Was lässt Sammy rennen?
Uri Avnery. 30.12.06
„WAS KÜMMERN mich Prinzipien! Ich will nur eines,
dass meine Frau zusammen mit mir lebt und dass wir
eine Familie gründen können!“ rief ein netter,
junger Mann leidenschaftlich bei einer
Fernseh-Talkshow.
Sammy ist ein
arabischer Einwohner von Akko, der an der Haifaer
Universität promoviert. Etwas Schreckliches ist ihm
passiert: er verliebte sich in die falsche Frau –
eine Palästinenserin aus Jenin in den besetzten
Gebieten. Er hatte sie zufällig in Ramallah
getroffen, beantragte für sie -unter einem Vorwand,
wie er zugab - eine Aufenthaltsgenehmigung für einen
Tag in Israel und heiratete sie. Seitdem kann er sie
nur alle paar Wochen in Jenin besuchen.
Sie kann nicht
nach Akko kommen, weil die Knesset ein
„zeitweiliges“ Gesetz geschaffen hat, das
kategorisch und ausnahmslos palästinensischen Frauen
aus den besetzten Gebieten verbietet, bei ihren
Ehepartnern in Israel zu leben. (Das trifft
natürlich auch auf Palästinenser in den besetzten
Gebieten zu, die eine arabische Frau aus Israel
geheiratet haben.)
Die Freiheit –
egal wen - zu lieben und zu heiraten, gehört zu den
menschlichen Grundrechten. Dies 1,4 Millionen
israelischen Bürgern zu verweigern, nur weil sie
Araber sind, ist eine ernsthafte Verletzung der
internationalen Menschenrechte, die auch Israel
unterschrieben hat. Dies beeinträchtigt auch die
Grundlage der israelischen Demokratie.
Der Vorwand ist
die „Sicherheit“ – was sollte es sonst sein? Unter
den 105 000 palästinensischen Frauen aus den
besetzten Gebieten, die im Laufe der Jahre
israelische Bürger geheiratet haben, haben 25 an
terroristischen Aktionen teilgenommen. 25
(fünfundzwanzig) zu 104 975 (einhundertviertausend
neunhundert fünfundsiebzig!)
Aber - wie bei
uns üblich – dient die „Sicherheit“ als Deckmantel
für den wirklichen Grund. Hinter dem Verbot lauert
der demographische Dämon, ein Dämon mit unheimlicher
Macht auf israelische Gehirne, der unsere Gedanken
verdreht, den letzten Funken von Anstand und Moral
löscht und ganz normale Menschen zu Monstern werden
lässt.
Seine
Botschafter suchen in der ganzen Welt nach
wirklichen und vermeintlichen Juden. Sie entdeckten
– und brachten nach Israel - Inder, die behaupteten,
sie seien Abkommen des Stammes Manasse, eines der 10
Stämme, die nach der Bibel vor etwa 2720 Jahren von
den Assyrern aus Palästina vertrieben worden waren.
In Neu-Mexiko entdeckten sie Familien, deren
Vorfahren vermutlich vor 500 Jahren während der
spanischen Inquisition unter Zwang getaufte Juden
waren. Sie bringen russische Christen, die eine
Verbindung zu jüdischen Familien haben, und die
Flashmura aus Äthiopien, deren Judentum ziemlich
zweifelhaft ist, ins Land. All diese Leute wurden
nach Israel geschleppt und erhalten sofort die
Einbürgerung und einen großzügigen „Absorptionskorb“
(finanzielle Hilfe). Aber einer jungen Frau aus
Jenin, deren Familie seit Jahrhunderten in diesem
Lande lebt, wird es nicht erlaubt, hier mit ihrem
Mann zusammen zu leben, dessen Vorfahren seit
Generationen in Akko leben. Dies alles wegen des
fürchterlichen Dämons.
VOR EINHUNDERT
und zwanzig Jahren besuchte Asher Ginsburg
Palästina. Er ist als Ahad Ha’am („einer aus dem
Volk“) und als großer jüdischer Denker bekannt
gewesen. Er war erschrocken darüber, wie
einheimische Araber von jüdischen Siedlern behandelt
wurden. Seitdem gibt es viele Vorwände, um die
Araber aus dem Lande zu treiben. Fast jährlich
verändert sich der in Mode gekommene Vorwand. Nun
gibt es einen neuen: „Der Nationalstaat“. Zippi
Livni war vielleicht die erste, die diesen Terminus
verwendete.
