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"Angelika Schneider" <anka.sch(at)gmx.net
To: <Brief-aus-Israel(at)yahoogroups.de
Subject: [Brief-aus-Israel] Aktuelles aus
den besetzten Gebieten
Brief aus Israel 4.1.07
Liebe Leute,
(...)
Vor einigen Tagen ist es entschlossenen BewohnerInnen des südlich
von Bethlehem gelegene Dorf Umm Salamuna gelungen, die Arbeit von
vier Bulldozern zu stoppen, die angefangen hatten das Agrarland des
Dorfes - bepflanzt mit Oliven, Wein und anderen Füchten - für den
Mauerbau aufzureißen. Lang werden sich die israelischen Kräfte wohl
nicht aufhalten lassen, aber jeder kleine Erfolg stärkt.
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In Tel Rumeida in Hebron - Ort ständiger Belästigung und Gewalt
seitens jüdischer Siedler - ist es durch ein Gerichtsurteil
gelungen, die Shehudastraße, die seit 6 Jahren für
PalästinenserInnen (auch die Anwohner!) verboten war, wieder
zugänglich zu machen. Dafür reichte eine Kopie des Urteils, nach dem
das Verbot ein Irrtum gewesen sei, noch nicht. Es waren etliche
Telefonate und herbeigerufene Zusatzkräfte nötig, bevor die
israelische Armee und Grenzpolizei bereit waren, es anzuerkennen -
während dessen die drei Palästinenser, die mit Begleitung von
internationalen Freiwilligen sich der Straße genähert hatten,
gezwungen waren, mit den Händen gegen eine Wand gepresst zu stehen.
Bleibt zu sehen, ob die Armee sich weiterhin an das Urteil halten
wird.
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Nicht nur ist noch unsicher, ob die israelischen Behörden an die von
amerikanischen und europäischen Diplomaten weitergegebene Zusage
halten, dass PalästinenserInnen mit ausländischem Pass wie auch
andere Ausländer wieder frei nach Israel einreisen dürfen. Es ist
außerdem eine weitere, empfindliche Restriktion eingeführt worden:
Einreisende werden gefragt, ob sie vorhaben, in die Westbank zu
reisen. Wenn ja werden sie u.U. gleich an der Einreise gehindert.
Sind sie einmal im Land, müssen sie ein besonderes Visum beantragen,
um in die Westbank zu reisen - Gaza ist ihn gänzlich verboten.
Internationale, in Gaza tätige Organisation sind zudem
aufgefordert worden, ihr ausländisches Personal aus dem Streifen
zurückzuziehen. Das wird die Arbeit vieler Menschenrechtsorganisationen
empfindlich treffen. Wenn diese Doppelzüngigkeit der
israelischen Behörden von den amerikanischen und europäischen
Regierungen akzeptiert wird dann kann man wohl jede Hoffnung auf
Druck von außen begraben. Es sei denn, dass es uns - vor allem hier
in Deutschland, das ja bisher die EU Nahostpolitik in Sachen Israel
zurückgehalten hat - gelingt, auf unsere Regierung den Druck von der
Straße zu erhöhen.
Die US Regierung schätzt, dass etwa 35 000 palästinensische
US-BürgerInnen in der Westbank leben, weitere 10 000 mit anderen
ausländischen Passen. Sie bangen alle also weiter.
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In der Hebrongegend hat es ein Protestmarsch von etwa 200
PalästinenserInnen und Ausländern gegeben, gegen eine geplante
Siedlerstraße, die wiederum die Enteignung palästinensischen Landes
und neue Restriktionen für die Bewegungsfreiheit bedeuten wird. Die
Pläne verletzen sogar israelisches Recht. Die DemonstrantInnen zogen
durch starken aber willkommenen Regen bis zu einer nahegelegenen
Agrarfachschule, wo eine Kundgebung ebenfalls ungestört stattfinden
konnte.
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Immer häufiger werden MenschenrechtlerInnen in Hebron von der
Armee oder der Polizei fest gehalten, wenn sie versuchen,
PalästinenserInnen - v.a. Schulkinder - vor Übergriffen zu schützen.
In einem BBC Interview sagte die 75 jährige Australierin Mary, dass
sie häufig tätlich angegriffen wird, ferner, dass es nie möglich
sei, mit den SiedlerInnen zu reden, diese würden entweder kreischen
oder sie beschimpfen. Was geschieht eigentlich mit diesen Menschen,
die ihre Menschlichkeit völlig zu verlieren scheinen?
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Die Anarchisten gegen die Mauer haben eine Straßenblockade aus
Natodraht mitten in Tel Aviv aufgestellt, mit einem Schild
"Lebensgefahr - Militärzone".
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Bei einer relativ großen Freitagsdemo in Bil'in wurde einer der
Hauptorganisatore, Abdallah Abu Rahme durch mehrere Schüsse mit
'Gummikugeln' verletzt. Die DemonstrantInnen hatten israelische
Soldaten, die sich in 2 leerstehende Häuser im Dorf aufhielten,
gebeten, diese zu verlassen. Sie wurden mit Schlagstöcken
geschlagen, während andere außerhalb der Häuser mit Tränengas und
'Gummikugeln' beschossen wurden.
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ERfreuliche Nachricht: Tali Fahima, Israelin die seit mehr als zwei
Jahren in Haft saß weil sie mit einem Widerstandskämpfer in
Jenin Kontakt hatte, ist aus dem Gefängnis entlassen worden. Ihr
Anwalt hat sich mit den Behörden geeinigt, dass sie gegen eine
Schulderklärung freigelassen wird. Er befürchtete, dass sie
andernfalls noch jahrelang festgehalten würde. Angebliches
Beweismaterial für die erste Anschuldigung des Landesverrats - auf
den die Todesstrafe steht - ist dem Anwalt nie zugänglich gemacht
worden. Diese Anschuldigung wurde im Lauf der Zeit fallen gelassen.
Tali hat sich schließlich schuldig erklärt, "dem Feind Information
geliefert zu haben". Dies soll ein "geheimes" Luftfoto und andere
Materialien gewesen sein, die ein Soldat zurückgelassen hat und die
sie für den Leiter der Al-Aqsabrigade in Jenin übersetzt haben soll.
Sie kann allerdings weder Arabisch noch Luftfotos lesen, wogegen der
Palästinenser gut Hebräisch kann.
Der Mann, Zakariye Zbeide oder Zubeidi, hat seine Mutter, die in
ihrem Haus ein Friedenstheater organisiert hat, und Schwester bei
der Aktion verloren, das Haus wurde zerstört.
Mit 877 Tagen im Gefängnis wurde Tali bestraft, weil sie mit eigenen
Augen sehen wollte, was die israelische Armee in Jenin verursacht
hatte. Die autonomen Palästinensergebiete, darunter auch Jenin,
waren schon damals für Israelis verboten. Tali ist eine
Einzelgängerin, die keiner Gruppe angehört. Sie bereut ihre Handlung
nicht, wenn sie auch mit weiteren Repressionen, auch gegen ihre
Mutter und Schwester, die sie im Gefängnis unterstützt haben, aus
der Bevölkerung rechnen muss.
Für diejenigen, die es interessiert, hänge ich ein Interview (in
Englisch) mit Tali an, das 2004 in der Zeitschrift Ah'Ir erschien.
Es gibt interessante Einblicke in das Leben und Denken der Israelis.
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Das wärs,
Gruß, Anka
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