden,
buhlt Netanyahu um die Stimmen dieser
schnellwachsenden Wählerschaft, macht vor der Wahl
Verabredungen mit der Shas, der größten
ultra-orthodoxen Partei, einschließlich der United
Torah Judaism, der ashkenasischen ultraorthodoxen
Partei in seiner Koalition und befördert
national-religiöse Figuren in den Rängen seiner
Partei. Unter Sharon war nur ein
Likud-Parlamentarier national-religiös; unter
Netanyahu sind es sechs, fast so viele wie in den
national-religiösen Parteien selbst. …In seiner
programmatischen Rede vom 14. Juni in Israels
nationalreligiöser Universität Bar Ilan ehrte
Israels Premier die Siedler „als integralen Teil
unseres Volkes, eine prinzipientreue, Pionierarbeit
leistende und zionistische Gemeinschaft.“
Angesichts Israels Koalitions –Kuhhandel
entscheiden sich Politiker aus anderen säkularen
Main-Stream-Parteien, sich ruhig zu verhalten als
diesen mächtigen Block gegen sich aufzubringen. ….
Die
religiöse Rechte hat auch einen großen Anteil in der
Bürokratie. National-religiöse Angestellte arbeiten
vor allem in der Zivilverwaltung, der militärischen
Körperschaft, die die Teile der Westbank beherrscht,
die unter direkter israelischer Kontrolle steht,
und zu deren Aufgabengebiet es gehört, die
Genehmigungen des Siedlungsbau zu erteilen und
Staatsland den Siedlern zuzuteilen. In der Justiz
wenden die ultra-orthodoxen Richter das religiöse
Gesetz (Halacha) in Angelegenheiten des
persönlichen Status an. In anderen Gerichten, wo die
Halacha nur eine Rechtsquelle ist, haben religiöse
Fraktionen gegen die überwiegend Säkularen Kampagnen
gestartet. Nach der Intervention des
national-religiösen Richters Minister Yaakov Neeman
2009 hat der Oberste Gerichtshof drei neue Richter,
zwei von ihnen orthodox, ernannt.

Mitglieder von Mishmereth Yeshiva, die "Wächter der
Juden von Judäa und Samaria" trainieren in einer
Schule in Yitzhar.
Das
Gesetz Gottes, das Gesetz zum Überleben
Die
einzige uneinnehmbare Bastion der Regierung ist der
Friedensprozess. Mit den Augen der religiösen
Rechten gesehen, dienen die Verhandlungen als
Plattform für ihre säkularen Kritiker, um ihre
eigene internationale Legitimität zu untermauern,
eine Kampagne zu führen, um die religiösen
Fraktionen intern und international zu dämonisieren
und ihre Ideologie und ihr Vermögen anzugreifen.
Die aus dem Gazastreifen abgezogenen Siedler wurden
z.B. auf öde, abgelegene Campingplätze
abgeschoben. Externe Vermittler haben wenig getan,
um den Friedensprozess inklusiver zu machen. Die
Genfer Initiative-Treffen, die von westlichen
Botschaften finanziert wurden, haben die religiösen
Teilnehmer ausgeschlossen. Kurz gesagt: in der
Dynamik des Friedensprozesses stehen die religiösen
gegen die säkularen Fraktionen, heizen einen
Gegenprozess an, in dem die religiösen Gruppen mit
beträchtlichem Erfolg als störende Elemente agieren.
Jeder neue Versuch einer Vermittlung von außen macht
Israels religiöse/säkulare Spaltung deutlicher.
Der
letzte US-Versuch einer Intervention macht
deutlich, welche Seite die Oberhand hat.
