Eingabe an den
UN-Menschenrechtsrat
Palästinensische Zentrum für Menschenrechte (PCHR)
„Wir
werden keine humanitäre Krise im Gazastreifen zulassen. Aber wir
haben nicht die Absicht, ihnen das Leben leichter zu machen .. so
weit es mich betrifft, so können die Bewohner des Gazastreifens
laufen, weil sie kein Benzin für ihre Wagen haben …“
Ministerpräsident Olmert, 21.Januar 2008-01-23
Vor einer
Woche, am 15. Januar arbeitete Moin Ali M. al-Wadiya in einer
Mechanikerwerkstatt im Al-Zaytoun-Distrikt von Gaza-Stadt, als
israelisches Militär den Ortsteil Al-Zaytun en masse überfiel. Der
48-jährige Mechaniker versuchte, dem intensiven Beschuss schnell zu
entfliehen. Aber als er kurz anhielt, um einen Schwerverletzten an
einen sicheren Ort zu ziehen, gab es eine Explosion direkt neben ihm
. In Gazas Hauptkrankenhaus Al-Shifa kam er wieder zum Bewusstsein.
Er hatte seinen linken Fuß verloren, sein rechtes Bein war in Stücke
gerissen und schwere Verletzungen hatte er über seinem Magen. Er
kann nicht mehr gehen und nicht mehr arbeiten. „Ich habe sechs
Kinder zu Hause,“ sagt er, „aber nun gibt es niemanden, der meine
Familie unterstützt. Ich war der einzige, der arbeitete“
19
Palästinenser wurden während der IOF-Invasion von Al-Zaytoum und im
benachbarten Distrikt getötet. Weitere 30 wurden verletzt, einige
schwer. Während der ersten 19 Tage von 2008 tötete das IOF im
Gazastreifen im ganzen 71 Palästinenser und verletzte mehr als 190
andere. Viele dieser Männer, Frauen und Kinder, die bei diesen
Angriffen starben, waren Zivilisten, sie wurden willkürlich
während außergerichtlicher israelischer Exekutionen niedergemäht.
Am 16. Januar wurde ein Wagen durch eine Granate getroffen, in dem
drei Mitglieder der Familie al-Yazji waren. Die Granate war in den
Wohnbezirk al-Daraj geschossen worden. Aamer al Yazji (40), Mohamed
( 27) und Mohameds 5 jähriger Sohn wurden auf der Stelle getötet.
Nach den israelischen Medien hätten die IOF zugegeben, dass der
Angriff auf die drei Zivilisten ein Versehen war …
Die
israelischen außergerichtlichen Todesstrafen an Palästinensern sind
eine grauenhafte Komponente der israelisch militärischen Belagerung
und Absperrung der ganzen besetzten palästinensischen Gebiete, die
die Palästinenser Exekutionen, Beraubung, Gefangenschaft und
kollektiver Bestrafung aussetzt. Da sich NGOs dem Schutz und der
Förderung der Menschenrechte und dem Völkerrecht verpflichtet
wissen, sind sie besonders besorgt über die Fortdauer der Belagerung
und die Absperrung des Gazastreifens, einschließlich des
willkürlichen Entzugs von lebensnotwendigen Kraft- und
Brennstofflieferungen und das mitten in eskalierenden IOF-Angriffen,
die Zivilisten töten und verletzen – und zwar auf täglicher Basis.
Von Januar 2007 – Januar 2008 wurden 370 Palästinenser von der IOF
im Gazastreifen getötet und weitere 850 verletzt. Zusätzlich zu den
Tausenden von Toten und Verletzen, mit denen palästinensische
Zivilisten im Gazastreifen zurecht kommen müssen, hat Israel eine
chronische humanitäre Krise fabriziert als kollektive Strafe für 1,5
Millionen Palästinenser im Gazastreifen.
Das
palästinensische Zentrum für Menschenrechte (PCHR) wiederholt, dass
palästinensische Zivilisten nach internationalen Menschenrechten/
dem Völkerrecht und der Vierten Genfer Konvention vor kollektiver
Strafe geschützt werden sollten.
Die Fakten
vor Ort im Gazastreifen sprechen jedoch für sich selbst: Israel hat
fast 18 Monate lang ununterbrochen die Grenzübergänge geschlossen
gehalten. Während dieser Zeit ist mehr als 100 000 Palästinensern
das Passieren des Grenzübergangs verweigert worden: entweder aus dem
Gazastreifen heraus oder in ihn hinein, einschließlich Patienten,
die lebensrettende medizinische Behandlung in Krankenhäusern in
Israel oder auf der Westbank hätten erhalten sollen. Während dieser
Zeit sind als Folge der Absperrung und Belagerung 45 ( nach imenc
70) Patienten gestorben. Behauptungen von Palästinensern, die
dringend medizinische Behandlung in Israel benötigten, wurden vom
israelischen Sicherheitsdienst Shin Bet unter Druck gesetzt, als
Informanten zu dienen. Das wurde von den israelischen Ärzten für
Menschenrechten bestätigt. PCHR hat auch kontrollierte Fälle, bei
denen Shin Bet-Offiziere versuchten, schwerkranken Kindern
Gesundheitsdienste anzubieten, wenn sie ihnen Informationen liefern
würden. Nach dem Völkerrecht haben alle Bürger das Recht, die
angemessene medizinische Behandlung zu bekommen. Die Verweigerung
dieses Rechts stellt ein Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen
die Menschlichkeit dar.
