Denk an Naboth !
Uri Avnery, 17.Dezember 2018
ÜBER EIN
UNGLAUBLICHES
Stück von Gesetzgebung wird jetzt in Jerusalem debattiert.
Das Land ist sehr
mit einer Siedlung beschäftigt, die Amona heißt. Tief in den
besetzten Gebieten haben ein paar Dutzend jüdischer Familien eine
illegale Siedlung errichtet. – Illegal sogar nach israelischem
Gesetz, geschweige denn nach internationalem Gesetz.
Das Problem ist,
sie machten sich nicht die Mühe, herauszufinden, wem das Land
gehört, auf dem sie siedelten. Als es herauskam, gehört es
tatsächlich privaten arabischen Farmern .Das israelische Oberste
Gericht befahl den Siedlern, das Land zu evakuieren.
Juden evakuieren?
Undenkbar! Die Amoniter schworen, „passiven“ Widerstand zu leiten.
Dies bedeutet, zehn Tausende von Siedlern aus allen besetzten
Gebieten aufzurufen, an den Ort zu eilen. Das bedeutet schreiende
Babies, kreischende Mädchen, gewalttätige Jungs, die perplexe
Soldaten stoßen (Viele von ihnen sind selbst Siedler), Männer, die
den gelben Stern aus der Nazizeit tragen, Frauen, die ihre vielen
weinenden Kinder an sich drücken. Kameras in Hülle und Fülle.
Schrecklich!
Als das Datum für
die Evakuierung näher kam und das Gericht sich weigerte, eine
Verschiebung zu gewähren – nach Jahren legaler Spiele – fand die
Regierung einen Ausweg: die Amona-Siedler werden 100 Meter weiter
siedeln, auf Land , das auf dem selben Hügel liegt, das offiziell
aber nicht privaten Personen gehört.
Als Gegenleistung
für diese Gunst, verspricht die Regierung den Siedlern ein „Legalsierung-Gesetz“,
eine Erfindung eines fast legalistischem Genies. Es sagt, dass an
vielen Dutzenden von Plätzen der ganzen Westbank, wo andere
Siedlungen auf privatem palästinensischem Besitz errichtet wurden,
das Land einfach enteignet wird, und die rechtmäßigen Besitzer mit
einer Entschädigung bezahlt wird.
Kurz gesagt: ein
gigantischer Akt des Raubes von Besitz privater Personen, die
zufällig palästinensische Araber sind, um die Siedlungen von
fanatischen ultra-rechten Juden zu „legitimieren“.
ALS ICH
den Text des vorgeschlagenen Gesetzentwurfes las, wurde ich an einen
Satz in der Bibel erinnert, der mich immer schon verblüfft hat.
Er steht in
Exodus(12). Als Pharaoh den Kindern von Israel endlich erlaubte,
nach den zehn schrecklichen Plagen, Ägypten zu verlassen, taten sie
etwas Ungewöhnliches.
„Und die Kinder von
Israel….borgten sich von den Ägyptern Juwelen aus Silber und Juwelen
aus Gold und Kleidung … und nahmen es den Ägypter weg.“
Da die Kinder von
Israel für immer weggingen, bedeutet hier „borgen“ stehlen. Nicht
vom Pharao und dem Staat, sondern von ganz gewöhnlichen Leuten,
ihren Nachbarn.
Man stimmt jetzt
gewöhnlich unter Experten darin überein, dass der Exodus nie
wirklich geschehen ist, und dass die Geschichte etwa tausend Jahre
nach dem berichteten Ereignis aufgeschrieben wurde. Aber warum würde
ein Schreiber von seinen Vorfahren solch ekelhaftes Benehmen
schreiben. Besonders da es sich niemals ereignete.
Die einzige
Antwort, die ich mir vorstellen kann, ist, dass die Schreiber und
Editoren zu ihrer Zeit in dieser Geschichte nichts so Ekelhaftes
sahen. Das Betrügen und Plündern von Nicht-Israeliten war OK.