Staatliche religiöse Politiker, die weiter die
jüdische Herrschaft über die besetzten Gebiete
befürworten, bleiben gelassen, weil sie davon
überzeugt sind, das Pendel schlage zu ihren Gunsten
aus. „Israels säkulare Führer benötigen jetzt ein
Abkommen, weil sie wissen, dass nach weiteren drei
Jahrzehnten die ultra-orthodoxen und die
national-religiösen Juden in der Mehrheit sind“,
sagt Israel Zeira, ein national-religiöser
Unternehmer, der Häuserblock auf beiden Seiten der
Grünen Linie baut. „Die demographische Bedrohung,
das Land zu teilen, ist nicht nur eine arabische; es
ist auch eine jüdische.“
In
der Folge des Rückzuges aus Gaza haben einige
religiöse Gruppen radikalere Ansichten angenommen.
Sie sind genau so wenig bereit, ihre gepflegten
Luxuswohnungen in der Westbank aufzugeben wie die
Gründungseliten ihre Kibbuze innerhalb Israel. Eine
Minderheit ist bereit, mit allen Mitteln einer
Auflösung der Siedlungen zu trotzen. Einige, die
einst in den israelischen Staat investierten, um ihn
zu „erlösen“, sehen jetzt, wie er in Korruption
versinkt und sich vom biblischem Land zurückziehen
will. Aus Angst noch einmal auf die israelische
Regierung angewiesen zu sein, die sie verwirft,
haben sie sich mit autonomen Mechanismen
ausgestattet. Heute haben Siedlungen ihre eigenen
paramilitärischen Gruppen, die unter einem
Siedlungssicherheitsoffizier mit weitgehender
nomineller Armeekontrolle arbeiten. Sie haben auch
ihr eigenes Arsenal. „Ich muss mich gegen Juden und
Araber verteidigen“, sagt der Verantwortliche von
Kfar Tapuach, einer national-religiösen Siedlung.“
„Wenn jemand kommt und dein Haus angreift, dann
töte ihn! Das einzige Gesetz hier ist das des
Überlebens.“
Rabbiner haben ihre eigenen Schulen, Medien und
eigengesetzliche Gerichte, wo höhere Heilige Befehle
angewandt werden, die für ihre Gemeinden über den
Staatsgesetzen stehen. Einige Regeln betreffen das
tägliche Leben, andere die nationalen
Angelegenheiten. „Wir müssen das Land von Arabern
reinigen und sie dort ansiedeln, wo sie herkamen,
wenn nötig mit Geld. Wenn wir dies nicht tun, werden
wir nie Frieden in unserm Land haben“, meint Dov
Lior, der führende Rabbiner auf der Westbank.“
Immer weniger der Siedler erkennen die Autorität
der israelischen Regierung als höchste Instanz an“,
sagt ein früherer Chef der Zivilverwaltung, der
behauptet, dass während seiner Amtszeit sie seine
Angestellten zu bestechen versuchte und ihn und
seine Familie einschüchterte, nur um mehr Land zu
nehmen. „Wer ist Barak, der Order herausgibt, die
dem Gesetz Gottes widersprechen?“

Karte:
Siedlersoziologie, Dezember 2008: Religiöse/ säkulare
Siedler. Für das pdf
hier
klicken; s. die Siedlungskarte vom
Juni 2009 vom Peace Now-Siedlungsüberwachungsteam
hier.