Während der
letzten 18 Monate hat Israel systematisch die Im- und Exporte des
Gazastreifens begrenzt, einschließlich der Restriktion von
Nahrungsmittelimporten von 9 Grundnahrungs-mitteln. Seitdem der
Gazastreifen am 19.September 2007 zu einer „feindlichen Entität“
erklärt wurde, hat Israel ständig diese Restriktionen verschärft,
was den Preis der importierten Waren in die Höhe trieb und den der
einheimischen fallen ließ. Viele Waren sind nicht mehr bezahlbar und
die Produzenten von lokalen Nahrungsmitteln kämpfen darum, noch
etwas zu verdienen, um davon zu leben – da sie ihre Waren nicht
exportieren können.
Am 17.Januar
2008 wurde die Belagerung weiter verschärft, als Israel damit
begann, die humanitären Hilfslieferungen (UNRWA) einzuschränken,
einschließlich der Lebensmittelhilfe, von der 80% der Bevölkerung
des Gazastreifens abhängig ist. Israel hat nun den Gazastreifen
hermetisch abgesperrt und die zivile Bevölkerung eingesperrt,
keiner kann rein und keiner kann raus – es sei denn unter ganz
besonderen Umständen. Israels Verweigerung, am 18. und 20.Januar den
dringend erforderlichen Brennstoff über den Nahal Oz-Übergang zu
liefern, zwang die Betreiber das einzige Stromkraftwerk
abzuschalten, was den Strom im ganzen Gazastreifen drastisch
reduzierte und mehr als 800 000 Zivilisten ohne Strom in ihren
Wohnungen und Arbeitsplätzen ließ. Tausende von Gaza-Familien sind
so auch ohne Wasser, weil die Wasserpumpen nicht funktionieren.
Zusätzlich wird das Gas für häuslichen Gebrauch sehr reduziert,
genau wie das Benzin/ Diesel für den öffentlichen Verkehr,
einschließlich der Ambulanzen.
Die Lage in
Gazas Hauptkrankenhaus Al-Shifa ist eine trostlose Mahnung daran,
was palästinensische Zivilisten täglich für die anhaltende und
eskalierende Belagerung zu zahlen gezwungen sind . Das
Al-Shifa-Krankenhaus, das schon seit längerem am Ausfall von Geräten
leidet und nun auch gezwungen ist, lebenswichtige medizinische
Versorgung zu reduzieren, einschließlich der Menge und
Zusammensetzung der Mahlzeiten für die Patienten, hat nur mehr für 3
Tage Brennstoffreserve. Nach dem Krankenhausdirektor Dr. Hassan
Khalaf werden zig Patienten sterben, wenn der Strom gesperrt wird,
einschließlich der 30 Frühgeburten, die in Brutkästen liegen. Dr.
Khalaf beschreibt die Situation seines Krankenhauses als
„potentiell verheerend“.
Für
Patienten wie Moin Ali Mahmoud al-Wadiya, der beim IOF-Angriff
verstümmelt wurde, kann das Krankenhaus kaum mehr als eine
Notversorgung machen. Während er im Krankenhaus bleibt, kauft seine
Familie die Medikamente selbst, weil Al-Shifa äußerst knapp mit
vielen wichtigen Medikamenten ist, einschließlich starken
schmerzstillenden Medikamenten.
Israel hat
nicht nur eine humanitäre Krisis im Gasastreifen zugelassen, es hat
auch eine chronisch humanitäre Krisis im Gazastreifen im
Widerspruch zum Völkerrecht hergestellt.
Als
Menschenrechtsorganisationen, die dem Schutz und der Förderung der
Menschenrechte und des Völkerrechtes verpflichtet sind, erkennt die
FIDH (?) und das PCHR an, dass Angriffe von bewaffneten
palästinensischen Gruppen auf israelische Zivilisten unleugbar eine
Verletzung des Völkerrechts darstellen. FIDH und PCHR verurteilen
alle Angriffe auf Zivilisten, müssen aber gleichzeitig wiederholen,
dass das israelische Militär auch weiter willkürliche Angriffe auf
dicht bewohntes Gebiet in Gazas Stadtteilen ausführt, wo es
unmöglich ist, zwischen zivilen und militärischen Zielen zu
unterscheiden. Diese andauernde Anwendung von unverhältnismäßiger
Gewalt der IOF ist ein großes Risiko für das Leben
palästinensischer Zivilisten.
Auf Grund
der Knappheit von Zement und anderem notwendigen Rohmaterial hat das
Ministerium für religiöse Angelegenheiten im Gazastreifen sich an
die PCHR gewandt und um Hilfe des Zentrums gebeten, um mehr Gräber
zur Verfügung zu stellen, dass die Bevölkerung ihre Toten mit Würde
beerdigen kann.
FIDH und
PCHR haben wiederholt die Internationale Gemeinschaft dazu
aufgerufen, ihre rechtlichen und moralischen Verpflichtungen als
Oberste Vertragspartei der Vierten Genfer Konvention zu übernehmen,
damit Israel die Konvention in den besetzten palästinensischen
Gebieten berücksichtigt. Zusätzlich haben FIDH und PCHR wiederholt,
dass das Versäumnis der internationalen Gemeinschaft zu handeln,
Israel ermutigte so zu tun, als stünde es über dem Gesetz und
Israel auch ermutigt, das Völkerrecht und das Humanitäre Recht zu
verletzen.
FIDH und
PCHR wiederholten auch, dass jedes politische Abkommen, das sich
nicht auf das Völkerrecht und das Humanitäre Recht gründet, zu
keiner friedlichen und gerechten Lösung des palästinensischen
Problems führen kann. Solch eine Vereinbarung wird eher zu weiterem
Leiden und zu Instabilität in der Region führen. Jedes
Friedensabkommen oder jeder Friedensprozess muss auf der Einhaltung
des Völkerrechts gegründet sein, der das Völkerrecht und das
humanitäre Recht einschließt.
(dt. Ellen Rohlfs)
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