Es ist auch jetzt
für Siedler und die Regierung von Israel in Ordnung.
(Woher wissen wir
jetzt, dass die Exodus-Geschichte zu einem viel späteren Zeitpunkt
und anderen Hinweisen erfunden wurde? Weil die ägyptischen Orte,
die in der Geschichte erwähnt werden , zu der Zeit des imaginären
Moses noch nicht existierten, aber in der Zeit der Makkabäer
existierten, viele Jahrhunderte später, als der Text geschrieben
wurde. )
EIN ANDERES
Kapitel der Bibel ist sogar den gegenwärtigen Geschehnissen noch
angemessener. Es ist ein Text, den jedes israelische Schulkind in
seinen frühen Jahren auswendig lernt. Im hebräischen Original ist
es von außerordentlich literarischer Schönheit, abgesehen von seiner
überwältigenden moralischen Kraft.
Es berichtet( 1.
Könige, 21)
„ Nabot der
Jesreeliter, hatte einen Weinberg beim Palast von Ahab, König von
Samaria.
Und Ahab redete mit
Naboth und sprach: Gib mir Deinen Weinberg, ich will mir einen
Kohlgarten daraus machen, weil er so nahe bei meinem Haus liegt. Ich
will dir einen besseren Weinberg dafür geben, oder wenn es dir
gefällt, will ich dir Geld dafür geben, so viel wie er wert ist.
Und Naboth sagte zu
Ahab: Das lasse der Herr ferne von mir sein, dass ich dir meiner
Väter Erbe sollte geben.
Da kam Ahab voll
Unmut und zornig heim. „ da kam Isebel, seine Frau, zu ihm und
redete mit ihm: „warum ist dein Geist so voller Unmut?
Die Frau nahm die
Sache in ihre Hände und befahl den Ältesten von Samaria Naboth
wegen falscher Aussagen vor Gericht zu bringen. Er wurde zu Tode
gesteinigt,
Gott der
Allmächtige liebte dies gar nicht. Er sandte seinen Propheten Elia,
der zu Ahab herantrat und zu ihm sagte:
„Hast du getötet
und auch in Besitz genommen?
…Wo Hunde das Blut
von Naboth leckten, sollen Hunde Dein Blut lecken“.
Und so geschah es.
Ahab starb den Tod eines Helden in der Schlacht, er fiel durch einen
Pfeil, der zufällig abgeschossen war. Die Hunde leckten sein Blut
vom Wagen. Sie fraßen auch das Fleisch von Isebel, seiner Frau.
Im Hebräischen
klingt die Geschichte unendlich schöner als in der Übersetzung.
Auch unreligiöse Leute können dies mit viel ästethischerem
Vergnügen als religiöse lesen
FALLS GOTT
heute existieren würde, würde er sicher einen seiner Propheten im
Dienst zu Benjamin Netanjahu senden (ein netter biblisch klingender
Name) und ihm über die heutigen Blut leckenden Hunde erzählen (
Journalisten? Reporter)
Die vorgeschlagene
„Legalisierung“ und die Rede von privatem arabischen Besitz, egal
unter welchen Bedingungen, ist reiner Diebstahl. Jeder arabische
Landbesitzer würde Naboth zitieren. „ Das lasse Allah fern von mir
sein…“
Netanjahu muss
seiner Frau keine Probleme machen. Sarah‘le hat ihre eigenen
Probleme mit dem Gesetz. Anstelle von Isebel hat er die Knesset und
den General-Anwalt.
Doch die
vorgeschlagene Lösung - die Siedler ein paar Meter zum
Regierungsbesitz umzusiedeln – ist nicht besser als Ahabs Vorschlag
an Naboth. Tatsächlich ist er viel schlimmer.
König Bibi, bietet
wie König Ahab, Geld als Entschädigung an, aber bietet kein anderes
– und besseres –Land . In der Tat erwartet er, dass die Araber das
Geld nehmen und damit nach Brasilien oder Schweden auswandern.