Quelle :
Peace Now Map Centre
Da
sich einige Siedler vom Staat zurückziehen, nähern
sie sich der traditionellen ultra-orthodoxen
Haltung, die sich darum bemüht, den Staat auf
Abstand zu halten. Was sie betrifft, näherten sich
die Ultra-Orthodoxen in Bezug auf die Palästinenser
der Position der National-Religiösen. Umfragen
ergaben, dass die ultra-orthodoxen Juden die
Wählerschaft in Israel sind, die am meisten gegen
den Friedensprozess ist. In einer Umfrage im April
2008 unterstützten 82% der säkularen Israelis die
Zweistaatenlösung und nur 36 % der
ultra-orthodoxen. 28% der ultra-orthodoxen Israelis
unterstützten Verhandlungen mit der
palästinensischen Behörde, verglichen mit 69% der
säkularen. „Die Ultra-Orthodoxen haben eine
Wandlung durchgemacht von anti- bis
ultra-nationalistisch, unterstützen einige den
säkularen Zionismus wie z.B. den Besitz des
jüdischen Landes, auch wenn sie dies gar nicht
zugeben wollen“, sagt der Koordinator der Umfragen,
Tamar Hermann. Die Schlagzeilen auf der 1. Seite der
Jerusalem Post am 21. Juli 2009 beschreiben eine
Allianz der Agenden. „Siedler verbrennen Bäume,
blockieren Straßen, um gegen Zerstörungen (von
Siedlungen) zu protestieren“, ist die eine
Schlagzeile. Und darunter „Chefrabbiner Amar:
„US-Politik über Siedlungen widerspricht einem
Thora-Gebot.“ Ein ultra-orthodoxer Rabbiner, ein
Aufwiegler, Shlomo Dov Wolpo, warnt vor einem
religiösen Bürgerkrieg für den Fall, dass die
Regierung kapituliert und dem US-Druck auf
Siedlungsbaustopp erneuert: „Dann wird es einen
Krieg von Juden gegen Juden geben – wie beim
Amona-Pogrom. Es wird nicht wie in Gush Katif im
Gazastreifen sein, wo Juden ihre Gemeinden nicht
verteidigen konnten. Unsere Kinder werden mit ihrem
letzten Blutstropfen ihr Leben riskieren.“
Es
bleibt unklar, wie lange die Allianz zwischen den
Ultra-orthodoxen und den National-Religiösen halten
wird, sollte Israels Führung den Willen aufbringen,
noch einen strategischen Rückzug zu beginnen. Auch
wenn sie sich nicht wohl dabei fühlten, hielten sich
die ultra-orthodoxen Rabbiner während der
Gaza-Kampagne ruhig. „Sie waren mit mehr Yeshivas
gekauft worden“, sagte ein Yeshiva-Dozent in
Immanuel, einer ultra-orthodoxen Siedlung mitten in
der Westbank.
Aber
Gaza hatte keine ultra-orthodoxe Bevölkerung. In der
Westbank, wo sie die größte einzelne Siedlergruppe
darstellen, haben einige ultra-orthodoxe Sekten, -
einschließlich ein paar chassidische Bratzlav- und
Lubavitch-Gruppen – eine wichtige Rolle in
militärischen Rängen gespielt. Einige haben sich den
National-Religiösen angeschlossen, die die
„Preisschild-Politik“ vertreten: jeder staatliche
Schritt, der die Siedlertätigkeit einschränkt, wird
mit einem Angriff auf Palästinenser -einer leichten
Beute – beantwortet. Nach der Dezember-Vertreibung
von 2008 aus einem Hebroner Haus, schlossen sich
ultra-orthodoxe Studenten den Protesten an und
warfen Steine auf die Palästinenser, und zündeten
überall in der Westbank Moscheen an. Während des
Rückzugs aus Gaza verhafteten die Behörden
ultra-orthodoxe Studenten, die sich verschwört
hatten, den Felsendom mit Raketen zu beschießen.
Präzedenzfälle senden verschiedene Signale. Seit 30
Jahren hatte der Staat jede Schlacht beim Rückzug
gewonnen, vom Sinai bis Gaza. Aber 1995 feuerte ein
Jurastudent von Bar Ilan eine Kugel auf Jitzhak
Rabin ab, tötete ihn und half so mit, dass der
Oslo-Prozess scheiterte. Anschließend bekamen eine
Reihe ranghoher Kommandeure und Politiker, die für
den Rückzug waren, Morddrohungen, die von Rabbinern
sanktioniert waren, die behaupten, dass jeder, der
„jüdisches Land“ aufgibt, ein Verräter sei. Die
Wohnung von Stabschef Ashkenasi wurde verwüstet und
Kameras in der Wohnung eines anderen versteckt.