Israel ist ein
„Nationalstaat“ für Juden und deshalb hat er das
Recht, alles zu tun, was Juden dient und Nichtjuden
verletzt, selbst wenn sie Bürger Israels sind. „Das
Gute für den einzelnen muss für das Gute der
Allgemeinheit geopfert werden.“. sagte ein
geachteter Professor zum Fall Sammy, „ und das Gute
der Allgemeinheit verlangt, dass die
palästinensische Frau von Sammy nicht in Israel
lebt, das ein jüdischer Nationalstaat ist.“
Das klingt
einfach und logisch. Der Nationalstaat existiert für
die Nation. Aber es ist überhaupt nicht einfach. Da
stellen sich eine Reihe schwieriger Fragen.
Zum Beispiel:
Welches ist die in Frage gestellte Nation? Eine
weltweite jüdische Nation? Eine israelisch-jüdische
Nation? Oder nur eine israelische Nation?
Und über welche
Art von Nationalstaat reden wir? Über den
französischen Nationalstaat vom Ende des
18.Jahrhunderts? Den polnischen Nationalstaat, der
nach dem 1.Weltkrieg entstand? Oder den
amerikanischen Nationalstaat, wie er heute
existiert? All diese sind Modelle für einen
Nationalstaat – aber sehr verschieden voneinander.
JEDER, DER
behauptet, Israel sei ein Staat der weltweiten
jüdischen Nation, beraubt das Wort „Nation“ seines
wirklichen Inhaltes. Dies würde bedeuten, dass unser
Staat einer Gemeinschaft gehören würde, deren
größter Teil nicht in Israel lebt, keine
israelischen Bürger sind, keine israelischen Steuern
zahlen und kein Stimmrecht bei den Wahlen in Israel
hat. Amerikanische Juden wie Henry Kissinger, Paul
Wolfowitz und Thomas Friedman, die mit Leib und
Seele mit Israel verbunden sind, würden es heftig
leugnen, dass sie eher zu einer jüdischen Nation als
zur amerikanischen Nation gehören.
Vor Jahren
erließ die Knesset ein Gesetz, das jedem das Recht
verweigerte, sich für die Wahlen aufstellen zu
lassen, wenn er leugnet, dass Israel der Staat des
jüdischen Volkes sei.
Doch nur wer
die israelische Staatsbürgerschaft hat, kann an der
Wahl teilnehmen
Gehört deshalb
vielleicht unser Nationalstaat eher zu einer
jüdisch-israelischen Nation? Ist Israel der
Nationalstaat nur für seine jüdischen Bürger? Viele
Israelis mögen so empfinden. Aber das ist im
Gegensatz zur israelischen Gesetzgebung, die besagt,
alle seine Bürger seien vor dem Gesetz gleich. Nach
dem Obersten Gerichtshof und der offiziellen Doktrin
ist Israel ein „jüdischer und demokratischer Staat“
– also eine Quadratur des Kreises.
In israelischen
Ausweisen findet man auch den Punkt: „Nation“. Bei
Ausweisen, die Juden gehören, steht unter „Nation“
„jüdisch“. Vor Jahren wies der Oberste Gerichtshof
die Petition eines Bürgers ab, der in seinen Ausweis
bei „Nation“ „israelisch“ geschrieben haben wollte.
Jetzt befasst sich der Gerichtshof mit noch einer
Petition von Dutzenden seiner Bürger (einschließlich
mir), die in ihrem Ausweis unter
„Nation“:“israelisch“ stehen haben wollen.
Ist dieses Land
in Wirklichkeit ein israelischer Staat? Wenn dem so
wäre, würde die israelische Nation alle israelischen
Bürger einschließen, so wie die amerikanische Nation
alle US-Bürger einschließt? Insbesondere: schließt
diese Nation die 1,4 Millionen palästinensischen
arabischen Bürger mit ein, ein Fünftel von Israels
Bevölkerung?
