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Christliche Fundamentalisten als Israels Freunde?
 

Lutz Lemhöfer, Frankfurt a. M.

  

 

Ausgangspunkt

Im vergangenen Jahr fanden in mehreren Städten Kundgebungen statt mit dem Titel "Israel, du bist nicht allein". Als Veranstalter firmierte "Eine Initiative von Christen, die Israel lieben". Auffallend war, dass die Veranstalter fast ausschließlich aus dem evangelikalen und pfingstlerisch-charismatischen Flügel der Christenheit stammten und die Arbeitsgemeinschaften "Christen und luden" beim Ev. Kirchentag oder Katholikentag und überhaupt die klassischen Träger des jüdisch-christlichen Dialogs nicht auftauchten. lediglich die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit wurde einmal in der Lokalpresse als Unterstützer genannt. Laut Flugblatt der Veranstalter sollte die Kundgebung drei Dinge zum Ausdruck bringen:

•          Mitgefühl mit Israel (wohl angesichts zunehmender Terror-Attentate);

•          Verbundenheit mit den jüdischen Menschen in Deutschland;

•          Unterstützung des bedrohten Existenzrechts Israels.

 Diese Programmpunkte wirken auf den ersten Blick konsensfähig und unauffällig: auffallend ist höchstens die völlig fehlende Erwähnung des Existenzrechts der Palästinenser bzw. des Mitgefühls auch mit palästinensischen Opfern der gegenwärtigen Gewalt.

 

Veranstalter

Beschäftigt man sich freilich etwas näher mit den Veranstaltern, so stößt man auf Positionen, die sehr viel weniger konsensfähig sein dürften. Nehmen wir etwa die Koordinatoren des Ganzen, die "Christlichen Freunde Israels e.V." aus Altensteig. Auf deren Homepage1 kommt eine ebenso eindeutige wie einseitige Sicht des gegenwärtigen Nahost-Konflikts zum Ausdruck, die theologisch wie politisch fragwürdig erscheint. So heißt es auf die Frage, warum Christen Freunde Israels sein sollten, unter anderem:

 

Weil das jüdische Volk in Erfüllung der Prophezeiungen der Bibel in sein Land zurückgekehrt ist und dort Wiederherstellung erlebt (Hes. 36,24).

 

Weil der wieder entstehende jüdische Staat mit Jerusalem als Hauptstadt der Sitz der Regierung des Messias bei seiner Wiederkehr sein wird (Jes. 2,34).

 

Die endzeitlichen Verheißungen der Bibel werden also unmittelbar auf die gesellschaftlich-politische Konfliktlage der Gegenwart angewandt. Die Grenzziehung im Nahen Osten ist aus dieser Sicht durch göttliches Wort auf ewig festgelegt - die Bibel als Grundbuch sozusagen - und keinesfalls mehr menschlicher Verhandlung anheim gegeben. Auf der Homepage der "Christlichen Freunde Israels" liest sich das so:

 

Gemäß der Bibel gehört der kleine Landstreifen Gott.

 

Gott wiederum hat das Land Abraham, Isaak und deren Nachkommen (jüdisches Volk) auf ewig verheißen.

 

Die Palästinenser sind gemäß der Bibel "Fremdlinge im Land", die gut und gastfreundlich zu behandeln sind, die aber Fremdlinge sind.

 

Um jedes Missverständnis auszuschließen, wird hervorgehoben, dass gerade die heute so umstrittene "West-Bank", das Westjordanland, als „Judäa und Samaria" biblisches Kernland und "Israel auf ewig gegeben" sei. Deshalb wird vorbehaltlose Solidarität mit den Siedlern gepredigt. Ein selbstständiger Palästinenserstaat auf diesem Gebiet wäre darum ein Sakrileg. Von den Palästinensern heißt es darum konsequent: Wenn Gott das Land für sein Volk Israel bestimmt hat, so sind und bleiben die Palästinenser "Fremdlinge" darin. Es gibt viele Gebote in der Bibel, die Israel anweisen, freundlich mit den Fremdlingen umzugehen. Fremdlinge haben aber keine Selbstbestimmung.