2008 riet ein Rabbiner in einer New Yorker
Yeshiva-Universität seinen Studenten, die ein
Jerusalemer Militärkolleg in der Altstadt besuchten,
den israelischen Ministerpräsidenten zu erschießen,
der über einen Rückzug aus Jerusalem verhandelt (
Nachdem ein Bericht im Internet darüber erschien,
hat er sich entschuldigt). Die Gewalt wird
zunehmend ein normales Phänomen. Am Tag, als in der
New York Times ein Artikel mit der Überschrift
veröffentlicht wurde: „Siedler werden widerstehen,
aber nicht kämpfen“ und den Havat Gilad-Außenposten
nannte, warf die „Hügeljugend“ des Außenpostens
Molotow-Cocktails und Steine auf israelische
Soldaten, machten ihr Militärfahrzeug fahrunfähig
und zündeten ein palästinensisches Feld an.
„Politische Führer, die für Konzessionen bereit
sind, riskieren, ermordet zu werden“, sagt ein
früherer Chef des allgemeinen Sicherheitsdienstes,
Israels interner Nachrichtendienst [Schabak,
Schin Bet genannt, Adü].

Emuna Zwi Yona badet
ihren Sohn im nicht genehmigten Außenposten von Maoz
Esther, das zum 7. Mal im September 2009 zerstört
wurde. Maoz Esther wurde nach Emunas Mutter benannt,
die bei einer Schießerei in der Nähe getötet worden
war. Die Siedler sind entschlossen, den Außenposten
wieder aufzubauen.
Die
Verantwortung abschieben
Das
Muskelspiel innerhalb und außerhalb der Regierung
hat die Möglichkeiten der religiösen Rechte nur
wachsen lassen. Trotz der seltenen externen
Übereinstimmung einer scheinbar entschlossenen
Obama-Regierung, einer unterstützenden
palästinensischen Behörde, der Arabischen Liga und
einer relativ ruhigen Hamas, konnte kein
Siedlungsbaustopp erreicht, geschweige denn die
Besatzung beendet werden.
Die
Alternative, die augenblicklichen Verderber zu
gewinnen, ist nicht verlockend. Kaum andere Gruppen
haben so viel getan, um den politischen Prozess zu
unterbrechen oder so offensichtlich den Willen der
internationalen Gemeinschaft zu missachten. Es gibt
keine Garantie, dass ein Sich-einlassen mit der
Siedlerbewegung sie nicht einfach weiter
ermächtigen, ihr sogar Legitimität verleihen
würde - ohne irgendetwas im Gegenzug zurück zu
erhalten.
Aber
eine Politik, die zuerst die Besatzung zurücknimmt
und die Siedlungen zuletzt, könnte vielleicht mehr
helfen als die augenblicklichen Bemühungen des
Gegenteils.
Die
palästinensischen Unterhändler haben wiederholt ihre
Bereitschaft mitgeteilt, Juden zu schützen, die
unter ihrer Herrschaft bleiben wollen. „Wenn sie in
einem palästinensischen Staat leben wollen, dann
sind sie willkommen, aber unter der Bedingung, dass
wir einen unabhängigen Staat haben, dessen
Hauptstadt Jerusalem ist“, sagte Ahmad Qurei, der
Chefunterhändler des Präsidenten Mahmoud Abbas in
einem Interview 2008. Sollte die Zeit kommen, dass
beide Seiten sich über die Festlegung der Grenzen
einigen, liegt die Verantwortung bei den Siedlern:
was ist ihnen mehr wert, der Staat oder das Land
oder wollen sie lieber unter palästinensischer als
unter israelischer Regierung leben.