ISRAELS
ARABISCHE Bürger werden in fast allen
Lebensbereichen diskriminiert. Die Liste, die kein
Geheimnis ist, könnte mehrere Seiten füllen. Nur ein
paar Beispiele: das Bildungssystem gibt für ein
arabisches Kind ein Fünftel dessen aus, was für ein
jüdisches ausgegeben wird. Das Gesundheitssystem
gibt für einen arabischen Bürger viel weniger aus
als für einen jüdischen. Fast alle arabischen Stadt-
bzw. Gemeinderäte sind bankrott. Einer der Gründe
ist, dass die Regierung pro Kopf viel weniger zahlt
als für die jüdischen Gemeinderäte. Ein arabischer
Bürger kann kein Land von der Landbehörde kaufen,
die in Israel fast alles Land verwaltet. Ganz zu
schweigen von der offiziellen Diskriminierung des
Rückkehrgesetzes und dem Bürgerschaftsrecht.
Zweimal haben
israelische Soldaten und Polizisten auf arabische
Demonstranten geschossen, die israelische Bürger
sind, und mehrere von ihnen getötet. Das eine Mal
war 1976 („Tag des Bodens“), das andere Mal zu
Beginn der 2. Intifada 2000. Sie haben nie auf
jüdische Demonstranten geschossen (Abgesehen von
einem Mal, bei dem ein jüdischer Demonstrant getötet
wurde, der vom Dach seines Hauses auf die Polizei
schoss)
Inzwischen
versteht jeder, dass man einer Konfrontation mit
diesem Problem nicht mehr ausweichen kann.
Am Ende des
1948er-Krieges, in dem der Staat Israel gegründet
wurde, war nur eine kleine Anzahl palästinensischer
Araber geblieben. Der größte Teil ihrer Landsleute
war geflohen oder vertrieben worden. Die kulturelle,
soziale und politische Elite hatte schon zu Beginn
des Krieges das Land verlassen. Der armselige Rest
stand 18 Jahre lang unter einem Regime von
Einschüchterung und Unterdrückung, die sich
„Militärregierung“ nannte. Aber schon die zweite
Generation fasste Mut und wagte es, den Kopf zu
heben.
Nun ist eine
dritte Generation herangewachsen. Viele ihrer
männlichen und weiblichen Mitglieder haben
Universitäten besucht und wurden Unternehmer,
Professoren, Rechtsanwälte und Ärzte. Vor kurzem
haben ihre Vertreter eine „Vision“ veröffentlicht,
die nicht nur die Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung fordert, sondern auch Autonomie im
Bereich der Religion, Kultur und im Bildungswesen.
Das ist eine
revolutionäre Botschaft, und mehrere ähnliche
Dokumente sind auch unterwegs. Heute sind die
arabischen Bürger eine selbst bewusste Gemeinschaft
mit ihren eigenen (nicht anerkannten) Institutionen
und politischen Parteien. Diese arabische Gemeinde
ist jetzt zweimal so groß wie die jüdische
Gemeinschaft, als der Staat Israel 1948 gegründet
wurde.
Die Existenz
einer nationalen Minorität dieser Größe kann nicht
ignoriert werden. Man kann nicht weiter behaupten,
dieses Problem gäbe es nicht oder dass es mit ein
paar Millionen Schekel mehr gelöst oder fallen
gelassen werden könne. Israel steht vor einer
schicksalhaften Entscheidung, die nicht nur über die
Art seiner Beziehungen mit seinen arabischen Bürgern
bestimmt, sondern auch über den Charakter seines
Staates selbst.
ES HAT NICHT
viel Sinn, mit denen zu streiten, die öffentlich
oder im Geheimen für eine ethnische Säuberung sind,
also für eine Entfernung aller Araber aus dem Staat,
ja, aus dem ganzen Land zwischen Jordan und dem
Mittelmeer. Es hat auch nicht viel Sinn, mit jenen
zu argumentieren, die die israelischen Araber
weiterhin als Bürger zweiter Klasse halten wollen,
dem Staat entfremdet und ohne jeglichen Einfluss.