 

 

 

Politische Verortung

Es überrascht daher kaum, dass die Politik des LIKUD-Blocks, also Begins, Netanjahus und Sharons, von Seiten dieses evangelikal-charismatischen Lagers massive Unterstützung erfährt. Dessen Brückenkopf in Israel ist die "Internationale Christliche Botschaft Jerusalem" (ICEJ). Dazu schreibt Uwe Birnstein: "Als im Juli 1980 das israelische Parlament Jerusalem zur Hauptstadt erklärte, öffneten viele Staaten ihre diplomatischen Vertretungen absichtlich in Tel Aviv. Kurz darauf öffnete die ICEJ ihre Türen in Jerusalem. Fundamentalistische Christen aus vielen Ländern bekundeten öffentlich: Israel - Du bist nicht allein. Wir beten für Dich und arbeiten Seite an Seite mit Dir!' Die ICEJ geht davon aus, dass die Wiederherstellung des jüdischen Staates auf die bevorstehende Errichtung des messianischen Reiches durch den von Juden und Christen erwarteten Messias hindeutet'. Für die israelische Regierung ist die von offiziellen Kirchen unabhängige Christliche Botschaft' eine wichtige Unterstützung.

Nicht nur wegen ihrer finanziellen Hilfe bei einzelnen sozialen Projekten, sondern auch wegen der ideologischen Rückendeckung. Bei Kongressen der ICEJ traten alle Ministerpräsidenten auf, von Menachem Begin bis Benjamin Netanjahu. Sie finden hier unkritischen Rückhalt. ‚Die vornehme, kritische und mitunter feindselige Distanziertheit der meisten orthodoxen, katholischen und protestantischen Kirchen gegenüber Israel und seiner Politik hat dazu verholfen, dass die ‚Christliche Botschaft' die der israelischen Regierung nahestehendste christliche Organisation wurde', schreibt Professor Jakob Ariel in einer Studie des David-Institutes für internationale Beziehungen.“² Entsprechend reagierten diese evangelikal-charismatischen Gruppen auf den Friedensprozess. Jeder Versuch der Verständigung mit den Palästinensern wurde als Verrat, als verurteilenswerter und zugleich illusionärer und "säkularer Humanismus" gegeißelt. Politiker wie Peres oder Rabin wurden wegen ihrer Kompromissbereitschaft scharf kritisiert. Das gipfelte 1995 im Rundbrief 3/95 der charismatischen Bewegung "Fürbitte für Deutschland" in kaum verhüllten Beifall für den Mord an Rabin, der bekanntlich von einem jüdischen Fundamentalisten verübt worden war: "Es könnte sein, dass Rabin geistlich ein Usija war, ein König, der viele Siege mit dem Herrn errang und dessen Herz treulos wurde, so dass der Herr ihn wegnehmen musste".

 

Theologische Verortung

Woher kommt nun diese christliche Begeisterung für ein Groß-Israel? Sie ist gespeist aus eigenen Endzeiterwartungen. Die besagen zweierlei: Die Wiedererrichtung des biblischen Israel ist ein Zeichen und Voraussetzung der Endzeit. Der Messias kann erst wiederkommen, wenn er in ein jüdisches Jerusalem zurückkehrt. Aber der Messias ist natürlich der neutestamentliche Jesus, zu dem sich auch die Juden letztlich bekennen und bekehren müssen. Auch dies im O-Ton der "Christlichen Freunde Israels":

 

Wir glauben, dass die Wiedereinsetzung des jüdischen Volkes in das Land Israel gemäß dem im Wort Gottes enthaltenen Versprechen geschieht und die Zeit Gottes, "Zion zu bestätigen", begonnen hat.

 

Wir wissen, dass auch die Juden nur dann ewiges Leben haben, wenn sie Jeshua als ihren Herrn und Gott er- und bekennen.