Die
Mehrheit wird wahrscheinlich nach Westen ziehen -
zum einen durch finanzielle Anreize angelockt, zum
anderen wegen der gewohnten Sicherheit. Die
militanteren Siedler könnten darum kämpfen, in ihren
abgetrennten Enklaven zu bleiben. „Wenn die Armee
geht, werden wir ein Königreich errichten“, sagt ein
Rabbiner in Nahliel, einer ultra-orthodoxen Siedlung
in der Nähe Ramallahs. Andere dagegen wollen sich
einem Staat Palästina anpassen. „Hier waren immer
Juden, auch vor Israel und wir werden danach hier
sein. Zionismus löst sich auf; das Judentum wächst“,
sagt der Assistent des Rabbiners, der sich an das
Gleichgewicht von Juden und Muslimen in besseren
Zeiten erinnert. „Wir haben unter Türken und Briten
gelebt. Warum nicht unter Arabern?“ sagt ein
Bewohner von Bat Ayin, eine andere kompromisslose
und vor allem ultra-orthodoxe Siedlung. Während der
Verhandlungsperiode würden jene, die bleiben wollen,
daran interessiert sein, die Aussichten für bessere
Beziehungen mit ihren Nachbarn und der
palästinensischen Behörde zu erforschen, vielleicht
Baugenehmigungen zu beschleunigen …Schon hier gibt
es Themen, bei denen Siedler und Palästinenser
gemeinsame Sache machen könnten z.B. die
Verkehrsstaus an militärischen Kontrollpunkten zu
verringern. Nach der Errichtung eines eigenen
Staates könnten die Siedler einem palästinensischen
Staat als Garant dienen oder wenigstens als
Fürsprecher für Zugang und mehr Bewegungsfreiheit
über die Grenzen aus familiären Gründen, wegen
Handel und internem Tourismus, sei es zu den
Heiligen Stätten oder zum Strand. Mit den Worten
eines Standbesitzers auf dem Markt in Nablus: „Das
Hauptproblem ist nicht der religiöse Jude, der an
Josephs Grab (bei Nablus) beten möchte. Es ist die
Unterdrückung der militärischen Herrschaft.“
Sollten die Parteien wunderbarerweise zu einer
Kehrtwendung kommen --- einen effektiven
Siedlungsbaustopp, der eine Starthilfe für einen
erfolgreichen politischen Prozess mit dem Ergebnis
von Zweistaaten wäre, die in Frieden und Sicherheit
Seite an Seite leben, so könnte dies wie ein
Miasma, wie eine ansteckende Seuche werden. Sollte
Israels Armee den Verderbern trotzen und es ihr
gelingen, Siedler en masse herauszuholen,
könnte die Spannung zwischen Säkularen und
Religiösen neu ausbrechen, und innerhalb Israels
zusammengeschrumpften Grenzen noch intensiver
werden. Einen Vorgeschmack bekam man an Yom Kippur
2008 in Akko als national-religiöse Juden, ehemalige
Siedler, vor Rache schäumten und sich Israels
Palästinenser zum Ziel nahmen und so eine
Gewaltspirale verursachten, die in Demonstrationen
der Rechten mit Slogans endete: „Vertreibt den
arabischen Feind!“.
Es
könnte wohl zwei Staaten geben, aber sie würden
wahrscheinlich eine streng ethnisch-sektiererische
Einstellung haben, die Beschwerden und Groll nähren,
sodass es irgendwann später wieder zu
Auseinandersetzungen kommen würde.
l Nicolas
Pelham hat die letzten vier Jahre in Jerusalem für
die Internationale Crisis Group gearbeitet, die den
Bericht Middle East Report Nr. 89
Israel’s Religious Right and the Question of
Settlements
im Juli 2009 veröffentlichte

Grafitto der Jüdichen Verteidigungsliga (Jewish
Defence League) an der Wand eines palästinensischen
Hauses in der Altstadt von Hebron: "Vergast die
Araber!"
Quelle:
Israel’s
Religious Right and the Peace Process
Bilder 2 bis 9 von Rina Castelnuovo für The New York
Times
Originalartikel veröffentlicht am 12.10.2009
Übersetzt von Ellen Rohlfs.
Herausgegeben von Fausto Giudice
Quelle |