Das wäre eine Zeitbombe.
Israels
Demokratie hat die Wahl zwischen zwei Alternativen:
(a)
Einen Bürgerstaat, in dem alle seine
Bürger gleich sind, unabhängig von ethnischer
Zugehörigkeit, Nation, Religion, Sprache oder
Geschlecht. Im israelisch politischen Jargon wird
dies „ein Staat für alle seine Bürger“ genannt -
eine absurde Bezeichnung, denn wie kann ein
demokratischer Staat nicht all seinen Bürgern
gehören?
Solch ein Staat befasst sich nicht mit dem ethnischen
Ursprung oder religiösen Glauben der Bürger. Alle
Eltern können für sich entscheiden, wie ihre Kinder
erzogen werden sollen (im Rahmen eines gewissen
Parameters, das vom Staat festgelegt wird). Es wird
keinen Unterschied zwischen jüdischen, arabischen
und polynesischen Bürgern geben. Die Beziehungen
zwischen dem einzelnen und dem Staat gründen sich
allein auf die Staatsangehörigkeit. Ein Beispiel:
Die USA, in die jede Person automatisch ein Teil der
amerikanischen Nation wird, wenn sie die
Staatsangehörigkeit erhalten hat.
(b)
Ein Nationalstaat, in dem eine
jüdisch-israelische Mehrheit Seite an Seite neben
einer palästinensisch-arabischen Minderheit
existiert. In solch einem Staat hat die Majorität
ihre nationalen Institutionen, aber die Minorität
auch, sie wird als nationale Entität anerkannt mit
klar definierten nationalen Rechten in bestimmten
Bereichen wie Kultur, Religion. Bildung etc. (Diese
Rechte wurden schon von dem rechten zionistischen
Führer Vladimir Ze’ev Jabotinski vor hundert Jahren
definiert, als er im „Helsingforsplan“ die Rechte
aufzeichnete, die er für Juden in Russland
verlangte.) Ein Beispiel: die Katalanen in Spanien.
Vor ein paar
Tagen machte mich der Historiker Yossi Amitay auf
einen Artikel aufmerksam, den Pinhas Lavon nur einen
Monat (!) nach der Gründung des Staates Israel
geschrieben hatte. Lavon (der später
Verteidigungsminister und in die berüchtigte
„Lavon-Affäre“ verwickelt war) analysierte das
Problem mit der arabischen Minderheit nach dem
Krieg. Er sah zwei Alternativen: eine
„autonomistische“, in der es einer Minderheit
erlaubt sein würde, autonome Institutionen in einem
Staat zu bilden, der der Majorität einer anderen
Nation zugehört. Die andere Alternative: einen
„Staatswerte- Staat“, in dem alle Bürger nach einem
universalen und gleichen Standard behandelt werden.
Lavon
bevorzugte die zweite Alternative (ein Staat für
alle seine Bürger) -genau wie auch ich
AVIGDOR
LIEBERMAN stellte vor kurzem einen eigenen Plan vor:
das sog. „Dreieck“-Gebiet (auf der israelischen
Seite der Grünen Linie) zusammen mit seiner dichten
arabischen Bevölkerung aufzugeben und im Austausch
dafür das palästinensische Gebiet, auf dem jüdische
Siedler leben, zu annektieren. Das Prinzip: Juden
nach Israel, Araber nach Palästina.
Liebermann, der
Rassist, der aus der früheren Sowjetunion
emigrierte, hat von Stalin gelernt, dass man ganze
Gemeinschaften wie Schachfiguren behandeln kann. Nur
wenige nahmen diesen Plan ernst. Es ist allgemein
bekannt, dass Liebermann die (sog.„freiwillige“)
ethnische Säuberung aller Araber in Israel und in
den besetzten Gebieten befürwortet. Sein „Plan“ ist
sowieso unrealistisch, weil die meisten israelischen
arabischen Bürger von der grünen Linie weit entfernt
in Galiläa und im Negev leben, und Lieberman nicht
daran denkt, diese Gebiete aufzugeben.