 

Enger Kontakt besteht zu sogenannten "messianischen Juden", die christlich-evangelikalen Glauben mit jüdischem Brauchtum zu verbinden suchen und die in der Vergangenheit vor allem jüdische Auswanderer aus Russland zu missionieren suchten, zum Teil deren religiöse Unkenntnis ausnutzend. Die jüdischen Gemeinden wiederum lehnen die Missionstätigkeit der "messianischen Juden" schroff ab.

 

Bewertung

Zwei zentrale Kritikpunkte machen diese Bewegung fragwürdig: Politisch ist es die Erklärung Groß-Israels zur unverhandelbaren Gottesgabe und  - darin eingeschlossen - die völlige Delegitimierung eines Prozesses "Land für Frieden". Theologisch ist es die massive Endzeit-Erwartung samt Judenmission mit Israel als Baustein christlicher Apokalyptik. Schon als Verständigung noch möglich schien, setzten diese Gruppen eher auf den endzeitlichen großen Knall. So sah es jedenfalls der Journalist Martin Kloke in den Evangelischen Kommentaren 1995: "Mit Unbehagen nehmen die frommen Israelifreunde jene den Palästinensern zugesagten Konzessionen wahr, die sich in der Formel Land gegen Frieden' verdichtet haben. Das kommt ihrer Auffassung nach der Aufgabe biblischen Landes gleich und ist daher ein unbotmäßiger Eingriff in den deterministisch vorgezeichneten göttlichen Heilsfahrplan." Wäre es zu einem israelisch-palästinensischen Verständigungsprozess gekommen, hätte dies das apokalyptische Weltbild dieser christlichen Endzeitspezialisten gehörig ins Wanken gebracht. Nochmals Kloke: "kein Groß-Israel auf dem biblisch verheißenen Boden, sondern zwei mehr oder weniger gut neben- und miteinander koexistierende Staaten; keine konfrontative Zuspitzung, keine Aussicht auf einen Dritten Weltkrieg. So hat man sich die Endzeit nicht vorgestellt. Denn, zuvor bedarf es des letzten großen Knalls; er wird als der Beginn einer läuternden Wende gedacht, in der die endzeitliche Erlösung Israels und die Erlösung der standhaft gebliebenen Christen einsetzt."³ Reinhard Hempelmann äußerte in der gleichen Zeitschrift wenige Jahre später über den christlichen

Zionismus dieser Gruppen, er werde "um den Preis der Dämonisierung der Palästinenser erkauft. Mit Berufung auf die Landverheißung wird ein Groß-Israeli-Konzept unterstützt, wie es auch in national-religiösen Kreisen in Israel lebendig ist.“4

 

Die Ausweglosigkeit dieses Konzepts zeigt sich gegenwärtig dramatischer denn je. Um so erstaunlicher ist, wie bruchlos diese apokalyptische Sicht des Nahost-Konflikts heute fortgeschrieben wird. Mein Fazit: Dieser Schulterschluss von jüdischem und christlichem Fundamentalismus ist für seriöse christlich-jüdische Zusammenarbeit keine Hoffnung, sondern ein Hindernis.

 

Anmerkungen

 

1    Vgl. www.christliche-freunde-israels.de.

2    Uwe Birnstein, Wenn Gottes Wort zur Waffe wird. Christlicher Fundamentalismus im Aufwind, Gütersloh 1999, 97.

3    Evangelische Kommentare 11/1995, 649.

4        Evangelische Kommentare 1/1999, 15.

 

Mit freundlicher Genehmigung des Autors
Lutz Lemhöfer, geb. 1948, katholischer Theologe und Politologe, Referent für Weltanschauungsfragen im Bistum Limburg.

Quelle: Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen - 66. Jahrgang   3/2003  Seite 111-113
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen

 

Weitere Informationen

Messianische Juden und christliche Fundamentalisten fest vernetzt

 

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