Das Angebot, die
Siedler von Amona auf Regierungsland nahebei anzusiedeln,
benötigt eine Erklärung. Wie kommt es, dass die israelische
Regierung Land in der besetzten Westbank besitzt? ( Westbank im
Unterschied zur Ostbank des Jordanflusses, das zum jordanischen
Königreich gehört. Die Regierung und die Siedler selbst nennen das
Gebiet „Samaria“ wie in der Bibel).
In den guten alten
Tagen des ottomanischen Reichs, als dem Sultan das Land gehörte,
der es an Bauern verpachtete. Vor dem 1. Weltkrieg, als der
Sultan wie gewöhnlich – bankrott war, verkaufte er einiges Land an
private , meistens reiche arabische Kaufleute in Jaffa, Beirut oder
Monte Carlo. Sie waren abwesende Grundbesitzer und die Bauern auf
dem Land wechselten nicht.
Doch das meiste
Land gehörte weiter dem Sultan - bis zum Ende des 1. Weltkrieges,
als die Regierung des neuen britischen Mandats Palästina übernahm.
Die einheimischen palästinensischen Bauern blieben natürlich.
Dies war die
Situation -- als nach dem israelisch-arabischen Krieg von 1948 - -
die jordanische königliche Regierung den Besitz des Landes übernahm.
Nichts hat sich verändert. Die Regierung von Jordanien nahm das
Land in Besitz, die Bauern arbeiteten auf ihrem Stück Land, so wie
sie es seit vielen Generationen taten.
Als Israel 1967die
Westbank eroberte, kam es zu einer völlig anderen Situation. Anders
als die Türken, die Briten und die Jordanier, hat die gegenwärtige
israelische Regierung das Land verplant. Sie wünscht, dass es an
jüdische Siedler geht, extreme Rechte, extrem Religiöse oder beides.
Die legale Fiktion
des „regierungseigenen Landes“ wurde über Nacht eine Realität. Große
Gebiete Land auf der Westbank gehören plötzlich der Regierung von
Israel. Andere riesige Landflächen, die den Palästinensern gehörten,
die geflohen sind oder 1967 vertrieben wurden- wurde sog.
„Besitz von Abwesenden“ - der auch von der israelischen Regierung
enteignet. Wurde.
All dies ist jetzt
„Regierungsland“, auf dem israelische Siedler frei nach dem
israelischen Gesetz siedeln können. Es ist unnötig zu sagen, dass
all dies nach internationalem Gesetz total illegal ist, das
kategorisch Bürgern der „Besatzungsmacht“ verbietet, ihre
Bevölkerung in die besetzten Gebiete umzusiedeln.
Dies ist die legale
Situation: israelische Siedler auf „Regierungsland“ zu bringen,
ist nach israelischem Gesetz legal, aber nach internationalem
Gesetz absolut verboten. Siedler auf privates palästinensisches
Land zu setzen, ist nach internationalem sowie nach israelischem
Gesetz verboten.
Ab sofort werden
die Amona-Siedler von der Regierung gebeten, zum nahen
„Regierungsland“ umzuziehen. Sie haben nun die Wahl zwischen
Vertreibung oder Übereinstimmung, die hundert Meter zu ihrer neuen
Wohnstätte zu gehen.
ICH FRAGE,
was der Prophet Elia zu all dem gesagt haben würde. Er war keine
Person, die untertreibt.
Die israelischen
Hunde werden nicht das Blut von Netanjahu lecken. Noch werden sie
das Fleisch von Sarah’le fressen. Gott bewahre.
Vor ein paar Tagen
hat eine Studentin der Künste in der Jerusalemer Bezalel-
Kunstakademie ein Poster fabriziert/ gemalt, das eine interessante
Ähnlichkeit mit Netanjahu hat, der sich gegenüber einer Schlinge
eines Henkers befindet. Sie wurde wegen Aufwiegelung von der
Polizei bestellt und verhört. .
Nicht einmal Ahab
ging so weit.
(dt. Ellen Rohlfs,
vom Verfasser autorisiert)