Aber der
interessante Teil dieses Tricks war nicht der „Plan“
selbst, sondern die Reaktion der arabischen Bürger
darauf. Keine einzige arabische Stimme erhob sich
zugunsten dieses Plans. Die arabischen Bürger haben
sich entschieden, Bürger Israels zu bleiben, selbst
wenn ein palästinensischer Staat neben ihnen
entstehen sollte.
Diese
Gemeinschaft will sich in das Leben in Israel
integrieren, in seine wirtschaftlichen,
demokratischen Institutionen und in das soziale
Gefüge. Es war ihr gelungen, dies zu tun, soweit es
ihr ermöglicht worden war. Sie unterstützt mit
ganzem Herzen die Schaffung eines palästinensischen
Staates in der Westbank und in Gaza, möchte aber
eine nationale Minorität in Israel bleiben – so wie
amerikanische Juden die Schaffung des jüdischen
Staates Israel unterstützten, aber selbst als
Minorität in den USA blieben.
Israel kann
seinerseits nicht 1,4 Millionen schwer arbeitende
und Steuer zahlende Einwohner, die ihren Anteil am
Bruttosozialprodukt haben, aufgeben. Die Geschichte
zeigt, dass ein Land, das ganze Gemeinschaften
vertreibt, immer verliert. Spanien hat sich nie von
der Vertreibung der Juden und Muslime vor 500 Jahren
erholt. Frankreich war von der Vertreibung der
Hugenotten ernsthaft betroffen. Deutschland leidet
an der Vertreibung (und Schlimmerem) der Juden noch
heute.
ICH BIN ein
Israeli. Gewiss wünsche ich im Staat Israel zu
leben, wo die Mehrheit hebräisch spricht und die
hebräische Identität, hebräische Kultur und
Tradition weiter entwickelt werden können. Das hält
mich überhaupt nicht davon zurück, mich für eine
Situation zu engagieren, in der die
palästinensischen Bürger des Staates auch frei ihre
eigene nationale Identität, Kultur und Tradition
entwickeln und pflegen können.
Der
Nationalstaat hat sich vor ein paar Jahrhunderten
auf den Trümmern der feudalen und dynastischen
Staaten entwickelt. Er war eine Antwort auf die
Bedürfnisse des Zeitalters. Die wirtschaftlichen,
technischen, militärischen und kulturellen
Entwicklungen der Zeit verlangten die Organisation
von großflächigen politischen Einheiten, so wie
Frankreich, Britannien und Deutschland. Um solch
einen Staat zu stärken, erfand jede Nation für sich
selbst eine (mehr oder weniger eingebildete)
nationale Geschichte (wie Benedict Andersen es
nennt) und errichtete sie über eroberten oder
freiwillig sich anschließenden Völkern (Korsen,
Schotten, Bayern, Basken und vielen anderen).
Diese Art von
Nationalstaat ist nun überholt. Die Realitäten haben
sich verändert. Die USA schufen einen riesigen
föderalen Staat, der einen halben Kontinent umfasst,
und später schufen Deutschland und Frankreich die EU
und übertragen ihr immer mehr ökonomische,
militärische und sogar politische Funktionen, die
vorher von den nationalen Staaten ausgeübt wurden.
Der
Nationalstaat als solcher bleibt bestehen, weil er
einem tief sitzenden menschlichen Bedürfnis
entspricht, einer Gruppe anzugehören. Aber immer
mehr wird er zu einem multikulturellen, offenen und
liberalen Staat, der (wenn auch schmerzlich)
Millionen von Ausländern absorbiert, weil er nicht
ohne sie existieren kann. Die USA waren der erste
Staat, der diesen Kurs einschlug. Und nun geschieht
es sogar in den kleinen Ländern Osteuropas – genau
jenen, aus denen die meisten frühen Zionisten ihren
engen und fanatischen Nationalismus mitbrachten.
Wenn der Staat
Israel nicht von innen her explodieren will, dann
muss er früher oder später solch ein Staat werden –
ein israelischer Staat, in dem Sammy aus Akko in
Würde zusammen mit seiner Frau Lola aus Jenin leben
kann.
(Aus dem Englischen:
E. Rohlfs, A. Butterweck; vom Verfasser autorisiert)